Archiv für den Monat: Juni 2013

Wandel oder Transformation? – Liebesgrüße aus Gütersloh

„Liebesgrüße aus Gütersloh “ von Prof. Matthias Burchardt, Universität Ludwigsburg.

„Spätestens seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts können auffällige Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft beobachtet werden: Politik, Kultur, Medien, Gesundheitswesen, Sozialsysteme, Landwirtschaft, Wirtschaft, Strafvollzug, Polizei, Kirchen, Familien und natürlich das Bildungswesen zeigen in Strukturen, Prozessen, Sprachspielen, Deutungen und Bewertungen ein gänzlich anderes Gesicht. Der vollzogene Wandel wurde in der politischen Rhetorik durch Begriffe wie Reform oder „Modernisierung“ ausgewiesen. Als Legitimation wurde – postlyotard – die große Erzählung der „Globalisierung“ bemüht, Vokabeln wie „Zukunftsfähigkeit“ erzeugten Anpassungsdruck und Thatcher’s TINA-Doktrin (There is no alternative!) gewann unausgesprochen Allgemeingültigkeit. Wie wenig diese Modernisierungsprozesse tatsächlich zur Ermöglichung von Zukunft beigetragen haben, zeigt sich an den diversen Krisen, die einerseits Folge der genannten Maßnahmen sind und gleichzeitig als Argumente für weitere „alternativlose“ Reformen herangezogen werden: ökologische Krise, Klimakrise, Überschuldungskrise, Energiekrise, Wasserkrise, Krise der Sozialsystem, Bildungskrise, Finanzkrise, Euro-Krise, Demokratiekrise, Kulturinfarkt usf.“

Hinter all diesen Prozessen steckt nicht allein die Bertelsmann-Stiftung. Aber ihr Einfluss darauf ist enorm. Welche Mittel, Methoden, Instrumente und – Personen mitwirken, beschreibt Prof. Burchardt in seinem Artikel „Liebesgrüße aus Gütersloh“ auf sehr anschauliche, bisweilen unterhaltsame Weise. Zur Lektüre wärmstens empfohlen!

Matthias Burchardt „Liebesgrüße aus Gütersloh“. Der Artikel ist erschienen in: In: Demokratie setzt aus. Gegen die sanfte Liquidation einer politischen Lebensform. Hrsg. von Ursula Frost und Markus Rieger-Ladich. Sonderheft der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Pädagogik. Paderborn 2012. S. 65-77.

Ein Sonntag im Juni oder die Ökonomisierung des Alltags


Wie endete der Artikel von Prof. Matthias Burchardt? „Noch zehrt das neue Regime parasitär von Fülle und Wärme der verachteteten alten Zeit“ (s.o.).

Lesen Sie den Beitrag „Ein Sonntag im Juni oder die Ökonomisierung des Alltags – Was tut ihr den Menschen an?“ von Pfr. Hans- Jürgen Volk über die Alltagspraxis eines Pfarrers/einer Pfarrerin als wesentlich von Beziehung geprägter Arbeit.

 

Protestantismus ohne Partizipation

Wie Partizipation heute organisiert wird um Beteiligung vorzutäuschen, beschreibt Prof. Burchardt in seinem Artikel (s.o.). Bei Burchhardt findet sich u.a. eine erhellende Passage darüber, wie Partizipation heute im Gefolge der Reformen postdemokratisch gestaltet, man könnte sagen: inszeniert wird. Man betrachte auf dem Hintergrund dieser Beschreibung die Vorgänge in den eigenen, bekannten synodalen und presbyterialen Gremien der mittleren oder der landeskirchlichen Ebenen, sowie Beiträge zum Thema des Monats Juni „Professionen“.

„…Ich selbst (Prof. Burchardt) habe bspw. an einer Schulung des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE – Bertelsmann Stiftung, Anm. F.S.) teilgenommen, bei der Führungskräfte der Universitäten darin unterrichtet wurden, wie man gewünschte Gremienentscheidungen herbeiführt – natürlich unter Wahrung des demokratischen Scheins. Schon die Zusammensetzung der Gremien beruht auf einem Schlüssel, der einerseits Mehrheiten garantieren soll, andererseits die Verlierer und Kritiker der Reform insofern einbezieht, dass sie zwar zu Wort kommen, aber keine Gestaltungsmacht entfalten können. Partizipation bedeutet allerdings nur noch, die Implementierung ausführen zu müssen; Kritik ist erwünscht, insofern diese innerhalb des Reformrahmens Optimierungen vornimmt, eine Abstimmung über den Reformrahmen selbst oder eine wirkliche Gestaltungsmacht wird den Beteiligten nicht zugestanden. Das Geheimnis der Partizipationsökonomie besteht darin, dass man einerseits auf die beteiligten als Ressource angewiesen ist, andererseits aber vermeiden muss, dass sie den Prozess selbst verhindern, oder maßgeblich gestalten. Hilfreich ist es in diesem Zusammenhang auch immer, wenn man eingespielte Strukturen zerschlägt und ein Klima von Konkurrenz und gegenseitigem Misstrauen schafft…“

Man lese diese Zeilen aber auch als Einleitung und Erläuterung zum folgenden Artikel „Protestantismus ohne Partizipation“. Diese in diesem Vorwort geschilderte Praxis kennt man auch in der EKHN zur Genüge. Aber sind die Zeiten, in denen man Prozesse solcherart kaschiert hat, jetzt vorbei? Zeigt man jetzt die Destruktion demokratischer Strukturen ungeschminkt? Der folgende Beitrag von Pfr. Friedhelm Schneider über die flächendeckende Dekanatsfusion in der EKHN unter dem Gesichtspunkt des Entzugs der Herrschaftsrechte der Basis („Alle Gewalt geht vom Volke aus“) beschreibt eine neue Stufe der Entwicklung und reflektiert die Problematik des neuen Steuerungssystems der mittleren Ebene:

Protestantismus ohne Partizipation

Syndrom Kirchenreformen nach EKD-Muster

„Was ist los in der evangelischen Kirche? Falsche Analysen führen zu paketweisen Reformmaßnahmen wie Zentralisierung und Hierarchisierung, Doppik, Fusionen auf allen Ebenen. Maßnahmen, die keinem etwas nützen, wohl aber viele Leute mit unnötigen Aufgaben beschäftigen, um nicht zu sagen: lahm legen. Das ist die Kirche der Selbstbeschäftigung in Reinkultur. Und so platzte vor einiger Zeit einem – ansonsten völlig ‚unverdächtigen‘ – Pfarr-Kollegen in kleinerer Dienstrunde, bei der über die geplante Fusion der betreffenden Dekanate gesprochen wurde, der Kragen. Vehemenz und Zitatauswahl der Äußerung lassen darauf schließen, dass bei dem gewählten Fluch…“ Lesen Sie Protestantismus ohne Partizipation.

(erschienen auch im Hess. Pfarrerblatt, 3/2013).

Wachsender Druck auf die Professionen

Auf die Professionen wächst der Druck. Den geringsten Anteil am wachsenden Druck haben externe Faktoren. Das Thema wurde in den wort-meldungen schon in einzelnen Aspekten  (vgl. 1.) gesichtet. Hier finden Sie eine Zusammenfassung und Vervollständigung.

Von Pfr. Friedhelm Schneider

  1. Gesellschaftliche-technische Entwicklung: Steigerung der Anforderungen beruflich-fachlicher Natur (übliche Entwicklungsprozesse; heute höhere Entwicklungsdynamik, die zu berufsspezifische Zusatzaufgaben wie etwa der Erziehungsfunktion bei Lehrern führen;)
  2. Personalmanagement: 2.1. Arbeitsverdichtung infolge Personalmangels, Stellenabbau, Unterbesetzung der Stellen, 2.2. Erhöhung des Leistungsdrucks (Richter: Steigerung der Fallzahlen, Ärzte: einheitliche Budgets für Krankheitsfälle, Professoren),
  3. Arbeits- und Dienstrecht: Erbringung zusätzlicher, teilweise fachfremder Leistungen und Arbeiten (Dokumentationen, Kontrollsysteme, Drittmittelbeschaffung, Verwaltung, komplizierte Abrechnungssysteme bei ÄrztInnen)
  4. Kostendruck der Institution durchgereicht an Mitarbeiter/Profession
  5. Organisationsstruktur: Verstärkte Einbindung von Ehrenamtlichkeit in Leitungsfunktion (vgl. Abschnitt „Konstruktionsfehler“) führt zu erhöhtem Aufwand für die Professionellen, Kräfteverzehr, Konflikten
  6. Arbeits- und Dienstrecht (Versetzbarkeit, Wartestand; Befristungen wie Wissenschaftszeitvertragsgesetz vgl. S.20 an Unis;, ‚Saisonverträgen‘ bei LehrerInnen)
  7. persönlicher ökonomischer Druck (Institutionsabhängige: seit etwa 2000 kein nennenswerter Inflationsausgleich beim Gehalt; Kürzungen von Gehaltszulagen wie Weihnachtsgeld, Kürzung der Mittel für Fortbildungsmaßnahmen, verzögerte Durchstufungen, etc.; bei Ärzten: div. Reglementierungen wie SGB V)
  8. Steigerung des Arbeitsaufwandes infolge von dauerhaften Reformprozessen (Umgestaltung des Arbeitsfeldes, neue Instrumente, neue Steuerungsstrukturen  etc.)

 

NKF – Pilotkirchenkreis fordert kritische Reflexion und Aufschub der Einführung

Westfalen. „Zum Thema »Einführung NKF-Westfalen« ist zu vermelden, dass die Kreissynode des Kirchenkreises Münster als Pilotkirchenkreis mit großer Mehrheit beschlossen hat, die Kirchenleitung aufzufordern, auf die Einführung des Haushaltsbuches so lange zu verzichten, bis alle theologischen und organisatorischen Fragen, die damit verbunden sind, ausführlich diskutiert und geklärt worden sind.“

vgl. dort PV Aktuell – Ausgabe 01 – 2013, S1 (klicken Sie: Jetzt herunterladen)

Professionen am Pranger

RichterInnen:

Das Internetforum des DRB zur Justizreform macht deutlich, dass durch die Äußerungen verschiedener Politiker sowie hochrangiger Beamter aus den Justizministerien und die dadurch veranlasste negative Berichterstattung in den Medien, die Berufszufriedenheit und Motivation der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte viel stärker bedroht werden als durch die Zunahme der Arbeit und die Einschnitte in die Besoldung.

Ärztinnen und Ärzte:

Die Krankenkassen treten den Ärzten nicht mehr als gleichberechtigter Partner gegenüber, sondern sie blocken in den jährlichen Verhandlungen um das Ärztehonorar. Die Atmosphäre ist vergiftet. Mit einer regelrechten Medienkampagne wird gegen die Ärzte gehetzt. Ein Beispiel: Als am 22. Mai 2012 in Nürnberg der Deutsche Ärztetag eröffnet wurde, informierten die Kassen zeitgleich die Medien darüber, dass die Überweisung von Patienten in deutsche Kliniken nicht mit rechten Dingen zugehen würde. In dem Moment, als die Führung der gesamten Ärzteschaft der Eröffnungsrede von Gesundheitsminister Daniel Bahr lauschte, empörte sich die Medienöffentlichkeit wegen angeblicher Fangprämien für Klinikeinweisungen. Überall machte das Wort von der „Ärztekorruption“ die Runde.

Diffamierungskampagnen dieser Art sind nicht neu. Neu ist aber, dass die Krankenkassen immer mehr versuchen, die Qualitätszirkel der Ärzte zu beeinflussen. Die Kassen wollen den Ärzten vorgeben, was sie zu verschreiben haben und welche Therapie angemessen ist. „Hauptsache billig“ ist die Devise. Was für den Patienten am besten ist, scheint nicht wichtig zu sein.

LehrerInnen:

Der Berufsstand der Lehrer wird seit Jahren öffentlich immer häufiger diskreditiert. Daran beteiligen sich führende Politiker, Wirtschaftsvertreter und Journalisten. Das öffentliche Image des Lehrerberufes hat darunter erheblich gelitten. Junge Leute lassen sich vom sinkenden Sozialprestige eines Berufes – wie in jedem anderen Berufsbereich auch –  beeinflussen.

PfarrerInnen:

Spätestens ab Mitte der 90iger Jahre kursiert namentlich in den Kirchenämtern/Kirchenverwaltungen der pejorativ verwendete Begriff einer „Pfarrerkirche“. Die EKD- Reformschrift „Kirche der Freiheit“ (2006) als maßgebliche Position bleibt in diesem Fahrwasser, wenngleich jegliche plumpe Begrifflichkeit vermieden wird. Prof. Isolde Karle: „Das Grundproblem des Impulspapiers im Umgang mit der Pfarrerschaft ist, dass es diese Grundsätze (gemeint: „Führung, die den Selbstrespekt, die Würde des Menschen in ihr Sinnzentrum stellt“, Anm. F.S.) verletzt und in abwertender Weise von den Pastorinnen und Pastoren spricht, von ihrer Selbstgenügsamkeit, von ihrem pastoralen Separatismus,… ihrer Selbstbezüglichkeit, den altertümlichen Pfarrherrlichkeiten, die wieder auferstünden“. Zitiert aus: Isolde Karle, Kirche im Reformstress, S. 213

Irritationen um personalpolitische Entscheidungen…

Fortsetzung der Vorruhestandsregelung in der EKvW.
Der Beschluss der Fortschreibung der Vorruhestandsregelung für Pfarrerinnen und Pfarrer in der EKvW durch die Landessynode löst manchmal Irritationen aus. Wird hier nicht ein Berufsstand privilegiert? Verlängerung der Lebensarbeitszeit einerseits per Gesetz (67 Jahre) und die Möglichkeit einer Frühpensionierung andererseits – wie passt das zusammen? Brauchen wir nicht gerade die langjährig Erfahrenen in unserer Kirche? Dies sind nur einige Anfragen. Ausgehend von der noch vorhandenen besonderen Personalsituation in der EKvW geht es im Vorlagen-Papier der Landessynode darum, eine gewisse Flexibilität auf dem „Stellenmarkt“ zu erreichen bzw. zu erhalten. Deshalb wurde dieser Weg der Fortsetzung gewählt. Schließlich ist die Zahl der Ruhestandsversetzung (Regelaltersgrenze) in den Jahren 2012-2015 mit insgesamt 48 Personen äußerst gering. Als mögliche Zielvorgaben wurden deshalb benannt:
„- Steigerung der freiwerdenden Pfarrstellen, um neu berufenen Pfarrerinnen und Pfarrer im Probedienst möglichst schnell nach Zuerkennung der Anstellungsfähigkeit die Wahl in eine Pfarrstelle zu ermöglichen
– Steigerung der freiwerdenden Pfarrstellen, um für Pfarrerinnen und Pfarrer im Entsendungsdienst sowie mit Beschäftigungsauftrag aber auch Veränderungswilligen in andere Stellen, mehr Bewerbungsmöglichkeiten zu schaffen
– finanzielle Entlastung der EKvW
– frühere Reduzierung der Zahl der im Pfarrdienst beschäftigten Personen hin zu einer an der Größe und der finanziellen Leistungsfähigkeit der EKvW orientierten Zahl an Pfarrerinnen und Pfarrer“.
Die beschlossene Verlängerung der Vorruhestandsregelung betrifft die Jahrgänge 1954-57, die bei Nutzung dieser Regelung Pensionsabstriche von mindestens7,2% hinnehmen werden. Bei einer verlängerten Regelaltersgrenze kann sich dieser Betrag um 0,3% pro Dienstmonat erhöhen. Hier sollte man sich im Vorfeld kundig machen. Der PV berät gern.

Pastoren auf dem Abstellgleis – in der Nordkirche und anderswo

Es ist ein Beruf für Berufene: Wer Pastor wird, wird dies in der Regel auf Lebenszeit. Doch Anstellung heißt nicht zwingend auch Beschäftigung. Denn als einzige Institution in Deutschland kennt die Evangelische Kirche noch den Wartestand. Viele Betroffene und Kritiker sehen diese Zeit zwischen zwei Tätigkeiten als ein Abstellgleis auf dem Weg in den Ruhestand, als Belastung und Mobbing.

 

Scheitern, ein Problem das unsere Gesellschaft nich mehr lösen kann.

„Scheitern ist das große Tabu unserer Zeit.“, schreibt Inge Kloepfer in der FAZ. Dabei ist scheitern nur „die dunkle Seite des Erfolgs“.

Inge Kloepfer zeigt in ihrem Artikel die Probleme unsere Gesellschaft mit dem Scheitern. Dabei zeigt sie deutlich, wie eine Welt ohne Gottes Zuspruch aussieht: „Noch nicht einmal Lach- und Zornesfalten, Doppelkinn oder Brustumfang werden als gott- oder naturgegeben hingenommen, geschweige denn eigener Lebenserfolg. Diese Lebenshaltung gibt dem Scheitern seine verschärfte Dramatik.“

Der Artikel lässt Psychologen und Philosophen zu Wort kommen. Doch niemand kann das Scheitern jenseits einer Mystifizierung als Vorstufe des Wiederaufstiegs integrieren. Doch gerade deshalb ist der Artikel auch lesenswert.

 

Lesen sie hier den ganzen Artikel auf FAZ-online.

Wie der Zukunftsausschuss der EKKW am Berufsbild von Pfarrerin und Pfarrer rüttelt

Ich lese derzeit ein wirklich spannendes Buch über das Pfarrhaus… in dem die Autorin eindrücklich beschreibt, wie singulär das evangelische Pfarrhaus in der europäischen Kulturgeschichte steht als Träger der protestantischen Kultur, als geistliches Kraftfeld, als künstlerisches Ferment; wie häufig war in der Geschichte das Pfarrhaus Ort der Künste und der Wissenschaft und in der jüngeren Geschichte in der DDR Schutzraum der Opposition.

In ihrem Ausblick… formuliert Frau Eichel: Es „…wird sich zeigen, ob das Pfarrhaus ein Fluchtpunkt sein kann, ein Gegenentwurf, ein Haus der Hoffnung. Und dann wird auch die Funktion des Pfarrers neu definiert werden, im Spannungsfeld von sozialem Engagement, spirituellem Charisma und seelsorgerlicher Strahlkraft. Dass sich das evangelische Pfarrhaus immer wieder neu verortet, dass es durchlässig ist für das gebotene und offen für das Notwendige, ist nicht seine Schwäche, es ist seine Stärke.“ Lesen Sie den Artikel von Dekan i.R. Lothar Grigat im Hess. Pfarrerblatt, S. 49.

 

Personalmanagement nach Bedford-Strohm und nach Huber. Ohrfeige für den Lehrer Wolfgang Huber?

Am 19. August 2012 predigte der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm anlässlich des 70. Geburtstags seines Lehrers Wolfgang Huber in Berlin und sagte in seiner Predigt Folgendes:

Es gibt keine tragfähigere Grundlage für Gelingen als die Dankbarkeit für geschenkte Freiheit. Aus dieser Perspektive heraus ist die aus bestimmten Unternehmensberatungskonzepten stammende gesellschaftliche Tendenz problematisch, nach der Erfolg vor allem oder gar allein auf Qualitätskontrolle fußt. Im Namen der Bekämpfung des Schlendrians tritt an die Stelle der Freiheit die Kontrolle. Nicht das Zutrauen in Kompetenz und Engagement der Mitarbeiter gibt den Ton an, sondern das Misstrauen. Der Nachweis über die Qualität der eigenen Arbeit stiehlt der echten Arbeit die Zeit. Der ständige Zwang zur Beweisführung über die Qualität der eigenen Arbeit wird zum Gift für die Arbeitsatmosphäre. Es tut den Unternehmen nicht gut, es tut den Universitäten nicht gut. Und es täte ganz bestimmt der Kirche nicht gut, wollten wir auf diesen Zug aufspringen. … Lasst uns die Kirche verändern! Lasst uns ihre Ausstrahlungskraft erneuern! Lasst uns das Evangelium so weitersagen, dass die Welt es hört! Aber lasst es uns aus der Leidenschaft und Begeisterung heraus tun, die die Freiheit eines Christenmenschen mit sich bringt. Alle Instrumente der Motivation, alle Methoden der Mitgliedergewinnung und –bindung, alle Personalentwicklungsprogramme für unsere Pfarrerinnen und Pfarrer werden schal und sind am Ende kontraproduktiv, wenn sie zur Hauptsache werden und sich nicht mehr nähren aus der geschenkten Freiheit.“ Lesen Sie den Beitrag von Pfr. Taig, Hof.

Zur Gegenüberstellung: In Kirche der Freiheit, unterzeichnet vom damaligen ratsvorsitzenden der EKD Wolfgang Huber, wurde formuliert:

„Unerlässlich ist es dafür, Ziele zu formulieren, Erfolge zu überprüfen und Teamfähigkeit zu fördern. Der Umfang der von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbrachten Leistung wie deren Qualität lässt sich steigern. Orientierungsgespräche, Zielvereinbarungen, 360-Grad-Feed-backs und andere Instrumente können auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirche zu Gute kommen. Auch die Mitglieder und die an der Kirche Interessierten werden das mit Freude bemerken. Die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat deshalb eine so hohe Priorität, weil die evangelische Kirche die geistliche Qualität ihrer Arbeit steigern und unter diesem Gesichtspunkt Leistung fördern möchte.“ (KdF, S. 65).

Also eine Ohrfeige für den Lehrer?