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Globale Fragen und Aufgaben

„Neukölln ist überall“ – Buchempfehlung

In Rezensionen wird das Buch des Berlin-Neuköllner SPD-Bürgermeisters  Heinz Buschkowski zumeist kritisch gesehen und ein Bezug zu Tilo Sarrazin hergestellt. Dies ahnend, besuchte der Autor den ehemaligen Senator. Er redet noch einmal mit ihm und urteilt dann. Sein eigenes Buch ist nicht zu vergleichen mit dem des Sarrazin. Buschkowski kennt sein Neukölln und liebt es, vor allem aber die Kinder, Jugendlichen und ihre Lehrer, die es nicht leicht mit ihnen und ihren Eltern haben. Wer wissen möchte, wie deren Situation ist – nicht nur in Neukölln, sondern auch z.B. in Marzahn, der kann dieses Buch mit Gewinn lesen. Viel lernen kann man durch die Beschreibung der Besuche in anderen europäischen Städten und dem Bemühen der Neuköllner um ein erträgliches Miteinander in diesem und spannenden und spannungsreichen Stadtteil.

Zudem werden die vielen Fakten in der erfrischenden Art des Bürgermeisters leicht lesbar aufbereitet. Die Namen der Nationalitäten, die in Neukölln aufeinander treffen sind austauschbar mit anderen, einschließlich der deutschen, Man benötigt keine Ausländer, um solche Zustände zum Beispiel an unseren Schulen zu erleben. Es ist der Protest gegen das Gefühl, in den Augen der anderen nichts wert zu sein, der sich in Gewalt, d.h. der Demonstration von Kraft entlädt, bisher noch in der Regel gegenüber Schwächeren im eigenen Lebensumfeld – und das ist zuerst einmal die eigene Familie. Mögen viele dieses Buch lesen. Ich habe Heinz Buschkowski für den Mut und das Herz, es zu schreiben, gedankt.

Dr. Katharina Dang

 

 

 

Verschuldungs- oder Vermögenskrise?

Ulrich Thielmann veröffentlicht seine Bibelarbeit vom Kirchentag in Hamburg. Unter dem Titel „Schulden- oder Vermögenskrise“ stellt er die aktuelle Lage der Finanzierungskrise und den biblischen Schuldenerlass im Deuteronomium dar.

Auch wenn sich die grundlegenden Wirtschaftsstrukturen geändert haben, zeigen sich Gemeinsamkeiten. So ist immer angeblich der Schuldner verantwortlich für seine Lage. Die Kreditgeber werden vollständig aus ihrer Verantwortung entlassen.

Dabei sollte der Grund für einen Schuldenerlass Anlass zu weiteren Überlegungen geben. Er wird benötigt, da sonst die Wirtschaft keine Investitionsmöglichkeiten mehr hat. Er war also solange die ungleiche Landverteilung nicht grundlegend geändert wurde auch ein Konjunkturmodell. Auch heute würde ein Schuldenschnitt nur den wettbewerbschwächeren die Möglichkeit geben weitere Kapitalanlagemöglichkeiten zu bilden. Bestenfalls könnten sie ihren Platz mit einem anderem Land tauschen, das nun vor dem gleichem Problem steht. Solange es am Markt Gewinner und Verlierer gibt, werden sich immer einige überschulden müssen um die Gewinne der anderen zu finanzieren.

Der Grundsatz der Gleichheit sei es als gleicher Anteil am gelobten Land bei der Landnahme oder der modernen Egalität lässt sich mit solchen Maßnahmen nicht herstellen.

Spanien: Marktkonform die Demokratie abbauen?

In Spanien wehren sich die Bürger immer wieder gegen das Spardiktat der Kreditgeber. Für eine marktkonforme Demokratie ist dies kaum hinnehmbar. Schließlich müssen die alternativlosen Vorschläge möglichst reibungslos umgesetzt werden.

Damit Proteste erschwert werden plant das spanische Kabinett ein neues Gesetzt. Demnach sollen nur noch genehmigte Demonstrationen zugelassen werden. Wer dennoch auch zu friedlichen Demonstrationen vor dem Parlament aufruft kann mit einer Geldstrafe von bis zu 600.000€ belegt werden.

Auch der Widerstand gegen die haufenweise stattfindenden Zwangsräumungen soll kriminalisiert werden. Das obwohl viele Räumungen von Gerichten als widerrechtlich eingestuft wurden.

Ein Klima von drakonischen Strafen soll die Bürger davon abhalten ihre Grundrechte wahrzunehmen.

Telepolis fragt sich daher ob es sich um ein neues „Vorzimmer des Faschismus“ handelt.

Marktkonform statt rechtskonform – Merkels erneuerter Versuch zur neoliberalen Dressur Europas durch Wettbewerbspakte

Lukas Oberndorfer, 22. Oktober 2013. „Troika für alle!“ – davor warnen unter anderen die AK und das grenzüberschreitende Bündnis „Europa geht anders“ bereits seit dem Frühjahr. Nachdem man in den geschlagenen Wahlkämpfen den Eindruck gewinnen konnte, die Krise und ihre Entfaltung in der Europäischen Union sei politisch kein relevantes Thema, ist das Verdrängte mit Beginn dieser Woche wiedergekehrt: Für den Beschluss von Wettbewerbspakten soll das Protokoll 14 der Europäischen Verträge abgeändert werden. Die Pläne von Angela Merkel sind wenig mehr als ein erneuerter Anlauf zur autokratischen Durchsetzung der neoliberalen Vertiefung der EU. Zum Beitrag.

Aufruf von Mikis Theodorakis an die Völker Europas

„65 Jahre nach dem Sieg über Nazismus und Faschismus stehen die europäischen Völker heute einer dramatischen Bedrohung gegenüber, dieses Mal nicht militärischer, sondern finanzieller, sozialer und politischer Art.

Ein neues »Imperium des Geldes« hat in den letzten 18 Monaten systematisch ein europäisches Land nach dem anderen angegriffen, ohne substantiellen Widerstand zu erfahren. Den europäischen Regierungen misslingt es nicht nur, die europäischen Völker gegen die Märkte zu verteidigen, im Gegenteil: sie versuchen, die Märkte »zu beruhigen«, in dem sie Politiken einführen, die uns an die Art und Weise erinnern, wie Regierungen versucht haben, dem Nazismus in den 30ern zu begegnen. Sie organisieren »Schuldenkriege« zwischen den Völkern Europas, genauso wie damals, als sie von der belle époque zum Ersten Weltkrieg getrieben wurden.“ Lesen Sie mehr.

Postdemokratie – jenseits der Nationalstaaten?

 

Claus Leggewie im Gespräch mit Carolin Emcke über seine Vision von Europa rund ums Mittelmeer.

Zur Debatte um die Postdemokratie gehört auch die Frage der Utopielosigkeit. Die politischen Debatten beschränken sich zur Zeit vielfach auf Krisenbewältigung, Sparreformen und das Verhindern des Zusammenbruchs Europas. Aber es dringen kaum mehr europäische Erzählungen in die Öffentlichkeit, die einen neuen Horizont aufzeigen, die ein positives Bild davon zeichnen, wie wir in Europa jenseits der alten nationalstaatlichen Konzepte und Haushalte leben wollen. Dagegen setzt der Kulturwissenschaftler Claus Leggewie mit seinem neuen Buch eine Vision von Europa rund ums Mittelmeer. Eine Gegend, über die wir momentan vor allem aus Berichten über Flüchtlinge hören, die auf dem Weg nach Europa ihr Leben riskieren, und die Leggewie stattdessen als Region für ein neues staatliches Modell anbieten will.

Das vollständige Gespräch.

Vier Jahre Merkel, vier Jahre Eurokrise

von Andreas Fisahn in: Blätter für Deutsche und internationale Politik

Aus europäischer Sicht bedeuten vier Jahre Regierung Merkel vor allem eines: vier Jahre Krise. Ironischerweise fielen der Beginn der Legislaturperiode und der Beginn der Eurokrise fast zusammen. Das Fazit nach vier Jahren von Angela Merkel dominierter Krisenpolitik: Der neoliberale Weg der Bundesregierung zu einem europäischen Wettbewerbseuropa samt autoritärer Brüsseler Wirtschaftsregierung scheint sich durchzusetzen – zum Schaden Europas. Zum Artikel.

Warum nicht nur Marxisten über Eigentum reden sollen

Keine Angst, Ingomar Hauchler geht es nicht um Sparkonten und Eigentumswohnungen, sondern um die Produktionsmittel.

Zuerst behandelt Hauchler die Frage, warum unsere Wirtschaftsordnung ein so hohes Potential an Innovation und Wachstum entfaltet. Viele andere Wirtschaftsordnungen basierten auch auf privatem Eigentum und dem Mark. Doch der Adel, die Handwerker und auch Manufakturen haben kein entsprechendes Wachstum entwickeln. Der rapide Aufschwung der Wirtschaft im 19. Jahrhundert war erst möglich als das Eigentum an Produktionsmitteln von seinen Verpflichtungen getrennt war.

Der Erfolg des Wirtschaftsmodells in dem Eigentum nicht mehr verpflichtet wurde dann von Philosophen zum Naturrecht erklärt und schlägt sich seit dem in vielen Verfassungen nieder.

 

Trotz aller Vorteile der vielen Güter, die wir nun genießen gibt es jedoch auch negative Effekte der Wirtschaftsordnung.

Das freie Kapital versucht so viel Gewinn, wie möglich zu erwirtschaften. Dabei ist die Motivation zur Investition der erwartete Profit und nicht die Notwendigkeit des Produkts. Daher sorgt der Markt nicht zwingend für die Erfüllung der aller Bedürfnisse und nicht für eine gerechte Verteilung.

Kapital, das nicht an Gemeinschaftsinteressen gebunden ist, lässt sich schnell in der globalisierten Welt transferieren. Damit unterstützt es Spekulationen und verschärft die natürlichen Krisen der Märkte. Zugleich sorgt der Wettbewerb der Standorte, das immer mehr Kosten der Produktion auf die Gesellschaft abgewälzt werden. Der Mangel an persönlicher Haftung führt dazu, das auch moralisch nicht vertretbare Entscheidungen zu Gunsten des Kapitals getroffen werden.

Gegenüber der Bevölkerung bekommt das Kapital durch seine Dynamik eine eigene Macht. Gesetzte werden immer mit der Perspektive, was die Gewinne der Unternehmen steigert bewertet. Gleichzeitig wirkt sich das Interesse des ungebundenen Kapitals auch auf die Menschen aus. Die Freiheit ordnet sich zum Beispiel immer stärker den Anforderungen des Marktes unter, wie man bei Leiharbeiter, die rund um die Uhr auf Abruf stehen müssen sieht.

Die Nachhaltigkeit ist kein Ziel des ungebundenen Produktionseigentum. Die Ausrichtung auf Gewinnsteigerung und Wachstum verbraucht immer mehr Ressourcen. Da wir jedoch nur endliche Quellen und eine Begrenzte Regenerationsvermögen der Ökosysteme haben, führt ungebremstes Wachstum zwangsläufig zu zukünftigen Krisen.

Da sich die Unternehmen immer weiter aus der Besteuerung durch den Wettbewerb der Standorte und Steuervermeidungsstrategien zurückziehen, bleibt ein immer größerer Teil der Staatenfinanzierung auf den ArbeitnehmerInnen hängen. Die können als KonsumentInnen jedoch auch nur bis zu einer bestimmten Grenze belasten bevor sie das Wachstum belasten. Daher haben sich die westeuropäischen Staaten immer weiter verschuldet um ihre Ausgaben dennoch decken zu können.

 

Aus der ökonomischenen Analyse folgert Hauchler, das über die Eigentumsrechte neu bewertet werden müssen.Staaten müssen stärker das Gemeinwohl gegenüber dem Interesse an privatem Eigentum gewichten. Auch die Verpflichtung des Eigentums an Produktionsmitteln muss wieder verstärkt werden. Daher ist es notwendig das Eigentums an Produktionsmitteln wieder unter private Haftung zu stellen, damit es sich besser kontrollieren lässt.

 

Lesen sie hier den ganzen Vortrag um mehr über die Ursachen der Krise unseres Wirtschaftsystems zu erfahren.

Mit einem bedingingungslosen Grundeinkommen durch die Eurokrise

Einen ungewöhnlichen Vorschlag um aus der Eurokrise zu kommen macht der Sozialethiker und Ökonom Philippe van Parijs. Er schlägt vor die Bürger an den Vorteilen des Euros in Form einer Eurodividende zu beteiligen. 200 Euro sollen als bedingungsloses Grundeinkommen an jeden Bürger des Euroraums ausgezahlt werden. Finanziert werden soll das durch eine gemeinsame Mehrwertsteuer. Für seinen Vorschlag sieht van Parijs vier gute Argumente:

 

  • Verglichen mit anderen Wirtschaftssysteme ist es in der EU schwerer zu migrieren. Kulturelle und sprachliche Unterschiede erschweren es den Bürgern durch Migration einen Angleich der Lebensverhältnisse zu erreichen.
  • Die Transfehrzahlungen in der EU sind im Vergleich mit den USA sehr gering. Staaten mit wirtschaftlichen Problemen kommen so in eine Abwärtsspirale.
  • Das Dogma der Wettbewerbsfähigkeit sorgt dafür, das die Nationalstaaten ihren Wohlfahrtsstaat zu Gunsten der Wettbewerbsfähigkeit abbauen müssen. Eine Eurodividende wirkt dem Abbau der Sozialleistungen entgegen.
  • Eine Eurodividende würde jeden Bürger an dem Erfolg der Eurozone beteiligen und damit die Akzeptanz der EU stärken.