Archiv der Kategorie:
Prognosen – Zahlen – Algorithmen

EKHN: Rekordeinnahmen trotz Austrittswelle

3.9.2015 Hessenschau

Die EKHN verzeichnete 2014 trotz der zweithöchsten Kirchenaustrittswelle die höchsten Kirchensteuereinnahmen ihrer Geschichte. Wi lange will die Kirche noch an dem Märchen der sinkenden Einnahmen festhalten?

Prof. Gerd Bosbach: Albtraum Demografie?

07/2015

Noch vor 15 Jahren war die Bevölkerungsstatistik nur ein Thema für staubtrockene Statistiker. Heute ist sie unter dem Namen Demografie in aller Munde. Eine erstaunliche Karriere für eine Statistik.
1990 habe ich als Berater des Statistischen Bundesamtes in Bonn, dem damaligen Regierungssitz, mit Fakten über Anzahl von Kindern und Alter von Lehrern auf die Notwendigkeit einer verstärkten Lehrerausbildung hingewiesen. Keine Chance! Regierung und Medien hatten kein Interesse an „Bevölkerungsplanung“, nahmen die Fakten noch nicht einmal zur Kenntnis. …  Zum Artikel.

Anm. F.S.: Auf die Parallelen zur Kirche muss man eigentlich nicht eigens hinweisen: auch in der Kirche wurde versäumt, rechtzeitig vor der Pensionierung der geburtenstarken Jahrgänge für den Pfarrberuf zu werben. Im Gegenteil: man schaute insbesondere in den 90iger Jahren wie das Kaninchen auf die Schlange („Pfarrerschwemme“), ohne zu erkennen, dass es Menschen braucht, die in der Kirche die eigentliche Arbeit machen: die mit den Menschen leben, für sie die Botschaft bereit halten, sie zu Leben und Lebendigkeit ermutigen, sie begleiten in Freude und Schmerzen, … Diejenigen, die in der Kirche gewarnt haben, die die Notwendigkeit des verstärkten Ausbildungsbedarfs schon früh erkannten, wurden (und werden ja von Begriffs- und Zahlenstutzigen bisweilen noch immer) ebenso belächelt wie Prof. Gerd Bosbach in den Regierungssitzen. Die Begriffs- und Zahlenstutzigen nehmen zwar ab, beherrschen aber noch die Amtsszene.

 

21,4 oder 38,7 Prozent atypisch Beschäftigte – wie problematisch hätten Sie’s denn gern? Zahlenspiele am Beispiel prekäre Beschäftigung.

4. Mai 2015, Von Markus Krüsemann, le Bohémien 

„Anlässlich einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zur Entwicklung des Normalarbeitsverhältnisses präsentierte die Bundesregierung in ihrer Antwort vor 2 Wochen altbekannte Zahlen: Seit 1993 ist die Zahl der atypisch Beschäftigten gestiegen, um im Jahr 2013 einen Anteil von 21,4 Prozent der Beschäftigten zu erreichen. Nach anderen Berechnungen hat der Anteil allerdings bei 38,7 Prozent gelegen. Die Erklärung für die Diskrepanz ist einfach, sie ist aber auch ein Politikum.“ Zum Bericht.

Nordkirche: Auf dem Forum Kirche2025.de werden Argumente gegen weitere Kürzungspläne bei Gemeinden gesammelt.

05/2015,

Trotz steigender Kirchesteuereinnahmen sollen die Gemeindepfarrstellen im Kirchenkreis Schleswig-Flensburg massiv beschnitten werden. Angepeilt sind gemeindliche Handlungsspielräume. Zwei PfarrerInnen sollen sich 5000 Gemeindeglieder teilen. Gemeinden fürchten jedoch um ihre Identität. Die ländliche Region wird damit dem Verfall preis gegeben.

Doch in der Kirche regt sich Widerstand gegen die Pläne, die schon auf der Herbstsynode verabschiedet werden sollen. Auf dem Forum kirche2025.de werden Argumente gesammelt.

Admin2025 vergleicht die Kirche mit einem Patienten: „Eine Amputation des Beines – 20% der Gemeindepfarrstellen – spart 3% der kirchlichen Ausgaben ein.
Selbst mit der Amputation aller Gemeindepfarrstellen
käme man nicht über einen Kürzungsbetrag von 12% der Kirchensteuerausgaben hinaus.“

Revisted: Prof. Gerd Bosbach bei Erwin Pelzig – Lügen mit Zahlen – Statistik und Demoskopie

12.04.2011, (Prof. Dr. Gerd Bosbach, geboren 1953, lehrt Statistik, Mathematik und Empirie an der Fachhochschule Koblenz, Standort Remagen. Tiefen Einblick in die amtliche Statistik und den Umgang der Politik mit diesen Daten erhielt er bei seiner mehrjährigen Tätigkeit im Statistischen Bundesamt)

Kabarett-Talk Investigativ, ironisch, idyllisch und oft unberechenbar. Kabarettist und Gastgeber Frank-Markus Barwasser zeigt in Pelzig hält sich, wie man Haltung in einer Unterhaltung wahrt. Hier spricht ein Kabarettist nicht über Menschen, er spricht mit ihnen. Bewaffnet mit einer enthemmenden Bowle lud der Unruhestifter im Karohemd den Professor für Statistik und Empirische Wirtschafts- und Sozialforschung zum Talk. Zum Video.

 

Wie die Vereinten Nationen den Hunger kleinrechnen. Von Prof. Thomas Pogge.

01/2015

Thomas Pogge ist Professor für Philosophie und Internationale Angelegenheiten an der Universität Yale. Er hat mehrere Bücher zum Thema globale Gerechtigkeit veröffentlicht: “Die UN-Entwicklungsziele sind in Wirklichkeit ein moralischer Skandal. Die reichen Länder machen den Armen damit vor, sie würden sich um sie kümmern – dabei wurde mit den Zahlen so lange getrickst, bis die Ziele so einigermaßen erreicht waren. … Die partiellen Erfolge, die sich beim Blick auf den weltweiten Hunger zeigen, sind das Ergebnis von kosmetischen Verschönerungen an der Methodologie und der Definition von Hunger. Beim Ernährungsgipfel 1996 in Rom war noch propagiert worden, die Anzahl der chronisch Unterernährten – damals 788 Millionen Menschen – zu halbieren. In der Milleniumserklärung im Jahr 2000 versprach man nur noch… Zum Artikel.

Der große Unterschied zwischen den geschätzten und realen Muslimen

Ausgerechnet dort, wo es kaum Muslime in Deutschland gibt erreicht die PEGIDA mit ihren geschürten Ängsten die größten Erfolge. Europaweit wird die Anzahl der Muslime jedoch von der Bevölkerung viel höher eingeschätzt als sie es tatsächlich sind. Spitzenreiter ist Frankreich. Einen Bevölkerungsanteil von 8% schätzen die meisten auf 31%. In Deutschland ist der Unterschied weniger groß. Hier vermuten die Bürger 19% Muslime statt der realen 6%.

In fast jedem Land wird hingegen der Anteil der Christen kleiner als die Realität geschätzt. (Quelle FAZ)

Bestätigen die eigenen Verfallstheorien der Kirchen auch die DemonstrantInnen von PEGIDA?

Kirchliche Endzeitvorstellungen

In der FAZ fragt Markus Günther: „Ist Deutschland noch ein christliches Land?“. Mit drastischen Worten analysiert er die Lage der Kirche: „Doch in vielem gleicht die Kirche in Deutschland heute der späten DDR: sieht stabil aus, steht aber kurz vor dem Kollaps. Und wie in der späten DDR machen sich viele Funktionäre etwas vor.„

Besonders erschreckt mich, dass sich Günther in seiner Analyse auf die eigenen Aussagen der Kirche stützen kann. Die Kirchensteuer bricht ein, es treten immer mehr Menschen aus der Kirche aus und die letzte kirchlich sozialisierte Generation steht kurz vor dem Ableben. Die kirchliche Endzeit steht vor der Türe.

Es bleibt noch eine Chance zur Umkehr. Die Frage nach Gott ist im Menschen angelegt. Die Kirchen opfern aber ihre absoluten Wahrheiten den Zeitgeist.

Die angebliche kirchliche Finanzkrise wird erneut umetikettiert. Ultimative Volte in der Finanzkrisenargumentation der EKD.

Erinnern wir uns: bei der kirchlichen Rede von der Finanzkrise stand am Anfang die „einfache Formel“ (Finanzkrisenvariante I). Als diese Erklärung von der Empirie falsifiziert war, wurde die Finanzkrise durch sinkende reale Kirchensteuerverluste erklärt. Danach seien die Kirchensteuereinnahmen zwar tatsächlich gestiegen, aber (leider) nur nominal. Also „nur“ mit dem gestiegenen Wert, der tatsächlich im Rechnungswesen erscheint (!). Der reale Wert, der die Inflation und deren Kaufkraftverlust berücksichtigt, der sei aber in Bezug auf den Ausgangszeitpunkt der Berechnung gesunken. Das Sinken des Realwertes – das belege Krise. Das war also die zweite Stufe der Finanzkrisenargumentation. Dass das Ergebnis einer solchen Berechnung eine im Kontext der kirchlichen Sparpolitik stark zu relativierende Information liefert, haben wir an anderer Stelle ausgeführt (vgl. den Artikel, insbes. S. 6, 7). 

In einem Artikel in Horizont E, Oldenburgische Landeskirche, wird nun unter der Hand eine interessante neue, dritte Stufe, ein Superlativ der Kriseninterpretation geliefert. Und die geht so: „Nach absoluten Zahlen geht es uns in der Tat sehr gut“, räumt Begrich zu Beginn des Gesprächs ein nicht ohne einschränkend hinzuzusetzen, dass unter Berücksichtigung der echten Geldwerte nicht mehr Geld zur Verfügung stehe als Mitte der 1990er Jahre.“ (S. 4, fett und kursiv F.S.) Krise ist hier nicht mehr, dass heute real weniger Mittel zur Verfügung stehen als zu den Glanzzeiten Mitte der 90iger Jahre (Krisenargument Stufe II). Als Krise wird deklariert, wenn die Finanzlage real „nur“ unverändert ist. (Wohlgemerkt: bei nominal gestiegenen Einnahmen der Kirchensteuer von 3,6 Mio. € im Jahr 2005 auf über 5 Mrd. € im Jahr 2014.). 

Es ist interessant, dass bei der verblüffenden superlativen Finanzkrisenargumentation III, fast die gleichen Vokabeln verwendet werden wie bei der Finanzkrisenargumentation II. Dabei unterscheidet sich der Inhalt deutlich. Denn wenn die verfügbaren Mittel selbst real gleich blieben, wo ist dann, bitteschön, noch die Krise? Da ist nichts mehr mit Kausalkette. Krise ist keine Schlussfolgerung bei nominal stark gestiegenen und selbst real gleich bleibenden Kirchensteuern. Die Argumentation zeigt sich als das, was sie eigentlich schon immer war: ein Narrativ mit oft geringem Unterhaltungswert. Die nunmehr fehlende Logik fällt aber gar nicht auf, hat man sich doch in der Kirche seit 20 Jahren an die Beschwörung der Finanzkrise gewöhnt. Ich räume ein, auch mir ist der Unterschied tatsächlich erst jetzt, beim zweiten Lesen aus gegebenem Anlass (s.u.) aufgefallen.

Die Rede von der Finanzkrise und darauf aufbauende Reformen hat die Kirche stark beschädigt. Wie groß der Flurschaden ist, zeigt die bemerkenswerte Reaktion des Pfarrvereins der EKiR. Sie fordert ein Moratorium der Reformmaßnahmen (s.u.). Die Pfarrerschaft nimmt damit spät ein Korrektiv wahr, zu dem die eigentlich andere berufenen Organe der Kirche in der Kirche (hier der EKiR) offensichtlich nicht mehr in der Lage sind. Wichtig wäre, die unselige und unsinnige Finanzargumentation als Basis einer Kirchenstrategie endlich zu verabschieden. Diesen Weg beschreitet in der EKM Bischöfin Ilse Junkermann. Siehe dazu den entsprechenden Beitrag in dieser Ausgabe.

Wie sagte ein mittelständischer, ehrenamtlich in der Kirche engagierter Unternehmer: es brauche eine neue Ernsthaftigkeit in der Finanzpolitik der Kirche. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Friedhelm Schneider

P.S.: Auch in anderen Landeskirchen wird der Fakt eingeräumt, dass die Kirchensteuer real seit 2 Jahrzehnten auf gleichem Niveau liegt. Aber es wird nicht offen erklärt, sondern verschämt verschleiert. So wird z.B in der EKHN im Finanzbericht von Dezernent Thomas Striegler der jüngsten Synode eine Grafik verwendet, in der die Kurve der realen Kirchensteuerentwicklung kommentiert wird durch die Bemerkung: „Kurve bewegt sich seitwärts“.

Entwicklung der Kirchensteuer