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EK im Rheinland – EKiR

Synode EKiR: nächste Stufe im Wettbewerb um die Finanzressourcen der Kirche: Grundlegende Veränderung der Kirchenmitgliedschaft in der EKiR. Von Manfred Alberti, Pfr. i.R.

01/2017, Manffred Alberti

Kritische Anmerkungen zur Vorlage/Drucksache 24 der Landessynode 2017

Die Rheinische Landeskirche stellt die Kirchenmitgliedschaft ihrer Gemeindeglieder auf eine neue Grundlage: Zukünftig soll jedes Gemeindeglied frei wählen können, zu welcher Gemeinde es gehören will und wer seinen Kirchensteueranteil bekommt. Das ist die Konsequenz der auf der Landessynode im Januar 2017 zu behandelnden Vorlage 24 zur Zulassung neuer Formen von Gemeinden. In Zukunft soll es nicht nur die normalen Parochialgemeinden geben, zu denen alle Gemeindeglieder gehören, die in einem bestimmten Gebiet wohnen, sondern es sollen gleichberechtigt Personalgemeinden entstehen, zu denen sich Gemeindeglieder frei ummelden können. Personalgemeinden können Gemeinden mit einer bestimmten theologischen Ausrichtung sein, z.B. sehr fromm, mit konservativer Liturgie, Jugendgemeinden oder auch fremdsprachige Gemeinden. Gleichzeitig sollen aber auch Gemeinden sich als Profilgemeinden (mit besonderen geistlichen, kirchenmusikalischen, kulturellen oder jugendbezogenen Schwerpunkten) profilieren, um daran interessierte Personen für sich anzuwerben. Die Rheinische Landeskirche nimmt mit dieser grundsätzlichen Änderung der Gemeindemitgliedschaft eine Anregung der EKD-Schrift „Kirche der Freiheit“ von 2006 auf, die „die frei gewählte Zugehörigkeit der Kirchenmitglieder zu einer bestimmten Gemeinde“ ebenso wie den „Wettbewerb unter den Gemeindeformen und -angeboten“ empfiehlt. Damit wird den Gemeinden erstmals die Möglichkeit eröffnet, durch Abwerben von Gemeindegliedern anderer Gemeinden neue Gemeindeglieder und neue Finanzmittel zu bekommen. Umgemeindungen waren auch bisher möglich, hatten aber keine Auswirkungen auf die Kirchensteuerzuweisung.
Was beim ersten Hören wie ein wünschenswerter Fortschritt in Richtung auf Offenheit, auf bessere Orientierung an den Wünschen der Gemeindeglieder und auf gesunden Wettbewerb klingt, offenbart aber sehr schnell gravierende Nachteile.

Zentrale Aufgaben einer Kirche sind die Verkündigung des Evangeliums und daraus folgend die diakonische Arbeit. Beide Aufgaben entziehen sich aber einem Wettbewerb um neue Gemeindeglieder. Verkündigung kann und muss auch anstößig sein und darf sich nicht den Wünschen von Gemeindegliedern unterordnen. Diakonische Arbeit und auch Seelsorge geschehen im Stillen und eignen sich nicht als Werbeträger, um neue Gemeindeglieder von außerhalb zu gewinnen.

Wenn aber Gemeinden, um ihre Existenz zu sichern, ihr Profil nach werbewirksamen Gesichtspunkten ausrichten müssen, dann verändert sich die evangelische Kirche. Innenstadtgemeinden mit repräsentativen Kirchen, begnadeten Predigern, mit exzellenter Chorarbeit und öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen werden leicht Gemeindeglieder aus anderen Gemeinden und Kirchenkreisen abwerben können. Immerhin ließe sich mit einhundert abgeworbenen Gemeindegliedern eine Halbtagskraft für die eigene Gemeindearbeit finanzieren. Gemeinden in sozialen Problembezirken mit diakonischen Schwerpunkten oder seelsorglich ausgerichtete Gemeinden können dagegen kaum etwas Werbewirksames ausstrahlen: Sie sind die Verlierer, die zudem ihre sozial besser gestellten Gemeindeglieder leicht an die attraktiven Innenstadtgemeinden verlieren. Die Starken werden stärker, die (sozial) schwachen Gemeinden werden noch schwächer. So verändert sich Kirche: Von einer solidarisch verbundenen Gemeinschaft der Gemeinden zu einem zerstörerischen Wettbewerb einer gegen den anderen.

Damit verändert sich auch die Arbeit der Pfarrer und Pfarrerinnen. Ob man es will oder nicht: Die Zahl der abgemeldeten oder der neu angeworbenen Gemeindeglieder wird zum Maßstab für die Qualität der pfarramtlichen Arbeit. Auch hier sind die diakonisch und seelsorglich engagierten Pfarrerinnen und Pfarrer die Verlierer: Ihre gute Arbeit im Sinne des Evangeliums hat keine öffentlichkeitswirksame Relevanz. Sie werden sich immer wieder vor Gemeindegliedern, Presbytern und ihrem vorgesetzten Superintendenten rechtfertigen und mit andauernden Diskussionen um einen „Trainerwechsel“ leben müssen. Eine gedeihliche evangeliumsgemäße Gemeindearbeit kann unter solchem Wettbewerb nicht gelingen.

Die Zukunft: Pfarrer werden einen nicht unerheblichen Teil ihrer Arbeitszeit dem Werben um alte und neue Gemeindeglieder widmen müssen. Trauungen Auswärtiger nur noch nach Gemeindewechsel, Chancen auf einen Kindergartenplatz nur für Gemeindeglieder, Chor- und Frauenhilfsmitglieder aus anderen Gemeinden sollten sich und möglichst ihre Familien ummelden, damit die Arbeit auch nächstes Jahr noch fortgeführt werden kann. Verwandte, Bekannte und Freunde der Pfarrerin von außerhalb werden sich zu einer Umgemeindung gedrängt fühlen, um die Pfarrstelle zu sichern. Und es wird Streit in Familien getragen, ob man nun zu der Gemeinde gehören will, in deren Chor die Mutter singt, oder ob man lieber die tolle Jugendarbeit einer anderen Gemeinde unterstützen möchte, von der der Sohn so begeistert ist. Vielleicht teilt sich die Familie auf oder man wechselt nächstes Jahr wieder. Die Verwaltung freut sich über viele neue Arbeit.

Unvermeidlich wird der Gemeindewettbewerb auch Streit zwischen benachbarte Gemeinden bringen: Neid, Eifersucht, Verärgerung und Streit lassen sich im Konkurrenzkampf nicht vermeiden. Aus einer Kirche sich solidarisch finanzierender Gemeinden wird eine streitende Kirche. Der konkurrierende Streit der Gemeinden zerstört viel Attraktivität und stößt ab.

Den Wettbewerb der Gemeinden dadurch anzufachen, dass sie durch neue Gemeindeglieder mit ihren Kirchensteueranteilen zusätzliche Finanzmittel bekommen können, dürfte manche Kirchenkreise in eine Zerreißprobe führen. Der Wettbewerb um Gewinne hinterlässt Verlierer. Die Verkündigung des Evangeliums eignet sich nicht für Konkurrenzkämpfe wie in der Wirtschaft oder im Fußball: Es darf keine erste Bundesliga öffentlichkeitswirksamer Großstadtgemeinden geben, während die Gemeinden mit gemeindegliedernaher seelsorglicher und diakonischer Arbeit in der Kreisklasse spielen. Sofern sie überhaupt überleben können. Denn die EKD empfiehlt für die kleiner werdenden (Verlierer-) gemeinden, sie doch als Regionalgemeinden zusammenzufassen.

Anscheinend hat die EKD – Mitgliedschaftsanalyse von 2014, die sehr deutlich die (parochiale) Ortsgemeinde als weitaus wichtigste Verknüpfung der Gemeindeglieder zu ihrer Kirche herausstellte, im Rheinland noch keinen Widerhall gefunden. Erstaunlich, wo sich selbst führende Köpfe der EKD inzwischen längst von dem Denkmodell der „Kirche der Freiheit“ von 2006 mit ihren vermeintlich werbewirksamen Leuchtfeuern losgesagt haben.
Hinweis: Eine kritische Bestandsaufnahme der EKD-Reformen „Kirche der Freiheit“ von 2006 mit ihren Auswirkungen auf die Gemeinden in verschiedenen Landeskirchen (Z.B. der EKiR) finden Sie in dem Buch von Gisela Kittel / Eberhard Mechels (Hg): Kirche der Reformation? Erfahrungen mit dem Reformprozess und die Notwendigkeit der Umkehr, neukirchener theologie, Göttingen 2016
LS 2017, Drucksache 24
Vorlage der Kirchenleitung an die Landessynode

… 4. Öffnung für neue Formen
Zu diesem Zweck eröffnet die Landessynode neben der vertrauten Organisationstruktur
der Kirchengemeinden die Option, in neuen Formen Gemeinde
zu sein. Diese neuen Gemeindeformen sind Gemeinden, die den Kernbestand
des evangelischen Gemeindeverständnisses (siehe C 1) erfüllen,
und die sich jenseits der Kirchengemeinde im Sinne von Art. 5.1 (Parochie)
im Laufe der letzten Jahrzehnte gebildet haben und bilden. Sie sind durch
die Gruppenzugehörigkeit ihrer Gemeindemitglieder (Frömmigkeitsstile,
gemeinsame Sprache und/oder Herkunft, persönliche Lebensumstände,
kulturelle Milieus, gemeinsam geteilte Arbeitswelt, Zugehörigkeit zu einer
bestimmten Generation) oder einen besonderen kirchlichen Ort (z.B. Citykirche)
begründet. Neben der Organisationsform der Kirchengemeinde werden
für neue Gemeindeformen folgende Modelle (5.1.- 5.4.) ermöglicht.
5. Modelle in Ergänzung zur Parochie…  Mehr dazu.

EKiR: Teure Umbauprojekte lassen die Gemeinden verarmen. Trotz steigender Kirchensteuereinnahmen. Immer weniger Geld für die Arbeit mit Menschen.

11/2016, Von Hans-Jürgen Volk

Die Finanzlage zahlreicher Gemeinden und etlicher Kirchenkreise – zumal in strukturschwachen Regionen des Rheinlandes – ist mittlerweile alarmierend. Immer weniger Geld ist vorhanden für die Arbeit vor Ort mit den Menschen. Dass dies trotz einem Allzeithoch bei den Kirchensteuereinnahmen geschieht, ist ein deutlicher Hinweis auf fragwürdige kirchenpolitische Entscheidungen der rheinischen Kirche. Indizien sprechen dafür, dass Finanzdruck bewusst als kirchenpolitisches Instrument eingesetzt wird, um Strukturveränderungen zu erzwingen. Hinter einer freundlichen Fassade verbergen sich oft subtil-autoritäre Strategien und Verhaltensweisen, die einer christlichen Kirche unwürdig sind.

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Never ending story: NKF in der EKiR. Heute: „Offizielle Bankrotterklärung“

Das Neue Kirchliche Finanzwesen läuft in der EKiR auch nach seiner Einführung immer noch nicht rund

Beitrag vom 29. September 2016 von Andreas Reinhold

…Die Einführung des Neuen Kirchlichen Finanzwesens (NKF) auf landeskirchlicher Ebene hat laut Abschlussbericht der Kirchenleitung mehr als das Dreifache von dem gekostet, was ursprünglich veranschlagt war (offiziell knapp 20 Mio Euro, es kursieren jedoch auch weit höhere Zahlen), es gibt weiterhin erhebliche Probleme mit der gewählten Software, die ständig verbessert werden muss, weshalb man über einen Systemwechsel in 2019 nachdenkt, und überhaupt bestehe „unverändert Skepsis, ob der finanzielle und personelle Aufwand der Einführung lohnend war.“
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EKiR: Die Reform der Reform der Reform. Dargestellt anhand der Diskussion in etlichen Kirchenkreisen.

03/2016

z.B. Kirchenkreis Duisburg

„Einmütig wurde festgestellt, dass der Druck auf die Mitarbeitenden und die zu bewältigende Aufgabenfülle zunehmen, die Arbeitsunzufriedenheit der Mitarbeitenden in einem Besorgnis erregenden Ausmaß zunimmt, die Unzufriedenheit der Mandanten mit der Leistung des Verwaltungsamtes ebenfalls deutlich steigt und die Kosten gemessen an der Finanzkraft der Mandanten zu hoch sind. Eine Überprüfung der Arbeitsabläufe und eine möglicherweise daraus folgende Neuorganisation des Verwaltungsamtes wurden für unumgänglich gehalten…“ Weitere Voten aus etlichen Kirchenkreisen.

EKiR: Rheinische Kirche erlaubt Trauung für Homo-Paare.

01/2016

Bad Neuenahr, Düsseldorf (epd).

Homosexuelle Paare können in der Evangelischen Kirche im Rheinland künftig genauso vor den Traualtar treten wie Eheleute. Die Synode der zweitgrößten deutschen Landeskirche beschloss am 15. Januar in Bad Neuenahr die völlige Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und verheirateten Paaren. Die nordrhein-westfälische Emanzipationsministerin Barbara Steffens (Grüne) begrüßte diese Entscheidung als «großen Schritt».
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EKiR Synode 2016: „Zu spät“. Von Pfr. i.R. Manfred Alberti

01/2016

„Zu spät! – Die Macht der Verwaltungsleiter ist gesetzlich zementiert! – Da brauchen wir gar nicht mehr darüber zu reden! – Ihre Anträge sind damit erledigt!“
So lautet – mit meinen Worten zusammengefasst – die klare Antwort der Kirchenleitung der EKiR auf mehrere Anträge von Kreissynoden für die Landessynode vom 10. bis 16. Januar 2016, die gerne in dem Verwaltungsstrukturgesetz einzelne Verantwortlichkeiten wieder in die Presbyterien oder die Kreissynodalvorstände zurückgeholt hätten (Fundweg: www.ekir.de/ueberuns/Landeskirche/Landessynode/Landessynode 2016/Dokumente/Drucksachen/DS 1 I 1 S. 3ff). Zwar könnten, so die Antwort, gemeindlichen oder kreissynodalen Fachausschüsssen evtl. beratende und begleitende Aufgaben zugewiesen werden, aber Entscheidungsträger ist und bleibt der Verwaltungsleiter. Da sei die Gesetzeslage in dem 2013 verabschiedeten Verwaltungsstrukturgesetz eindeutig und so gewollt.
Eine ganz bittere Quittung bekommen die Gemeinden und Kirchenkreise nun dafür, dass die Landessynode in den vergangenen Jahren kaum bewusst und kaum diskutiert durch das Verwaltungsstrukturgesetz die Machtverhältnisse in der Kirche gravierend verschoben hat: Nicht mehr Presbyterien oder Kreissynodalvorstände und ihre Vorsitzenden sind die Entscheidungsträger, sondern die Verwaltungsleiter der zwangsweise zusammengelegten Verwaltungen von Gemeinden, Kirchenkreisen und Werken. Ihnen ist ausdrücklich gesetzlich das Recht zugeordnet, über Ausgaben der laufenden Verwaltung zu entscheiden. Ob damit der Rahmen von 1000 Euro oder vielleicht 10 000 Euro pro Ausgabe gemeint ist, kann die Kreissynode beschliessen: Das Entscheidungsrecht im Rahmen solcher Grössenordnungen kann den Verwaltungsleitern weder ein Presbyterium noch ein Kreissynodalvorstand entziehen. Wer weiss, wie wenig verfügbare Finanzmasse einem Presbyterium jährlich überhaupt zur Verfügung steht, erkennt schnell, dass hier eine zentrale Entscheidungsverantwortung der Presbyterien ausgehebelt wurde.
Ausserdem, so befürchtet der Kirchenkreis Köln – Rechtsrheinisch wohl nicht zu Unrecht, besteht die große Gefahr, dass immer mehr Verwaltungsstellen zu Lasten verkündigungsrelevanter Dienste eingerichtet werden: also Verwaltung ausgedehnt und Gemeindearbeit eingeschränkt wird. (DS 1 I 3 S. 5ff)
Bei Anträgen mehrerer Kirchenkreise wird deutlich, dass sie zugunsten der Presbyterien und Kreissynodalvorstände Entscheidungskompetenzen wieder von der Verwaltungsleitung lösen möchten. Aber mit manchmal sehr klaren und harten Worten wird den beantragenden Kirchenkreisen mitgeteilt, dass ihre Anträge noch nicht einmal die Landessynode beschäftigen sollen – sie gelten mit dieser Antwort als erledigt (Antrag Essen DS 1 I 1, S. 3 ff). Verwaltungsmacht pur. Eigentlich müsste es im Sinne des reformatorischen Selbstverständnisses unserer Kirche sinnvoll sein, Verwaltungsaufgaben kostengünstig durch Ehrenamtliche erledigen zu lassen (Antrag Solingen DS 1 III 28, S. 55) oder Fachausschüssen Verantwortung und Entscheidungskompetenz zu übertragen (Antrag Essen DS 1 I 1, S. 3 ff), doch das Verwaltungsstrukturgesetz legt alle relevante Entscheidungsmacht in die Hände der Verwaltungsleiter.
Dass solche Machtzusammenballung problematisch ist, lässt der Antrag des Kirchenkreises Gladbach – Neuss durchklingen, wenn er vorschlägt, dass die Kirchenleitung zur „entschlossenen Verschlankung der aufgeblähten Verwaltungsvorschriften“ einen Ausschuss von erfahrenen aber vor allem unabhängigen (!) Verwaltungsfachleuten einsetzen soll (DS 12, Nr. 9, S. 4). Es kann nicht sachdienlich sein, wenn Fachleute selbst über ihre eigene Machtfülle entscheiden dürfen und so leicht zu ganz egoistischen, aufgeblähten Lösungen kommen.
So deutet der Kirchenkreis Gladbach – Neuss indirekt ein zentrales Dilemma an: Verwaltungsfachleute sind zwar nicht Juristen, aber sie sind die Fachleute für Gesetze und Verordnungen: Die meisten Presbyter, Synodalen und Theologen sind auf die Fachkenntnisse ihrer Verwaltungsleiter angewiesen. Wenn die Verwaltungsfachleute in der Synode Gesetze erarbeiten und niemand genau und kritisch hinschaut, welche Macht hier auf die Verwaltung übertragen wird, dann kann diese Macht unter der Hand faktisch fast grenzenlos werden.
Am Beispiel: Presbyterien und Kreissynodalvorstände haben noch das Recht, den Haushalt aufzustellen. Doch anders als früher ist das mit dem Neuen Kirchlichen Finanzwesen eine so komplizierte Angelegenheit geworden, dass nur die Verwaltung selbst in der Lage ist, den Haushaltsplan aufzustellen, und Presbyter, Pfarrer und Synodale ihn weitgehend fast nur noch abnicken können. Über die konkreten Ausgaben eines einmal beschlossenen Haushaltsplanes hat aber im Rahmen der laufenden Verwaltung der Verwaltungsleiter das ihm ausdrücklich gesetzlich zugestandene Verfügungsrecht. So ist die Leitungsmacht von Synoden und Presbyterien entgegen allem presbyterial-synodalen Selbstverständnis unserer Kirche weitgehend auf die Verwaltungsleiter übergegangen.
Einzelnen Verwaltungsleitern ist das immer noch nicht genug. (Andere sehen das ganz anders.) Sie möchten ihre Macht auch nicht mehr durch bestehende Verwaltungsordnungen einschränken lassen. So hat die Synode des Kirchenkreises Wuppertal, dessen Verwaltungsleiter Mitglied der Landessynode und einer der Verfasser des Verwaltungsstrukturgesetzes ist, 2014 einen Antrag an die Landessynode gestellt, dass einige Verwaltungsleiter Reformexperimente durchführen können, ohne sich diese vorher vom Landeskirchenamt genehmigen lassen zu müssen. „Die Kirchenleitung wird weiterhin beauftragt, die vorhandenen Genehmigungsvorbehalte für die Modell-Verwaltungsstrukturen zu minimieren bzw auszusetzen…“. (LS 2015, DS 12, Nr. 56, S.30) Bedeutet das nicht, dass faktisch sich damit der Verwaltungsleiter selbst über Recht und Gesetz stellen will, selbst alleine die Entscheidungsmacht haben möchte, was in seinem Kirchenkreis an Rechtsverordnungen gilt? Sollen Verwaltungsleiter im Rahmen eines Experimentes alles selbst ändern dürfen? Bedeutet das nicht, dass der Verwaltungsleiter sich als der Fürst des Kirchenkreises sieht: über Recht und Gesetz stehend, niemandem untertan, nicht einmal den für alle anderen geltenden Verordnungen der Landeskirche?
Was für eine Hybris, was für eine Überheblichkeit! Der Verwaltungsleiter ist Angestellter (oder Beamter) des Kirchenkreises, er ist nicht von den Gemeinden synodal gewählt und beauftragt und soll nun über Recht und Gesetzen stehend alleine verantwortlich sein? Was für ein Irrweg von Leitungsverantwortlichkeit!
Gesetze, Rechte und Verordnungen haben immer auch eine Schutzfunktion für Schwächere. Sonst brauchte es sie nicht zu geben. Wie kann man auch nur überlegen, dem Starken zu erlauben, sich seine Rechte selbst zu verordnen und sei es probehalber auf Zeit?
Jetzt rächt sich im Rheinland, dass für viele Theologen die Verwaltung kein theologisches Thema ist. So konnte die Verwaltung nahezu unbemerkt und nahezu undiskutiert die kirchliche Machtkonstellation im Rheinland zu ihren Gunsten umdrehen: Von presbyterial-synodalen Gremien und deren Vorsitzenden auf die Leiter bzw die Leiterinnen der mittleren Verwaltungsebene. Man hat geschickt die entscheidenden Stellschrauben (Z.B. „Entscheidungen über laufende Verwaltung“) so verändert, dass die Verwaltung faktisch über nahezu alles bestimmen kann. Personal, Gebäude, Finanzen… alles von Gemeinden und Kirchenkreis ist Teil der Verwaltung und damit dem Verwaltungsleiter unterstellt. Presbyterien und Synoden sind so in ihrer Verantwortung weitgehend ausgehebelt worden. Und wenn Synoden oder Presbyterien noch die Verantwortung für wichtige Entscheidungen behalten haben (Haushaltspläne) oder sie sich ausdrücklich vorbehalten, dann liegen alle Vorarbeiten so im Verantwortungsbereich des Verwaltungsleiters, dass er seine Vorstellungen leicht durchsetzen könnte.
Presbyterien und Kirchenkreise sind faktisch dem Verwaltungsleiter unterstellt. Vielleicht sind die bald nicht einmal mehr durch landesweit geltende Verordnungen geschützt, wenn der Verwaltungsleiter sie im Rahmen eines Experimentes einfach selbst verändern darf.
Wer vor zwanzig Jahren eine solche Machtverschiebung von Gemeinden, Presbyterien, Kreissyndalvorständen und Superintendenten zur Verwaltung vorausgesagt hätte, dem wäre sicher der Besuch bei einem guten Arzt angeraten worden. Heute ist es Realität.
Theologisch eigentlich undenkbar, weil die Verwaltung kein theologisches Thema ist: Weder kommt sie in der Bibel vor, noch erwähnen sie die Bekentnisschriften als Leitungsorgan, noch haben je Kirchenordnungen Verwaltungen mit Leitungsfunktionen ausgestattet, die die Verantwortung von presbyterial-synodalen Gremien faktisch verdrängen. Kirchengeschichtlich ohne Vorbild, weil Verwaltung immer dienende Aufgaben hatte, niemals herrschende oder leitende.
Aus den deutlichen Voten der Anträge der Kreissynoden wird ersichtlich, dass die aufgeblähte Verwaltung in den Kirchenkreisen wohl das landeskirchliche Reizthema der nächsten Jahre sein wird.
Die mit dem Verwaltungsstrukturgesetz hervorgerufenen Probleme treten immer deutlicher zutage: Es gibt trotz hoher Besoldung sowohl im Bereich der Rechnungsprüfung (DS 17 B 1, S. 2ff) als auch im Bereich der allgemeinen Verwaltung bei weitem nicht genug ausreichend qualifiziertes Personal (LS 2015: DS 19 und Beschluss 65): Verwaltungsleute mit zweiter kirchlicher Verwaltungsprüfung sind nicht in genügender Anzahl und Güte verfügbar oder persönlich nicht gewillt, eine solche weitreichende Verantwortung zu tragen: Man muss Leute aus der staatlichen und kommunalen Verwaltung anwerben. Wie sollen solche Leute „ohne kirchlichen Stallgeruch“ die ihnen nun durch Gesetz zugeschriebene Leitungsverantwortung für Gemeinden, Kirchenkreise und kirchliche Werke alleine wahrnehmen, die früher viele Presbyterien, Pfarrer, KSVs und Superintendenten getragen haben? Theologie ist völlig draussen und überflüssig. Kirche ist auf dem Weg, in den Griff einer reinen Verwaltungshierarchie zu geraten. Gemeinden und Kirchenkreise stehen in die Gefahr, zu Managementobjekten zu werden wie jeder x-beliebige Wirtschaftskonzern mit seinen Filialen.
Als Lösung hilft m. E. nur eine Konsequenz: Möglichst bald das Verwaltungsstrukturgesetz von 2013 radikal umzugestalten, die theologischen Implikationen zu überdenken, das Gesetz neu zu formulieren und die unevangelische und unreformatorische Machtfülle des Verwaltungsleiters, der ja ausserhalb der presbyterial-synodalen Leitungsstruktur steht, grundsätzlich zu kappen.

Zum Schluss noch zwei Anmerkungen zu anderen Themen der kommenden Synode:
– Deprimierend zu lesen ist der Abschlussbericht zur NKF – Einführung (DS 23) mit vielen offenen Fragen und der unverhohlenen Skepsis, ob sich die bis jetzt ca. 20 Millionen Euro teure Umstellung (allein für die zentrale Steuerung – ohne Kirchenkreise und Gemeinden) mit hohen Personalbelastungen und vielen Enttäuschungen wirklich gelohnt hat, zumal „angesichts einer uneinheitlichen Buchungspraxis zwischen Kirchenkreisen und der Landeskirche keine Gesamtübersicht über die wirtschaftliche Lage zu erreichen sein wird.“ (DS 23, S.16). Damit dürfte eine zentrale Hoffnung zerstört sein. Obwohl ein offizieller Abschlussbericht selbstverständlich viel danken und loben und vieles positiv sehen muss, wird zwischen den Zeilen sehr deutlich: Für viele ist NKF ein teurer Flop.
– Etwas Ermutigendes (DS 2, Punkt 5 zur Kirchenordnung Art. 142) zum Schluss: Endlich gibt es Klarheit, wer die Synode leitet, wenn die Arbeit der Kirchenleitung Thema ist. Nach allem erstaunlichen Hin- und Herlavieren der letzten Jahre, wie die Kirchenleitung doch indirekt die Plenumsleitung behalten und regeln könnte, ist das Ergebnis erfreulich eindeutig: Der oder die dienstälteste Superintendent/in wird damit beauftragt. Das können Präses oder Kirchenleitung festlegen oder kann die Synode selbst so beschliessen.

EKiR-Synode 1/2016. Aus dem Abschlussbericht der KL zum NKF-Einführungsprojekt.

01/2016

…2. Ziele mit NKF

Diese Beurteilung des Projektes anhand der im Projektauftrag formulierten
Kriterien greift allerdings zu kurz, da sie die qualitative Dimension des Erreichten
weitgehend ausblendet. Die nach wie vor begrenzte Akzeptanz des
NKF ist vor allem auf Defizite in diesem Bereich zurückzuführen. Vielfach
wird die Relation zwischen Einführungsaufwand und Nutzen des NKF unverändert
in Zweifel gezogen. Insbesondere konnte eine angestrebte Verbesserung
im Bereich der strategischen Steuerung bislang nicht realisiert werden. …
Die Mehrbelastungen des kaufmännischen Buchungsbetriebs
im Verwaltungsalltag sind demgegenüber deutlich spürbar.
Der Nutzen des NKF ist vor diesem Hintergrund vielfach noch schwer vermittelbar….

4. Budegetentwicklung
Kosten: Summe 18.359.976,65 €…
Nicht seriös bezifferbar sind die dezentral entstandenen Kosten der NKF Einführung…

5. Bilanz der Einführung aus Sicht der Kirchenkreise

Vielfach beklagt wird der dauerhaft gestiegene Verwaltungsaufwand, der mit
der Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens verbunden ist. Dieser
Mehraufwand ist in den verschiedenen Verwaltungsämtern unterschiedlich.

In Blick auf Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüsse.
In der Mehrzahl der Fälle wird der Stand als „kritisch“ betrachtet,
Ein uneinheitliches Bild zeigt sich beim Umstellungserfolg bezogen auf die
Haushaltsplanung. Überwiegend wird der Status mit „ambivalent“ angegeben…

7. Fazit
Die Einführung des Neuen Kirchlichen Finanzwesens in der Evangelischen
Kirche im Rheinland war in der Projektphase eine Kraftanstrengung sowohl
für das Projektteam als auch für alle Projektbeteiligten in den Verwaltungen
und in den Leitungsorganen. Dies hat erkennbar negativ auf den Krankenstand
und die Fluktuation in den Verwaltungen gewirkt…
Daneben besteht allerdings unverändert Skepsis, ob der finanzielle und personelle
Aufwand der Einführung lohnend war. Dies gilt insbesondere, weil
angesichts einer uneinheitlichen Buchungspraxis zwischen Kirchenkreisen
und der Landeskirche keine Gesamtübersicht über die wirtschaftliche Lage
zu erreichen sein wird und weil die Möglichkeiten zur Steuerung inklusive
der Linken Seiten des Haushaltsbuchs kaum genutzt werden….
Die Etablierung der neu eingeführten Systeme und
Systematik im Rechnungswesen wird mittelfristig eine Herausforderung für
die Evangelische Kirche im Rheinland bleiben.

klicke Drucksache 1: Bericht der KL.

vgl. dazu: Studien zur Doppik/NKF: „nicht unerhebliche Reformkosten, hoher interner Umstellungsaufwand und laufender Mehraufwand“ und

Finanz-Tohuwahbohu in der EKiR nach der Einführung der Doppik

 

 

 

Domestizierung von PfarrerInnen in der Hannover’schen Landeskirche und der EKiR.

10/2015

Hannover‘ sche Landeskirche:

„…In aller „Freiheit“ wird geleitet: Kirche habe kein Regelungsdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit, sagte neulich ein Jurist im LKA. Mir scheint, es gibt auch ein erhebliches Defizit an klaren nachvollzíehbaren Regeln, leider fast immer zulasten der PastorInnen. Es sind ja eben nicht faule, unfähige KollegInnen, sondern meistens die profilierten, kreativen, aktiven, ja auch widerständigen und kritischen KollegInnen, die in Konflikte geraten. Inzwischen aber auch zunehmend kranke, angeschlagene, ausgebrannte, depressive Amtsgeschwister…“ Mehr dazu.

 

EKiR:
Seit wir Anfang Juni an die Öffentlichkeit gegangen sind, bekommen wir immer wieder Zuschriften von Pfarrer/innen, Presbyter/innen und kirchlichen Mitarbeiter/innen, die sich zwar positiv zu den Zielen dieser Initiative äußern, sich aber vorerst nicht aktiv beteiligen wollen. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass man für ein über den üblichen Dienst gehendes Engagement keine Kapazitäten mehr frei hat. Denn es mehren sich die Rückmeldungen, die einen Grund nennen, der mich sehr nachdenklich stimmt und dem bisher kaum öffentliche Beachtung geschenkt wurde: Kritische Stimmen zu den Reformprozessen sind – nicht nur innerhalb der EKiR – scheinbar unerwünscht.  Mehr dazu.

 

 

EKiR: schon heute 8% der Gemeindepfarrstellen und 9% aller Pfarrstellen vakant. Besetzung von 53% der heutigen Pfarrstellen 2030 scheint ambitioniert.

07/2016, wort-meldungen

Schon heute können 8% der Gemeindepfarrstellen in der EKiR nicht mehr besetzt werden., vgl. den Zahlenspiegel der EKiR. Üblich sind 3% unbesetzte Stellen, damit die Rotation der Stelleninhaber gewährleistet bleibt.

D.h: in der EKiR gibt es schon heute einen Pfarrermangel – bevor die Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge 2017ff beginnt.

Reduktion der Pfarrstellenzahl (gesamt) von heute 1980  bis 2030 auf 1000 Pfarrstellen. Doch selbst dieses Ziel scheint ambitioniert:

„Die EKiR tagte Anfang Januar in Bad Neuenahr und beschloss viele der angekündigten Sparmaßnahmen. Interessant für uns war vor allem die Personalpolitik, die mit einem Rückgang der Pfarrstellen bis 2030 auf immer noch 1000 Stück plant. Um dieses Ziel zu erreichen, werden noch viel mehr Abiturienten als bisher für das Theologiestudium gewonnen werden müssen.“ Zur Quelle.

Kommentar von Hans-Jürgen Volk:

Die Situation in der EKiR ist demnach noch deutlich dramatischer, was man hier nachvollziehen kann: http://www.ekir.de/www/ueber-uns/statistik.php (Statistik zur Synode 2015, Heft C – insbesondere Seite 3).
Hieraus geht hervor, dass von 1,991 Pfarrstellen (Einschließlich Funktionsdienste und MBA-Stellen) 179 vakant sind, also insgesamt 9%. Von 1.247 Gemeindepfarrstellen sind 98, also 7,9% unversorgt. Von 662 Funktionspfarrstellen sind 78 (11,8%) nicht besetzt.

Aus dem Dokument geht hervor, dass sich diese Situation in den kommenden Jahren dramatisch verschärfen wird. Gab es 1990 noch 1.187 rheinische Theologiestudenten, waren es 2014 ganze 117 (S. 20). Noch bedenklicher wird das Gesamtbild, wenn man einen Blick auf die Altersstruktur der rheinischen Pfarrerschaft wirft (S. 12). Danach wird in etwa 4-5 Jahren die Zahl der Pensionierungen sprunghaft ansteigen, um dann etwa 2022, 2023 ihren Höhepunkt zu erreichen. Vor allem in strukturschwachen Regionen der EKiR ist die pfarramtliche Versorgung spätestens dann ernsthaft gefährdet.

Leider gibt es in der EKiR immer noch zu Viele, die den Pfarrdienst vorrangig unter Kostengesichtspunkten wahrnehmen und die Dramatik nicht erkennen, geschweige denn, praktikable Strategien entwickeln.