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Globale Fragen und Aufgaben

Von der Heiligkeit des Menschen. Zur Rede des Papstes Franziskus vor dem Europaparlament.

Selten nur hat ein Mann der Kirche solch eindringliche, theologisch und politisch nachhaltige Worte vor Vertretern weltlicher Macht gefunden wie der derzeitige römische Papst Franziskus vor den Abgeordneten des Europaparlaments am 25. November 2014, kurz vor dem Ende des Kirchenjahres und im Blick auf die anbrechende Zukunft.
Mit deutlichen Worten hat er benannt, woran Europa in diesen Zeiten krankt, in denen es nicht in der Lage ist, seine jungen Menschen mit Arbeit zu versorgen, in dem die Alten und Schwachen zunehmend allein gelassen und die Grenzen vor den Flüchtenden hermetisch abgeriegelt werden, dass das Mittelmeer zu einem riesigen Friedhof wird.
Auf die Frage, woran denn das liege, hat Franziskus eine klare und eindeutige Antwort: Es liegt am herrschenden Menschenbild. In diesem aber fehlt es an dem Bewusstsein, was den Menschen insgesamt ausmacht.
Der Papst konstatiert bei genauem Hinsehen den Verlust der Menschlichkeit Europas, die nach den Katastrophen des frühen 20. Jahrhunderts dessen Kernaufgabe und Grundüberzeugung war. Die Wahrung der Würde des Menschen ist Europas Gründungskern. Der Mensch ist handelndes, verantwortliches, liebendes und leidendes Geschöpf Gottes und als solches Subjekt des Lebens.
Europa habe nicht nur aus leidvoller Geschichte und Erfahrung das Bewusstsein für die Kostbarkeit, Einzigkeit und Unwiederholbarkeit jedes einzelnen Menschen herangebildet. Das sei vielmehr auch in einer umfassenden Wahrnehmung des europäischen Denkens geschehen. Griechenland und Rom, der keltisch-germanische Raum wie auch der slawische seien hier zusammengewachsen und haben sich zu seiner Einheit in Verschiedenheit verbunden.
Der Mensch sei in seiner Würde, Franziskus sagt später am Ende seiner Rede das viel treffendere Wort, er sei in seiner Heiligkeit wahrgenommen und geschätzt worden, weil in diesem Denken die Verbindung der Geschöpflichkeit des Menschen mit den Aufgaben und Erfordernissen hier und jetzt gelungen sei. Europa habe ein Bewusstsein für den offenen Himmel gehabt.
Das aber ist vorbei. Schließlich sei der Mensch ja nur noch dazu da, in einem Wirtschaftssystem zu funktionieren und dieses System am Laufen zu halten. Der Mensch ist Objekt verwaltenden Handelns. Das ist im Staat so. Das ist übrigens auch in der Kirche so. Das allerdings ist nur im Subtext der Rede vernehmbar.
Der Befund des Papstes bleibt erschreckend. Aber er ist zutreffend. Es ist offensichtlich. Es wissen alle. Es sagt nur keiner. Und wer es sagt, wird in die Ecke der Meckerer oder Weltverschwörer gesteckt; anderen wird mit dem Argument des Populismus der Boden unter den Füßen weggezogen.
Da tut es besonders gut, dass dieser Papst auf dem Boden christlicher Überzeugung vom Menschen als einem von Gott gewollten, geschaffenen und begabten Wesen, dieses Bild in Erinnerung ruft, das einst zur Gründung der Union geführt hat und für das der Union auch zurecht der Friedensnobelpreis zugesprochen gehört hätte, wäre dieses Bild nicht mittlerweile vollständig konterkariert worden.
Auch da ist der Papst eindeutig. Auf diesem jetzigen Boden wird keine Zukunft und kein Friede sein. Denn aus der Gottvergessenheit Europas, die zu einer Menschvergessenheit geworden ist, werden letztlich Konflikte erwachsen und die Europäische Union in ihrem Bestand bedrohen.
Was das für die Kirche hier und heute heißt? – Da bleibt der Papst zurückhaltend. Dabei liegt das wohl auf der Hand: Sie wird sich endlich auf den Weg machen müssen, mutiger zu bekennen, treuer zu beten, fröhlicher zu glauben und brennender zu lieben. Sie wird endlich aufhören müssen, nur über sich selbst nachzudenken und sich um sich selbst zu drehen.
Was Franziskus für die Europäische Union nämlich festhält, dass der Mensch ein reines Objekt ist für das Handeln der Mächtigen, das gilt in weiten Teilen kirchlichen Denkens genauso. Der Mensch ist nicht mehr Herr und Hüter des Lebens der Kirche, sondern ist unterworfen den stromlinienförmigen Abläufen, die in den Zentralen erdacht werden. Das gilt für die katholische und für die evangelische Kirche in einem gleichen Maß.
Das aber heißt sehr konkret, dass die Kirchen im direkten Gespräch mit den Menschen, genau auf diese Verbindung von Himmel und Erde, die die Heiligkeit und Würde des Menschen ausmacht, wie Franziskus sie beschreibt, immer wieder neu hinzuweisen hat, für sich selbst aber gerade auch über den eigenen Tellerrand hinaus. Nur wenn wir uns unserer eigenen Wurzeln sicher sind und diese auch als belastbar und zukunftskräftig erkennen, ist eine gute Zukunft möglich.
Diese Verbindung von Himmel und Erde können die staatlichen Institutionen nicht leisten. Aber die Kirche kann es. Sie muss es nur tun.
Wie man das macht? Dafür hat Franziskus eine klare Handlungsanweisung gegeben: Klarheit für sich selbst schaffen. Daran arbeitet dieser Papst in seiner Kirche, auch wenn da sicher noch sehr viel zu tun bleibt und Rückschläge immer wieder kommen. Mit dieser Klarheit aber geht er hin zu den Orten, in denen die Entscheidungen fallen. Dann unaufdringlich, aber sehr selbstbewusst von den Grundlagen, den Erfordernissen und den Erträgen des Glaubens reden. So wird dieser Glaube im Bewusstsein der Menschen relevant und für das eigene Leben sinnvoll.
Es geht im besten Sinn um die Verkündigung und Predigt des Gotteswortes in das Leben der Menschen heute hinein.
Dann kann es eine wahre Einheit in der Verschiedenheit geben, dann kann die Zukunft gelingen und der Mensch wieder im Mittelpunkt des Lebens stehen als handelndes und empfindendes Geschöpf und Subjekt des Lebens, wie Gott ihn gewollt hat.
Ob Franziskus übrigens darüber hinaus auch einen neuen ökumenischen Prozess eröffnen wollte oder noch will, in dem auch die weltweite Kirche aus Katholiken, Orthodoxen und Protestanten ein neues Verhältnis im Miteinander gewinnt und als eine Einheit von allen wahrgenommen wird, ist eine offene Frage. Die Antwort wird in den nächsten Jahren sichtbar werden. Aber eine Verpflichtung in diese Richtung ist der Papst eingegangen. Die Tür scheint sich zu öffnen.

Maximilian Heßlein

Grundrechte nur für Deutsche? Wie Flüchtlinge systematisch von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen werden. Von Prof. Dr. Wolf-Dieter Just

… Wenn in Libyen Menschen gegen Gaddafi aufstehen, steigt an der Tankstelle um die Ecke der Spritpreis rasant an! Wir alle wissen: Zentrale Probleme der Menschheit wie Armut und Ernährung, Klimaschutz und Friedenssicherung, können nur noch auf globaler Ebene gelöst werden, durch gemeinsame Initiativen aller Staaten, durch Zusammenarbeit im „Geiste der Brüderlichkeit“. Zu diesen globalen Herausforderungen gehört aber auch das Weltflüchtlingsproblem. Wie kleinlich wirkt da das gegenwärtige Geschachere in der EU um Flüchtlinge aus Tunesien, Ägypten und bald Libyen – wie ein Land dem anderen vorrechnet, wie viele Flüchtlinge man schon aufgenommen hat, im Gegensatz zum Nachbarn. In Lampedusa sind 6.000 Flüchtlinge angekommen. Ägypten und Tunesien haben derzeit 180000 Flüchtlinge aus Libyen zu verkraften! Wer spricht darüber? – Derzeit liegt Deutschland im Europäischen Vergleich an 18. Stelle bei den Asylbewerberzugängen (0,3 % Antragsteller pro 1.000 Einwohner) – weit hinter den süd- und nordeuropäischen Ländern, aber auch hinter Frankreich und GB. Anstatt zu jubeln, dass in der arabischen Welt heute unsere Werte von Demokratie und Menschenrechten zu historischen Umwälzungen führen, ist man nur besorgt: Was bedeuten diese Veränderungen für unsere Versorgung mit Öl? Wer wird uns künftig die Flüchtlinge vom Hals halten,wenn Gaddafi weg ist? Ungenierter als bisher ertönt der Ruf nach mehr Frontex, mehr militärischer Abwehr von Flüchtlingen und mehr „Festung Europa“. Offenbar geht es uns weniger um unsere Werte von Demokratie und Menschenrechten, sondern nur um die Wohlstandssicherung um fast jeden Preis.
2. Die „Festung Europa“ (Folie
Was ist eigentlich mit der Rede von der „Festung Europa“ gemeint? Dahinter stecken drei unterschiedliche Strategien der Flüchtlingsabwehr.
1.
Zum einen wird die illegale Zuwanderung an den Außengrenzen der EU bekämpft – u.z. mit bewaffneten Grenzschützern der Nationalstaaten und mit „Frontex“, der europäischen Agentur zum Schutz der Außengrenzen, ausgerüstet mit Hubschraubern, Flugzeugen, Kriegsschiffen, Satelliten gestützter Luftaufklärung, modernster Wärmebild-Technik etc. Besonders bedenklich: Die Operationen von Frontext unterliegen keiner parlamentarischen Kontrolle, die Verantwortlichkeiten – gerade auch im Blick auf Menschenrechte – liegen in einer Grauzone.
2.
Wirksamer noch als Grenzzäune und Frontex sind allerdings die Zäune aus Paragraphen, mit denen illegale Einwanderung abgewehrt wird. Das Asylrecht wurde in den letzten Jahren EU-weit immer stärker eingeschränkt – einmal durch eine enge Definition des Begriffs der „politischen Verfolgung“; zum anderen durch Blockaden des Zugangs zu einem Asylverfahren: dazu gehören insbesondere Drittstaatenregelungen, das Konzept sogenannter „sicherer Herkunftsländer“, die Dublin II –Regelung (s.u.) und der Visumzwang. Die Einschränkungen des Asylrechts in Deutschland durch den sog. Asylkompromiss von 93 wurden weithin „europäisiert“. Auch in der EU wird nun formal am Asylrecht festgehalten, seine Inanspruchnahme aber nahezu unmöglich gemacht. Nach der Dublin II-Verordnung ist jeweils nur ein Staat für das Asylverfahren eines Flüchtlings zuständig – in der Regel der Staat, über den der Flüchtling zuerst in die EU eingereist ist – was zu einer Überforderung der Staaten an den südlichen und östlichen Außengrenzen führt und diese veranlasst, immer rigoroser gegen Flüchtlinge vorzugehen. Katastrophal ist die Lage derzeit in Griechenland, so dass entgegen der Dublin II-Verordnung der Bundesinnenminister sich gezwungen sah, einen einjähriger Abschiebestopp zu erlassen.
3. Eine dritte Strategie der Flüchtlingsabwehr besteht in abschreckenden Lebensbedingungen für die Flüchtlinge, die sich in Europa bereits aufhalten – in Deutschland z.B. durch Lagerunterbringung, Arbeitsverbote, Einschränkungen der Freizügigkeit (Residenzpflicht), das Asylbewerberleistungsgesetz, das Leistungen weit unter Sozialhilfeniveau (ca. 1/3 weniger) vorsieht, die zudem vorrangig in Sachleistungen anstatt Bargeld gewährt werden sollen. Außerdem wird Krankenhilfe nur noch „zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“ geleistet (AsylbLG § 4). Das soll sich in d in den Herkunftsregionen herumsprechen und jeden Anreiz zur Flucht im Keim ersticken. Zum Text des Vortrags.

Bleibend aktuell: UNO mystica. Zum 40. Todestag von Dag Hammarskjöld

von Gotthard Fuchs

Längst ist es an der Tagesordnung, Blauhelme der Vereinten Nationen in politische Krisengebieten der Welt zu schicken – aber kaum jemand weiß noch, wer der Erfinder dieser Friedenstruppen war. Wenn Verbrecher vor das Haager Kriegstribunal geschafft werden, macht sich durchaus Genugtuung breit (auch wenn der amerikanische Wirtschaftsdruck im Hintergrund, wie bei der Auslieferung Milosowitschs, schwere Fragen aufwirft, denn was ist mit den Kriegsverbrechern z.B. im eigenen, im atlantischen Haus?) Kaum einer aber weiß, wer diese Idee einer weltweiten Gerichts- und Rechtsinstanz politisch durchzusetzen anfing. Dag Hammarskjöld, von 1953 bis zu seinem Tod 1961 Generalsekretär der UNO, war umgetrieben von einer kosmopolitischen Weltinnenpolitik: überstaatliches Recht und überstaatliche Macht, und das entschieden im Einsatz für die armen und ärmeren Völker und Menschen. Der Schwede aus adeligem Haus, hochbegabt und international viel erfahren, zuletzt stellvertretender Außenminister seines Landes, ist „ein wahrhafter Weltbürger – mit einer interkulturellen Philosophie“ (143) und Spiritualität, ein Globalprayer. Ihm ging es, im ganzheitlichen Sinn, um das Weltkulturerbe (204), um Frieden und Gerechtigkeit für alle, um eine verbindliche Menschheitsethik. Von Globalisierung ist heute viel die Rede – Globalisierung aber von was?

(aus dem Jahr 2011)

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und beim folgenden (2.) Fenster auf: UNO mystica. Zum 40. Todestag von Dag Hammerskjöld

Ebola. Die Katastrophe hinter der Katastrophe und der erbärmliche Zynismus Deutschlands

Dossier von Jens Berger am 15. Oktober 2014
Die Nachrichten aus den drei von Ebola am stärksten heimgesuchten westafrikanischen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone könnten kaum schlechter sein – seit Ausbruch der Epidemie hat die Weltgesundheitsorganisation nun bereits mehr als 8.900 bestätigte Ebola-Fälle registriert. Für Dezember geht man nun von bis zu 10.000 neuen Fällen aus – pro Woche, wohlgemerkt! Bis Ende Januar 2015 kalkulieren die Experten mit 200.000 bis 250.000 Erkrankungen. Das ist für die drei bitterarmen Länder, von denen zwei sich gerade eben langsam von einem langwährenden Bürgerkrieg erholen, eine echte Katastrophe. Mindestens genau so schlimm wie die direkten sind jedoch die indirekten Folgen der Epidemie. Allen drei Staaten droht kurz- bis mittelfristig eine humanitäre Katastrophe mit Hungersnöten und mittel- bis langfristig eine tiefe Wirtschaftskrise, die die gesamte Region destabilisieren könnte. Aus Deutschland ist leider keine Hilfe zu erwarten.

Wir Deutsche betreiben gerne Nabelschau und sehen die Welt aus deutscher Perspektive. Und da ist es nun einmal „wichtiger“, dass in Leipzig ein aus Westafrika ausgeflogener Uno-Mitarbeiter an den Folgen von Ebola verstorben ist, als auf die Folgen der Seuche in einer ohnehin vergessenen Ecke der Welt aufmerksam zu machen… Zum Dossier.

Kirchenasyl – Evangelischer Pfarrer in Groß-Umstadt schützt Flüchtling aus Eritrea vor der Abschiebung

Die evangelische Kirchengemeinde in Groß-Umstadt gewährt erstmals einem Flüchtling, dem die Abschiebung droht, Kirchenasyl. Bis sein Verfahren im November neu aufgenommen wird, bietet ihm die Kirche einen Schutzraum… Zum Artikel.
Hilfestellung: Temesgen Fissehation aus Eritrea und der Umstädter Pfarrer Christian Lechelt, hier beim Abbau des Winzerfeststand auf dem Gelände des evangelischen Gemeindehauses.

Zwei Monate nach dem Gaza-Krieg

Die Geberkonferenz in Kairo hat 4,3 Milliarden US-Dollar Wiederaufbauhilfe für den Gaza-Streifen beschlossen. In den Kommentaren überwiegt die Skepsis sowohl im Blick auf die Wiederaufnahme des „Friedensprozesses“, der diesen Namen schon lange nicht mehr verdient, als auch über die künftige politische Verteilung der Macht zwischen Hamas und Fatah……
Die antisemitische Hetze im Zusammenhang der Gaza-Solidaritäts-Demonstrationen hat zu einer neuen Kontroverse über das Ausmaß des Antisemitismus in Deutschland (und Europa) geführt und über die häufig verschwimmende Unterscheidung zwischen „Israelkritik“ und Antisemitismus. Zwei Beiträge in „Zeitzeichen“ beschäftigen sich mit zwei unterschiedlichen Aspekten:
Micha Brumlik reflektiert die innerjüdische Perspektive mit grundlegenden religionshistorischen Überlegungen und zeigt den Zusammenhang von zionistischen und weltbürgerlichen Ansätzen jüdischen Selbstverständnisses auf. Damit begründet er u.a. auch jüdische Israelkritik, die in den aktuellen Auseinandersetzungen freilich immer wieder zu antisemitischem Israel-Bashing missbraucht wird.

Andreas Gorzewski stellt im selben Heft die Besonderheit muslimischer Judenfeindschaft dar, die sich kaum aus dem Koran begründen lässt, sondern als „islamisierter“ Antisemitismus Klischees christlicher und rassistischer (Protokolle der Weisen von Zion) Judenfeindschaft übernommen hat. Gleichwohl täte auf Seiten der muslimischen Verbände eine Auseinandersetzung mit diesen (und anderen) radikalen Ansätzen Not, wenngleich nicht übersehen werden darf, dass der islamisierte Antisemitismus als Entlastung für den traditionellen Antisemitismus hierzulande funktionalisiert wird- (H.S.)

 

Ein Wort gegen den Massensterben im Mittelmeer

Die Not der Flüchtlinge, die im Mittelmeer ersaufen ist immer mehr zu einem Thema der Kirche geworden. Angesichts eines Massengrabs vor den europäischen Küsten ist es gut, dass die Kirchen auf die Missstände hinweisen. Vorbildlich war es, dass der Papst mit einem Besuch auf dem Mittelmeer die Aufmerksamkeit der Medien auf das Massensterben lenkte.

Nun hat sich auch Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN und Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration zu der Katastrophe geäußert: „Dass Europa bis heute kein gemeinsames und umfassendes Seenotrettungssystem im Mittelmeer organisiert hat, ist eine Schande“.

Die Lage ist ernst. Vor etwa einem Jahr reagierte Italien auf zwei besonders schlimme Unfälle und schickte seine Marine zur Rettung von Flüchtlingen ins Mittelmeer. Doch der Rest Europas beteiligte sich nicht. Italien trägt 90% der Kosten für die Seenotrettung, die sich bis auf das Internationale Gewässer ausdehnt. Auch die 115.000 Flüchtlinge, die gerettet wurden, müssen in Italien versorgt werden.

Da sich die EU weigerte sich solidarisch an dem Projekt zu beteiligen, ließ zog sich Italien bereits im Mai einmal vor Libyen zurück. „1.600 der 1.800 ertrunkenen Flüchtlinge in diesem Jahr starben in dieser Zeit. „, so die TAZ.

Ab November soll Frontex Plus übernehmen. Die Mission soll nur noch die Außengrenzen der EU überwachen. Und selbst hierfür ist die Finanzierung nicht gesichert. Schwierig ist es auch, dass die Frontex bisher die Aufgabe hatte, Flüchtlinge daran zu hindern in europäisches Hoheitsgebiet zu kommen. Die selbe Organisation, die Jahrelang Flüchtlingsboote abdrängte soll nun zum Retter werden.

Doch auch in Deutschland ist die Lage der Flüchtlinge prekär. Die Aufnahmelager sind überfüllt und Flüchtlinge werden in Zelten untergebracht. Letztens weinten Kinder vor Hunger. Da ein anderes Erstaufnahmelager wegen Masern geschlossen wurde, konnte Hessen die ankommenden Flüchtlinge nicht einmal mehr grundlegend versorgen.

Die Übergriffe auf Unterkünfte von Flüchtlingen nehmen von den Medien oft unbeachtet wieder zu und die NPD instrumentalisiert geschürte Ängste für ihre Proteste. Die Bilder erinnern an die Proteste der 90er Jahre. Damals spielte sich ein Rechter Mob als Stimme der BürgerInnen auf. Teile des bürgerlichen Lagers schlossen sich darauf hin der Das-Boot-ist-voll-Argumentation an. Alle Parteien erarbeiteten dann gemeinsam ein System von sicheren Drittstaaten, dass es fast unmöglich macht als Flüchtling in Deutschland Asyl zu beantragen. Der Rechte Mob hatte gewonnen. Und auch heute fangen die ersten wieder an uns mit dem vollen Boot auf die nächste Runde vorzubereiten.

Viele Gemeinden und PfarrerInnen zeigen sich vor Ort solidarisch mit Flüchtlingen. Sie schmeißen sich mit dem Kirchenasyl in die Räder des Grenzregimes. Es ist Zeit ein starkes Wort zu sprechen.

Referenzwerk der deutschen in der europäischen Geschichte: „Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert“ – von Ulrich Herbert

Ulrich Herbert ist zweifellos einer der profiliertesten Historiker der jüngeren Generation, also eine Art Nachfolger der Wehlers, Mommsens oder Winklers. Nun dies: eine über 1.400 Seiten umfassende Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert…

Bleibt das Fazit: Ulrich Herbert hat ein Buch vorgelegt, das für eine Generation dennoch zu dem Referenzwerk der deutschen in der europäischen Geschichte werden könnte. Zur Rezension.