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Domestizierung

Zerrüttungsprinzip in der Kirche?

Anmerkungen zu einem fragwürdigen Rechtsprinzip und dem Urteil eines Kirchengerichts vom 29.11.2013 von Professorin Gisela Kittel und Hans-Eberhard Dietrich, Dezember 2013


Damit reiht sich diese Entscheidung in die unendlich große Anzahl all der Urteile ein, die seit der Einführung von Ungedeihlichkeit und Wartestand im Jahre 1939 ergangen sind. Damit bleibt aber auch die Kritik an diesem Recht bestehen, die seit mehr als 75 Jahren geäußert wird, insbesondere aber in den letzten 10 Jahren in der Fachliteratur veröffentlich wurde. Um nur ein paar Kritikpunkte beispielhaft herauszugreifen:

+ Es schadet den betroffenen Gemeinden und dem Ansehen der Kirche:
„Kuckucksei im Pfarrerdienstrecht der EKD. Eine pastoralpsychologische Betrachtung einer konfliktträchtigen Regelung.“ Traugott Schall. Deutsches Pfarrerblatt 6/2011.
Kuckucksei

+ Es ist in keiner Weise mit reformatorischem Amtsverständnis vereinbar:
„Wider Kirchenraub und Kläffer. Luthers Ablehnung einer Zwangsversetzung von Pfarrern.“ Hans-Eberhard Dietrich. Deutsches Pfarrerblatt, 8/ 2008.“
Kirchenraub

Und: „Ohne geistlichen Sinn und biblische Weisung.“ Kirchenrecht darf es nicht ohne Bindung ans Bekenntnis geben. Hans-Eberhard Dietrich. Kirchliche Zeitgeschichte 2/2009.
OhneSinn

+ Es wird von der Kirchenverwaltung als „Unrühmliches Instrument kirchlicher Personalplanung“ missbraucht. „Wartestand – ein unrühmliches Kapitel kirchlicher Personalplanung“. Hans-Eberhard Dietrich. Deutsches Pfarrerblatt 2/2010
UnrKapitel

+ Das Zustandekommen der „nachhaltigen Störung“ wird als Willkür empfunden:
„Ist Willkür theologisch zu begründen? Oder Wie häretisch ist der Wartestand?
Karlheinz Drescher-Pfeiffer, Deutsches Pfarrerblatt 3/2011.
Willkür

Frau Professorin Kittel ist zuzustimmen, wenn sie sagte, dass die Diskussion über die Ungedeihlichkeit trotz des neuen Pfarrdienstrecht weiter gehen muss, und zwar im Interesse der Kirche und der gesamten Pfarrerschaft.
Mehr dazu.

Traugott Schall im Dt. Pfarrerblatt 6/2011 (s.o.):

„Zerrüttung hat es wie jede andere Störung einer Beziehung mit Emotionen, mit Gefühlen zu tun. Und Gefühle sind veränderbar, wandelbar, mitunter höchst unbeständig. Psychologische und pastoralpsychologische Kompetenz nimmt eine Störung in einer Beziehung wahr, fragt aber zugleich nach den Einzelheiten dieser Störung. Innerhalb einer zeitlichen Abfolge von Beratungskontakten verändern sich Gefühle. Eheberatung heißt manchmal nichts anderes als Menschen über eine schwierige Zeit bringen und ihnen Gelegenheit zum Gespräch zu geben. Bei einer Beziehungsstörung in einer Kirchengemeinde ist Ähnliches anzunehmen. … Ich postuliere: Konflikte, bzw. Zerrüttung zwischen Pfarrer und Gemeinde oder „Vertretungsorgan“ ohne vorherige kompetente und geduldige Beratung und Supervision zu regeln, ist einer christlichen Gemeinde und Kirche nicht angemessen.“

 

Neoliberales Personalmanagement auf dem Vormarsch: „Hirte auf Zeit „

02.01.14 Wer heute katholischer Pfarrer werden will, braucht mehr als einen festen Glauben: Er sollte auch flexibel sein. Denn anders als früher können viele Priester von einem Tag auf den anderen versetzt werden, ohne dass der Bischof einen Grund angeben müsste. Wie Leiharbeiter. Mehr dazu in der SZ.

Blitzlichter zur Situation des (Gemeinde-) Pfarrberufs

von Dr. Marlene Schwöbel und Markus Engelhardt, Stadtdekanin von Heidelberg bzw. Stadtdekan von Freiburg.

„In den vergangenen Jahren haben sich das Pfarrerbild und der Pfarrberuf sehr schnell und sehr grundlegend verändert. Dieses ist der Ausgangspunkt für einige Beobachtungen, die wir gemacht haben. Mit Ihnen, Euch gemeinsam möchten wir uns darüber austauschen, ob diese Erfahrungen und

Beobachtungen verallgemeinert werden können und wie wir in unserer Kirche damit konstruktiv umgehen sollten oder können. Auf fünf Punkte möchten Markus Engelhardt und ich (Marlene Schwöbel, Anm. F.S.) uns heute beschränken. Diese Punkte sind als Anregung zur Diskussion gedacht, vielleicht sind sie auch ein bisschen eine Provokation. Wir haben uns gewünscht, dass wir einmal zunächst unter uns diskutieren können, ohne die Kirchenleitung.

 

1. Package Deal?

2. Pfarramt und Familie

3. Welche Wertschätzung erfährt unsere Ausbildung in Kirche und Gesellschaft?

4. Das Verhältnis von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen

5. Residenzpflicht “

Lesen Sie den überaus interessanten Vortrag der beiden badischen Stadtdekane, abgdruckt im jüngsten Bad. Pfarrerblatt.

 

Abberufung wegen „Ungedeihlichkeit“

Die Praxis von Kirchenbehörden und das Wesen der Kirche. Zum „Ungedeihlichkeitsparagrphen“  der neuen EKD-Pfarrdienstgesetzes (bzw. der Vorlage für die landeskirchliche Gesetzgebung).

Ein Vortrag von Professorin i.R. Gisela Kittel vor dem Thüringer Pfarrverein.

„Ohne Diskussion und ohne eine Gegenstimme hat die Synode der EKD am 10. November 2010 dieses Pfarrdienstgesetz beschlossen, das in den §§ 79ff die Möglichkeit von Abberufungen wegen „ungedeihlichen Wirkens“ (so hieß der Tatbestand früher) nicht nur bestätigt, sondern sogar noch verschärft.“