Archiv der Kategorie:
Globale Fragen und Aufgaben

Wie die Vereinten Nationen den Hunger kleinrechnen. Von Prof. Thomas Pogge.

01/2015

Thomas Pogge ist Professor für Philosophie und Internationale Angelegenheiten an der Universität Yale. Er hat mehrere Bücher zum Thema globale Gerechtigkeit veröffentlicht: “Die UN-Entwicklungsziele sind in Wirklichkeit ein moralischer Skandal. Die reichen Länder machen den Armen damit vor, sie würden sich um sie kümmern – dabei wurde mit den Zahlen so lange getrickst, bis die Ziele so einigermaßen erreicht waren. … Die partiellen Erfolge, die sich beim Blick auf den weltweiten Hunger zeigen, sind das Ergebnis von kosmetischen Verschönerungen an der Methodologie und der Definition von Hunger. Beim Ernährungsgipfel 1996 in Rom war noch propagiert worden, die Anzahl der chronisch Unterernährten – damals 788 Millionen Menschen – zu halbieren. In der Milleniumserklärung im Jahr 2000 versprach man nur noch… Zum Artikel.

Bundestag lehnt Antrag zur Übermittlung des vollständigen und ungeschwärzten CIA-Folterreports ab.

30.01.15, nds

Heute hat der Bundestag über den Antrag der GRÜNEN diskutiert, den CIA-Folterbericht über das Internierungs- und Verhörprogramm der CIA vollständig und ungeschwärzt von den zuständigen Stellen in den USA zur Verfügung gestellt zu bekommen. Dieser Antrag wurde von Union und SPD abgelehnt.
Wolfgang Nešković sagt: „Dieser Beschluss zeigt, dass die Regierungsfraktionen den politischen Konflikt mit den USA scheuen. Die Ablehnung des Antrages durch die Regierungsfraktionen beweist, dass die parteiübergreifende Verurteilung der Folterpraxis der CIA in der Aktuellen Stunde am 17. Dezember im Bundestag nur leeres Geschwätz war. Darüber hinaus nährt das Verhalten der Regierungsfraktionen den Verdacht, dass der ungeschwärzte, vollständige Bericht Belege über mögliche Beteiligungen deutscher Sicherheitsbehörden beinhalten könne…  zum Beitrag, vgl. Pos.3

Mohamedou Ould Slahis „Guantánamo-Tagebuch“: Weh dem, der schweigt.

29.1.2015, von Angela Schader, NZZ

Die Diskussion um den effektiven Wert von unter Folter abgepressten Geständnissen dürfte so alt sein wie die widerliche Praxis selbst. Einen Blick von innen auf solche Prozesse der «Wahrheitsfindung» vermittelt nun das kürzlich erschienene «Guantánamo-Tagebuch» des Mauretaniers Mohamedou Ould Slahi. Aufgrund durchaus manifest scheinender Verdachtsmomente wurde er im November 2001 verhaftet; via ein jordanisches Gefängnis und die berüchtigte Haftanstalt auf der US-Luftwaffenbasis Bagram kam er nach Guantánamo und wurde als ein vermeintlicher Hauptakteur von 9/11 unter entsprechendem Druck verhört. Obwohl ihm nie ein konkretes Verschulden nachgewiesen werden konnte und ein Bundesrichter 2010 seine Freilassung angeordnet hat, sitzt Slahi dort bis heute in Haft… Mehr dazu.

«Den Westen interessiert nur das Öl». Interview von Reformiert mit Patriarch Ignatius Ephrem II, Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche.

14.01.2015, reformiert online

Christliche Minderheiten sind im Orient unter Druck: Ignatius Ephrem II., Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche, ist dennoch optimistisch, dass die Christen in ihren Herkunftsländern verwurzelt bleiben…

? Der Westen wagt es nur halbherzig, die Türkei als Nato-Partner an ihre historische Verantwortung zu erinnern. Auch im Irak haben sich die USA lange nicht um die orientalischen Christen gekümmert. Wenig christliche Solidarität also.

Ignatius Ephrem II: Wir wollen nicht, dass die westlichen Staaten kommen, um uns Christen zu beschützen. Aber in Wahrheit kümmert sich die westliche Politik weder um Muslime noch Christen, sondern ist vor allem im Nahen Osten an einem interessiert: den ungehinderten Zugang zum Öl. Für mich stellt sich aber auch die Frage: Ist der Westen überhaupt noch christlich?

? Gilt das auch für die USA, wo Sie lange als Geistlicher gewirkt haben?

Ignatius Ephrem II: Sicher gehen die Amerikaner mehr zur Kirche als die Europäer. Sie haben durchaus fromme Politiker. Je weiter man nach oben zum Kapitolhügel kommt, desto weniger spielt das Christliche eine Rolle…  Zum vollständigen Interview.

Zur Person: Ignatius Ephrem II., 49
steht der syrisch-orthodoxen Kirche mit weltweit fünf Millionen Mitgliedern vor. Sie gehört zu einer der ältesten christlichen Kirchen der Welt. Das Wörtchen «syrisch» leitet sich von assyrisch ab. Vor seiner Wahl zum Patriarchen 2014 war er achtzehn Jahre lang Erzbischof für die Gläubigen in den USA. Dort leben mehr syrisch-orthodoxe Christen als in der Türkei, Syrien und Irak zusammen. Im Dezember 2014 besuchte der Patriarch aus Damaskus die Schweiz mit einer Diaspora von 6000 Aramäern.

Konfliktforschung: „Ethnien und Religion sind keine Kriegsursachen“. SZ-Interview mit Günther Schlee, Max-Planck-Institut für Ethnologie.

Ein überaus aufschlussreiches und ergo lesenswertes Interview der SZ vom 23. Juni 2010 mit unverändert gültigen Erkenntnissen der Konfliktforschung, die man andernorts so noch nicht gelesen hat. Daraus hier (nur:)

Schlee: Die These vom Kampf der Kulturen besagt: Je größer der Unterschied, desto höher das Konfliktpotential. Aber schauen Sie sich pluriethnische oder multikulturelle postkoloniale Gesellschaften mit Gruppen von Menschen afrikanischen, europäischen, asiatischen und indischen Ursprungs an.

Die kulturelle Verschiedenheit korreliert nicht mit der Konflikthäufigkeit. Auf der anderen Seite finden wir häufig Konflikte gerade zwischen kulturell besonders ähnlichen Gruppen…

sueddeutsche.de: Was sind die eigentlichen Konfliktursachen?

Schlee: Das kann der Zugang zu materiellen Ressourcen sein, etwa Öl, Wasser, Weideland, Diamanten. Es können auch Chancen auf dem Arbeitsmarkt sein. In Nordirland wurde ein ganzer Bevölkerungsteil vom öffentlichen Sektor ausgegrenzt…

sueddeutsche.de: Es geht nicht eigentlich um Religion, sondern um Macht?

Schlee: Ja. In islamischen Ländern haben die Gruppen, die den Glauben dort verbreitet haben, die Eliten gebildet. Aber was tut man, wenn alle Muslime sind? Man sucht Ausschlusskriterien für die Eliten, die eigentlich nichts mehr zu tun haben mit den ursprünglichen Gründen für die Elitenbildung. Man erklärt sich zum richtigen Muslim, und die anderen zu falschen…

Zum vollständigen Text.

„Wie Feindbilder entstehen“, erschienen im Beck Verlag. ISBN-10: 3406547435 ISBN-13: 978-3406547430 Preis: 14,90 Euro

Als Hauptursachen von Konflikten zwischen Gesellschaften oder gesellschaftlichen Gruppen gelten religiöse Unterschiede und ethnische Zugehörigkeit. Dieses Buch zeigt anhand von Beispielen, die von Ex-Jugoslawien bis Somalia reichen, daß die wirklichen Ursachen in der Regel ganz anders gelagert sind. Nutznießer von kriegerischen Auseinandersetzungen sind meistens wenige, die jedoch einflußreich genug sind, einen Konflikt auch gegen das Interesse der großen Mehrheit eskalieren zu lassen. Dahinter verbergen sich allzu oft handfeste Auseinandersetzungen um Bodenschätze, Erwerbsnischen, Ämter und Gehälter. Darüber hinaus stellt sich die Frage sozialer Identifikation. Nach welchen Merkmalen bilden Menschen Gruppen, unterscheiden sie zwischen Freund und Feind, schließen sie Bündnisse oder bilden sie Koalitionen? Erst die Beantwortung dieser Fragen erlaubt auch die Entwicklung erfolgversprechender Strategien der Konfliktschlichtung. Zur Quelle.

Der große Unterschied zwischen den geschätzten und realen Muslimen

Ausgerechnet dort, wo es kaum Muslime in Deutschland gibt erreicht die PEGIDA mit ihren geschürten Ängsten die größten Erfolge. Europaweit wird die Anzahl der Muslime jedoch von der Bevölkerung viel höher eingeschätzt als sie es tatsächlich sind. Spitzenreiter ist Frankreich. Einen Bevölkerungsanteil von 8% schätzen die meisten auf 31%. In Deutschland ist der Unterschied weniger groß. Hier vermuten die Bürger 19% Muslime statt der realen 6%.

In fast jedem Land wird hingegen der Anteil der Christen kleiner als die Realität geschätzt. (Quelle FAZ)

Bestätigen die eigenen Verfallstheorien der Kirchen auch die DemonstrantInnen von PEGIDA?

Die Europäische Akademie der Wissenschaften und Künste fordert in einem Memorandum eine “Neugestaltung der europäischen Politik”

In dem von mehreren Wissenschaftlern verfassten Memorandum wird Europa die schwerste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg attestiert. Gefordert wird die Schaffung einer europäischen Identität, als auch grundlegende Reflexionen in der Wirtschafts-, Finanz-, und Familienpolitik. Kritisiert wird eine Politik der “wirtschaftlichen Stärke” ohne Visionen. Stattdessen, so unter anderem der EASA-Präsident Felix Unger, solle die Besserung der sozialen Lage, eine Bekämpfung der Ungleichheit sowie eine Rückbesinnung auf Demokratie und humanistische Werte Ziel der EU sein. Auf dem Spiel stünden nicht zuletzt die “Errungenschaften der europäischen Wissenschaft und Kultur”.

Eine ergänzende Einleitung zu dem Memorandum hat hier Prof. Dr. Günter Buchholz verfasst.

Das Memorandum im Wortlaut:…

1. EUROPÄISCHE IDENTITÄT: DIE POLITISCHEN UND KULTURELLEN ELITEN EUROPAS SIND AUFGERUFEN MIT NACHDRUCK AUF DIE SCHAFFUNG EINER EUROPÄISCHEN IDENTITÄT HINZUWIRKEN. DER DAUERHAFTE ZUSAMMENHALT UND DIE STÄRKUNG DER EUROPÄISCHEN IDENTITÄT HÄNGEN GEGENWÄRTIG IN ERSTER LINIE VON DER BESSERUNG DER SOZIALEN LAGE AB.

2. KONTROLLE DES FINANZSEKTORS: EINE DER DRINGLICHSTEN AUFGABEN IST, DEN EUROPÄISCHEN FINANZSEKTOR ZU REDIMENSIONIEREN UND IHN STRENGEN KONTROLLEN ZU UNTERZIEHEN. DIE ABKEHR VON STEIGENDEN FINANZINVESTITIONEN IST DIE VORAUSSETZUNG FÜR MEHR INVESTITIONEN IN DAS BRACHLIEGENDE HUMANKAPITAL.

3. ENTWICKLUNG DER REALWIRTSCHAFT: DIE ZUNEHMENDE ORIENTIERUNG DER REALWIRTSCHAFT AUF DEN GELDERWERB IST WIEDER AUF DIE ORIGINÄREN AUFGABEN DER REALEN GÜTERVERSORGUNG ZURÜCKZUFÜHREN. ENTSCHEIDEND DABEI SIND BREIT ANGELEGTE INNOVATIONEN, DIE DEN WEG IN EINE SOZIAL-ÖKOLOGISCHE MARKTWIRTSCHAFT ERÖFFNEN.

4. EIN NEUES GLEICHGEWICHT ZWISCHEN BÜRGER UND POLITIK: DAS ÜBERZOGENE ZURÜCKDRÄNGEN DES STAATES HAT IN EUROPA ZU TEILS DRAMATISCHEN SOZIALEN PROBLEMEN GEFÜHRT. DIE EUROPÄISCHE POLITIK IST VERPFLICHTET WIEDER EIN AUSGEWOGENES VERHÄLTNIS ZWISCHEN ÖFFENTLICHEM UND PRIVATEM REICHTUM HERZUSTELLEN.

5. PRIVATE HAUSHALTE UND FAMILIE: DIE ZUNEHMENDEN VERÄNDERUNGEN DER FAMILIENSTRUKTUREN, DER DEMOGRAPHISCHE WANDEL, DIE MIGRATION UND STEIGENDE SOZIALE NOTLAGEN BEDÜRFEN EINER NEUEN UND UMFASSENDEN FAMILIENPOLITIK. EINE ERHÖHUNG DES WIRTSCHAFTSWACHSTUMS ALLEIN KANN DIE STRUKTURELLEN PROBLEME DER PRIVATEN HAUSHALTE NICHT LÖSEN.

8. MITGESTALTUNG DER GLOBALISIERUNG: EUROPA KANN SICH NICHT ALLEIN DURCH WIRTSCHAFTLICHE STÄRKE ZU EINEM WICHTIGEN GLOBALEN MITSPIELER ENTWICKELN. ES HAT AUF DER GRUNDLAGE VON MODERNER BILDUNG UND WISSENSCHAFT DIE WERTE DER DEMOKRATIE UND DER VOM HUMANISMUS GEPRÄGTEN EUROPÄISCHEN KULTUR IN DIE MULTI-POLARE WELT HINEINZUTRAGEN. Der vollständige Text.

Weihnachten 1914: Weihnachtslieder im Schützengraben lösen kurzen Frieden von unten an der Westfront aus. Journalistische und wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas.

Hamburger Abendblatt, von Michael Jürgs

Dezember 1914, im Westen nichts Neues: Die Truppen des Deutschen Reiches haben sich in Sichtweite ihrer Gegner – Engländer, Franzosen, Belgier – in Schützengräben, bekränzt von Stacheldrahtverhauen, tief in den Lehmboden eingebuddelt. Die anderen halten es ebenso. Die Frontlinie des Stellungskrieges reicht vom Ärmelkanal bis zur Schweizer Grenze. Wie zwei blutrünstige Ungeheuer liegen sich die feindlichen Heere gegenüber. Oft nur hundert Meter voneinander entfernt. Doch in diesen Todesstreifen des Grauens geschieht Unglaubliches. Frieden bricht aus mitten im Krieg.

Anfangs ist es nur einer, der „Stille Nacht, Heilige Nacht“ vor sich hin singt. Leise klingt die Weise von Christi Geburt, verloren schwebt sie in der toten Landschaft Flanderns. Diesseits des Feldes, hundert Meter von diesem unsichtbaren Chor entfernt, in den Stellungen der Briten, bleibt es ruhig. Die deutschen Soldaten aber sind in Stimmung, Lied um Lied ertönt ein ungewöhnliches Konzert aus Tausenden von Männerkehlen rechts und links, wie einer nach Hause schrieb, bis denen nach „Es ist ein Ros‘ entsprungen . . . “ die Luft ausgeht. Als der letzte Ton verklungen ist, warten die Engländer drüben noch eine Minute, dann beginnen sie zu klatschen und zu rufen „Good, old Fritz“, und „Encore, encore“ und „More, more“. Zugabe, Zugabe…

Den Herren des Krieges auf beiden Seiten in den Generalstäben, weit ab von jedem Schuß, wird nach drei Tagen die weihnachtliche Ruhe unheimlich. Es droht daraus ein Frieden, beschlossen von unten gegen oben, zu wachsen. Das ist oben nicht erwünscht. Der Krieg dauerte noch viele Jahre und kostete rund neun Millionen Menschen das Leben. Das Wunder im Niemandsland blieb bis heute in allen Kriegen einmalig.

Zum Artikel im Hamburger Abendblatt

dazu das Buch:
Der kleine Frieden im Großen Krieg von Michael Jürgs
Westfront 1914: Als Deutsche, Franzosen und Briten gemeinsam Weihnachten feierten

„Weihnachten an der Westfront 1914: Inmitten eines erbarmungslosen Stellungskrieges schließen deutsche, französische und britische Soldaten spontan Waffenstillstand auf Ehrenwort. Im Niemandsland feiern sie zusammen Weihnachten. Nach zwei Tagen ist es, auf Befehl von oben, wieder vorbei mit dem Frieden. Die Waffen sprechen wieder und der kleine Friedensschluß gerät im Dauerfeuer des Stellungskriegs bald in Vergessenheit.“ Zur Quelle.

Wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas:
Der Weihnachtsfrieden 1914 und der erste Weltkrieg als
neuer (west-)europäischer Erinnerungsort von SYLVIA PALETSCHEK, Prof. für Neuere und Neueste Geschichte, Freiburg

Originalbeitrag erschienen in: Barbara Korte (Hrsg.): Der ersten Weltkrieg in der populären Erinnerungskultur. Essen: Klartext 2008, S. 213-221


Am ersten Weihnachtstag 1914 kam es vor allem an Frontabschnitten in Flandern rund um Ypern zu massenweisen Verbrüderungen von deutschen mit englischen, französischen sowie belgischen Soldaten:‘ es wurde vereinbart, nicht aufeinander zu schießen, gemeinsam wurden Weihnachtslieder gesungen, die Toten im Niemandsland beerdigt, Zigaretten, Lebensmittel und Militärandenken getauscht, Fotos vom Zusammentreffen mit dem Feind gemacht und es wurde sogar Fußball gespielt (Weintraub war; Jürgs 2003; Jahr 2004; Brunnenberg 2006)…

Seit den 1980er Jahren wurde der Christmas truce dann zunächst in Großbritannien immer populärer, wobei hier die Erinnerung an dieses Ereignis vermutlich nie ganz verschwunden war, da es partiell über den literarischen Kanon, beispielsweise über die Erzählung des bekannten Schriftstellers Robert Graves (Graves 2007) oder durch das erfolgreiche Theaterstück und Musical über den Ersten Weltkrieg Oh What a Lovely War (1963) im kulturellen Gedächtnis bewahrt blieb.

… In Deutschland war es der Journalist Michael Jürgs, der mit seinem Ende 2003 erschienenen Buch. Der kleine Frieden im Großen Krieg den Weihnachtsfrieden einem größeren Publikum bekannt machte… Dass die Fachwissenschaft, wie es in Zeitungsartikeln hieß, dieses Ereignis nicht genügend gewürdigt oder sogar völlig übersehen hatte – ein Eindruck, den auch Jürgs in seinen Publikationen erzeugte – stimmte nur teilweise (Brunnenberg 2006: 4). So fanden sich in einer 1994 erschienenen Quellensammlung Texte zum Thema (Ulrich 1994) und auch in Modris Eksteins Rites of Spring (Ekstein 1989) wurde ausführlich darauf eingegangen. Doch kam diesem Ereignis, sicher nicht nur wegen mangelhafter Quellenlage – dies gilt besonders für Deutschland und Frankreich – keine besondere Aufmerksamkeit zu. Es war lange nicht an die den akademischen Diskurs beherrschenden Fragestellungen anschlussfähig, was sich erst mit der kultur- und erfahrungsgeschichtlichen Wende und dem Aufkommen erinnerungskultureller Fragen zögerlich änderte.

Dass der Weihnachtsfrieden von der populären Geschichtsproduktion zuerst in größerem Stil wieder entdeckt wurde lag daran, dass er eine wundersame Geschichte des so Unvorhersehbaren und nicht zu Vermutenden, des >trotz alledem< erzählt. Die Geschichte hat ein hohes Emotionalisierungspotenzial, in der die Menschlichkeit der >kleinen Leute< triumphiere.

 

Die Vorgänge in Israel-Palästina in der deutschsprachigen Presse.

bearbeitet von Heinz Sigmund.

Religionskrieg in und um Jerusalem?

Der brutale Anschlag auf Beter in einer West-Jerusalemer Synagoge, die gewalttätigen Auseinandersetzungen auf und um den Tempelberg haben eine neue Diskussion über die religiöse Dimension des Nahost-Konflikts ausgelöst.
Der Schriftsteller Yali Sobol schildert in der NZZ eindrücklich wie sich die neue Gewaltwelle auf das Lebensgefühl auch regierungskritischer Israelis auswirkt.

Der bekannte Historiker Tom Segev („Es war einmal ein Palästina“, „Elvis in Jerusalem“ u. v.a.) kommentiert in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ die Pläne der Noch-Regierung Netanjahus, den jüdischen Charakter Israels mit Beschränkung der Rechte der arabischen Minderheit fortzuschreiben.

In einem weiteren Interview mit Avi Primor, dem ehemaligen israelischen Botschafter in Deutschland, das auf DEUTSCHLANDRADIO zu lesen ist, äußert sich Primor ausführlich zur Frage nach der Bedeutung der Religion in den jüngsten Konflikten.

Die Meinungsbildung hierzulande über die Vorgänge in Israel, Westjordanland und Gaza sind häufig ideologiebelastet. Authentische Berichte gibt es freilich, sind aber in der Flut der Informationen nicht so leicht zu finden. Eine interessante ausführliche Reportage findet sich jetzt in „Cicero“ anlässlich einer Pressereise für eine international besetzte Journalistengruppe.

Ein kleines, aber wichtiges Hoffnungszeichen auch für die verfahrene Situation im Nahen Osten setzt die Aktion „Ferien vom Krieg“, die seit Jahren vom Komitee für Menschenrechte und Grundrechte organisiert wird. Micha Brumlik würdigt in der TAZ mit weihnachtlichen Gedanken diese beispielhafte Initiative.

 

„Welt finanziert US-Kriege mit“. Interview mit dem Wissenschaftler Mohssen Mossarat.

07. OKTOBER 2014, Interview der FR

Der Wissenschaftler Mohssen Massarat spricht im Interview mit der Frankfurter Rundschau über die Öl- und Dollarpolitik der USA. Er kritisiert das Festhalten an alten Machtstrukturen und dem Einsatz von Kriegen als Mittel der Politik.

Herr Massarrat, Sie behaupten, eine Welt ohne Ordnung sei im Interesse der Vereinigten Staaten. Warum sehen Sie das so?
Weil es von enormer Bedeutung für die Vereinigten Staaten ist, dass das Öl auch in Zukunft in Dollar gehandelt wird. Dieses System aufrecht zu erhalten, gelingt einfacher mit einer Welt im Chaos. Deshalb spielen die Konflikte im Mittleren Osten den Vereinigten Staaten in die Hände…

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