Archiv der Kategorie:
Hermeneutik

Vom Einander-Verstehen und der Besetzung von Begriffen. von Jörg Strübing

02/2018

Ein Zeichen für gute Wissenschaft ist nicht das Schließen, sondern das Öffnen von Begriffen. Die Arbeit am Begriff ist zentraler Teil (nicht nur) unserer Wissenschaft. Die dabei entstehende Ungewissheit ist nicht immer angenehm, aber gleichwohl ein wesentliches Erkenntnismittel. Ein schönes Gedankenspiel über die Frage, wem die Begriffe gehören, bietet Theodor W. Adorno in seinen Minima Moralia an. Er schreibt:

„Bange machen gilt nicht. – Was objektiv die Wahrheit sei, bleibt schwer genug auszumachen, aber im Umgang mit Menschen soll man davon nicht sich terrorisieren lassen. Es gibt da Kriterien, die fürs Erste ausreichen. Eines der zuverlässigsten ist, daß einem entgegengehalten wird, eine Aussage sei „zu subjektiv“. Wird das geltend gemacht und gar noch mit jener Indignation, in der die wütende Harmonie aller vernünftigen Leute mitklingt, so hat man Grund, ein paar Sekunden mit sich zufrieden zu sein. …

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KZ-Besuche zur Pflicht machen? von Christhard Wagner

26.01.2018, Publik-Forum

Christhard Wagner: »Nein, bitte nie wieder Pflicht!«

»Ich erinnere mich gut. Klassenfahrt in der DDR nach Buchenwald, zur Vorbereitung der Jugendweihe. Auch ich als Konfirmand musste mit. Die ehemalige SS-Kaserne des Lagers war unsere Jugendherberge…
Der »verordnete Antifaschismus« war zum Ersten verlogen, zum Zweiten oberflächlich und zum Dritten nicht auf persönliche Auseinandersetzung angelegt. …

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Das Evangelium verstehend vergegenwärtigen. Hermeneutische Erwägungen. V o n F r i e d r ic h H a u sc h i l d t

08/2017, Konfessionskundliches Institut

Materialdienst 02/2017 erschienen

…Zusammenfassung
Abschließend sollen noch einmal zusammenfassend wichtige hermeneutische
Eckpunkte für die Verkündigung des Evangeliums in der
Gegenwart formuliert werden:
1. Vielen Zeitgenossen erscheinen biblische Aussagen als überholt,
irrelevant und gelegentlich sogar abstrus, weil sie diese aus der
Perspektive eines Wirklichkeitsverständnisses beurteilen, für das das
empirisch Wahrnehmbare, das Gegenständliche, Herstellbare und
Nützliche im Vordergrund stehen.
2. Gegenwärtige Verkündigung muss sich des „ideologischen“
Charakters dieses Wirklichkeitsverständnisses bewusst sein und erkennen,
dass dieses Wirklichkeitsverständnis (Glaubens-)Voraussetzungen
in sich enthält, dessen es sich selbst nicht bewusst ist.
3. Gegenüber einem eingeschränkten Wirklichkeitsverständnis
ist zu betonen: …

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Sprache der Betroffenheit

17.10.2016 Die Tagespost

Der Politikberater Erik Flügge spricht in der Tagespost über sein Buch „Der Jargon der Betroffenheit – Wie Kirche an ihrer Sprache verreckt“ (wir haben bereits berichtet). Auch dieses mal spricht der Artikel Klartext, warum die kirchliche Sprache ihren Sinn entleert und Menschen nicht mehr erreicht.

Lesen Sie hier den Artikel.

„Die Rückkehr Markions“. Von Prof. Ludger Schwienhorst-Schönberger.

06/2015, von Ludger Schwienhorst-Schönberger, Professor für Alttestamentliche Bibelwissenschaften an der Universität Wien

„Die Rückkehr Markions“

(aus Communio 3/2015 – online im PDF.)

Daraus: 

Fazit:

„Nicht mehr haltbare historische Ansichten über die Entstehung von Judentum und Christentum führen in Verbindung mit problematischen hermeneutischen Prämissen innerhalb des christlich-jüdischen Dialogs und einer hermeneutisch unreflektierten Rezeption historisch-kritischer Exegese zu einer theologischen Abwertung und Entfernung des alten Testaments aus dem christlichen Kanon. Notger Slenczka hat dies hellsichtig erkannt und ausgesprochen. Will man dieser Konsequenz entgehen, bedürfen die genannten Prämissen einer Revision. Sie sieht in umrissen folgendermaßen aus: Die verbreitete These, das Christentum sei aus dem Judentum entstanden, ist ungenau. historische Forschung und theologische Reflexion erfordern eine terminologische Präzisierung. Der Entstehungs- und Abgrenzungsprozess von Judentum und Christentum war historisch gesehen ein wechselseitiger. nicht nur das Christentum ist in Abgrenzung vom Judentum, sondern auch das Judentum ist in Abgrenzung vom Christentum entstanden. Vor diesem Hintergrund ist das «alte Testament» respektive der «Tanak» der gemeinsame Stamm, aus dem Kirche und Synagoge hervorgegangen sind. Zwar kann die christliche Theologie viel von der jüdischen Auslegung des alten Testaments lernen, gleichwohl ist das jüdische Verständnis theologisch gesehen nicht das Nadelöhr, durch welches die christliche Exegese gehen muss, um zu einem angemessenen Verstehen dieser Texte zu gelangen. …

Theologisch heißt das, dass es weder zwei «Gottesvölker» gibt, noch dass das eine Gottesvolk durch ein anderes ersetzt worden ist («Substitutionstheorie»), sondern dass es in dem einen Gottesvolk zu einem Streit gekommen ist, wie die heilige Schrift und in Verbindung mit ihr die Gestalt Jesu zu verstehen sind. Dieser Streit, der zu einer Spaltung geführt hat, hält an. es kommt darauf an, dass die Auseinandersetzung sowohl in gegenseitiger Achtung und Wertschätzung als auch in theologischer und intellektueller Redlichkeit geführt wird. Diese Position entspricht im kern der altkirchlichen Bibelhermeneutik. … “ Zum Artikel.

Christliches Abendland gegenüber dem islamischen Orient? Von Reinhard Kirste.

01/2015, Reinhard Kirste, Lehrbeauftragter am Institut für Ev. Theologie der Universität Dortmund.

Folgerungen

Schon wenige Blicke in die Geschichte zeigen erstaunliche, teilweise unerwartete Konvergenzen des christlichen Abendlandes mit dem islamischen Orient. In diesem Sinne erhält das multireligiöse Modell des Zusammenlebens (nicht nur auf der Iberischen Halbinsel im Mittelalter) Anregungen, die eigenen regionalen und dogmatischen Grenzen der Religion zu überschreiten und ein verändertes Christentum entstehen zu lassen. Ähnliches gilt dann wohl für die anderen Religionen, besonders im Blick auf die Nachbarreligion des Islam. Die Begriffe „moderner“ islamischer oder christlicher Theologie sind dabei nur Hilfskonstrukte für die Entwicklung eines globalen religiösen Verständnisses, das sich dabei durchaus hermeneutisch verantwortlich auf die jeweiligen eigenen Traditionen und heiligen Texte berufen kann.

Angesichts der krisenreichen Weltsituation gilt für alle religiösen Traditionen, auf ihre Absolutheitsansprüche konsequent zu verzichten und sich nicht mehr dominierend im weltweiten Konzert von Zukunftsorientierungen zu verstehen. Das Leben und Handeln der Glaubenden und ihrer öffentlich zu Worte kommender Vertreter kann nur dann auf Dauer überzeugend sein, wenn die Religionen die weltweiten Probleme in den Blick nehmen und die eigenen Heilsankündigungen nicht mehr im Sinne von Deutungshoheit beanspruchen. Die Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch die Dogmatik oder die Deutung gebende Philosophie sondern im durchaus religiös begründeten Engagement für Frieden und Menschenwürde.[29]

Der vollständige Text.

Was hat der Islamismus mit dem Koran zu tun? Leserbrief von Pfr. Dr. Wolf-Rüdiger Schmidt in der SZ.

20. Januar 2015

Mögen Millionen Muslime friedfertig, unauffällig, gute Nachbarn und Kollegen sein, so ist damit die Frage doch nicht beantwortet, was der Islamismus in Gestalt von Terror, Hass, Intoleranz und Fanatismus mit dem Koran zu tun hat. Dieses wunderbare Buch, das bereits Goethe „Verehrung abnötigte“, hat dunkle wie helle Seiten, ist das Werk eines genialen Religionsgründers und zugleich Zeugnis von einem durchaus gewalttätigen Feldherrn. Heilige Schriften, ob Bibel oder Koran, müssen Überzeitlichkeit beanspruchen, wenn ihre Autoren und Gründer das Zeitliche verlassen. Die christliche Religion musste seit 300 Jahren, teils aufgezwungen, teils selbst vorangetrieben, lernen, die biblischen Schriften aus dieser Überzeitlichkeit herauszureißen und in ihrer konkreten Entstehungsgeschichte zu erforschen und zu verstehen. Der Lernprozess hat sie bis in die Fundamente hinein erschüttert und bis heute, nicht zuletzt im evangelikalen Lager, verletzt und beunruhigt…  Der vollständige Text.

 

„Meine inneren Adressat/innen sitzen nicht auf Lehrstühlen“. Luise Schottroff im Gespräch mit Claudia Janssen.

Luise Schottroff: Kommentar zum ersten Brief an die Gemeinde in Korinth
erschienen 2013 bei Kohlhammer

Claudia Janssen :
Luise, mit Deinem aktuellen Buch hast Du eine neue Gattung, wenn nicht erfunden – so doch auf ganz neue Weise profiliert: einen sozialgeschichtlichen Kommentar. Du erarbeitest die
alltäglichen, sozialen und politischen Hintergründe eines Textes und deutest sie dann theologisch aus. Ich wäre bei dieser Art exegetischer Literatur nie auf den Gedanken gekommen, sie von Anfang bis Ende zu lesen. Aber diese Auslegung zum ersten Brief an die Gemeinde in Korinth liest sich so spannend, dass ich es allen an paulinischer Theologie Interessierten nur empfehlen kann. Ich hätte nicht gedacht, dass sich so viel Neues entdecken lässt. Herzlichen Glückwunsch dazu!  Wie bist Du eigentlich zur Sozialgeschichte gekommen?

Luise Schottroff:
In meinem Studium habe ich das nicht gelernt. Die Professoren in den Bibelwissenschaften redeten spöttisch über Archäologie und „Realitätenhuberei“. Sie waren fest der Überzeugung, dass so etwas mit ernsthafter Exegese nichts zu tun habe. Bei mir kam Verschiedenes zusammen: der befreiungstheologische Aufbruch in der Kirche – nicht in der wissenschaftlichen Theologie, der christlich-jüdische Dialog und die feministische Theologie.
In meiner Anfangszeit als Assistentin in Mainz habe ich die politisch engagierten Studierenden erlebt, die mich mit ihrer Begeisterung angesteckt haben. Doch in diesen Gruppen war es verpönt, die Bibel ernst zu nehmen. Sie  galt als konservativ und überflüssig, allenfalls dafür geeignet sich gegen über Oberkirchenräten zu rechtfertigen, wenn man für politische Anliegen eintrat. Ich wollte meine Freude an der biblischen Tradition mit diesen politischen Aufbrüchen verbinden. Und so war es der erste konsequente Schritt, die Bibel sozialgeschichtlich auszulegen. Wann war das? Eine meiner ersten wichtigsten sozialgeschichtlichen Arbeiten war ein wissenschaftlicher Artikel zur Feindesliebe, der 1975 veröffentlicht wurde. Zum Text des Gesprächs.

Luise Schottroff im Gespräch mit Claudia Janssen: „Meine inneren Adressat/innen sitzen nicht auf Lehrstühlen“

Claudia Janssen :
Luise, mit Deinem aktuellen Buch hast Du eine neue Gattung, wenn nicht erfunden – so doch auf ganz neue Weise profiliert: einen sozialgeschichtlichen Kommentar. Du erarbeitest die
alltäglichen, sozialen und politischen Hintergründe eines Textes und deutest sie dann theologisch aus. Ich wäre bei dieser Art exegetischer Literatur nie auf den Gedanken gekommen, sie von Anfang bis Ende zu lesen. Aber diese Auslegung zum ersten Brief an die Gemeinde in Korinth liest sich so spannend, dass ich es allen an paulinischer Theologie Interessierten nur empfehlen kann. Ich hätte nicht gedacht, dass sich so viel Neues entdecken lässt. Herzlichen Glückwunsch dazu!  Wie bist Du eigentlich zur Sozialgeschichte gekommen?

Luise Schottroff:
In meinem Studium habe ich das nicht gelernt. Die Professoren in den Bibelwissenschaften redeten spöttisch über Archäologie und „Realitätenhuberei“. Sie waren fest der Überzeugung, dass so etwas mit ernsthafter Exegese nichts zu tun habe. Bei mir kam Verschiedenes zusammen: der befreiungstheologische Aufbruch in der Kirche – nicht in der wissenschaftlichen Theologie, der christlich-jüdische Dialog und die feministische Theologie.
In meiner Anfangszeit als Assistentin in Mainz habe ich die politisch engagierten Studierenden erlebt, die mich mit ihrer Begeisterung angesteckt haben. Doch in diesen Gruppen war es verpönt, die Bibel ernst zu nehmen. Sie galt als konservativ und überflüssig, allenfalls dafür geeignet sich gegen über Oberkirchenräten zu rechtfertigen, wenn man für politische Anliegen eintrat. Ich wollte meine Freude an der biblischen Tradition mit diesen politischen Aufbrüchen verbinden. Und so war es der erste konsequente Schritt, die Bibel sozialgeschichtlich auszulegen. Wann war das? Eine meiner ersten
wichtigsten sozialgeschichtlichen Arbeiten war ein wissenschaftlicher Artikel zur Feindesliebe, der 1975 veröffentlicht wurde. Zum Interview.