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Postmoderne

Religiosität und Sinnsuche in modernen Gesellschaften

3.6.2013; von Geert Hendrich, Bundeszentrale für politische Bildung

Fast 70 Prozent der Deutschen bezeichnen sich als „religiös“. 28 Prozent bekennen sogar, „tief religiös“ zu sein, während für eine „nur“ gleich starke Gruppe Religion keine Rolle spielt. Es sind solche Zahlen des Religionsmonitors von 2008,[1] die in der Öffentlichkeit den Eindruck befördert haben, unsere modernen, säkularen Gesellschaften erlebten eine Renaissance des Religiösen, zumal auch weltweit der Einfluss von religiöser Orientierung zunimmt. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die gleichzeitige Krise, in welche die (westliche) Moderne selbst geraten ist: Zum einen scheint es, als hätten „die großen säkularen Rahmenerzählungen der modernen Welt (…) die Versprechen, die sie in die Welt gesetzt haben, irgendwie nicht eingelöst“.[2] Fortschritt und Wachstum, Freiheit und Selbstbestimmung, Demokratie und Humanismus bieten als „weltliche Sinnangebote“ (Gerhard Gamm) keine ausreichende Orientierung mehr. Zum anderen haben die gesellschaftlichen Auswirkungen der Modernisierungsgeschichte in der allgemeinen Wahrnehmung an Bedrohlichkeit eher zugenommen: Die Welt scheint nicht friedvoller und sicherer, nicht humaner und gerechter geworden zu sein. Es ist also zunächst nicht verwunderlich, wenn in der Folge das Thema „Religion“ als Angebot, in „einer entzauberten Welt besser zurechtzukommen“ (Gamm), wieder aktuell geworden ist. Mehr dazu.

EKHN: Ex- Kirchenpräsident Steinacker geht das Gutmenschentum „auf die Nerven“

Der frühere Kirchenpräsident der EKHN, Peter Steinacker, schrieb einen Artikel in der Ev. Sonntagszeitung (Nr. 48 / 2013). Darin lästert er über das „Gutmenschentum“.

Darauf antwortet Pfr. und Kabarettist Hans-Joachim Greifenstein, Bensheim, in einem Leserbrief am 05.01.14:
„Welchen Aussagewert hat die Frage, was Peter Steinacker vom »Gutmenschentum im Protestantismus« hält? Was soll ein Ex-Kirchenpräsident und Systematikprofessor denn darauf antworten? Vielleicht: »Finde ich prima« oder »Gehört halt auch irgendwie dazu …«? Natürlich kanzelt »Peter der Große« das Gutmenschentum ab mit: »… geht mir auf die Nerven.« (…) Und was ist mit Gutmenschentum genau gemeint? (…) Wenn man zu viel in Dritte-Welt-Läden einkauft? Oder wenn ich etwas Humanitäres mit mehr Konsequenz verfolge als es irgendeinem existenzialistischen Sesselpupser gefällt? Und: Was wäre das Gegenteil? Ginge ich Peter Steinacker weniger auf die Nerven, wenn ich ein Befürworter des »Bösmenschentums« bin? Und was genau sollte ich dann lieber lassen? Ich halte den Ausdruck für eine neokonservative Nebelgranate, mit dem Ziel gesellschaftskritische Haltungen schlecht zu machen. Warum taucht diese abgelutschte Phrase im meiner Sonntagszeitung auf? Und: Was würde Niemöller dazu sagen? Noch eine aktuelle Nachfrage: Nelson Mandela, war das eigentlich auch ein Gutmensch oder nicht? Und was ist mit Ursula Trautwein und ihren Anti-Apartheidfrauenhilfsfrauen? »Kauft keine Früchte der Apartheid« war damals der Schlachtruf dieser Nervensägen. Im Synodenprotokoll kann man epische Redeschlachten zum »Antirassismus-Programm« des Ökumenischen Rats der Kirchen nachlesen und wie die Kirchenleitung dafür geprügelt wurde, dass sie seinerzeit 100 000 Mark dafür zur Verfügung gestellt hat. »Unterstützung terroristischer Gewalt« hieß es damals. Spitze Schreie von Leuten, die sich jetzt vor Mandela verbeugten. Den Begriff »Gutmensch« hatte man damals noch nicht zur Hand. Eher gab es ein »Geh doch rüber!« zu hören. Manche Begriffe wandeln sich in Zeit und Raum. Blöd bleiben sie trotzdem.“

Wer den Leserbriefautor noch nicht kennt, aber eine Vorstellung haben möchte, vgl.  die letzte NEWs dieser Woche zum 1. Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer(!)kabarett.

Gnadenlose Postmoderne – theolgische Beurteilung einer Epoche

 

Gnadenlose Postmoderne

Postmoderne, so zitiert der Autor Prof. Chr. Schwöbel, Tübingen, den französischen Soziologen Lyotard „bedeutet, daß man den Meta-Erzählungen keinen Glauben mehr schenkt“

Spirituelle Folge, so der Autor, ist der Verlust der Gnade, d.h. die Erfahrung eines Angenommenseins und -werdens durch
Gott, das vor und jenseits aller eigenen Leistung und Rechtfertigung liegt… Zum Vortrag von Prof. Schwöbel, Uni Tübingen.

 

Postdemokratie?

„Postdemokratie“ ist das Monatsthema der Wort-Meldungen im Wahlmonat September 2013. Etabliert hat diesen Begriff Colin Crouch mit seinem gleichnamigen Essay aus dem Jahr 2004, das 2008 in deutscher Übersetzung erschienen ist.

Auch hier geht es uns darum, möglichst viele Informationen und Aspekte zusammenzutragen. Kirchliche Entwicklungen der letzten Jahre, die von zurückgehenden Partizipationsmöglichkeiten und TOP-Down-Strategien geprägt waren, werden ebenfalls thematisiert.

Eine Fülle von gutem Material zum Thema bietet die Bundeszentrale für politische Bildung, das Sie hier finden.

Soziale Utopien – Das Scheitern meiner Generation

„Die amerikanischen und europäischen Intellektuellen meiner Generation, die zwischen 1925 und 1930 geboren wurden, haben glanzvolle Karrieren gemacht und internationale Aufmerksamkeit gefunden. Wir besaßen einigen Einfluss in der Politik und dachten, dass es so weiter gehen werde… Unsere Nachkriegsdebatten für eine bessere Welt sind den Menschen heute so fern, als wären wir Altertumskundler, die über Papyrusrollen streiten. Was ist aus unseren Idealen geworden?“

FAZ Interview mit Normann Birnbaum.

 

 

Kirche ist kein Thema mehr für Hans-Joachim Maaz ?

Hans-Joachim Maaz, Psychater und Psychoanalytiker aus Halle/ Saale , lange Zeit Chefarzt des Diakoniekrankenhauses Halle und bekannt geworden durch seine DDR-Kritik, sieht in seinem neuesten Buch: „Die narzistische Gesellschaft. Ein Psychogramm„, Verlag C.H. Beck, München 2012 die gegenwärtige Politik und Gesellschaft  als  narzistischen Kompensationsprozess. Er fragt: „Was ist unsere Demokratie noch wert, wenn die Spekulanten der Finanzwirtschaft über die gesellschaftliche Entwicklung entscheiden? Wenn bloße spekulative Bewertungen an der Börse die reale und redliche Arbeit von Millionen Menschen rein virtuell vernichten können, sind wir gesellschaftlich auf dem Niveau eines Spielcasinos angekommen.  Und wer sind die Märkte, die die Politiker vor sich herjagen, weshalb ist die reale Macht an irrationale Prozesse abgegeben worden? Meine Antwort lautet: Wenn selbstwertgestörte Menschen in die Politik gehen, um ihr narzistisches Defizit durch Macht aufzuwerten, sind sie nicht ihrer selbst mächtig, sondern gejagt vom Erfolgszwang, der ihnen von außen diktiert wird. Und dort entfalten vor allem die versammelten Kräfte narzistisch begründeter Gier ihre Wirkungsmacht, um den Mangel an Selbstwert ein ‚goldenes‘ Kostüm zu schneidern.“

Die Rolle der Kirchen wird in dem Büchlein nicht erwähnt, wohl aber an verschiedenen Stellen Erfahrungen von Seelsorgern angesprochen, die in einem Atemzug mit Psychologen und Therapeuten genannt werden.

Prof. Christoph Schwöbel: Gnadenlose Postmoderne

Postmoderne „bedeutet, daß man den Meta-Erzählungen keinen Glauben mehr schenkt“ (Lyotard)

Spirituelle Folge, so der Autor Prof. Chr. Schwöbel, Tübingen, ist der Verlust der Gnade, d.h. die Erfahrung eines Angenommenseins und -werdens durch Gott, das vor und jenseits aller eigenen Leistung und Rechtfertigung liegt…