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Arbeitsrecht

Öffnen – aber wie? Deutsche Bischöfe ringen um das Kirchen-Arbeitsrecht.

Von Christoph Renzikowski (KNA 23.4.2015)

München (KNA) Zwei aktuelle Fälle in Bayern haben das kirchliche Arbeitsrecht diese Woche erneut in die Schlagzeilen gebracht. In Holzkirchen durfte die Leiterin eines katholischen Kinderhortes nicht in dieser Funktion weitermachen, nachdem sie angekündigt hatte, sich mit ihrer Lebensgefährtin offiziell verpartnern zu wollen. In München bestätigte das Landesarbeitsgericht die Kündigung einer Erzieherin der Diakonie Neuendettelsau, die in ihrer Freizeit Pornos gedreht und veröffentlicht hatte. Das ging selbst dem sonst relativ liberalen evangelischen Arbeitgeber zu weit….

Während in den Medien die Kritik am kirchlichen Arbeitsrecht ein Dauerbrenner ist, kommt von der deutschen Rechtsprechung her kaum Reformdruck. Erst im vergangenen Oktober bestätigte das Bundesverfassungsgericht die kirchlichen Regeln und entschied: Es fällt unter das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, ihren Bediensteten solche Loyalitätspflichten aufzuerlegen. Die weltlichen Gerichte könnten nur prüfen, ob die Kirche ihre eigenen Regeln auch korrekt anwende.

Das Karlsruher Urteil war Wasser auf die Mühlen jener Minderheit von katholischen Bischöfen und Generalvikaren, die vor einer übereilten und unausgegorenen Lockerung der Vorschriften warnen. Seither ist die Diskussion wieder aufgeflammt…  Mehr dazu.

Pyrrhussieg führt zu neuem Arbeitsrecht.

von Martin Schuck

Es mutet seltsam an: Da bekommt die katholische Kirche Ende letzten Jahres vor dem Bundesverfassungsgericht Recht und darf von ihren Bediensteten verlangen, ihre Lebensführung so zu gestalten, dass sie katholischen Vorstellungen entspricht. Konkret ging es um die Kündigung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus, nachdem dieser nach einer Scheidung wieder geheiratet hatte. Nach katholischem Recht ist eine Ehe unauflöslich und eine Wiederheirat deshalb nicht möglich; wird sie dennoch vollzogen, lebt der wiederverheiratete Geschiedene in schwerer Sünde und muss von einem katholischen Arbeitgeber nicht weiterbeschäftigt werden.
Wenige Monate, nachdem das Bundesverfassungsrecht im Sinne der katholischen Kirche geurteilt hat, ändert der Verband der Diözesen Deutschlands seine „Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse“ und lässt den katholischen Einrichtungen größere Spielräume für den Umgang mit Bediensteten, die den Loyalitätsforderungen in ihrer Lebensführung nicht entsprechen. Die wichtigste Änderung in der Neufassung besteht darin, dass bei Nichterfüllung der Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, wie bisher, automatisch die Kündigung erfolgt, sondern nur dann ausgesprochen wird, wenn eine konkrete Prüfung des Einzelfalls ergibt, dass „ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis“ zu erwarten ist. Nicht geprüft wird bei Pastoralreferenten, Religionslehrern und bischöflichen Beauftragten; ihnen droht weiterhin automatisch die Kündigung.
Die Neuordnung beschränkt sich darauf, die bisherige Zwangsläufigkeit der Kündigung durch eine Erweiterung der Ausnahmeregelungen abzumildern. Nach wie vor gilt, dass alle in einer katholischen Einrichtung Beschäftigten gemeinsam dazu betragen, „dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann“. Die jetzt beschlossene Lockerung ist deshalb keine grundsätzliche Abkehr überkommener Überzeugungen, sondern lediglich eine Kurskorrektur aus pragmatischen Erwägungen. Beobachter stellen schon länger fest, dass die katholische Kirche und vor allem die Caritas in ihren Einrichtungen händeringend nach Fachkräften suchen und dabei immer weniger nach der Konfession fragen. Von daher war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Pyrrhussieg, denn es nährte die Befürchtung, dass aufgrund der damit bestätigten Rechtslage sich immer weniger qualifizierte Personen der restriktiven Praxis in katholischen Einrichtungen aussetzen würden.
Gerade die liberalere Haltung gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen dürfte aber der Grund dafür sein, warum nicht alle Bischöfe die neue „Grundordnung“ in ihrer Diözese übernehmen wollen. Wenn Wiederverheirate in der kirchlichen Dienstgemeinschaft geduldet werden, gibt es keinen Grund mehr, sie bei der Eucharistie weiterhin auszuschließen.

aus: „Evangelischer Kirchenbote. Sonntagsblatt für die Pfalz“, Ausgabe 20/2015 vom 15. Mai, Abruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Verrat an der Aufklärung. Prof. Dieter-Jürgen Löwisch und Petra Hitze zum BVG Urteil zum Arbeitsrecht der Kirchen.

Leserbrief von Prof. Dieter-Jürgen Löwisch und Petra Hitze, Düsseldorf in der SZ, 03.12.14 zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Arbeitsrecht der Kirchen.

Der Leserbrief bezieht sich auf die Artikel „Kirchen dürfen leichter kündigen“ und „Noch mal gewonnen“ vom 21. November in der SZ:

Was in Karlsruhe entschieden worden ist, ist für den geistesgeschichtlich Interessierten – trotz und gerade auch wegen Reichskonkordat und Landeskonkordat – ein Verrat an den Ergebnissen der weltwirksamen Aufklärungsepoche und zugleich eine Missbilligung der Menschenrechte. Es ist bekannt, dass formalrechtliche Entscheidungen nicht nur juristische Differenzen beenden, sondern dass auch der Jurist dabei ohne Moral auskommt. Und so heißt es auch konsequenterweise bei Matthias Drobinski, dass es in Karlsruhe ein erwartbarer Sieg für die Kirche war. Erwartbar, weil gegenwärtig Justiz wie Politik ihre jeweiligen Geschäfte mehr pragmatistisch verwalten statt innovativ inhaltlich gestalten. In diesem Fall wurden daher gegenseitige Rechtstitel auf pragmatisch formale Weise abgewogen, wobei es zu inhaltlichen Schieflagen kommen musste…. Zum Leserbrief.

Erster Manteltarifvertrag zwischen ver.di und diakonischem Werk

Bisher sperrte die Kirche Gewerkschaften aus. Doch nun wurde in Niedersachsen der erste Manteltrarifvertrag zwischen ver.di und dem diakonischem Werk ausgehandelt. Herausgekommen ist ein Arbeitskampf light. Kirchliche Mitarbeiter besitzen eine Sperrminorität im Schlichtungsverfahren, dürfen aber nicht streiken.

Ob der Abschluss ein Erfolg wird, muss sich noch zeigen.

Zur Quelle

Alles gut im Arbeitsrecht der evangelischen Kirche und ihrer Diakonie?

von verdi am 17. Juni 2014

Am 26. Mai 2014 berichteten wir über die Auseinandersetzung des Rates der Stadt Oldenburg und des Oberbürgermeisters mit der Bundeskanzlerin Merkel und der katholischen Kirche. Jetzt hat mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Dr. Schneider auch die evangelische Kirche auf den Oldenburger Bürgermeister reagiert.

In seinem Brief an den Oberbürgermeister weist Dr. Schneider die Kritik an den Arbeitsbedingungen in Betrieben der evangelischen Kirche zurück, räumt aber ein, dass in einigen Arbeitsverhältnissen durchaus nicht tolerierbare Situationen der Dienstgeber existieren, die im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verändert werden müssen.

Jonas Höpken, Stadtrat Oldenburgs von der LINKEN, hat auf den Verband der Vorsitzender des Rates der EKD reagiert und ebenso ein Antwortschreiben versandt. Zu den Quellen.

Evangelische Kirche will 2014 ihr Arbeitsrecht reformieren

Im kirchlichen Arbeitsrecht sollen ab 2014 neue Regeln gelten.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat dazu eine Gesetzesreform erarbeitet, die die Synode im November in Düsseldorf verabschieden soll. Bei der Kirche und ihrer Diakonie sind bundesweit 677.000 Menschen beschäftigt. Die Gewerkschaft ver.di lehnt das neue Gesetz ab.

Mit dem neuen Kirchengesetz, das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, sollen die Vorgaben umgesetzt werden, die das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in seinem Urteil vom 20. November 2012 zum Tarifrecht der Kirchen gemacht hat.

Somit wären die erzielten Lohnvereinbarungen für alle kirchlichen und diakonischen Einrichtungen verbindlich und dürften nicht unterschritten werden. Lohnabschlüsse könnten sowohl in kircheneigenen Arbeitsrechtlichen Kommissionen als auch in sogenannten kirchengemäßen Tarifverträgen zustande kommen.

Kirchengemäß heißt: Tarifkonflikte sind im Konsens zu lösen, Streiks sind verboten…

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