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Zukünftiger Finanzbedarf

Die Rücklagen wachsen – die Probleme auch. Die evangelischen Landeskirchen und das Geld. Von Christoph Fleischmann.

Herder Korrespondenz 4/2015, S. 186- 190

Passagen aus dem Artikel mit freundlicher Genehmigung des Autors:


Bis heute ist der Text des Erweiterten Solidarpaktes nicht offiziell veröffentlicht, da, so das Kirchenamt der EKD, Beschlüsse der Kirchenkonferenz nicht veröffentlichungspflichtig seien. Der Text wurde aber Mitte 2014 auf der Homepage wort-meldungen.de geleakt. In der Vereinbarung werden alle Landeskirchen auf einen sehr sicherheitsorientierten Finanzkurs festlegt bei Personalkosten, Rücklagen und Verschuldung. Zu den Pfarrpensionen heißt es z.B. in der Vereinbarung: „Die Versorgung [der Pfarrerinnen und Pfarrer] soll so abgesichert sein, dass keine wesentlichen Belastungen auf die nachfolgenden Haushalte übertragen werden müssen.“ Genauerhin sollen aus dem Haushalt nur bis zu 10 Prozent der Pfarrdienstkosten für Pensionäre ausgegeben werden. Wenn man die Pensionäre nur zu einem geringen Teil aus dem laufenden Haushalt zahlen darf, muss man einen Kapitalstock aufbauen, aus dem die starken Pensionsjahrgänge später versorgt werden können.

Diese Standards würden „im Auftrag der Gemeinschaft der Gliedkirchen“ vom Kirchenamt der EKD „überwacht“, so Oberkirchenrat Thomas Begrich, im Kirchenamt der EKD für die Finanzen zuständig. „Dazu kriegen wir einmal im Jahr ein paar Kerndaten, die wir dann auswerten und dann wieder mit den jeweiligen Gliedkirchen sprechen: Wie ist der Stand, wo liegen die Probleme? Wo muss man mehr tun?“, so Begrich. Im Pakt selber werden einer Landeskirche, die die geforderten Mindeststandards nicht erreicht, ein blauer Brief vom Kirchenamt der EKD und ein Besuch angedroht. Wenn das nicht reicht, um eine Landeskirche zu den vereinbarten Standards zurückzuführen, werden weitere Maßnahmen in Aussicht gestellt: „a) Aufforderung zur Aufstellung eines Sanierungsplans in Abstimmung mit dem Kirchenamt; b) Begleitung der Umsetzungsmaßnahmen durch einen Beauftragten.“ Die Drohkulissse gipfelt darin, dass nur diejenige Landeskirche auf Hilfe der anderen Landeskirchen rechnen darf, die sich den oben beschriebenen Maßnahmen unterwirft.

Die Synoden der Landeskirchen haben den Pakt nicht ratifiziert, wie sie es mit Gesetzen der EKD-Synode tun müssten, damit die in ihrem Bereich wirksam werden. Das Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland erklärte dazu, dass der Synode der Wortlaut des Erweiterten Solidarpaktes nicht mitgeteilt werden musste, weil das Haushaltsrecht der Synode nicht eingeschränkt werde durch den Beschluss der Kirchenkonferenz. Die EKD habe keine Zugriffsrechte auf die Finanzplanung der Landeskirchen. In der Tat könne die Kirchenkonferenz der EKD den Landessynoden nichts vorschreiben, erklärt Christian Grethlein, emeritierter Theologieprofessor der Universität Münster, der gerade eine Einführung in das evangelische Kirchenrecht veröffentlicht hat. Formalrechtlich sei an dem Pakt nichts zu beanstanden, aber „vom Rechtsgehalt her“ sehe er Probleme: „Offensichtlich wurde hier eine Vereinbarung zwischen Landeskirchen getroffen, die erhebliche Auswirkungen auf die Haushalte hat“, so Grethlein. Die Rechenschaftspflicht der Landeskirchen gegenüber dem Finanzbeirat der EKD gebe der Vereinbarung schon einen „gewissen Rechtscharakter“ findet Christian Grethlein. „Von daher wundert es schon, dass dieser Erweiterte Solidarpakt offensichtlich in den Landeskirchen nicht oder nicht hinreichend diskutiert wurde.“

Anlagerisiken bei kapitalgedeckter Altersvorsorge steigen: Niedrigzins führt bei kapitalgedeckter Altersversorgung zu steigenden Risiken

Gefahr für Sparer und Altersvorsorge

28.2.2015,  von Michael Ferber, NZZ

…Dies führt dazu, dass die Einrichtungen praktisch dazu gezwungen sind, bei der Vermögensanlage höhere Risiken einzugehen. Viele Pensionskassen dürften nun stärker in Aktien investieren, wenn sie die entsprechende Risikofähigkeit denn besitzen. Auch die Investitionen in Immobilien dürften weiter zunehmen. …
Ausserdem wird durch die Entwicklung ein für den Vermögensaufbau sehr wichtiger Faktor, der Zinseszinseffekt, weitgehend ausgeschaltet. Dadurch entsteht gerade langfristig orientierten Anlegern grosser Schaden, denn der Effekt kommt besonders bei langen Sparphasen stark zum Tragen. Der Zinseszinseffekt sorgt dafür, dass Zuwächse aus Zinserträgen mit jeder neuen Zinsperiode immer grösser werden. Gerade Bürgern, die bereits in jungen Jahren mit dem Sparen beginnen, half er so in der Vergangenheit wesentlich bei der Vermögensbildung. Durch die extrem niedrigen oder neuerdings sogar negativen Zinsen profitieren Anleger und Sparer immer weniger von dieser Magie des Zinseszinseffekts….
Die Stürme der Schuldenkrise dürften auch in Zukunft an den Finanzmärkten für grosse Turbulenzen sorgen. Es ist davon auszugehen, dass dabei fast alle Anleger nass werden…

Zum Artikel.

Kapitaldeckung als Pensionssackgasse. Von Norbert Blüm. Und weitere Beiträge zum selben Thema.

Norbert Blüm, 19. Januar 2015

Resümee: Kapitaldeckung – eine Sackgasse

Kapitalgedeckte Privatversicherung hat keine ausreichende Antwort auf das Risiko der Arbeitslosigkeit, der Erwerbsunfähigkeit, Krankheit etc. und keinen Sinn für Familie. Ihr fehlt dafür der Mechanismus des Solidarausgleichs.

Deutschland macht miserable Erfahrung mit der Riester-Rente. Der Kater kommt noch, wenn die heutigen Rentner in die Rente kommen. Dann werden sie feststellen, dass die Riester-Rente das Loch nicht schließt, das sie mit der von ihr bewirkten Absenkung des Rentenniveaus in das gesetzliche Rentensystem gerissen hat.

Gewinner der Riester-Rente sind die Versicherungskonzerne und die Arbeitgeber, die zur Riester-Rente keinen Arbeitgeber-Beitrag zahlen. Zum Artikel.

Zum selben Thema 1:

Über 70 Prozent der Riester-Verträge in der Zinsfalle

20.01.2015 –
Noch in der Finanztest-Ausgabe 11/2013 wurden Riester-Banksparpläne als heimliche Favoriten vor allem für ältere Sparer genannt, die nur noch 10 bis 15 Jahre bis zur Rente vor sich haben. Gestern meldete Finanztest jedoch: Riester-Rente: Minizinsen belasten Sparer.

Schnell und einfach zur Steuer 2014 speziell für Rentner und Pensionäre
Der Grund liegt in der auf nur noch 0,35 % gesunkenen Umlaufrendite, also der durchschnittlichen Rendite aller umlaufenden Bundesanleihen. Die von Volks- und Raiffeisenbanken angebotenen Riester-Banksparpläne gehen meist von der Zins-Messlatte Umlaufrendite minus ein halber Prozentpunkt aus. Vor einem Jahr lagen diese Umlaufrendite noch bei 1,5 % und der Zins nach Abzug von einem halben Prozentpunkt immerhin noch bei 1 %.

Riester-Banksparpläne: Minizins von 0,5 % oder gar Negativzinsen… Zum Artikel.

zum selben Thema 2:

Lebensversicherer stoppen Auszahlungen

01/2015 Durch ein neues Gesetz dürfen Lebensversicherer bestimmte Reserven nicht auszahlen. Nach Informationen unserer Redaktion sind davon entgegen erster Erwartungen auch große Versicherer betroffen.
Zahlreiche Lebensversicherer müssen ihre Auszahlungen teilweise stoppen. Durch ein neues Gesetz sind die Unternehmen gezwungen, bestimmte Reserven nicht an ausscheidende Kunden auszuzahlen, wenn dadurch Zinsgarantien für die übrigen Kunden gefährdet würden.
Im Vorfeld hatten Experten erwartet, dass nur einige finanzschwächere Versicherer unter diese Schutzregel fallen. Nach Informationen der WirtschaftsWoche greift die Regel nun aber branchenweit und betrifft auch große Versicherer. So dürfen die Lebensversicherer R+V, AachenMünchener, Generali, Debeka, Cosmos, Ergo, Axa und Bayern-Versicherung keine von der Neuregelung betroffenen Reserven mehr ausschütten. Nur im Voraus zugesagte Beteiligungen fließen in Einzelfällen weiter an die Kunden. Allein diese Anbieter stehen für knapp ein Drittel der in Deutschland versicherten Summe.
Quelle: Wirtschaftswoche
Anmerkung JB: Wieder einmal zeigt sich, dass kapitalgedeckte Altersvorsorgesysteme bereits bei kleineren systemischen Krisen am Finanzmarkt ihren großen Versprechungen nicht mehr nachkommen können. Zur Quelle.

zum selben Thema 3:

Trotz dieser negativen Erfahrungen setzten die Kirchen uneingeschränkt auf… Kapitaldeckung der Pensionen. So die EKHN. Im folgenden Interview erläutert Thomas Striegler, EKHN Finanzdezernent und Leiter der Kirchenverwaltung in Personalunion, die zukünftige Verteilung der Pensionsverpflichtungen am Beispiel der EKHN:

???

T.S.: Wir haben unsere Beamtinnen und ­Beamten sowie unsere Pfarrerinnen und Pfarrer dort (Evangelischen Ruhe­gehaltskasse) rückversichert und Teile der ­Altersversorgung über die Evangelische ­Ruhegehaltskasse geregelt. Genauer gesagt, haben wir etwa zwei Drittel der gesamten Altersversorgungsansprüche über die ERK rückgedeckt, ein Drittel lastet auf unseren jährlichen Haushalten.

??? Und wie sorgen Sie für die Ruheständler vor?
T.S.: Wir haben vor mehr als 20 Jahren die ­sogenannte Versorgungsstiftung der Evan­gelischen Kirche in Hessen und ­Nassau ­gegründet. Sie soll genau dieses Drittel­ der Altersversorgung, das nicht über die ­Ruhe­gehaltskasse abgeschirmt ist, aus Kapital­anlageerträgen decken und damit den kirchlichen Haushalt entlasten… Zur Quelle.

Anm. FS: Offensichtlich bestehen Zweifel, ob das Klappt. Denn schon Ende 2013 war die Stiftung zu 101% ausfinanziert. Nun strebt man das Ziel 120% Ausfinanzierungsgrad an. Warum wohl? Erklärung:  man traut der eigenen Strategie zur Finanzierung zukünftiger Versorgungsleistungen schon heute selbst nicht mehr. Aber man geht diesen Weg unbeirrt weiter. Noch einmal Norbert Blüm: „Der Kater kommt noch“.

EKiR-Synodenbeschlüsse zur Haushaltspolitik oder: Was läuft eigentlich schief in der Finanzpolitik der Kirche?

von Friedhelm Schneider

Auf den ersten Blick klingt alles recht plausibel: Haushaltskonsolidierung und Rücklagenbildung für die Pfarrpensionen angesichts bald einbrechender Kirchensteuereinnahmen. So die offizielle Lesart und Argumentation für einen wohl beispiellosen Leistungsabbau in der EkiR auf der landeskirchlichen Seite. Davon betroffen sind an vorderster Stelle die Bildung (Schulen) 4,5 Mio, Arbeitslosenfonds 1,15 Mio, KiHo Wuppertal/Bethel 1 Mio. . Es folgen weitere prominente Positionen wie Medienverband, Tagungshäuser, PTI, Studierendenarbeit, Akademie etc. Über die Kürzungen haben etliche Ausschüsse im Vorfeld beraten und beschlossen, und nun auch die Landessynode.

Gleichzeitig beschlossen: ein neues Investitionsprogramm in die Verwaltung, genauer, in die IT-Struktur und dies ohne Finanzierungslimit. Und das obwohl die Kostenexplosion in ähnlicher Sache, der Einführung der Doppik, hinlänglich bekannt ist: von veranschlagten 3 Mio. € sind diese auf – in der Synode unwidersprochene – 60 Mio. € gestiegen sind. Schon warnt Pfr. i.R. Manfred Alberti: „Der Alptraum geht weiter: NKF – Verwaltungsstrukturreform – jetzt: IT-System.“

Erster Eindruck: Geld ist da, wenigstens für die Administration. Aber nicht für Schulen, Arbeitslosenfonds, etc. Man kann, man muss die Vorlage also auch so deuten, dass es bei den o.g. Kürzungen doch wenigstens teilweise um eine Verschiebung von Mitteln für die Arbeit mit den Menschen zur Administration geht. Und nicht um eine Konsolidierung im Sinne von Festigung. Denn man setzt sich ja gerade mit der IT-Struktur einem neuen Risiko aus. Der Pfarrrverband der EkiR hatte auf diesem Hintergrund ein Moratorium für die weitere Umsetzung der Reformen gefordert. 
Auf derselben Synode, die die o.g. Kürzungen beschließt, prangen an einer von Synodalen gestalteten Tür „Neue Thesen zur Reformation“ . Darunter diese: „Weniger Verwaltung, mehr Begegnung“.  Auch die Synodalen scheinen also zu wissen, worauf es wirklich ankommt – auch wenn sie in den entscheidenden Abstimmungen Angst vor der eigenen Courage haben und, Linientreue demonstrierend, genau umgekehrt entscheiden: Mehr Verwaltung, weniger Begegnung.

Läuft hier etwa etwas fatal verkehrt? Wir stellen diese Frage im Folgenden hinsichtlich der Finanzpolitik der Kirche selbst.

Einen ersten Hinweis erhalten wir in der Württembergischen Landeskirche, in der die Fraktion der Offenen Gemeinde ihre alternative Position sinngemäß so formulierte: Strategie der Mitgliederbindung vor Rücklagenbildung (in einer Niedrigzinsphase). 
Zwischen beiden Fragen existiert ein Zusammenhang, der aber von offizieller Seite noch nicht reflektiert ist . Dass er aber auch dort diffus empfunden wird, zeigt eine beiläufige Bemerkung des EKiR-Finanzdzernenten Bernd Bauks: 1,63% Kirchenaustritte erwähnt er in seiner Einbringungsrede zur „Haushaltskonsolidierung“ recht unschuldig (vgl. oben, S. 4). 1,63% – etwa doppelt so viel wie im Durchschnitt üblich. Könnte dies schon heute sichtbare Ergebnis und also Folge eines fatal entgleisten Reformkurses mit einer gerne als „Sparpolitik“ betitelten Downsizing-Konzept in der EKiR sein?

Ganz anders die Offene Gemeinde der Synode in Württemberg. Deren Ansatz gemäß müssten Mittel logischerweise prioritär für die Arbeit mit Menschen eingesetzt werden. Das finanzpolitische Credo: die Mittel kommen von der Basis und sie müssen in möglichst hohem Umfang und Anteil dorthin zurück. Um dort kirchliche Arbeit zu machen, um das Evangelium zu kommunizieren. (vgl. dazu Prof. Christian Grethlein)

Wir reden hier nicht darüber, in welcher konkreten Form der Kontextualisierung das heute zu geschehen hat, ob in Gemeinde oder Funktionen/Diensten oder auf andere Weise. Wir reden auch nicht darüber, dass es durchaus individuell sinnvoll sein kann, einmal errichtete Einrichtungen, Projekte, auch Gemeinden wieder zu verändern oder zu schließen oder innovativ neue zu errichten. Das alles sind Fragen und Lösungen, die hier noch nicht zur Debatte stehen. Das wäre der zweite Schritt, der würde dann schließlich durch die Output-Sicht erweitert. Wir beginnen ganz am Anfang und da geht es um die Input-Seite. Und hier stellt sich die zentrale Frage, wie viel (Finanz-) Mittel die Kirche für sich selbst, ihre Eigenorganisation, die Institution und Organisation, benötigt. Und welche Anteile der Mittel für die „Reinvestition“ in die Menschen, die Mitgliederbindung, oder auch die Gesellschaft (Kindergärten, Diakonie) zur Verfügung stehen. Diese prinzipielle Frage ist die Basisfrage jenseits folgender theologischer Richtungsentscheidungen!

Diese Basisfrage wird heute auch in der verwaltungswissenschaftlichen Diskussion gerne umgangen. Zu schnell und zu ausschließlich wird etwa in den neuen Steuerungsmodellen auf die Output-Seite rekurriert und verwiesen. Und in diesem „ausschließlich“ wird geschickt vom Thema Nr. 1 abgekenkt: dem Input. Und en passant wird auf diese Weise die Blickrichtung fokussiert und damit auch die Hauptverantwortung für die Resultate der Gesamtorganisation an die Mitarbeitenden delegiert. So steigt dort der Druck. Genau diese Erfahrung machen die Mitarbeitenden seit rund 15 Jahren in fast allen Bereichen der Daseinsvorsorge (Kommunalverwaltung, Bildung, Gesundheit etc,) und eben auch in der Kirche. Und sie zeigen entsprechende Reaktionen. Gleichzeitig wird durch diese einseitige Blickrichtung auf die Mitarbeitenden die Leitung/ die Politik immunisiert. Das ist ein gelungenes Ablenkungsmanöver. innerorganisatorisch hat es funktioniert. Dieser Trick funktioniert aber nicht bei den Adressaten, den Mitgliedern, Patienten, Kunden, Bürgern. Spätestens seit Stuttgart 21 ist auch schlichten Gemütern nicht mehr verborgen, was fehlende oder falsche Inputkonzepte bedeuten. Mit dem Input, mit dem, was eine Organisation/Institution an Mitteln für unterschiedliche Zweige/Abteilungen bereitstellt, zeigt sie, welche Ziele sie selbst wirklich verfolgt. Und ob diese mit den von ihr verbal formulierten Zielen übereinstimmen – oder davon abweichen. Mit dem Input zeigt die Organisation ihr wahres Gesicht. Hier zeigt sich für das Mitglied, ob es seiner Organisation vertrauen kann oder eben nicht. Der heute feststellbare Vertrauensschwund in viele ehemals geschätzten Institutionen bei den Bürgern hängt nun ganz offensichtlich auch mit der Vernachlässigung der Input-Thematik auf Seiten der Finanzdezernenten zusammen. Auch in der Kirche. Hier führt das zu zusätzlichen Kirchenaustritten. Deren Ursache und Folgen bei den bisherigen soziologischen Studien (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen) m.W. bisher leider nicht berücksichtigt wurden. Hier fehlt ganz offensichtlich die verwaltungswissenschaftliche Expertise. 

Denn die Gretchenfrage von Mitgliedern lautet doch sachgemäß immer wieder etwa so: „Wenn ich nur wüsste, ob die von mir gezahlte Kirchensteuer nicht irgendwo in der anonymen black box (in der Kirchenverwaltung) versickert?“ Vertrauen zur Organisation bildet sich also auf der Inputseite: In welchem Grad dienen die Mittel (nur) dem Apparat, und in welchem Anteil fließen sie zu den Menschen zurück? Den richtigen Input zu gewährleisten, darin liegt u.a. die hohe Kunst der Finanzpolitik der Kirche. Und auch die große Baustelle der Zukunft?

Ein Indiz für die aktuelle Entwicklungstendenz zeigt sich aktuell in Kirchenkreisen der EKiR an einfachen Vorfall,  wenn nämlich die „immer schon“ vorhandene Stelle des Stelle des Jugenddiakons oder Gemeindepädagogen der neuen Stelle für den infolge der Doppik zusätzlich erforderlichen Finanzsachbearbeiter weichen muss. Ein erster Hinweis, gewiss. Ein Indiz aus einer aktuellen Momentaufnahme. Um die Frage in seinem vollen Umfang in den Blick zu bekommen, ist es erforderlich, große Zeiträume in den Blick zu nehmen. Dies soll hier mit einem Blick auf die EKHN geschehen, unterstellend, dass sich eben diese Tendenz aufgrund paralleler Entwicklungen auch auf andere Landeskirchen übertragen lässt. Diese kleine Untersuchung erfolgt ganz holzschnittartig. Wir vergleichen nur, welcher Prozentanteil der Finanzmittel an die Basis zurückfließt. Wobei die Gebäudefrage dabei aufgrund fehlender Angaben noch unberücksichtigt bleibt. Zum Vergleich greifen wir die Jahre 1974 und 2013 heraus.

Wen interessiert, wie das Ergebnis zustande kommt, lese hier weiter. Wer nur das Gesamtergebnis interessiert, der springe zum nächsten Abschnitt in Normalgröße.

Was damals an die Basis floss, zeigt ein Flyer der EKHN_1974_(Mittelverwendung) mit einer groben Übersicht über die damalige Finanzsituation. Demnach flossen an die Basis, hier die Gemeinden, 50,35% der Kirchensteuermittel (=45,84% des Haushaltsvolumens) zu, zusätzlich die auf Seiten der Landeskirche geführten PfarrerInnengehälter. Sie zählten zu den „übergemeindlichen Aufgaben und Pfarrgehältern“. Lagen diese 1974 insgesamt bei 44,79% Kirchensteuer (=49,74 am Haushaltsvolumen) so betrug der Anteil der Pfarrgehälter am Gesamthaushaltsvolumen Anfang der 80iger Jahre ca. 33% (vgl. Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft, S.11 ). Unterstellt man der Einfachheit halber, im Jahrzehnt nach 74 sei dieser Anteil unverändert, dann kommt man 1974 auf einen Input Richtung Basis in Höhe von ca. 78% des Haushaltsvolumens als vorläufiger Wert.
Im Jahr 2013 betrug der Anteil für die „Basisarbeit“ nach dem Jahresbericht der EKHN 54,5%. Hierin sind aber – anders als 1974 – die Pfarrgehälter enthalten. Mehr noch: auch die Mittel für die Dekanate sind Teil dieses Haushaltsteils (36 Mio. € für Dekante im Vergleich zu 67 Mio. € Pfarrgehälter). Von diesen Mitteln für Dekanate sind aber ein gewisser Teil (ca. 50%) für „Basisarbeit“ anzurechnen.

Zu substrahieren wären in diesem Budgetbereich jeweils die Ausgaben für Verwaltung auf Regionaler Ebene (Regionalverwaltung) und die Dekantsverwaltungen.

Auch Additionen zu den Basismitteln sind zu nennen, hatten wir doch die Trennlinie nicht zw. Gemeinde und Gesamthaushalt, sondern zw. den Mitteln für Gemeinde und Funktion/Diensten und Gesamthaushalt gezogen. Damit sind für das Jahr 1974 noch eine unbekannte, aber zahlenmäßig wenig relevante Größe für übergemeindliche an der Basis wirkende Pfarrstellen (+1%) zu addieren. Heute ist dieser Anteil signifikant höher. Wir taxieren deren Umfang heute bei ca. 15% des Haushaltsvolumens.

Ergebnisse nach Subtraktionen und Additionen:

im Jahr 1974 flossen in der EKHN ca. 79% (78% + 1%) der Finanzmittel (Haushaltsvolumen) an die Basis (Gemeinde und div. Funktionen) zurück. Demgegenüber waren es im Jahr 2013 nur noch ca. 67%. (54% – 4% Verwaltungsanteil Regionalverwaltung und Dekante + 15 % div. übergemeindliche Leistungen +2% Kirchensteuerausgleich mit Ostdeutschen Kirchen).

Das macht eine Differenz von 12% des jeweiligen Haushaltsvolumens (bei Berücksichtigung der Gebäudefrage würde sich diese Zahl noch erhöhen). Ein signifikanter Unterschied, der noch nicht die zusätzlichen Verschiebungen, die sich durch die Einführung der Doppik ergeben, die der EKHN noch bevorsteht. 

So weit das Ergebnis der langfristigen Verschiebungen beim Input. Das Indiz der Momentaufnahme hat sich also langfristig bestätigt! Das Problem der Finanzpolitik, das die Dezernenten selbst gestalten könnten, ist also diese zunehmende Tendenz der Verschiebung im Input. Kirchenmitglieder nehmen das sehr wohl wahr. Wie begründete kürzlich eine Frau Ihren Austritt gegenüber dem Pfarrer: „Es ist nicht wegen Dir, aber von der Kirchensteuer werden ja nur noch 7% für die Gemeinde und 3% für die Diakonie verwendet. Deshalb bin ich ausgetreten. Ich will wohl zukünftig noch spenden, ich will aber, dass das Geld hier in der Gemeinde bleibt.“ (Fall aus der EkiR).

Was heißt das für die Finanzpolitik der Kirchen?

Die Haushaltskonsolidierung ist ein Herumdoktern an Symptomen. Die eigentliche Ursache des Problems wird damit nicht behoben. Aufgabe der Finanzpolitik muss wieder darin bestehen, ein verantwortliches und mitgliederorientiertes Input-Konzept zu entwickeln. Mitgliederorientierung der Kirche beginnt mit der Reorganisation des Inputs Richtung Mitglieder/Basis/Gemeinden. Die erlittenen Verluste durch die anhaltenden Verschiebungen über Jahrzehnte (s.o.) sind sukzessive abzubauen und die Tendenz der Umverteilung in Richtung Administration bzw. mitgliederfremde Leistungen rückgängig zu machen. Dieser Beitrag ist eben nicht perifer, sondern wesentlich für die Rückgewinnung verlorenen Vertrauens in die Organisation selbst. Die Qualität der Finanzdezernenten ist daran zu messen, inwieweit ihnen dies gelingt. Zu diesem Thema sind präzise Angaben zu ermitteln und den Synoden darzulegen. Das ist viel wichtiger als das für viele Gremienmitglieder am Ende doch mysteröse und aufgrund der Bewertungsspannen leicht manipulierbare Zahlenwerk der Doppik!

Was heißt dies Ergebnis für die Diskussion in der EKiR?

Die zentrale Frage muss auch angesichts der extrem hohen Austrittsquote von 1,63% wieder lauten: wie können Menschen erreicht werden? Wie kann dies gerade auch angesichts der hohen Veränderungsdynamik des Umfeldes (Digitalisierung, Wandlung des gesellschaftlichen Umfeldes, Wandlung des „religiösen“ Umfeldes) geschehen? Gerade damit nämlich wird Bindung erzeugt – die dazu führt, dass Menschen auch in Zukunft bereit sein werden Kirchensteuern zu bezahlen.
Wie kann die Administration (incl. IT!) dabei eine klare Dienstleistungsfunktion gegenüber den Mitarbeitenden an der Basis/ Gemeinde einnehmen?

Die Frage ist zu klären, in welcher Höhe Rücklagen tatsächlich erforderlich sind. Die EKiR trifft zeitlgeich zu den massiven Einschnitten Investitionsentscheidungen. Die EKvW, finanziell in etwa gleicher Lage, betrachtet ihre Rücklagen als ausreichend und entscheidet völlig konträr zur EKiR. In der EKHN lag der Ausfinanzierungsgrad der Verorgungsstiftung schon Ende 2013 bei 101%. Was aber dort nicht hindert, den Stock jährlich immer wieder neu mit Summen in 2-stelliger Millionenhöhe zu erhöhen. Das zeigt: der Ausfinanzierungsgrad dient als scheinbar unwiederlegliches Argument, so lange das Soll nicht erreicht ist. Ist es erreicht, geht dass Spiel trotzdem weiter. Angesichts dessen, verliert man das Vertrauen in derartige „Argumente“. Und angesichts dessen gilt es die Frage zu klären, in welcher Höhe Rücklagen tatsächlich angemessen und erforderlich sind.

Gegenüber solchen Überlegungen hat man sich in der EKiR, das zeigen die jüngsten Beschlüsse, für einen anderen Kurs entschieden. Das Motto: Augen zu und durch!

EKiR Synode 2015: – Eine verschärfte Ökonomisierung als Programm. Auf dem Weg zur marktkonformen Kirche?

Von Hans-Jürgen Volk

„Umkehr“ fordert das „Wormser Wort“, dass von Menschen verfasst worden ist, denen an ihrer evangelischen Kirche liegt. Die dahinter stehende Analyse konstatiert Schäden durch fortwährende Rückbau- und Umbauprozesse, die die Leitungsgremien wie auch die Beschäftigten der Kirche überfordern und die Kirche selbst von den Menschen entfernt. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass die Leitung der Ev. Kirche im Rheinland von der Einsicht in eine derartige Umkehr weit entfernt ist. Im Gegenteil: nicht zuletzt die Vorlage der Kirchenleitung zur Haushaltskonsolidierung deutet einen Kurs verschärfter Ökonomisierung an. Dies wird vor allem nach Lektüre der unter I. „Positionsbestimmung“ (S. 2,3) ausgeführten Sätze deutlich. Eisern wird an dem von der Kirchenleitung im Sommer 2013 beschlossenen Sparziel von 12. Mio. € festgehalten, um die der landeskirchliche Haushalt zusätzlich zu den bereits beschlossenen 8 Mio. € entlastet werden soll. Das „konsequente Einfordern eines kostendeckenden Betriebs“ kirchlicher Tagungshäuser bedeutet nichts anderes, als dass man diese ungeschützt Marktmechanismen aussetzen will. Ins Bild passt die Forderung nach „Einwerbung von Drittmitteln“ zur Finanzierung kirchlicher Einrichtungen – Bologna lässt grüßen. Die darüber hinaus verlangte „Bündelung von Aufgaben und Ressourcen“ riecht nach weiteren Konzentrationsprozessen.

Fakten zur finanziellen Situation der EKiR

Zum vollständigen Artikel.

12.01.15, Zum selben Thema auch ein aktueller Synodenreport in wdr5:

Landessynode – Sparen auf Evangelisch: Pensionskasse statt Schulklasse?

Von Christoph Fleischmann

Bei der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland geht es in diesen Tagen nicht zuletzt um die Konsolidierung des Haushalts. Kritiker fürchten: Bei Schulen wird mehr als nötig gespart, um ohnehin üppige Rückstellungen für Pensionen weiter zu erhöhen….

Zum Report.

Für Pfarrers Renten spekulieren Kirche an der Börse

Gerne reklamiert die Kirche ein moralisches Wächteramt. Sie will die Gesellschaft vor Fehlentwicklungen warnen. Zur Finanzkrise schrieb der Rat der EKD die Denkschrift Wie ein Riss in einer hohen Mauer. Darin wurde das Profitstreben der Finanzindustrie kritisiert.

Doch gleichzeitig beteiligen sich die Kirchen mit ihren Pensionsfonds als Großinvestoren am Finanzmarkt.

Christoph Fleischmann betrachtet in seinem Radiofeature den ethischen Anspruch und die Realität der Pensionsfonds.

Lesen Sie hier das Script: Für Pfarrers Rente spekulieren die Kirchen an der Börse.

Versorgungssicherung: Dissens zwischen Rheinland und Westfalen

EKvW: Pensionen sind sicher!

Von Hans-Jürgen Volk

Hintergrund für den drastischen Sparkurs der Ev. Kirche im Rheinland ist vor allem die Situation der Versorgungskasse Dortmund, die von den Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe gemeinsam getragen wird. Nach Ansicht der Finanzverantwortlichen der EKiR reichen die bisherigen Anstrengungen nicht aus, um zu einer befriedigenden Ausfinanzierung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche zu kommen. Dabei fließen jetzt schon 22% des Nettokirchensteueraufkommens jährlich dem Kapitalstock der Versorgungskasse zu. Aus Westfalen hört man dagegen ganz andere Töne. In einem epd-Bericht kann man folgende Stellungnahme wahrnehmen: „Keine Notwendigkeit für höhere Zahlungen an die Versorgungskasse sieht dagegen die benachbarte westfälische Landeskirche …. An den Daten habe sich nichts geändert, sie würden nur neu interpretiert, sagt der westfälische Oberkirchenrat Arne Kupke, der dem Verwaltungsrat der Versorgungskasse angehört. Der gemeinsam vereinbarte Weg der drei Landeskirchen in NRW, jährlich 22 Prozent der Kirchensteuereinnahmen für die Versorgung aufzuwenden, sei solide und sicher und führe bis 2040 zur Ausfinanzierung der Ansprüche.“

Sonderkonten mit zusätzlichem Kapital zur Versorgungssicherung

Bekräftigt wird die westfälische Bewertung des Sachverhalts in einem Artikel von „Unsere Kirche“ mit dem Titel „Die Pensionen sind sicher“. Hierin heißt es: „In regelmäßigen Abständen werden die Annahmen, die der Berechnung zugrunde liegen, mit versicherungsmathematischen Gutachten überprüft. Bisher, so die Auskunft der Versorgungskasse, sei damit zu rechnen, dass der Beitragssatz von 22 Prozent der Kirchensteuereinnahmen ausreichend ist.“ Auf diesem Weg soll bis 2040 eine Kapitaldeckung von 100% erreicht werden. Deutlich wird, dass die Verantwortlichen der Versorgungskasse und die Leitung der westfälischen Landeskirche in ihrer Einschätzung dicht beieinander liegen. Es sind die Rheinländer, die eine Sonderposition einnehmen.

Elektrisieren muss allerdings der folgende Tatbestand: „Die rheinische und die westfälische Kirche haben außerdem in den vergangenen Jahren einen Teil ihrer unerwartet hohen Kirchensteuer-Einnahmen zurückgelegt, um die Versorgungskasse noch schneller aufzufüllen. Diese zusätzlichen Rückstellungen liegen jedoch bisher auf Sonderkonten und sind noch nicht dem gemeinsamen Kapital zugeflossen.“ Öffentlich war bisher im Rheinland von diesen Sonderkonten keine Rede. Hier wüsste man gerne, welche Folgen die Berechnung dieser zusätzlichen Mittel auf die Ausfinanzierung insgesamt hat.

Begrenzte Wirkung von Nachhaltigkeitsfiltern

Des Weiteren wird in dem informativen Beitrag auf die Problematik ethischer Kriterien sowie zukünftiger Risiken eingegangen. Die relativ begrenzte Wirkung von Nachhaltigkeitsfiltern wird deutlich: „Allerdings, so betont Wolfram Gerdes, Vorstand für Kapitalanlagen und Finanzen, könne bei den weltweiten Aktivitäten der Versorgungskasse nicht jede Einzelne von mehreren tausend Investitionen selber überprüft werden.Außerdem müsse immer eine Abwägung von ethischen Kriterien, Rendite und Sicherheit getroffen werden, um die Versorgung der Pensionäre nicht zu gefährden.“ Diese Ausführungen dokumentieren gut das Dilemma einer Kirche, die sich derart massiv im Finanzmarktgeschehen engagiert.

Im Blick auf die Risiken für die Versorgungskasse folgt die an sich recht gut informierte Autorin der oberflächlichen Bewertung der kirchlichen Verantwortungsträger: „Das mit Abstand größte Risiko liegt in der Möglichkeit anhaltend niedriger Zinsen … Sollte die derzeitige Niedrigzins-Phase noch jahrelang anhalten, muss über eine Beitragserhöhung nachgedacht werden.“ Die derzeit niedrigen Zinsen sind wohl lediglich ein Symptom der immer noch instabilen Verhältnisse im Finanzmarktgeschehen, dass sich von der Realwirtschaft gelöst hat. Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts macht deutlich, welche Risiken auch dem von Kirchen angelegten Kapital tatsächlich drohen.

Vergleiche zu dem Thema die informativen Beiträge von Christof Fleischmann:

Sparen für die RenteDie evangelischen Landeskirchen tragen immer mehr Geld auf die Finanzmärkte.
Geld. Macht. Wenig. Das ethische Investment der Kirchen übt kaum Einfluss auf Unternehmen aus.

Kirche und Pfarrpensionen. Zur Struktur einer Diskussion.

von Christoph Fleischmann

Die Kirchen in Deutschland sind wohlhabend – und doch hören das die Kirchenleitungen nicht gerne. Sie finden, dass sie viele Aufgaben zu schultern und deswegen das viele Geld nur zu bitter nötig hätten. In den evangelischen Kirchen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Pensionslasten der Kirchen verwiesen, also die Kosten für die Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand, die in den folgenden Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gingen, noch deutlich zunähmen…

Pfarrer Christoph Bergner war rund 18 Jahre im Finanzausschuss der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau; seiner Erfahrung nach schätzte seine Kirche sich immer ärmer ein als sie war:

„Als wir angefangen haben mit den Sparmaßnahmen, das war in den Jahren 94/95, dass das vorgetragen wurde von der Kirchenleitung, habe ich diesen Prognosen getraut. Und ich habe erst nach acht Jahren Mitgliedschaft im Finanzausschuss zum ersten Mal – und zwar aufgrund eines großen Streits – die Möglichkeit gehabt zu erfahren, was eigentlich an Geldern in der Landeskirche war; und hab da gemerkt: Unter diesen Bedingungen stimmen die ganze Annahmen nicht. Und seitdem bin ich an dieser Stelle sehr kritisch, und das hat sich auch bewahrheitet in den letzten zehn Jahren. Ich habe immer wieder gesehen: Die Prognosen und was ist hinterher dabei rausgekommen. Bei einem soliden Haushalt muss ein ordentlicher Finanzreferent immer so ein bisschen bescheidener schätzen, das ist ja auch gut, dann kann man Risiken auch abfangen im laufenden Jahr, aber wenn am Schluss 30, 40, oder 50 Millionen übrig sind, dann muss man irgendwann mal fragen: Stimmen denn auch die Prognosen so?“

Christoph Bergner, Autor des Buches Die Kirche und das liebe Geld, sah wie unter dem Eindruck negativer Finanzprognosen Sparmaßnahmen beschlossen wurden:

„Und die Mehreinnahmen, die man hat, die kann dann die Kirchenleitung für bestimmte Projekte benutzen. Der demografische Wandel wird in den Gemeinden abgebildet: Ihr kriegt jetzt da keinen Pfarrer mehr und da keinen Pfarrer mehr, aber das Geld, das da ist, wird dann für andere Projekte verwendet. Oder eben in irgendwelche Rücklagen getan.“ …

Zum Artikel.

 

Kritik windiger Rentenprognosen und Familienrechnungen

Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Die Bertelsmann-Stiftung behauptete letzte Woche in einer Studie, Familien würden vom gegenwärtigen Rentensystem „benachteiligt“. Kinder finanzierten in ihrem späteren Erwerbsleben mit ihren Einzahlungen in die Rentenkasse nicht nur die Altersversorgung ihrer eigenen Eltern, sondern auch die der Kinderlosen aus ihrer Elterngeneration.
Am gleichen Tag klagten der Direktor das arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und ihm folgend natürlich die CDU-Mittelstandsvereinigung, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) darüber, dass die Rentenpläne der Koalition von 2014 bis 2020 Mehrausgaben von über 60 Milliarden € verursachen würden. Der Chef des BDI, Ulrich Grillo, schimpfte über den „Ausbau sozialer Wohltaten“ und sprach vom „Betrug am Bürger“.
Gewagte Rechnungen, die eine Menge Fragen aufwerfen, meint Jens Jürgen Korff [*]. Dazu mehr.

[«*] Jens Jürgen Korff ist zusammen mit Gerd Bosbach Autor des Buches Lügen mit Zahlen

Über den Schwachsinn staatlicher Pensionsfonds – Millionenverluste durch die Finanzkrise

Wie bei der gesetzlichen Rente gilt auch für die Altersversorgung von Beamten die Kapitaldeckung als Heilsbringer aus der angeblichen „Demografie-Falle“. Eine hartnäckige Recherche des Kölner Stadt-Anzeigers brachte nun einen dreistelligen Millionenverlust bei der Versorgungsrücklage zur Sicherung der Beamtenpensionen in Nordrhein-Westfalen ans Licht. Wie schon bei den privaten Lebensversicherungen oder der Riester-Rente wurde auch bei der staatlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Einmal abgesehen davon, dass mit staatlichen Versorgungsrücklagen in gesamtwirtschaftlich schädlicher Weise Schulden von der rechten in die linke Tasche geschoben werden, hat man das mit spekulativen Finanzmärkten verbundene Risiko der (schuldenfinanzierten) Kapitalanlagen schlicht nicht wahr haben wollen. Es wäre interessant zu erfahren, welche Verluste der Bund und die Länder mit ihren Pensionsfonds durch die Finanzkrise insgesamt erlitten haben. Wer für den Schwachsinn staatlicher Pensionsfonds bluten muss, ist allerdings jetzt schon sicher.
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