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Wettbewerb

Ein Paradigma der Ökonomie ursurpiert alle Lebensbereiche: Wettbewerbsfähigkeit.

5. Juni 2014  Verantwortlich: Jens Berger; Texteinschub im Vorspann zu Kirche: FS
„Kaum ein Begriff beherrschte die Medienlandschaft der vergangenen Jahre bis heute so stark wie „Wettbewerbsfähigkeit“. Inzwischen gibt es kaum mehr eine Rede, Talkshow oder ein Interview, in dem der Begriff „Wettbewerbsfähigkeit“ mit einem mahnenden oder fordernden Unterton nicht enthalten ist. Bundeskanzler von Schröder bis Merkel, Wirtschaftsminister wechselnden Namens aus SPD, CSU und FDP, Arbeitsminister, Parteivorsitzende, Konzernchefs, sogar Gewerkschaftsbosse und Journalisten führen allerorten das Wort der Sicherung oder gar Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Mund.“ Und selbst in der Kirche wird das Wettbewerbsparadigma auf der Basis der us- amerikanischenen „Rational-Choice-Theorie“ zu kultivieren versucht. Allerdings mit schwacher empirischer basis – wie jeder Praktiker weiß. Und so gilt in der Kirche in Punkto Wettbewerb, was auch ansonsten konstatiert wird:  „nur selten war eine Begrifflichkeit ist so stark mit Mythen und falschen Assoziationen behaftet wie diese. Falsche Assoziationen, die das Verstehen und das Handeln grundlegend verzerren.“

Zum Artikel von Lutz Hausstein

Monitor-Beitrag zum sog. Freihandelsabkommen TTIP

von Jens Berger

In seiner gestrigen Sendung hat sich das WDR-Magazin Monitor dankenswerterweise einmal mit den sogenannten Studien beschäftigt, auf deren Basis dem kommenden europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP sagenhafte Auswirkungen zur Wirtschafts- und Arbeitsplatzentwicklung zugeschrieben werden. Die NachDenkSeiten haben sich bereits im letzten Juni ausführlich mit der Bertelsmann-ifo-Studie beschäftigt, die nun auch Monitor aufgespießt. Seltsamerweise belässt es Monitor jedoch bei einer Kritik an der Politik und fasst die Autoren der Studie mit Glacéhandschuhen an. Von Jens Berger

Wettbewerb – «Hayekianer» zum Thema Religion

Keine Denkverbote gab es bei der Tagung der „Hayekianer“ bei der Frage, ob Religion für die Freiheit nützlich, schädlich oder unerheblich sei.

Michael Zöller von der Universität Bayreuth sieht in der (reformatorischen?) Betonung der individuellen Verantwortung vor Gott einen freiheitlichen Einfluss christlicher Religion in der Politik, wobei er den Wettbewerb von Religionen für zentral hält, damit sich nicht freiheitsbeschränkende Monopole bilden.

Einig mit dem Islamwissenschafter Bassam Tibi von der Universität Göttingen waren sich die meisten «Hayekianer» darin, dass die Säkularisierung ein westliches Phänomen ist und dass weltweit eine Rückkehr religiös-politischer Fundamentalismen zu beobachten ist, welche u. a. im Islam einen guten Nährboden finden, weil dieser nicht auf eine Trennung des Religiösen vom Politischen ausgelegt ist.

«Hayekianisch» wäre dabei wohl, die Religionsfreiheit zu schützen und niemandem Denkverbote aufzuerlegen, aber von allen Toleranz für den freien Wettbewerb der religiösen Überzeugungen einzufordern. (NZZ)

 

Ein Sonntag im Juni oder die Ökonomisierung des Alltags


Wie endete der Artikel von Prof. Matthias Burchardt? „Noch zehrt das neue Regime parasitär von Fülle und Wärme der verachteteten alten Zeit“ (s.o.).

Lesen Sie den Beitrag „Ein Sonntag im Juni oder die Ökonomisierung des Alltags – Was tut ihr den Menschen an?“ von Pfr. Hans- Jürgen Volk über die Alltagspraxis eines Pfarrers/einer Pfarrerin als wesentlich von Beziehung geprägter Arbeit.

 

Demokratie, Solidarität und die europäische Krise

Am 26. April hielt Professor Jürgen Habermas an der Universität Löwen einen richtungweisenden Vortrag zur Lage und Perspektive der Europäischen Union. Für seine Vision einer politischen Einigung auf der Basis von Solidarität erhielt er stehende Ovationen.

Hier die Zusammenfassung durch unseren Autor Alexander John:

In Europa, so Habermas ist eine Kluft zwischen Politik und Bürgern entstanden. Während die Bürger mehrheitlich europaskeptisch eingestellt sind, versuchen pragmatische Politiker eine Ausweitung der europäischen Strukturen um den Euro nicht aufgeben zu müssen.

Die Annahme, das sich innerhalb der Eurozone die Wettbewerbsbedingungen von alleine anpassen würden , hat sich als falsch heraus gestellt. Das strukturelle Problem lässt sich nach Habermas nur lösen, wenn die Wirtschaftspolitik nicht mehr exklusiv von nationalen Interessen bestimmt wird. Hierzu „müsste sich die Währungsunion in eine echte politische Union erweitern“.

Die Schritte zu dieser politischen Union wären jedoch bei der Bevölkerung unpopulär. Die Blaupausen der Europäischen Kommission, versuchen daher durch einen technokratischen Weg über die Bedenken der Bürger hinweg Europa auszuweiten. Habermas warnt vor diesem Weg: „Eine Technokratie ohne demokratische Wurzeln hat keine ausreichende Motivation die Bedürfnisse der Wähler an einer gerechten Verteilung von Einkommen und Besitz, Sicherheit des Standes, öffentliche Dienste und Gemeingüter, ausreichend zu berücksichtigen, wenn diese mit dem Bedürfnis des Systems an Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum kollidieren.“

Eine politische Union jenseits der Technokratie muss auf der Basis einer gemeinsamen Entscheidungsfindung statt auf zwischenstaatlichen Verträgen basieren. Dies müsste den Europäischen Rat abschwächen und das Parlament stärken. Denn, „Wie es die Staatsbürger sehen, wird ihr politisches Schicksal von fremden Regierungen bestimmt, die Interessen anderer Nationen vertreten, statt durch eine Regierung, die durch ihre eigene Stimme legitimiert ist.

Dieser Schritt macht es nötig, die Grundverträge zu ändern. Ausgerechnet der Europäische Rat müsste eine europäische Versammlung zur Überarbeitung der Verträge einberufen. Doch die Regierungschefs haben kein Interesse ihre Wiederwahl zu gefährden oder ihre Macht zu beschneiden. Dennoch können sie die notwendige europäische Integration nicht endlos aufschieben.

In dieser Situation hat die deutsche Regierung die Schlüssel zur Zukunft der Europäischen Union in ihrer Hand.“ Nur sie kann die Initiative zu einer Revision der Verträge ergreifen. Dies liegt auch im Interesse Deutschlands nicht wieder in die Situation einer semi-hegemonialen Macht in Europa zu gelangen. Bereits 1871 führte diese Position zu tragischen Konflikten in Europa. Deutschland könne außerhalb der EU nicht ein Land unter vielen sein. Wäre jedoch nicht in der Lage den Rest Europas zu dominieren.

Der Schlüssel zur Integration ist Solidarität. Solidarität versteht Habermas als politischen Akt. Er lässt sich nicht einklagen und verfolgt eigene Langzeitinteressen auf der Basis von Gegenseitigkeit. Als politisches Konzept reagierte Solidarität auf den erodierten Zusammenhalt von Gesellschaften. Damit weist Solidarität auf Lücken im politischem System hin und hilft sie zu überwinden. Wichtige Errungenschaften der Neuzeit, wie die Französische Revolution (Brüderlichkeit), die Arbeiterbewegung und die modernen Sozialstaaten haben ihren Ursprung in Akten der Solidarität.

Nach Habermas lässt sich die Währungsunion nicht alleine durch Kredite für überschuldete Staaten aufrecht erhalten. „Erforderlich ist hingegen Solidarität, eine gemeinsame Anstrengung aus einer gemeinsamen Überzeugung um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone als ganzes zu fördern.“

Eine solche Anstrengung würde es erfordern, das Deutschland und einige andere Länder kurz und Mittelfristig durch Umverteilung belastet sind. Das geschieht in ihrem eigenem Langzeitinteresse: Ein klassisches Beispiel von Solidarität.“, schloss Professor Habermas seinen Vortrag.

Lesen Sie hier den Vortrag im englischem Original und die Berichterstattung bei der Deutschen Welle.