Archiv der Kategorie:
Institutioneller Wandel außerhalb der Kirchen

Tabubruch: Verkauf von Kunstwerken der öffentlichen Hand.

Schlichtweg unanständig oder ganz normal?

30.10.2014, Joachim Güntner NZZ

Als die siebziger Jahre mondän sein wollten, hing sich die Spielbank Aachen eine exquisite Sammlung moderner Kunst in ihre Räume. Jetzt soll die Versteigerung zweier Meisterstücke von Andy Warhol den Kasinobetreiber und Nordrhein-Westfalens Landeshaushalt sanieren. Die deutsche Museumsszene ist entsetzt…

«Schlichtweg unanständig»

Darf das sein? Der offene Brief der 26 Direktoren warnt, es würde ein Präzedenzfall geschaffen: «Unsere Kernaufgaben als Museen stünden zur Disposition: Das Sammeln und Bewahren der Kunst im Auftrag der Gesellschaft und für zukünftige Generationen.» …
Die rot-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalens ist zur Versteigerung entschlossen. Christie’s hat eine Verkaufsgarantie gegeben. Präsentationen der Bilder in Hongkong und London rührten die Marketing-Trommel. Der Protest blieb letztlich hilflos. Zum Artikel.

Star-Dirigent Nagano sorgt sich um Klassik. Ein Interview.

25.10.2014 WZ, Das Interview führte Chris Melzer

Der Dirigent füllt die Konzertsäle und fürchtet dennoch, dass Mozart & Co. an Bedeutung verlieren.

Wen sehen Sie in der Verantwortung?

Nagano: Verantwortlich dafür, dass klassische Musik nicht weiter verdrängt wird, sind wir alle – jeder an seiner Stelle. Als Dirigent darf und will ich mich nicht darauf verlassen, dass meine Konzerte ausverkauft sind. Wenn ich Menschen für Musik begeistern will, weil ich felsenfest davon überzeugt bin, dass sie ihr Leben verändern kann, dann muss ich die Musik zu ihnen bringen: in ungewöhnlichen Konzerten an zum Teil ungewöhnlichen Orten mit ungewöhnlichen, neuen Ideen, die ihnen zeigen, dass diese große Musik nicht nur noch immer aktuell ist, sondern heute vielleicht bedeutender als je zuvor.

Also liegt es an den Künstlern selbst?

Nagano: Wir Künstler brauchen auch die Unterstützung politischer Entscheidungsträger, weil ernste Kunst, für die man sich anstrengen muss, eine Gesellschaft immer etwas kostet. Sie ist, in rein monetärer Hinsicht, nicht unmittelbar gewinnbringend. Wenn Politiker nur motiviert und kreativ genug wären, um unser Musikerziehungssystem ein Stück weit wiederzubeleben und die klassische Musik in ihrer Bedeutung für die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen wieder etwas nach vorne zu rücken, wäre unglaublich viel gewonnen. Zum vollständigen Interview.

Diana Reiners: Verinnerlichtes Prekarität. Eine Buchbesprechung.

Aufbau und Inhalt
Reiners stellt die Auswirkungen des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft bzw. des Wohlfahrtsstaates auf die Lebenswelten Jugendlicher mit Migrationshintergrund dar. Sie beschreibt des weiteren die spezifischen sozialen Bedingungen mit denen diese in Österreich, genauer in Graz und Umgebung, konfrontiert sind.

Des weiteren erläutert sie theoretisch fundiert die Transformationen der Gesellschaft und deren Folgen. Vor allem weist die Autorin auf die Prozesse der sozialen Desintegration, die gesellschaftlichen Spaltungen sowie die zunehmende soziale Ungleichheit hin.

Diana Reiners: Verinnerlichte Prekarität
Cover Diana Reiners: Verinnerlichte Prekarität. Jugendliche MigrantInnen am Rande der Arbeitsgesellschaft. UVK Verlagsgesellschaft mbH (Konstanz) 2010. 236 Seiten. ISBN 978-3-86764-295-8. D: 24,00 EUR, A: 24,70 EUR, CH: 36,90 sFr. Zur Quelle.

„Studie“ zur Effizienz der Bildungssysteme: Klassen seien hierzulande zu klein und die Lehrer verdienten zu viel

Interview der www.Nachdenkseiten.de mit dem Bildungsexperten Matthias Burchardt, Köln:

? Herr Burchardt, nun ist die Katze endlich aus dem Sack. Denn Wissenschaftler haben festgestellt, dass – ich zitiere:

„Deutschland (…) im neuen internationalen Index zur Effizienz der Bildungssysteme von 30 OECD-Ländern ganz weit hinten auf Platz 25 und damit hinter allen anderen nordeuropäischen Ländern mit Ausnahme der Schweiz – und das trotz einer relativ hohen PISA-Platzierung“ liege. Unser Bildungssystem soll also – das wundert mich sehr – offensichtlich zum einen gut sein und zum anderen – das irritiert mich noch mehr – auch noch „teurer als notwendig“…

Na, das sind ja wirklich einmal gute Neuigkeiten! Bedenken Sie nur, wie viel Geld jetzt plötzlich erwiesenermaßen frei werden könnte für humanitäre Destabilisierungskriege oder Bankenrettungen… Aber im Ernst: Sie verstehen das schon richtig. Beide Thesen werden von den Urhebern der Studie sehr deutlich formuliert. Und die Lösung haben sie auch gleich parat, denn zum einen seien die Klassen hierzulande zu klein und zum anderen verdienten die Lehrer zu viel. Dass sich dieser Unfug noch als Wissenschaft darzustellen vermag, sagt sicher mehr über den Verfall der Wissenschaft als über die Qualität oder „Effizienz“ unseres Bildungssystems aus.

Leider bleibt derlei Junk-Science im Dienste von Lobby-Gruppen jedoch nicht folgenlos. Ganz im Gegenteil:… Das vollständige Interview.

 

Lese-Rechtschreibschwäche ist keine Krankheit, sondern das Produkt schulischer Selektion

04.09.14

Kinderärzte in Deutschland behandeln einer aktuellen Umfrage zufolge immer mehr Kinder und Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten. 96 Prozent der befragten Mediziner berichten über steigende Zahlen in den vergangenen zehn Jahren. Ähnliches vermeldete vor einiger Zeit bereits das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen in einem Bericht: “Die kontinuierliche Zunahme von psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren ist besorgniserregend”, hieß es dort. Bei den ambulanten Behandlungsraten fiel die Zunahme bei Kindern und Jugendlichen mit 14,3 Prozent dabei fast doppelt so hoch aus wie in der Gesamtbevölkerung. Der weitaus überwiegende Teil der Behandlungsfälle war dabei auf “Entwicklungsstörungen (F80 bis F89)” und “Verhaltens- sowie emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F90 bis F98)” zurückzuführen. Was aber liegt wirklich „am Kind“ – und was vielmehr an den Bedingungen [PDF – 152 KB], denen dieses ausgesetzt wird? Jens Wernicke sprach hierzu mit Ulrich Schulte, der als Ausbilder und Wissenschaftler seit Jahren zu Legasthenie, einer der wichtigsten „Entwicklungsstörungen“, arbeitet und forscht. Zum Artikel.

Bologna-Absolventen verfügen über keine hinreichende Persönlichkeitsbildung. Professor Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg

Bologna und die Folgen | Dieter Lenzen

Ein Interview in Forschung & Lehre 7/2014


F&L: Die Universität heute muss für Sie eine Einrichtung sein, die beides, Berufsausbildung und Bildung durch Wissenschaft, vermittelt. Allerdings schreiben Sie auch, das deutsche Hochschulsystem sei für das erstere gar nicht geeignet, da sich das wissenschaftliche Personal bis dato primär an Forschung und Lehre und nicht am Ausbildungsgedanken orientiert habe. „Bis dato“? Was soll sich hier Ihrer Meinung nach ändern?

Dieter Lenzen: Bildung durch Wissenschaft kann nicht eine praktische Berufsausbildung sein, wie sie an Oberstufenzentren, in Vollzeitberufsschulen und ähnlichen Einrichtungen zu Recht und in Deutschland sehr erfolgreich betrieben wird. Wenn Hochschulen Berufsausbildung in diesem engeren Sinne auf mittlerem Niveau von Berufen wie denjenigen des Technischen Assistenten durchführen sollen, dann haben sie das falsche Personal. Dieses ist eine Aufgabe für Berufsschullehrer. Berufsausbildung kann sich aber auch erfüllen im Medium von „Bildung durch Wissenschaft“. Niemand hat bislang beweisen können, dass dieses Konzept fehlerhaft gewesen wäre. Denn schon nach einigen Jahren neuer Bologna-Absolventen mehrt sich die Klage, dass die jungen Leute über keine hinreichende Persönlichkeitsbildung verfügen. Genau das wollte und sollte die klassische Hochschule mit dem Humboldtschen Gedanken „Bildung durch Wissenschaft“ realisieren. Persönlichkeitsbildung durch eine „Hingabe an die Sache“, um Max Horkheimer zu zitieren, ist die beste Vorbereitung auf berufliches Tun, die man sich außerhalb einer Spezialausbildung vorstellen kann… Zum Interview.

Wie schlechte Schüler im Abitur ihr Niveau kompetent verschleiern können. von Prof. Hans-Peter Klein.

22.07.14 | Klein, Hans Peter
„Ich glaube, ich bin in einem Paralleluniversum gelandet“

Wie schlechte Schüler im Abitur ihr Niveau kompetent verschleiern können – ein Blick hinter die Kulissen der Präsentationsprüfung (FAZ vom 17. Juli 2014, Bildungswelten S. 6)

Betrachtet man die Entwicklung der Abiturientenzahlen, der Abiturdurchschnittsnoten und der Abiturbestnoten in den letzten Jahren, scheint es in den meisten Bundesländern nur noch eine Richtung zu geben: aufwärts. Auf kritische Nachfragen der Öffentlichkeit versichern die zuständigen Behörden, dass diese Zunahme der Quantität bei gleichzeitiger Erhöhung der Qualität auf immer klügere und fleißigere Schüler zurückzuführen sei. Aufsehen erregt vor allem die Vermehrung der Universalgenies mit der Traumnote 1,0 allein in diesem Jahr, die zunehmend angezweifelt wird. Natürlich handelt es sich um gute, in einigen Fächern auch sehr gute und fleißige Schüler, aber die gab es immer schon, allerdings nicht mit der Traumnote 1,0. Auf die Gründe für diese Entwicklung – eine mehr als zweifelhafte „Qualitätssicherung“ durch Notendumping – wurde an dieser Stelle in der Vergangenheit bereits mehrfach hingewiesen.
Aufschlussreich ist die in den letzten Jahren in mehreren Bundesländern eingeführte Präsentationsprüfung, die in Hamburg verpflichtend von jedem Schüler als viertes Abiturfach zu absolvieren ist, während sie in Hessen als zusätzliches Abiturfach gewählt werden kann…. Zur Quelle.

“Die Wissenschaftler und die Schule” von Laurent Lafforgue (u.a. Träger der Fields Medaille für Mathematik)

22.07.14
Laurant Lafforgue befasst sich in seinem Text nicht nur mit dem Unterrichtsfach Mathematik, obwohl er sich damit natürlich besonders auskennt, und auch nicht nur mit dem Gymnasium, was ebenfalls naheläge, sondern mit Schule und Unterricht generell und für alle Stufen. In seiner scharfsinnigen Analyse plädiert er für eine Schule, in der die Schüler durch einen fachlich gut aufgebauten Unterricht sicheres Wissen erwerben, vor allem in den Kulturtechniken und unterzieht die heutigen, wesentlich von Wissenschaftlern getragenen Strömungen, die diese Schule untergraben, einer scharfen Kritik (die in Bezug auf Jean Piaget überzogen erscheint). Hinter diesen Strömungen identifiziert er eine gemeinsame Ursache: die Unfähigkeit „Leben zu übertragen“ – eine zum Nachdenken anregende Diagnose… Zum Artikel.

Der Autor, Laurant Lafforgue (*1966), ist einer der besten Köpfe der französischen Mathematik. Sein Rang geht daraus hervor, dass er 2002 von der Internationalen Mathematischen Union mit der Fields-Medaille ausgezeichnet wurde. Diese Medaille wird nur alle vier Jahre an zwei bis vier jüngere Mathematiker für wissenschaftliche Spitzenleistungen verliehen und gilt als eine Art Nobelpreis für Mathematik.

Bildung: Super Abi, aber nichts dahinter. Und: Geheimhaltung bei Bildungstests

Super Abi, aber nichts dahinter, 14.06.2014, von Katrin Hummel, FAZ

Sie haben bessere Noten – wissen aber weniger: Deutsche Abiturienten machen zwar häufiger ihren Abschluss mit 1,0. Aber einer noch unveröffentlichten Studie zufolge bekommen heute auch diejenigen einen Studienplatz, die dafür 2003 noch zu schlecht gewesen wären… Zum Artikel in der FAZ.

Die Länder mit den glücklichsten Schülern

von Hans Peter Klein, Wirtschaftswoche
Sind Hamburgs Abiturienten mathematisch und naturwissenschaftlich klüger geworden? Nach welchen Maßstäben übertrifft das achtjährige Gymnasium das neunjährige? Die Widerlegung der Aussagen der KESS-12-Studie…

Die geheimnisvollen TIMSS-Testinstrumente

Diese Ergebnisse überraschten vor allem diejenigen, die hinter einer Steigerung der Quantität die Absenkung der Qualität vermuteten, denn beide verhalten sich in der Regel umgekehrt proportional zueinander. Insofern stachelten diese doch überraschenden Aussagen dazu an, die verwendeten Testinstrumente in KESS  12 in der Mathematik und den Naturwissenschaften einmal näher zu untersuchen. Dies stellte nun in der Tat eine nahezu unüberwindbare Schwierigkeit dar, da viele dieser über einen langen Zeitraum laufenden Studien, wie beispielsweise auch TIMSS und PISA, die ihnen zugrunde liegenden Testinstrumente selbst für wissenschaftliche Zwecke nicht offen legen. Dies verwundert umso mehr, da aufgrund der Ergebnisse dieser Studien weitreichende bildungspolitische Weichenstellungen vorgenommen werden. Nun gelang es nach vielen Anfragen von wissenschaftlicher und politischer Seite aus an die Hamburger Behörde, die in KESS 12 verwendeten Aufgabenformate zumindest einer wissenschaftlichen Institution in weiten Teilen zu benennen… Zum Artikel in der Wirtschaftswoche.

 

 

Bayern: Beginn des Volksbegehrens in Bayern gegen G 8 am 03. Juli.

Bayern. Volksbegehren „Mehr Zeit zum Lernen – Mehr Zeit zum Leben!

Neunjähriges Gymnasium als Alternative anbieten.“

Das Volksbegehren startet am 03. Juli und endet am 16. Juli 2014.

Aus der Pressemitteilung: Prof. Dr. Michael Piazolo: „Nur wenn das Volksbegehren Erfolg hat, wird sich das bayerische Gymnasium positiv weiterentwickeln. Die Staatsregierung lässt sich nur durch Druck aus der Bevölkerung bewegen. Zumal die nun angebotenen Gespräche von Bildungsminister Spaenle zeitlich genau so gelegt sind, dass er sich erst nach dem Abschluss des Volksbegehrens festlegen will.“