Archiv der Kategorie:
Verwaltungs(struktur)reformen

EKD-Statistiken: „* Stand 2013 geschätzt auf Basis der Erhebung 2005“

12/2015

Man reibt sich die Augen, findet solche Angaben in EKD- Publikationen, wie etwa den „Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben“ öfters. Nachdem wir von einem besonders krassen Beispiel schon berichtet hatten, hier zwei weitere Fälle:

„Einnahmen der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Gliedkirchen*

* Stand 2013 geschätzt auf Basis der Erhebung 2005.“  Zur Quelle.

oder:

„Aufgaben der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Gliedkirchen und deren Kosten*
* Stand 2013 geschätzt auf Basis der Erhebung 2005.“ zur Quelle.

Begründung:

„Wegen der großen Anzahl der Erhebungseinheiten (über 16.000) und des damit verbundenen Abstimmungs- und Arbeitsaufwandes werden Finanzstatistiken in großen zeitlichen Intervallen (5 – 10 Jahre), zuletzt 2005, durchgeführt. Strukturell und volumenmäßig gibt es von Erhebung zu Erhebung nur geringe Veränderungen…“  zur Quelle.

Anmerkung F.S.: eine Administration, die nicht in der Lage ist, einfache Statistiken zeitnah zu führen, sollte tunlichst vermeiden, datentechnisch kompliziertere Vorgänge in Angriff zu nehmen, wie etwa die Umstellung eines ganzen Rechnungswesens. Selbst wenn ein solches Projekt inhaltlich sinnvoll wäre – quod erat demonstrandum – dann müsste die Realisierung schon angesichts der Anforderungen der EDV scheitern.

Wird unsere zentralisierte Verwaltung in Zukunft noch teurer? „Gemeinde im Aufwind“ in der Nordkirche erinnert an erhöhten Mehrwertsteuersatz für Verwaltungen gemäß EU-Recht.

11/2015, Gemeinde im Aufwind

Dass eine Kosten-Nutzenanalyse der Verwaltungsstrukturreform in vielen Bereichen eher bescheiden ausfällt, dürfte mittlerweile jedem klar sein. Nun wurde auf einer Veranstaltung der Nordkirche zum Kirchenkreisverwaltungsgesetz auf eine Problematik aufmerksam gemacht, die bisher wohl nicht im Fokus der Landeskirchen lag. Möglicherweise müssen in Zukunft alle verwaltungsmäßigen Dienstleitungen, auch die zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts erbrachten, mit einer Umsatzsteuer von 19 % belegt werden.

Das geltende EU-Recht verlangt schon seit längerem eine Anpassung der deutschen Gesetzgebung. In einem Schreiben des Gemeindebundes „Gemeinde im Aufwind“ heißt es dazu:  hier zur Stellungnahme.

Fassungslosigkeit angesichts einer Gemeindedemonstration und Petitionsübergabe gegen die Verwaltungsstrukturreform in den heiligen Hallen des Landeskirchenamts Düsseldorf: „Wer Funktionierendes zerschlägt, sitzt auf dem Ast, an dem er sägt“ (Spruchbandaufschrift)

03.07.2015,  NGZ- online

Aufsehen war beabsichtigt: Dass die evangelische Kirchengemeinde gestern eine Petition im Landeskirchenamt abgeben wolle, hatte Pfarrer Thomas Spitzer dort angekündigt. Spitzer tat dies nicht allein, er wurde von mehr als 60 Gemeindemitgliedern unterstützt, was an der Hans-Böckler-Straße in Düsseldorf zunächst doch für kurze Fassungslosigkeit sorgte…

Die sich gegen die Verwaltungsstrukturreform der Evangelischen Kirche im Rheinland wendende Petition nahm deren Vizepräsident Johann Weusmann entgegen… Mehr dazu.

 

25.06.2015, Kirchenbunt

60 Vertreter aus der Ev. Kirchengemeinde Rommerskirchen übergaben im Landeskirchenamt in Düsseldorf am Vormittag des 25. Juni ihre Petition gegen die Zwangszentralisierung ihrer Verwaltung. Mit Transparenten („Kleine Gemeindeschiffe entern bringt die Flotte bald zu Kentern“) und Sprechchören („Das Erzwingen wird nichts bringen!“) brachten sie ihren Unmut über die Verwaltungsstrukturreform und ihre Folgen lautstark zum Ausdruck. Dr. Johan Weusmann nahm die 1200 Unterschriften für die Kirchenleitung entgegen… Mehr dazu.

Doppik/NKF: Was mit so edlen Idealen gestartet war, hat sich im Laufe der letzten Jahre zu einem nicht mehr zu durchschauenden, völlig überbürokratisierten, die Gemeinden in ihrer Existenz gefährdenden und die Mitarbeiter der Verwaltung an den Rand des Wahnsinns treibenden Moloch entwickelt.“

23.03.2015, Kirchenbunt, Eine Kirchengemeinde redet Tacheles

Die Ev. Kgm. Rheinberg (Kirchenkreis Moers) ist in eine finanziell schwierige Lage geraten. Unter der Überschrift “Nichts wird so bleiben wie es ist” werden in der aktuellen Ausgabe des Gemeindebriefes dafür drei Gründe (“Knebel”) konkret benannt: 1. das Kinderbildungsgesetz des Landes NRW (KiBiz), 2. die Verwaltungsstrukturreform und 3. das Neue Kirchliche Finanzmanagement. Bitteres Fazit der Gemeinde: “Das Land NRW, die Landeskirche, der Kirchenkreis rauben den Gemeinden die finanzielle Luft zum Atmen”.

Daraus zum Thema Doppik/ NKF:

Was mit so edlen Idealen gestartet war, hat sich im Laufe der letzten Jahre zu einem nicht mehr zu durchschauenden, völlig überbürokratisierten, die Gemeinden in ihrer Existenz gefährdenden und die Mitarbeiter der Verwaltung an den Rand des Wahnsinns treibenden Moloch entwickelt. Das sogenannte „Neue kirchliche Finanzwesen“ hat praktisch über Nacht dazu geführt, dass unsere Kirchengemeinde aufgrund von Gebäudeabschreibungen und Zwangsrücklagen und Zwangspauschalen ein unglaubliches Defizit aufhäuft, obwohl sich an der sparsamen Ausgabepolitik und an der konkreten Arbeit vor Ort nichts geändert hat.

Das „NKF“ fördert tote Steine, und leblose Dinge und verhindert damit, dass wir den Aufgaben unserer Kirchengemeinde wie Verkündigung, Seelsorge, Unterricht und die Begleitung von Alten und Kindern nicht mehr sachgemäß nachgehen können. Rechnet man alle Abschreibungen und Rücklagen zusammen, so finden wir unter dem Strich eine Summe von gerade einmal 49.000 € an freien Mitteln vor, um alle unsere Aufgaben zu erfüllen – zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben.

Nordkirche: Zahlreiche Kirchengemeinden wenden sich gegen eine Zwangsverwaltung durch den Kirchenkreis.

Für eine Stärkung des Selbstverwaltungsrechtes. 
Zahlreiche Kirchengemeinden wenden sich gegen eine Zwangsverwaltung durch den Kirchenkreis. Referat von Norbert Dierks auf dem KiKrVertretertag in Rendsburg.

Zehn Kirchengemeinden haben sich im Juni diesen Jahres in einem ‚Offenen Brief‘ an die Kirchenleitung gegen die Zwangsverwaltung von Kirchengemeinden durch die Kirchenkreisverwaltungen, wie sie im Kirchenkreisverwaltungsgesetz (KKV-wG) vorgesehen ist, gewandt. Gefordert wird eine umfassende Diskussion über diesen sogenannten „Abnahmezwang“, und zwar unter direkter Beteiligung der Kirchengemeinderäte. Zugleich wurden alle Kirchengemeinden der Nordkirche angeschrieben und um Unterstützung gebeten. Bis dato haben sich bereits 65 weitere Kirchengemeinden dem Anliegen angeschlossen…

In einem Urteil vom Mai 2013 hat das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELKD) dem Abnahmezwang des KKVwG zwar bescheinigt, dass er verfassungskonform sei. In der Begründung macht das Gericht aber auch deutlich, dass es die damit geschaffenen Möglichkeiten zur Begrenzung des Selbstverwaltungsrechtes als „äußerst weitgreifend“*) ansieht… 

Pastor Norbert Dierks

Zum Wortlauf des Offenen Briefs.

EKiR: Die Zustimmung der SuperintendentInnen zu den „Reformen“ in der EKiR bröckelt: Ein Querschnitt durch die Berichte auf den Herbstsynoden der Kirchenkreise der EKiR.

NKF, Verwaltung, Sparkurs: das sagen die SuperintendentInnen
Ein Querschnitt durch Berichte von Superintendentinnen und Superintendenten der EKiR.

Beitrag vom 17. November 2014 von Andreas Reinhold

Der November ist traditionell der Monat der Herbstsynoden in den Kirchenkreisen der EKiR. Und zu den festen Riten der Kreissynoden gehören die Berichte der Superintendenten bzw. der Superintendentinnen. Die fallen in Ausführlichkeit und Stil natürlich sehr unterschiedlich aus. Inhaltlich kommt man aber in diesem Jahr an bestimmten Themen nicht vorbei. Dazu gehören u.a. auch das Neue Kirchliche Finanzwesen (NKF), die Verwaltungsstrukturreform und die aktuellen Sparvorschläge der Landeskirche.

Zum Überblick bei Andreas Reinhold, KirchenBunt.

Kommentar F.S.: Erstaunlich, dass selbst SuperintendentInnen angesichts der Resultate der der EKiR verordneten Schock-Strategie mittlerweile ihre Zweifel nicht mehr verhehlen.

Außer Spesen nichts gewesen? Ein Zwischenruf zum Thema Verwaltungsstrukturreform in Oldenburg

Wenn der Pastor hinschmeißt. Ein Zwischenruf zum Thema Verwaltungsstrukturreform.

von Jürgen Westerhoff, Wilhelmshaven

Wie bitte? Verwaltungsstrukturreform? Ein Wendepunkt?  Kein Scherz? Kein Scherz! Schließlich hat sich die evangelische Kirche im Oldenburger Land gut und gern zwei Jahrzehnte mit dem Thema beschäftigt. Wirklich gut und gern? Na ja, vielleicht nicht ganz so gern, sondern eher auch etwas ungern, weil nicht freiwillig, sondern gezwungenermaßen. Und vielleicht auch nicht so gut? Nun, die einen sagen so, die anderen so. Je nach Blickwinkel und Perspektive sowie der Art und Intensität der Betroffenheit. Und die Sicherheit des persönlichen Urteils steigt manchmal mit der Entfernung zum Problem. Wer am weitesten weg ist, weiß natürlich am besten Bescheid. Meint er oder sie. Eine Einschätzung der Verwaltungsstrukturreform eint aber nahezu alle: Es ist durchaus kein Thema, das vergnügungssteuerpflichtig wäre. Eher eine gewaltige Spaßbremse, die sich da in den Gemeinden und kirchlichen Verwaltungsstellen zwischen Nordsee und Dammer
Berge breit gemacht hat.

Zur Startseite der Oldenburg. Landeskirche klicken Sie hier.  Und nun weiter: Klicken Sie dort zuerst auf „Aktuell“, dann dort auf „Horizont E“. Dort werden verschiedene Ausgaben der Publikation angezeigt. Gehen Sie auf die 11. Ausgabe und scrollen dort auf S. 16

Anmerkung F.S.: Der Beitrag zeichnet ein sehr ernüchterndes Bild des Resultats nach Einführung der Verwaltungsstrukturreform in der Oldenburgischen Landeskirche im Jahr 2006. Die frustrierende Wirkung auf das Personal wird deutlich. Ähnlich hatte schon früher Christoph Meyns, ehemals Pfarrer der Nordkirche, heute Bischof in der Brunschweigischen Landeskirche, im Deutschen Pfarrerblatt die Erfahrungen mit Strukturreformen in der Nordkirche beschrieben.
Angesichts des immensen Aufwandes, der für diese Reform betrieben wurde, ist es verständlich, dass der Autor versucht, dem Prozess trotz des verursachten großes Frusts dem Prozess dennoch Positives abzugewinnen. Dazu werden sinnvolle Einzelaspekte benannt, die mit dem eigentlichen Prozess der Verwaltungsstrukturreform allerdings nichts zu tun haben. Hier ist das die koordinierte Gottesdienstplanung der PfarrerInnen. Dass sie eine von der Verwaltungsstrukturreform völlig unabhängige Maßnahme darstellt beweist die Tatsache, dass solche Abstimmungen in gewissen Regionen teilweise schon seit Jahrzehnten üblich sind. Auch der Hinweis auf verbesserte Ergebnisse in der Zukunft wirken eher hilflos. Denn auch sie belegt: von Anfang an war die Mitarbeiterschaft in den Prozess nicht integriert. Und erst eine neue Generation wird sich mit den neuen Strukturen identifizieren. Und ob die Ergebnisse dann in Zukunft dann tatsächlich besser sein werden, ist eher unwahrscheinlich. Denn der Ansatz der Strukurreform ging und geht an den eigentlichen Problemen der Organisation vorbei.

Der KirchenBunt – eine Initiative der Basis in der EKiR.

6. Juni 2014, von Andreas Reinhold

Nun ist es auch in der EKiR soweit: An den Start geht eine „Initiative zur Stärkung der Ortsgemeinden, zur Wahrung der presbyterial-synodalen Ordnung, gegen Zentralisierung, Hierarchisierung und Monetarisierung in der Evangelischen Kirche im Rheinland“. Hinter dem etwas gestelzten Namen verbirgt sich das Anliegen, „der zurzeit vorherrschenden TopDown-Strategie ein basisorientiertes Denken und Handeln entgegensetzen und damit die Vielfalt und Eigenständigkeit der Gemeinden (zu) stärken.“ Insbesondere wenden sich die Initiatoren „gegen eine weitere Kompetenzverlagerung von den Presbyterien zu den übergemeindlichen Ebenen und gegen eine finanzorientierte Bewertung kirchlicher Arbeitsfelder“. Zum Mitmachen eingeladen sind alle, „die durch den Reformprozess in der Evangelischen Kirche im Rheinland und seine Auswirkungen auf ihre presbyterial-synodale Ordnung mit Sorge erfüllt sind.“ Weitere Informationen entweder auf der Website oder bei FaceBook:

» KirchenBunt – Website

KirchenBunt im Rheinland – Erklärung

„Die Gemeinde steht im Mittelpunkt. Sie ist der Ort, wo Menschen Glaube erleben. Bei allen Diskussionen, welche Strukturen wir in Zukunft benötigen, müssen wir fragen, wie diese der Gemeinde dienen ….“ (Manfred Rekowski – Präses der Ev. Kirche im Rheinland)

Worum es geht
Seit 2005 ist die Ev. Kirche im Rheinland einem Umbauprozess ausgesetzt, der den Wesenskern unserer Kirchenverfassung berührt. Entscheidungsprozesse werden von Kirchenleitung und Landessynode vorangetrieben und gegenüber Kirchenkreisen und Gemeinden durchgesetzt. Es fand und findet eine Verkehrung dessen statt, was eine presbyterial-synodale Kirchenverfassung ausmacht.
Begründet werden die Umbaumaßnahmen mit der Perspektive dauerhaft sinkender Einnahmen. Tatsächlich binden Organisation und Verwaltung jedoch immer mehr finanzielle Ressourcen, wohingegen die Mittel für die Arbeit mit Menschen drastisch reduziert werden. Verschärft wird diese ungesunde Entwicklung durch den 2013 von der Kirchenleitung initiierten Sparkurs.
Wir setzen uns ein für eine „Kirche auf Gemeindebasis“. Wir stehen damit auf dem Boden unserer Kirchenverfassung und beziehen uns besonders auf die Grundartikel der Kirchenordnung sowie die Barmer Theologische Erklärung.

1. Kirche aus dem Wort
Die beiden ersten Thesen der Barmer Theologischen Erklärung machen deutlich: es gibt keinen Lebensbereich und auch kein kirchliches Handlungsfeld, dass von einer Orientierung an Jesus Christus als dem einen Wort Gottes suspendiert ist. „Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen“ (aus Barmen II).
Wir beklagen, dass zentrale Umbauprojekte ohne erkennbare theologische Reflektion durchgeführt werden. Das Neue kirchliche Finanzwesen(NKF) oder die Verwaltungsstrukturreform folgen vielmehr Modellen aus dem säkularen Umfeld der Kirche. Wie die Kirche mit ihrem Geld umgeht und welche Prioritäten beim Mitteleinsatz gesetzt werden, sind zu allererst theologische Fragen, denen man sich bisher weitgehend entzogen hat.
Wir setzen uns eine für eine Kirche, in der Theologie wieder eine handlungsleitende Funktion einnimmt – und zwar auch in Fragen des Umgangs mit ihren finanziellen Ressourcen sowie ihrer Organisation und Verwaltung.

2. Kirche auf Gemeindebasis
Bereits die ersten Sätze der Kirchenordnung der Ev. Kirche im Rheinland machen deutlich: Basis der Kirche ist die Gemeinde, die eigenverantwortlich ihre Aufgaben im Dienst des Evangeliums für die Menschen wahrnimmt und organisiert. Die dritte These der Barmer Theologischen Erklärung definiert Kirche als „Gemeinde“, „in der Jesus Christus in Wort und Sakrament gegenwärtig handelt“.
Wir beklagen die im Widerspruch zur Barmer Theologischen Erklärung und zur rheinischen Kirchenverfassung stehende Hierarchisierung unserer Kirche, durch die die Eigenverantwortlichkeit von Gemeinden sowie von Kirchenkreisen und Einrichtungen immer mehr zurückgedrängt wird.
Das Handeln Jesu in Wort und Sakrament ist kommunikatives Geschehen, das Menschen in eine verbindliche Beziehung zueinander führt. Wir setzen uns ein für eine Kirche, in der die Gemeinde als „Grundstruktur gelebten Christseins“ wahrgenommen und gestärkt wird.

3. Kirche für Menschen
Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus verlangt nach einer Kirche, die sich mit ihrer Botschaft und ihrer strukturellen Ausrichtung entschieden den Menschen zuwendet. Mit ihrer Verkündigung, ihrer Seelsorge, ihrer Bildungsarbeit, ihrem diakonischen Wirken und dem prophetischen Wort dient sie den Menschen in ihrem Wirkungsbereich.
Unsere Kirche denkt und handelt zunehmend unter der Herrschaft des Geldes. Wir beklagen einen Prozess der Ökonomisierung, durch den strategische Entscheidungen immer mehr mit Finanzgrößen und Finanzprognostik begründet werden, wohingegen die Bedürfnisse, Nöte und Erwartungen der Menschen im Wirkungsbereich der Kirche in den Hintergrund treten. Diese Fiskalisierung im Denken und Handeln, die Glaube, Hoffnung und Liebe marginalisiert, widerspricht der biblischen Botschaft.
Wir setzen uns ein für eine Kirche für die Menschen. Kirchenleitendes Handeln darf nicht vorrangig am Geld, sondern muss an den Menschen im Wirkungsbereich der Kirche orientiert sein.

4. Kirche in Freiheit
Die vierte These der Barmer Theologischen Erklärung ist eine entschiedene Absage an hierarchische Strukturen und Top-Down-Strategien: „Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes.“ Die Gemeinde als Ganzes ist Subjekt kirchlicher Willensbildung und kirchlichen Handelns.
Wir beklagen, dass Kirche vor Ort immer mehr zum Objekt der Entscheidungen übergeordneter Leitungsgremien geworden ist, die einhergehen mit der Absicht der zentralen Steuerung wichtiger Prozesse. Dieser Umbau der Kirche führt bis heute zu Nötigungen, die die theologische Identität von Gemeindegliedern schwer verletzen und sich schädigend auf Gemeinden und Einrichtungen auswirken.
Wir setzen uns ein für eine Kirche der strukturellen Vielfalt, die den Weg ebnet für Eigenverantwortung und Kreativität. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine strukturell flexible und vielfältige Kirche den Anforderungen unserer Zeit wie der Grundausrichtung unserer Kirchenverfassung entspricht.

5. Kirche in Solidarität
„Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“ (1. Petrus 4,10)
Jesus Christus spricht: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40)
Die Kirche Jesu Christi ist Kirche für die Menschen und steht in Solidarität mit allen Bedrängten, Marginalisierten und Notleidenden.
Wir beklagen, dass unsere Kirche durch bis heute anhaltende Umbau- und Sparprozesse zahlreiche Menschen in materielle und psychische Not gebracht hat. Darüber hinaus wird die sozial-diakonische Arbeit von Kirchenkreisen und Gemeinden geschwächt.
Wir setzen uns ein für eine Kirche, die sozialverantwortlich mit ihren Beschäftigten umgeht, ihre bleibende und verbindliche Verantwortung für diese wahrnimmt und damit ihre sozialethische Botschaft in Parteinahme für die Armen nach außen verstärkt.

Was ist zu tun?

Jedes Leitungsgremium und jeder einzelne Christ und jede Christin habe das Recht und die Pflicht, Beschlüsse von Synoden und Rechtsetzungen der Kirche anhand des Bibelwortes, der Bekenntnisse sowie der Verfassung unserer Kirche zu überprüfen und ihrem Gewissen folgend zu entscheiden, ob sie dem folgen können oder nicht.
Wir fordern ein Innehalten bei der Umsetzung des Neuen Kirchlichen Finanzwesens und der Verwaltungsstrukturreform. Beide Projekte werfen theologische Fragen auf, die bisher nicht in Ansätzen geklärt sind. Beide Projekte stehen in Spannung, wenn nicht im Widerspruch zu zentralen Elementen der rheinischen Kirchenverfassung.
Wir fordern einen ergebnisoffenen Diskurs über die Zukunft der rheinischen Kirche, der sich ebenenübergreifend um Einmütigkeit bemüht.

EKiR: Landeskirchenrätin Antje Hieronimus droht in Sachen Verwaltungsstrukturreform mit Zwangsmaßnahmen auf der Veranstaltung im Kirchenkreis Moers

Von Hans-Jürgen Volk

Bei einer Veranstaltung im Kirchenkreis Moers zur Verwaltungsstrukturreform vom 20. Mai 2014, die in Vorbereitung einer am darauffolgenden Wochenende stattfindenden Kreissynode durchgeführt wurde, standen plötzlich Drohungen im Raum, die jeden offenen Diskurs abwürgen. Landeskirchenrätin Antje Hieronimus bedrohte Leitungsgremien, die nicht der der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform mitarbeiten würden, mit dem Disziplinarrecht und deren Auflösung.

Wer handelt eigentlich fortgesetzt rechtswidrig?

Gewiss, die Kirchenordnung sieht schon immer für Leitungsgremien, die fortgesetzt rechtswidrig handeln, Sanktionen vor. Insofern sind die Ausführungen von Hieronimus nicht weiter aufregend. Dennoch kann man getrost davon ausgehen, dass ein Mitglied des Kollegiums mit ähnlichen Äußerungen in den 90-er Jahren kaum auf Verständnis gestoßen wäre…

Die entscheidende Frage ist doch, wer handelt hier eigentlich fortgesetzt rechtswidrig? Hier haben die Kirchengemeinden Alpen und Rheinberg ein Rechtsgutachten zur Verwaltungsstrukturreform in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass begründete Zweifel an der Konformität dieses Projekts mit wesentlichen Grundlagen unserer Kirchenordnung bestehen. Die Kirchenordnung wurde zwar in einigen Punkten durch Beschlüsse der Landessynode verändert, um sie den Anforderungen der im Wesentlichen durch das Beratungsinstitut Kienbaum entwickelte Verwaltungsstrukturreform anzupassen. Das Gutachten bestreitet allerdings ein Recht der Landessynode, den Gemeinden wesentliche Kompetenzen zu entziehen. Somit müssten sich die Äußerungen von Hieronimus eigentlich gegen die Leitungsorgane der Landeskirche richten…

Zum Artikel.

EKiR: Verwaltungsstrukturreform steht im Widerspruch zur rheinischen Kirchenverfassung – Rechtsgutachten weist erhebliche Mängel nach

Von Hans-Jürgen Volk

Die Kirchengemeinden Alpen und Rheinberg haben ein Rechtsgutachten zur Verwaltungsstrukturreform in Auftrag gegeben, dass seit Anfang des Jahres vorliegt. In einem von den Presbyterien der beiden Kirchengemeinden verantworteten Begleitschreiben wird darauf hingewiesen, dass der 2005/2006 in der Ev. Kirche im Rheinland eingeleitete Umbauprozess den „Wesenskern unserer rheinischen Kirchenverfassung“ berührt. „Das sich hier abzeichnende Anliegen einer zentralen Steuerung widerspricht grundlegend unserem bewährten Ansatz der dezentralen Subsidiarität“. In dem von der Kanzlei Peberes Moers erstellten Gutachten wird der Nachweis erbracht, „dass die presbyterial-synodale Ordnung und die Kirchenverfassung durch das Verwaltungsstrukturgesetz verletzt werden“.

Die Verwaltungsstrukturreform gehört mit zu einem der problematischsten Umbauvorhaben des seit spätestens seit 2006 intensivierten Umgestaltungsprozesses in der EKiR. Im Verbund mit anderen Projekten wie NKF trägt sie dazu bei, den Charakter der rheinischen Kirche wesentlich zu verändern. Die Impulse zu diesen Projekten kamen und kommen samt und sonders von der landeskirchlichen Ebene und von der EKD. Die rheinische Kirche ist heute keine basisorientierte „Kirche von unten“ mehr. Im Gegenteil: die Spielräume der Akteure vor Ort, sei es in Gemeinden, Kirchenkreisen oder Einrichtungen wurden immer mehr eingeengt und die Kreativität für eigene Problemlösungen und Ansätze blockiert. Die Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform wird diesen Trend verstärken. Und es brennt. Am 1. April 2014 soll das Verwaltungsstrukturgesetz in Kraft treten. Kirchenkreise und Gemeinden sind verpflichtet, bis zum 30. Juni 2015 die nötigen Beschlüsse zur Umsetzung zu fassen. Bis zum 1. Januar 2017 soll das Gesetz umgesetzt sein. Den Kirchengemeinden Rheinberg und Alpen gebührt Dank für ihren Vorstoß, der rechtzeitig kommt vor den Beschlussfassungen der Presbyterien und Kreissynoden zur Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform. Diese sollten sich fragen, ob man Projekte tatsächlich umsetzen kann, wenn sie erkennbar im Widerspruch zu zentralen Elementen der Kirchenordnung stehen.

Das Rechtsgutachten – wichtige Inhalte

Seit 2006 ist eine Vielzahl von Bemühungen gescheitert, durch Anträge von Kreissynoden Umbaumaßnahmen zu korrigieren. Dies fand seinen Höhepunkt 2011/2012, als fast ein Drittel der Kirchenkreise bei den umstrittenen Themen Verwaltungsstrukturreform und Personalplanung ein Proponendum forderten, also Stellungnahmen der Presbyterien und Kreissynoden zu den umstritten Projekten ermöglichen wollten. Dies wurde ebenso abgeschmettert wie das Bemühen zuvor, statt dem NKF die erweiterte Kameralistik einzuführen. Im Gutachten heißt es auf S. 21: „Der Begriff ‚presbyterial-synodale Ordnung‘ ist ein Verfassungsprinzip, nach dem die einzelne Gemeinde in ekklesiologischer und kirchenrechtlicher Hinsicht für die Evangelische Kirche im Rheinland konstitutiv ist. Die Gemeinde ist das Subjekt, nicht das Objekt kirchlichen Handelns. … Aus den Presbyterien der einzelnen Gemeinden erwächst der synodale Aufbau der Rheinischen Kirche, die eine Gemeindekirche ist.“ Hieraus folgt, dass eine Willensbildung, die wesentliche Belange der einzelnen Gemeinden berührt, aus den Presbyterien heraus erfolgen und in die Synoden hereingetragen werden muss. Der umgekehrte Weg, dass Kirchenleitung und/oder Landessynode kirchliche Körperschaften nötigen, Maßnahmen entgegen der eigenen Überzeugung und oft genug zum Schaden der Situation vor Ort umzusetzen, widerspricht der presbyterial-synodalen Ordnung.

Bis heute wird argumentiert, dass natürlich die presbyterial-synodale Ordnung gewahrt und „lediglich“ das synodale Element dieser Ordnung gestärkt werden müsse. Faktisch bedeutet dies aber eine Umkehrung der Wertigkeit der verschiedenen Leitungsebenen: Vor allem in Finanz- und Strukturfragen ergibt sich eine Dominanz von KL und Landessynode, der sich Kreissynoden und Presbyterien unterzuordnen haben. Nach Ansicht der Gutachter wird hiermit der Boden der presbyterial-synodalen Ordnung verlassen. Sie verweisen auf Artikel 130 der Kirchenordnung, der die Kompetenz der Landessynode zu Rechtssetzungen regelt. Hieraus ergibt sich keine Verwaltungszuständigkeit. In Artikel 126, 3 der Kirchenordnung wird auf die Pflicht der Landessynode hingewiesen, die presbyterial-synodale Ordnung zu wahren und hiermit als Begrenzung der eigenen Rechtsetzungskompetenz anzuerkennen. „ … der Terminus ‚Wahrung der presbyterial-synodalen Ordnung‘ beinhaltet eine Verpflichtung der Landeskirche, dafür Sorge zu tragen, dass diese Ordnung nicht verletzt wird.“ Aus dieser Einschätzung der Gutachter ergibt sich faktisch eine Pflichtverletzung der landeskirchlichen Ebene gegenüber der eigenen Kirchenverfassung – und dies sicher nicht nur bei der Verwaltungsstrukturreform.

Gutachten Fassung-F