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Finanzpolitik

EKHN: Finanzanalyse und -prognose des Finanzdezernenten. Vergleich 2005 und 2015. Kirchenstrategie oder Prognosestratgie.

11/2015

Finanzanalysen und -pognosen kann man auch unter literarkritischen Gesichtspunkten
als Texte analysieren. Dann fallen über ein Jahrzehnt hin deutliche Struktur-Parallelen
auf: in einem ersten Abschnitt wird die zurückliegende, tatsächlich positive Entwicklung
erwähnt. In einem zweiten Abschnitt wird dann dargelegt, dass diese zurückliegenden
Ergebnisse untauglich sind für die Grundlage einer Zukunftsprognose.

EKHN Jahresbericht 2005/2006,S. 7:
„Die Analyse zeigt ein ähnliches Bild wie 2005: Deutliche
Mehreinnahmen bei der Kircheneinkommensteuer, die
von Unternehmen in der Rechtsform einer Personen-
gesellschaft gezahlt wird, überkompensieren die
weiterhin rückläufigen Kirchenlohnsteuerzahlungen, die
auch die demografische Entwicklung bei den Mitgliedern
widerspiegeln.

Das wird sich aller Voraussicht nach in Zukunft
ändern. Die vorhandenen Prognosen sahen bei einem
mittleren Szenario hinsichtlich Wirtschaftswachstum,
Arbeitsmarktkenndaten und Inflationsrate voraus,
dass die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Jahr-
zehnte nicht mehr geeignet sein wird, die strukturellen
Probleme bei der Mitgliederentwicklung zu kompensieren.
Geht man für das Gebiet der EKHN von einem Mitglieder-
rückgang bis 2025 von insgesamt 16 Prozent oder
0,9 Prozent pro Jahr aus, wird dies vor dem Hintergrund
eines mittleren wirtschaftlichen Szenarios zu einem
durchschnittlichen Rückgang der Kirchensteuer-
einnahmen um zirka 3,5 Mio. Euro pro Jahr führen.“

Jahresbericht 2014/2015, S.6
„Wir können in der EKHN also nicht mehr von einem
negativen Langfristtrend sprechen. Die durch den Mit­
glieder­rückgang ausgelösten Effekte wurden in den letzten
Jahrzehnten durch Wirtschafts- und Steuerwachstum
überkompensiert.

Es ist allerdings absehbar, dass diese
Kompensationseffekte künftig in diesem Umfang nicht
mehr eintreten können, denn die Altersstruktur unserer
verschiebt sich, und das werden wir auch
finanziell zu spüren bekommen – spätestens in den
20er-Jahren, wenn die geburten­starken Jahrgänge in den
Ruhestand treten.“

Immer wieder neu gilt: „Die Zukunft hält allerdings erhebliche Herausforderungen bereit.“

Kommentar F.S.:

Bei einem Vergleich ist inhaltlich interessant:
a. die Prognose von 2006 mit einem Rückgang der Kirchensteuereinnahmen nominell um 3,5 Mio € hat die tatsächliche Entwicklung grandios verfehlt. 2005 lagen die Kirchensteuereinnahmen bei 360 Mio. €. Sie dürften dann 10 Jahre später noch bei ca. 325. Mio. € liegen. Tatsächlich lag sie aber bei 490 Mio. €. Das könnte sich für alle Beteiligten in der Praxis sehr angenehm anfühlen, wenn, ja wenn die Haushaltspolitik sich dieser tatsächlichen positiven Entwicklung angepasst hätte. Hat sie aber nicht. Und daran zeigt sich – besser: das ist ein starkes Indiz dafür – dass der Zweck der Prognose nicht darin liegt, zukünftige Entwicklungen tasächlich abzubilden. Denn das können sie sowieso nicht. Der Zweck liegt in der Umsetzung eines Downsizing-Konzeptes, wie es nicht nur in der Kirche, sondern in dieser Zeit auch in anderen Institutionen, den Kommunen, dem Staat, üblich war – und noch immer üblich ist. Hier wird ebenfalls gekürzt und abgebaut – in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen.
b. Dieses Downsizing-Konzept hat sich nicht geändert. Das zeigt sich auch an der anhaltenden Prognosestrategie. Daher wird man auch bei aktuellen Prognosen  unterstellen, dass sie nicht ernsthaft daran interessiert sind, die zukünftige Entwicklung abzubilden. Der Finanzdezernent ist allerdings heute nicht mehr so naiv konkrete Entwicklungszahlen langfristig  anzugeben wie vor 10 Jahren – s.o. ca. 3,5 Mio. p.a.
c. Spannend ist aber doch, dass die Begründung für den prognostizierten Rückgang in Zukunft ebenfalls  anders erfolgt als 2006. Heute wird nicht mehr abgestellt auf den Mitgliederrückgang. Eine Behauptung, die ja zuvor schon von der Wissenschaft widerlegt war. Heute wird abgestellt auf den Übergang der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Diese Entwicklung ist sicher nicht zu widerlegen. Aber  sie ist ja wieder nur eine unter mindestens 4 anderen Komponenten, die Einfluss auf die tatsächliche Entwicklung ausüben.

Kirchenstrategie oder Prognosestrategie.
Das eigentliche Problem besteht darin, dass Prognosen keine theologisch-soziologisch begründete Leitungsstrategie der Kirche ersetzen können. Genau das aber wird fortgesetzt betrieben. Und genau das ist das eigentliche Problem!

Das wurde von mir schon einmal in einem Artikel im Deutschen Pfarrerblatt ausgeführt:

„Dazu ein paar wenige Blitzlichter. Strategie: »Eine gute Strategie ist unabhängig von der Möglichkeit, Prognosen zu machen … Das ist eine der wichtigsten Prinzipien der Architektur einer Strategie – dies deshalb, weil die Zukunft nicht prognostizierbar ist – sie war es nie34. Und sie wird es nie sein.« Man vergleiche nur die erheblichen Unschärfen von Prognosen schon im Nahbereich als Anschauungsmaterial. …  Dabei ist der Begriff nicht umgangssprachlich zu verwenden, sondern im Sinne einer langfristigen Orientierungsgröße. Das gilt dann selbstredend auch für eine gute kirchliche Strategie. Kirchliche Mitarbeiter bestätigen dies immer wieder.“

Man würde den Tag herbeisehen, an dem der Finanzdezernent und Leiter der Kirchenverwaltung eine theologisch-soziologische Theorie als Basis der Finanzpolitik macht. Und falls er das nicht kann, müssten das die Theologen  der Kirchenleitung für ihn übernehmen. Und dann wäre einiges in der Leitungsfunktion der Kirche zurechtgerückt, was in den zurückliegenden Jahren zur Fehlentwicklung wesentlich beigetragen hat. Dass nämlich versucht wurde, allein oder in der Hauptsache mit Finanzgrößen zu steuern. Dies Experiment ging schief. Und daraus sind Konsequenzen zu ziehen. Dann, und nur dann, würde Aussicht auf Erfolg eines echten Kirchenmanagements bestehen.

 

Was ist los in der Evanglischen Bank ?

11/2015

„…Vorstand und Aufsichtsrat wurden auf der Generalversammlung einstimmig entlastet, auch dem Jahresabschluss und der Verwendung des Jahresüberschusses stimmten die anwesenden Mitglieder ohne Gegenstimme und Enthaltung zu. Wie Katzenmayer ferner bekanntgab, wird Vorstandsmitglied Marco Kern die Bank zum 1. Oktober verlassen, da er die Möglichkeit habe, Vorstandsvorsitzender einer Volksbank in der südlichen Pfalz zu werden….“

Anm. F.S.: Wenn ein Vorstandsmitglied die Bank verlässt um zu einer Volksbank in der südlichen Pfalz zu werden, dann gönnt man dem Menschen selbstverständlich die beschauliche Zukunft. Man wird aber fragen: hängt ein solcher Wechsel auch mit den Zuständen in der – frisch fusionierten – Ev. Bank selbst zusammen?

„Mit nicht abnehmender Sorge müssen wir feststellen, dasss die „Anfangsprobleme“ der Umstellung auf Doppik auch nach 10 Monaten mitnichten behoben sind.“ Synodenvorlagen zur Herbstsynode der EKHN.

10/2015

Dekant Wiesbaden: Drucksahe Nr: 78/15

Mit nicht abnehmender Sorge müssen wir feststellen, dasss die „Anfangsprobleme“ der Umstellung auf Doppik auch nach 10 Monaten mitnichten behoben sind.
Die Regioalverwaltung hat eine 13 DIN A 4-Seiten umfassende Aufstellung der Defizite, Unklarheiten und Regelungsbedarfe erstellt. Diese Aufstellung zeigt, dass auf der Basis von Doppik eine ordnungsgemäße Rechnungs- und Haushaltsführung zur Zeit nicht möglich ist.“… Mehr dazu.

Die Dekanatssynode Idstein fragt: 

„Welche offenen Punkte der Pilotprojekte sind abgearbeitet?“

Schon im Frühjahr 2015 brachte das Dekanat Bergstraße folgende Vorlage in die Synode ein:

„Die Kirchenverwaltung hat dafür Sorge zu tragen, dass den Kirchengemeinden und Dekanaten keine finanziellen oder rechtlichen Probleme auf Grund der Einführung des neuen Rechnungswesens entstehen, die die Kirchenverwaltung zu veranworten hat.“

Die KL antwortet auf die unbefriedigenden Ergebnisse der Pilotprojekte durch das

Kirchengesetz zur Verlängerung der Erprobung des kaufmänn. Rechnungswesens

A. Problemlage:…Im Rahmen der Erprobung in den beiden Pilotregionen traten Schierigkeiten in einem nicht erwarteten Umfang auf. Die Anwendung der vorgesehenen Softwarefunktionen gelang nur zum Teil. Es zeichnete sich u.a. ein vorübergehend (…, Anm. F.S.) erhöhter Personalbedarf ab… Entsprechend kam die Evaluierung… u.a. unterstützt durch das beratungsunternhemen PriceWaterhouseCoopers zu dem Ergebnis, dass eine Flächendeckende Einführung … für das haushaltsjahr 2016 noch nicht empfohlen wird…“

D. Finanzielle Auswirkungen:
…wird mit Mehrkosten von insgesamt 4,4 Mio. € gerechnet.Diese Mehrkosten sind nur zu einem geringen Teil durch die Verlängerung der Erprobungsphase bedingt…“

Mehr dazu.

Anm. F.S.: Im Frühjahr 2013 beschloss die Synode der EKHN die Einführung der Doppik in der EKHN. Sie setzte dabei auf eine Softwarelösung, die zuvor in der EKiR deutliche Schwächen zeigte – um das vorsichtig auszudrücken, vgl. hier. Wir wissen nicht, in wieweit die jetzigen Kostensteigerungen mit diesem – voraussehbaren – Problem in Zusammenhang stehen. Hier fehlt es den Angaben der EKHN an Transparenz. Was aber interessiert ist ebenfalls die Höhe der Kostensteigerung. Bei einem Beschluss von ehemals 9 Mio. € wird jetzt eine Erhöhung um 4,4 Mio. € mitgeteilt. Das ist also eine Steigerung von 50%. Allerdings darf man – wie üblich – davon ausgehen, dass dieser Angabe keine Vollkostenrechnung zugrunde liegt. Die wahren Kosten und die tatsächliche Steigerung also noch höher anzusetzen ist! Aufgrund er genannten Umstände war das vorhersehbar.

 

 

Stiftung Kiba (Kirchbaustitung) der EKD

10/2015, auf der Seite der Stiftung wird folgendes berichtet:

„Die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland (Stiftung KiBa) wurde 1997 gegründet. Getragen wird sie von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ihren Gliedkirchen. Ziel der Stiftung KiBa ist es, möglichst viele Kirchen in Deutschland instand zu halten, sodass sie als Orte des Gebets und der Gemeinschaft, der Kultur und Geschichte von vielen Menschen erlebt und genutzt werden können. Die Stiftung unterstützt evangelische Kirchen im gesamten Bundesgebiet, und besonders Kirchgebäude im dörflichen Umfeld in den östlichen Bundesländern. Bis heute hat die KiBa mehr als 760 Förderzusagen für Sanierungen in Höhe von über 20 Millionen Euro geben können. Allein in diesem Jahr sind Förderungen für 70 Projekte mit einem Gesamtvolumen von rund einer Million Euro geplant. Mit der Instandsetzung einer Kirche werden oft ganze Dorfgemeinschaften mit neuem Leben erfüllt.“

Anm. F.S. ein bisschen Statistik hilft, den Text zu verstehen: die Stiftung existiert seit rund 20 Jahren; in dieser Zeit hat sie 20 Mio. € ausgeschüttet. Die Stiftung schüttet also pro Jahr 1 Mio. € aus. Die Landeskirchen besitzen etwa 20.000 Kirchengebäude. Wurden 760 Projekte gefördert, dann erhielt etwa jedes 25. Kirchengebäude eine Förderung; und zwar über (durchschnittlich) 25.000.- €. Das sind vielleicht 5 % der Kosten einer mittelprächtigen Kirchensanierung.  Alle 500 Jahre erhält also jedes Kirchengebäude eine solche Zuwendung durch die Kiba.

Um nicht missverstanden zu werden: wir wollen die Sache nicht vollständig madig machen. Auch eine Million p.a. ist ja nicht nichts. Man vergleiche aber den Betrag mit den Summen, die die Kirchengemeinden bei Renovierungsmaßnahmen in früheren Zeiten bzw. auch heute noch durch Kollekten und Sammelaktionen* zusammen brachten, war und ist in der Regel deutlich höher. Und kann nicht nur alle 500 Jahre pro Kirche eingesammelt werden. Im Vergleich mit der Ausschüttung der Stiftung war das herkömmliche Finanzierungssystem also überaus wirksam.

Angesichts solcher Ergebnisse sollte man den Stiftungshype, dem die Finanzdezernenten der EKD über Jahre hin frönten (und teilweise noch immer frönen), einmal einer nüchternen Effizienzanalyse unterziehen. Auch das wäre  eine sinnvolle Aufgabe für die Rechnungsprüfungsämter.

* Seitdem Menschen von Fundraising-Lehrgängen der Kirche nach Hause kamen und dann die neu gewonnene Erkenntnis verbreiteten, alle Gemeindearbeit sei letztlich Fundraising, vermeide ich diesen Anglizismus.

Über den schleichenden, heimlichen Abzug der Finanzmittel von den Gemeinden und der Basis in der EKHN.

09/2015, von Friedhelm Schneider

Die EKHN der Nachkriegszeit hatte aus der Tradition der BK stammend eine gegnüber Amtskirchen stark gemeindeorientierte Grundordnung bekommen. Man kann von einem starken Zentrum mit flachen Hierarchien sprechen. So erfolgte der Einzug der Kirchensteuer  – anders als in der EKiR – zentral durch die Gesamtkirche. Wie auch die Anstellung und Besoldung der PfarrerInnen. Entsprechend war dann auch die Haushaltssystematik gestaltet. In der groben Version eines EKHN_1974_Mittelverwendung aus 1974:
– Mittel für Gemeinden
– Mittel für Landeskirche (inkl. der Pfarrbesoldung)
– Mittel für die EKD

Als nun Ende der 60iger Jahre die erste Bürokratisierungswelle die EKHN erfasste und die Gemeinden in finanzieller Hinsicht zu schwächen drohte, fasste die Synode der EKHN Anfang der 70iger Jahre den folgenreichen Beschluss, dass 50% der Kirchensteuermittel an die Gemeinden zuzuweisen seinen. Die Gemeinden erhielten demnach in der Folge 50% der Kirchensteuermittel zur freien Verfügung. Zusätzlich erhielten sie als Leistung – verbucht im Haushalt der Gesamtkirche EKHN – den Pfarrdienst. (Setzen wir Gemeindepfarrdienst inkl. Versorgungsleitstungen mit 25% (s.u. Jahresbericht 2002/03) an, dann erhielten die Gemeinden tatsächlich das Gros der Mittel, nämlich damals in den 70igern ca. 75% der Kirchensteuern.)

Dieser Beschluss der Kirchensynode der EKHN wurde bisher nicht revidiert, er ist also noch immer in Kraft: 50 der Kirchensteuermittel an die Gemeinden. Und er wird auch nominell noch umgesetzt. Allerdings bei deutlich geänderter Haushaltsystematik. Über die schleichende nominelle Uminterpretation geben die Jahresberichte der EKHN, herausgegeben seit 2000, Aufschluss.
Die bei Beschlussfassung gültige Systematik (s.o.) wird noch eingehalten ins Jahr 2002, allerdings wird dort die Quote des immer noch gültigen Synodenbeschlusses der 70iger Jahre mit 42,7% für Gemeinden und Dekanate um ca. 7% verfehlt:
2002/03

Kirchengemeinden und Dekanate:                                                             42,7%

Gesamtkirchliche Personalausgaben, darunter
Pfarrer (inkl. Altersvorsorge und Versorgung)                                         23,9%
s. S. Jahresbericht 2002/03, S.63

 
Die Quote von 50% gemäß Synodenbeschluss wird bald darauf wieder erreicht, ja sogar leicht übertroffen werden, allerdings unter Einbeziehung der Pfarrgehälter in die Zuweisungen für Gemeinden und Dekanate, also unter Abänderung der Haushaltssystematik. Sie werden zwar noch im landeskirchlichen Haushalt geführt, jetzt aber in einer veränderten Systematik für die Öffentlichkeit präsentiert. Ergebnis: die Zuweisungen an die Gemeinden sind de Fakto im Vergleich zu den 70iger Jahren um ca. 25% (eben die Kosten für die Pfarrgehälter) gesenkt worden:

2005/06

Kirchliche Arbeit auf Gemeinde- und Dekanatsebene:                             56,2%

s. S. Jahresbericht 2005/06, S.60

Diese neue Systematik wird bislang beibehalten, wobei die Kosten für den administrativen Teil (auch Gebäudeinvestitionen) ständig anwachsen. Der Anteil für die Pfarrbesoldung wird nun gar nicht mehr separat angezeigt. Dabei ist gerade das eine überaus wichtige Größe und – Steuerungskennziffer. Die eigentlichen Leistungen für das Gemeindeglied und die Öffentlichkeit also immer weniger sichtbar und erlebbar sind.

2014

Kirchengemeinden/Dekanate/Gemeindepfarrdienst et. al.:                     52,4%

s. S.Jahresbericht 2014, S. 78

 

 

Nordkirche: Aufregung auf dem Land: Pfarrstellen sollen wegfallen. Werden einer kranken Kirche „immer mehr Körperteile amputiert“?

vom 29. April 2015, Schleswiger nachrichten

HAVETOFT | Die vielen kleinen Kirchengemeinden in Angeln haben Angst. Angst davor, dass sie künftig ohne Pastor dastehen. Denn im Zuge der geplanten Einrichtung von „Gemeindlichen Handlungsräumen“ könnten der ländlichen Region zwischen Kappeln, Schleswig und Flensburg mit ihren insgesamt 40 Kirchen künftig statt 27,5 nur noch 20 Pfarrstellen zustehen. So steht es in der ersten Übersicht, die die Leitung des Kirchenkreises auf einer kircheninternen Informationsveranstaltung zum Thema in Havetoft vorgestellt hat…

Pastor Hergen Köhnke aus Kropp rechnete in Havetoft vor, dass nur gut 25 Prozent der Kirchensteuereinnahmen als Gemeindezuweisung (14 Prozent) und Gemeindepfarrstellen (11,8 Prozent) vor Ort ankämen. Er verglich die Kirche mit einem kranken Patienten, dem immer mehr Körperteile amputiert werden. „Eine Amputation des Beines – 20 Prozent der Gemeindepfarrstellen – spart drei Prozent der kirchlichen Ausgaben ein. Selbst mit der Amputation aller Gemeindepfarrstellen käme man nicht über einen Kürzungsbetrag von zwölf Prozent hinaus… Zum Artikel.

 

Leserbrief zum Artikel von Rudolf Schlüter

Betr.: „Kirche gibt die ländliche Region auf“ 3.5.2015

Um das Jahr 1300 steht die kirchliche Organisation in Angeln mit über 40 Kirchen und Pfarreien. Und daran hat sich in den nächsten 700 Jahren sehr wenig geändert. Ein Erfolgsmodell sollte man meinen. Aber die Kirchenleitung sieht das anders. Die Organisation soll grundlegend verändert werden. Man erfindet die „Gemeindlichen Handlungsräume“. Schon diese Wortschöpfung lässt bürokratisches und verwaltungstechnisches Denken erkennen. Es geht nicht mehr um Seelsorge, eigentlich Markenzeichen der Kirche, sondern um den Aufbau einer hierachischen und bürokratischen Struktur. Es wird amputiert, wie es so schön im Artikel ausgedrückt wird. Alle sogenannten Reformen der letzten Jahre haben gezeigt, sie waren nicht effektiv. Das wird von der Kirchenleitung aber nicht zugegeben, sondern man versucht die nächste Reform. Aber ohne das Fußvolk mit einzubinden. Begründet wird diese Reform mit schwindenden Einnahmen und Mitgliederzahlen. Davon wird seit Jahren geredet, aber die Einnahmen sind in den letzten Jahren sehr gestiegen.
Wenn Pröpstin Lenz-Aude vom Guten Hirten gesprochen hat, dann sei sie hier daran erinnert, dass der Gute Hirte das 100. Schaf sucht, also Seelsorge betreibt.
Mit der Schaffung der „Gemeindlichen Handlungsräume“ wird nicht nur meiner Meinung nach die Seelsorge heruntergefahren. Das kann es doch wohl nicht sein. Der hl. Ansgar dreht sich im Grabe herum, wenn er von diesen Plänen in seinem Missionsbezirk erfährt. Er hat sich nicht träumen lassen, dass sein Bistum ein Koloß der Verwaltungshierachie wird. Es sei daran erinnert, dass „er den Blinden Auge, den Lahmen Fuß und den Armen ein wahrer Vater sein wollte“. Das heißt aber bei den Menschen zu sein, das Leben mit ihnen zu teilen, mit intensiver Arbeit in der Gemeinde.
Herzlichen Dank an Herrn Köhnke, dass er einmal aufgezeigt hat, was von den Kirchensteuern bei den Zahlern wieder ankommt. Das gibt doch sehr zu denken.
Mein Vorschlag: Gründung einer „bekennenden und praktizierenden Kirche“, damit sich die „verwaltende Kirche“ einmal rechtfertigen und auseinandersetzen muß. Anfänge gibt es schon in der EKD, nachzulesen im Internet unter „Wormser Wort.de“.

Stimmt das Gerücht, wenn man sich im Leben zu Tode geknausert hat, einen dann im Pardies 72 Sparbüchsen erwarten…? Eine Führung im „Museum der ausrangierten Staatsreligionen“

31.03.2015, Die Anstalt

Sparpolitik – die ausrangierte Religion.

„Wer in der Krise kürzt – hat in der Zukunft größeres Wachstum“… ist: 

„voraufklärerische Religion mit geradezu kindischer Vorstellung davon, wie die Welt funktioniert…“  

Zum Video.

Lehre auch für die Kirche? Öffentlich-Private Partnerschaften – Lehren aus internationaler Erfahrung. von Prof. David Hall

 11. März 2015. von Prof. David Hall

Der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat eine Kommission gegründet, die prüfen soll, inwieweit Öffentlich-Private-Partnerschaften (auch Public-Private-Partnership) zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten zukünftig in Deutschland sinnvoll sind. Der Bundesrechnungshof beklagt seit längerem ihre Unrentabilität für die öffentlichen Kassen. Auch internationale Erfahrungen der letzten 15 Jahre zeigen, dass es sich bei Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) langfristig um eine teure und ineffiziente Finanzierungsform für Infrastruktur und öffentliche Dienstleistungen handelt, die finanzielle Probleme weniger löst als verursacht. Im Folgenden werden einige dieser Beispiele und die Hintergründe der ÖPPs geschildert…  Zur Studie.

Wieder eine Lehre für die Finanzdezernate der Kirche: PPP (Public Private Partnership) Modelle rechnen sich nicht.

In der Not greift man nach manchen Strohhalmen. So etwa die EKiR auf der jüngsten Synode im  Januar. Dort wird das PPP-Modell als Lösung für das Haus der Begegnung in Bonn (vgl. S.7) ins Spiel gebracht. Dabei verwundert, dass Modelle, die im staatlichen Bereich längst durch Studien als wirkungslos oder gar schädlich befunden werden, in der Kirche noch immer fröhliche Urstände feiern können…

PPP (public private partnership)  Modelle rechnen sich nicht:

13. Feb. 2015, Die Welt

Der privat finanzierte Bau von Autobahnen rechnet sich laut einem Gutachten des Bundesrechnungshofs nicht. Bei fünf der sechs bereits in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) gebauten Autobahnen hierzulande habe sich gezeigt, „dass sie um insgesamt über 1,9 Milliarden Euro teurer sind, als es eine konventionelle Realisierung gewesen wäre“, zitierte das „Handelsblatt“ am Donnerstag aus dem Gutachten für den Haushaltsausschuss des Bundestags. Zum Artikel.

EKiR-Synodenbeschlüsse zur Haushaltspolitik oder: Was läuft eigentlich schief in der Finanzpolitik der Kirche?

von Friedhelm Schneider

Auf den ersten Blick klingt alles recht plausibel: Haushaltskonsolidierung und Rücklagenbildung für die Pfarrpensionen angesichts bald einbrechender Kirchensteuereinnahmen. So die offizielle Lesart und Argumentation für einen wohl beispiellosen Leistungsabbau in der EkiR auf der landeskirchlichen Seite. Davon betroffen sind an vorderster Stelle die Bildung (Schulen) 4,5 Mio, Arbeitslosenfonds 1,15 Mio, KiHo Wuppertal/Bethel 1 Mio. . Es folgen weitere prominente Positionen wie Medienverband, Tagungshäuser, PTI, Studierendenarbeit, Akademie etc. Über die Kürzungen haben etliche Ausschüsse im Vorfeld beraten und beschlossen, und nun auch die Landessynode.

Gleichzeitig beschlossen: ein neues Investitionsprogramm in die Verwaltung, genauer, in die IT-Struktur und dies ohne Finanzierungslimit. Und das obwohl die Kostenexplosion in ähnlicher Sache, der Einführung der Doppik, hinlänglich bekannt ist: von veranschlagten 3 Mio. € sind diese auf – in der Synode unwidersprochene – 60 Mio. € gestiegen sind. Schon warnt Pfr. i.R. Manfred Alberti: „Der Alptraum geht weiter: NKF – Verwaltungsstrukturreform – jetzt: IT-System.“

Erster Eindruck: Geld ist da, wenigstens für die Administration. Aber nicht für Schulen, Arbeitslosenfonds, etc. Man kann, man muss die Vorlage also auch so deuten, dass es bei den o.g. Kürzungen doch wenigstens teilweise um eine Verschiebung von Mitteln für die Arbeit mit den Menschen zur Administration geht. Und nicht um eine Konsolidierung im Sinne von Festigung. Denn man setzt sich ja gerade mit der IT-Struktur einem neuen Risiko aus. Der Pfarrrverband der EkiR hatte auf diesem Hintergrund ein Moratorium für die weitere Umsetzung der Reformen gefordert. 
Auf derselben Synode, die die o.g. Kürzungen beschließt, prangen an einer von Synodalen gestalteten Tür „Neue Thesen zur Reformation“ . Darunter diese: „Weniger Verwaltung, mehr Begegnung“.  Auch die Synodalen scheinen also zu wissen, worauf es wirklich ankommt – auch wenn sie in den entscheidenden Abstimmungen Angst vor der eigenen Courage haben und, Linientreue demonstrierend, genau umgekehrt entscheiden: Mehr Verwaltung, weniger Begegnung.

Läuft hier etwa etwas fatal verkehrt? Wir stellen diese Frage im Folgenden hinsichtlich der Finanzpolitik der Kirche selbst.

Einen ersten Hinweis erhalten wir in der Württembergischen Landeskirche, in der die Fraktion der Offenen Gemeinde ihre alternative Position sinngemäß so formulierte: Strategie der Mitgliederbindung vor Rücklagenbildung (in einer Niedrigzinsphase). 
Zwischen beiden Fragen existiert ein Zusammenhang, der aber von offizieller Seite noch nicht reflektiert ist . Dass er aber auch dort diffus empfunden wird, zeigt eine beiläufige Bemerkung des EKiR-Finanzdzernenten Bernd Bauks: 1,63% Kirchenaustritte erwähnt er in seiner Einbringungsrede zur „Haushaltskonsolidierung“ recht unschuldig (vgl. oben, S. 4). 1,63% – etwa doppelt so viel wie im Durchschnitt üblich. Könnte dies schon heute sichtbare Ergebnis und also Folge eines fatal entgleisten Reformkurses mit einer gerne als „Sparpolitik“ betitelten Downsizing-Konzept in der EKiR sein?

Ganz anders die Offene Gemeinde der Synode in Württemberg. Deren Ansatz gemäß müssten Mittel logischerweise prioritär für die Arbeit mit Menschen eingesetzt werden. Das finanzpolitische Credo: die Mittel kommen von der Basis und sie müssen in möglichst hohem Umfang und Anteil dorthin zurück. Um dort kirchliche Arbeit zu machen, um das Evangelium zu kommunizieren. (vgl. dazu Prof. Christian Grethlein)

Wir reden hier nicht darüber, in welcher konkreten Form der Kontextualisierung das heute zu geschehen hat, ob in Gemeinde oder Funktionen/Diensten oder auf andere Weise. Wir reden auch nicht darüber, dass es durchaus individuell sinnvoll sein kann, einmal errichtete Einrichtungen, Projekte, auch Gemeinden wieder zu verändern oder zu schließen oder innovativ neue zu errichten. Das alles sind Fragen und Lösungen, die hier noch nicht zur Debatte stehen. Das wäre der zweite Schritt, der würde dann schließlich durch die Output-Sicht erweitert. Wir beginnen ganz am Anfang und da geht es um die Input-Seite. Und hier stellt sich die zentrale Frage, wie viel (Finanz-) Mittel die Kirche für sich selbst, ihre Eigenorganisation, die Institution und Organisation, benötigt. Und welche Anteile der Mittel für die „Reinvestition“ in die Menschen, die Mitgliederbindung, oder auch die Gesellschaft (Kindergärten, Diakonie) zur Verfügung stehen. Diese prinzipielle Frage ist die Basisfrage jenseits folgender theologischer Richtungsentscheidungen!

Diese Basisfrage wird heute auch in der verwaltungswissenschaftlichen Diskussion gerne umgangen. Zu schnell und zu ausschließlich wird etwa in den neuen Steuerungsmodellen auf die Output-Seite rekurriert und verwiesen. Und in diesem „ausschließlich“ wird geschickt vom Thema Nr. 1 abgekenkt: dem Input. Und en passant wird auf diese Weise die Blickrichtung fokussiert und damit auch die Hauptverantwortung für die Resultate der Gesamtorganisation an die Mitarbeitenden delegiert. So steigt dort der Druck. Genau diese Erfahrung machen die Mitarbeitenden seit rund 15 Jahren in fast allen Bereichen der Daseinsvorsorge (Kommunalverwaltung, Bildung, Gesundheit etc,) und eben auch in der Kirche. Und sie zeigen entsprechende Reaktionen. Gleichzeitig wird durch diese einseitige Blickrichtung auf die Mitarbeitenden die Leitung/ die Politik immunisiert. Das ist ein gelungenes Ablenkungsmanöver. innerorganisatorisch hat es funktioniert. Dieser Trick funktioniert aber nicht bei den Adressaten, den Mitgliedern, Patienten, Kunden, Bürgern. Spätestens seit Stuttgart 21 ist auch schlichten Gemütern nicht mehr verborgen, was fehlende oder falsche Inputkonzepte bedeuten. Mit dem Input, mit dem, was eine Organisation/Institution an Mitteln für unterschiedliche Zweige/Abteilungen bereitstellt, zeigt sie, welche Ziele sie selbst wirklich verfolgt. Und ob diese mit den von ihr verbal formulierten Zielen übereinstimmen – oder davon abweichen. Mit dem Input zeigt die Organisation ihr wahres Gesicht. Hier zeigt sich für das Mitglied, ob es seiner Organisation vertrauen kann oder eben nicht. Der heute feststellbare Vertrauensschwund in viele ehemals geschätzten Institutionen bei den Bürgern hängt nun ganz offensichtlich auch mit der Vernachlässigung der Input-Thematik auf Seiten der Finanzdezernenten zusammen. Auch in der Kirche. Hier führt das zu zusätzlichen Kirchenaustritten. Deren Ursache und Folgen bei den bisherigen soziologischen Studien (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen) m.W. bisher leider nicht berücksichtigt wurden. Hier fehlt ganz offensichtlich die verwaltungswissenschaftliche Expertise. 

Denn die Gretchenfrage von Mitgliedern lautet doch sachgemäß immer wieder etwa so: „Wenn ich nur wüsste, ob die von mir gezahlte Kirchensteuer nicht irgendwo in der anonymen black box (in der Kirchenverwaltung) versickert?“ Vertrauen zur Organisation bildet sich also auf der Inputseite: In welchem Grad dienen die Mittel (nur) dem Apparat, und in welchem Anteil fließen sie zu den Menschen zurück? Den richtigen Input zu gewährleisten, darin liegt u.a. die hohe Kunst der Finanzpolitik der Kirche. Und auch die große Baustelle der Zukunft?

Ein Indiz für die aktuelle Entwicklungstendenz zeigt sich aktuell in Kirchenkreisen der EKiR an einfachen Vorfall,  wenn nämlich die „immer schon“ vorhandene Stelle des Stelle des Jugenddiakons oder Gemeindepädagogen der neuen Stelle für den infolge der Doppik zusätzlich erforderlichen Finanzsachbearbeiter weichen muss. Ein erster Hinweis, gewiss. Ein Indiz aus einer aktuellen Momentaufnahme. Um die Frage in seinem vollen Umfang in den Blick zu bekommen, ist es erforderlich, große Zeiträume in den Blick zu nehmen. Dies soll hier mit einem Blick auf die EKHN geschehen, unterstellend, dass sich eben diese Tendenz aufgrund paralleler Entwicklungen auch auf andere Landeskirchen übertragen lässt. Diese kleine Untersuchung erfolgt ganz holzschnittartig. Wir vergleichen nur, welcher Prozentanteil der Finanzmittel an die Basis zurückfließt. Wobei die Gebäudefrage dabei aufgrund fehlender Angaben noch unberücksichtigt bleibt. Zum Vergleich greifen wir die Jahre 1974 und 2013 heraus.

Wen interessiert, wie das Ergebnis zustande kommt, lese hier weiter. Wer nur das Gesamtergebnis interessiert, der springe zum nächsten Abschnitt in Normalgröße.

Was damals an die Basis floss, zeigt ein Flyer der EKHN_1974_(Mittelverwendung) mit einer groben Übersicht über die damalige Finanzsituation. Demnach flossen an die Basis, hier die Gemeinden, 50,35% der Kirchensteuermittel (=45,84% des Haushaltsvolumens) zu, zusätzlich die auf Seiten der Landeskirche geführten PfarrerInnengehälter. Sie zählten zu den „übergemeindlichen Aufgaben und Pfarrgehältern“. Lagen diese 1974 insgesamt bei 44,79% Kirchensteuer (=49,74 am Haushaltsvolumen) so betrug der Anteil der Pfarrgehälter am Gesamthaushaltsvolumen Anfang der 80iger Jahre ca. 33% (vgl. Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft, S.11 ). Unterstellt man der Einfachheit halber, im Jahrzehnt nach 74 sei dieser Anteil unverändert, dann kommt man 1974 auf einen Input Richtung Basis in Höhe von ca. 78% des Haushaltsvolumens als vorläufiger Wert.
Im Jahr 2013 betrug der Anteil für die „Basisarbeit“ nach dem Jahresbericht der EKHN 54,5%. Hierin sind aber – anders als 1974 – die Pfarrgehälter enthalten. Mehr noch: auch die Mittel für die Dekanate sind Teil dieses Haushaltsteils (36 Mio. € für Dekante im Vergleich zu 67 Mio. € Pfarrgehälter). Von diesen Mitteln für Dekanate sind aber ein gewisser Teil (ca. 50%) für „Basisarbeit“ anzurechnen.

Zu substrahieren wären in diesem Budgetbereich jeweils die Ausgaben für Verwaltung auf Regionaler Ebene (Regionalverwaltung) und die Dekantsverwaltungen.

Auch Additionen zu den Basismitteln sind zu nennen, hatten wir doch die Trennlinie nicht zw. Gemeinde und Gesamthaushalt, sondern zw. den Mitteln für Gemeinde und Funktion/Diensten und Gesamthaushalt gezogen. Damit sind für das Jahr 1974 noch eine unbekannte, aber zahlenmäßig wenig relevante Größe für übergemeindliche an der Basis wirkende Pfarrstellen (+1%) zu addieren. Heute ist dieser Anteil signifikant höher. Wir taxieren deren Umfang heute bei ca. 15% des Haushaltsvolumens.

Ergebnisse nach Subtraktionen und Additionen:

im Jahr 1974 flossen in der EKHN ca. 79% (78% + 1%) der Finanzmittel (Haushaltsvolumen) an die Basis (Gemeinde und div. Funktionen) zurück. Demgegenüber waren es im Jahr 2013 nur noch ca. 67%. (54% – 4% Verwaltungsanteil Regionalverwaltung und Dekante + 15 % div. übergemeindliche Leistungen +2% Kirchensteuerausgleich mit Ostdeutschen Kirchen).

Das macht eine Differenz von 12% des jeweiligen Haushaltsvolumens (bei Berücksichtigung der Gebäudefrage würde sich diese Zahl noch erhöhen). Ein signifikanter Unterschied, der noch nicht die zusätzlichen Verschiebungen, die sich durch die Einführung der Doppik ergeben, die der EKHN noch bevorsteht. 

So weit das Ergebnis der langfristigen Verschiebungen beim Input. Das Indiz der Momentaufnahme hat sich also langfristig bestätigt! Das Problem der Finanzpolitik, das die Dezernenten selbst gestalten könnten, ist also diese zunehmende Tendenz der Verschiebung im Input. Kirchenmitglieder nehmen das sehr wohl wahr. Wie begründete kürzlich eine Frau Ihren Austritt gegenüber dem Pfarrer: „Es ist nicht wegen Dir, aber von der Kirchensteuer werden ja nur noch 7% für die Gemeinde und 3% für die Diakonie verwendet. Deshalb bin ich ausgetreten. Ich will wohl zukünftig noch spenden, ich will aber, dass das Geld hier in der Gemeinde bleibt.“ (Fall aus der EkiR).

Was heißt das für die Finanzpolitik der Kirchen?

Die Haushaltskonsolidierung ist ein Herumdoktern an Symptomen. Die eigentliche Ursache des Problems wird damit nicht behoben. Aufgabe der Finanzpolitik muss wieder darin bestehen, ein verantwortliches und mitgliederorientiertes Input-Konzept zu entwickeln. Mitgliederorientierung der Kirche beginnt mit der Reorganisation des Inputs Richtung Mitglieder/Basis/Gemeinden. Die erlittenen Verluste durch die anhaltenden Verschiebungen über Jahrzehnte (s.o.) sind sukzessive abzubauen und die Tendenz der Umverteilung in Richtung Administration bzw. mitgliederfremde Leistungen rückgängig zu machen. Dieser Beitrag ist eben nicht perifer, sondern wesentlich für die Rückgewinnung verlorenen Vertrauens in die Organisation selbst. Die Qualität der Finanzdezernenten ist daran zu messen, inwieweit ihnen dies gelingt. Zu diesem Thema sind präzise Angaben zu ermitteln und den Synoden darzulegen. Das ist viel wichtiger als das für viele Gremienmitglieder am Ende doch mysteröse und aufgrund der Bewertungsspannen leicht manipulierbare Zahlenwerk der Doppik!

Was heißt dies Ergebnis für die Diskussion in der EKiR?

Die zentrale Frage muss auch angesichts der extrem hohen Austrittsquote von 1,63% wieder lauten: wie können Menschen erreicht werden? Wie kann dies gerade auch angesichts der hohen Veränderungsdynamik des Umfeldes (Digitalisierung, Wandlung des gesellschaftlichen Umfeldes, Wandlung des „religiösen“ Umfeldes) geschehen? Gerade damit nämlich wird Bindung erzeugt – die dazu führt, dass Menschen auch in Zukunft bereit sein werden Kirchensteuern zu bezahlen.
Wie kann die Administration (incl. IT!) dabei eine klare Dienstleistungsfunktion gegenüber den Mitarbeitenden an der Basis/ Gemeinde einnehmen?

Die Frage ist zu klären, in welcher Höhe Rücklagen tatsächlich erforderlich sind. Die EKiR trifft zeitlgeich zu den massiven Einschnitten Investitionsentscheidungen. Die EKvW, finanziell in etwa gleicher Lage, betrachtet ihre Rücklagen als ausreichend und entscheidet völlig konträr zur EKiR. In der EKHN lag der Ausfinanzierungsgrad der Verorgungsstiftung schon Ende 2013 bei 101%. Was aber dort nicht hindert, den Stock jährlich immer wieder neu mit Summen in 2-stelliger Millionenhöhe zu erhöhen. Das zeigt: der Ausfinanzierungsgrad dient als scheinbar unwiederlegliches Argument, so lange das Soll nicht erreicht ist. Ist es erreicht, geht dass Spiel trotzdem weiter. Angesichts dessen, verliert man das Vertrauen in derartige „Argumente“. Und angesichts dessen gilt es die Frage zu klären, in welcher Höhe Rücklagen tatsächlich angemessen und erforderlich sind.

Gegenüber solchen Überlegungen hat man sich in der EKiR, das zeigen die jüngsten Beschlüsse, für einen anderen Kurs entschieden. Das Motto: Augen zu und durch!