von Friedhelm Schneider.
Dass der Theologennachwuchs rar ist, hat sich herumgesprochen. Dass schon jetzt die Vakanzen deutlich über der Grenze liegen, die für Rotationen der Stelleninhaber erforderlich sind (3,5%) auch. In Bayern geht man schon heute von einer Vakanzquote von ca. 7-8% aus. Schon jetzt müssen sich Gemeinden bei Vakanzen um PfarrerInnen bemühen. Das Thema wird mit Beginn der Pensionierungswelle ab 2017 zum Hauptproblem der Kirche aufrücken. Das zeigen auch Blicke auf den studentischen Theologennachwuchs.
Wie die Zahlen hinsichtlich der Theologiestudentenzahlen in den einzelnen Landeskirchen aussehen, hat neben anderen Daten und Kennziffern der auch der Pfarrverband erfasst. Die höchste absolute Zahl an StudentInnen hat demnach Bayern mit 382, gefolgt von Württemberg mit 287, der EKHN mit 252, Hannover mit 237 und die Nordkirche mit 227. Über 100 StudentInnen haben die EKM (142). Baden (141), die EKBO (127), Westfalen (123) und die EKiR (118). Alle anderen (in der Liste erfassten) Landeskirchen liegen darunter.
Fragt man, nach dem prozentualen Anteil der TheologiestudentInnen an der aktuellen Gesamtstellenzahl lautet das Durchschnittsergebnis aller Landeskirchen 15%. Diese vom Pfarrverband erstellte Kennziffer („Studierende pro Stelle“) differiert nach Landeskirche. In Bayern und Oldenburg liegt sie mit 24 % am höchsten. In Hannover sind es 19%, 18% in Baden und je 16% in der EKHN und Württemberg. Alle anderen Landeskirchen liegen darunter. Auffällig ist, dass zu den Schlusslichtern auch große Landeskirchen wie Westfalen (9%), aber insbesondere die EKiR mit ganzen 6% gehören.
Nun ist die aktuelle Stellenzahl (pro Gemeindeglied) variabel und differiert entsprechend den Landeskirchen schon heute ganz erheblich. Als Kennziffer objektiver und aufgrund geringerer Manipulationsmöglichkeiten interessanter wäre die Kennziffer „Gemeindeglieder pro StudentIn“. Das wäre eine Kennziffer analog zur bekannten Kennziffer der „Pastorationsdichte“. Man kann sie als „Nachwuchsdichte“ oder genauer eben als „StudentInnendichte“ bezeichnen (Wir lassen außer Acht, dass der Begriff wie seine Abwandlungen nicht ganz glücklich ist. Aber jede/r weiß, was gemeint ist).
Wir haben diese Kennziffer für die Leser der Wort-Meldungen für Landeskirche > 500.000 Glieder gebildet. (Keine Angaben lagen für die EKM und EKKW vor.):
Daraus kann man folgende Erkenntnis gewinnen:
1. In der neuen Generation wird aus heutiger Sicht das Verhältnis Gemeindeglieder/ Pfarrstellen dramatisch verändert sein. Beträgt die „Pastorationsdichte“ heute noch im Normalfall ca. 2000: 1, so tendiert sie bei den StudentInnen in den günstigen Fällen (Bayern, EKHN, Württemberg, EKBO, Baden) nach ca. 6500 bis 8000. Berücksichtigt man den Rückgang der Gemeindegliederzahl dann verbessert sich das Verhältnis um diesen Faktor. Wie nahe die Pastorationsdichte sich dann diesen Kennziffern nähern wird, hängt natürlich auch vom möglicherweise unterschiedlichen Restriktionsgrad der Einstellungspolitik der Landeskirchen in den zurückliegenden 20 Jahren ab. Auch muss berücksichtigt werden, dass dieser Übergang wird nicht abrupt, sondern fließend erfolgen und bis Ende der 20er Jahre abgeschlossen sein. Dabei geht es hier nur um die Grobtendenz, die Streuungen – zum Negativen oder zum Positiven – noch nicht berücksichtigt. Diese Grobtendenz ist aber so eindeutig, dass TheolgiestudentInnen heute fragen: Oh Gott, was kommt da auf mich zu?
Wird die heutige Ausgangslage hinsichtlich der Pastorationsdichte in Zukunft auch in den günstigen Fällen (s.o.) mit heute nicht mehr vergleichbar sein, dann wird sie sich namentlich in der EKiR und Westfalen mit Kennziffern von > 20.000 (Gemeindegliedern) : 1 (StudentIn, später PfarrerIn) erdruschartig verschieben.
Kirche wird nicht mehr sein, was sie war, eine Versammlung und Gemeinschaft von Gläubigen. Es findet eine Transformation in ein religiöses Dienstleistungsunternehmen statt. Die Zukunft der StudentInnen liegt auf dem Friedhof, formuliert ein Student.
Alternativen? Weitere Deprofessionalisierung („Prädikantisierung“) oder aber – wie in der katholischen Kirche schon lange üblich: der Pfarrer/die Pfarrerin aus der weiten Welt. Auch das wäre eine Transformation der Kirche, freilich der anderen Art.
Solche Transformationen des Kirchenbildes müsste man wohl man theologisch diskutieren, bevor man ihn vollzieht. Da kämen einem gewisse Bedenken. Neben solchen theologischen Bedenken, kann man dann aber aller weitere hinzufügen, bspw. unternehmerische. Denn schon heute entsteht im Bereich „religöser Service“ privatwirtschaftliche Konkurrenz. Bei Rent a pastor bekommt man professionelle Hochzeitsredner für freie Trauungen oder Bestattungsredner für Beerdigungen. Dass die immer stärker bürokratisierende Kirche gegen solche kleinen, flexibleren und weniger bürokratischen „Unternehmen“ wenig Chancen haben dürfte, sollte den Protagonisten rechtzeitig klar werden. Es gibt also nicht theologische Bedenken, sondern auch unternehmerische Risiken bei einer solchen Transformation.