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Synodenthema Anerkennung der EKD als Kirche

Langweilige Theologie. Von Martin Schuck.

08/2016

Theologie treiben beinhaltete schon zu allen Zeiten die Aufgabe, das Gott-Welt-Verhältnis der Zeitgenossen zu ergründen, zu reflektieren und mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu konfrontieren. Dabei orientierte sich die Form der Theologie meist sehr genau am Zustand ebendieser gesellschaftlichen Verhältnisse.
Brachte das frühe Mittelalter eine lange Periode statischer Verhältnisse, so war die Scholastik legitimer Ausdruck dieser Verhältnisse. In genau dem Augenblick, als diese Statik, verursacht durch die Entwicklung des Städtewesens, durch erste naturwissenschaftliche Forschungen und durch humanistische Bildungsinitiativen, aufzubrechen begann, ging dieser Riss auch durch die scholastische Theologie und Philosophie und es entstand die Scheidung in Nominalismus und Realismus. Die weitere Ausdifferenzierung der gesellschaftlichen Verhältnisse mündete kirchenpolitisch in die Reformation mit ihrer sehr dynamischen Theologieentwicklung, je nach den vorherrschenden gesellschaftlichen Formationen in eine lutherische (ländlich-feudale) und eine reformierte (städtisch-frühbürgerliche) Variante. Der zumindest in Mitteleuropa misslungene Versuch der physischen Vernichtung der Reformation führte auf der aktiven (katholischen) Seite zur ebenfalls recht produktiven Theologieentwicklung des Trienter Konzils, das als Geburtsort der modernen römisch-katholischen Kirche gelten kann; auf der passiven (reformatorischen) Seite bildeten sich dagegen Strategien zur Sicherung des Erreichten aus, die sich als konfessionell-theologische Systembildungen der lutherischen und reformierten Orthodoxie darstellten.
Die nach der Reformation für die europäische Geistesgeschichte wohl produktivste Periode war die Zeit der Aufklärung; die in ihr sich vollziehenden Transformationsprozesse des Denkens übertrugen sich vollständig auf die Theologie und führten zur Neuformulierung der klassischen Inhalte reformatorischer Theologie unter den Bedingungen neuzeitlicher Subjektivität. Aber erst die Phase der Restauration nach den Befreiungskriegen gegen Napoleon und dem Wiener Kongress führte die Theologie mit Daniel Friedrich Ernst Schleiermacher zu jener Systembildung, die in der Philosophie bereits nach der Französischen Revolution mit den vernunftkritischen Werken von Immanuel Kant abgeschlossen war.
So wie sich die Werke der Philosophen in der Nachfolge Kants, namentlich bei Fichte und Hegel, als Bemühung zur Konsolidierung der Aufklärungsphilosophie durch die Phase des deutschen Idealismus hindurch zu statischen Entwürfen der Restauration lesen lassen, so leitet in der Theologie Schleiermacher diese Konsolidierungsbemühung direkt ein – unter Auslassung des idealistischen Umweges. Das restliche 19. Jahrhundert ist geprägt durch allerlei Ungleichzeitigkeiten, die sowohl in der Philosophie als auch in der Theologie ihren Ausdruck gefunden haben; in der Philosophie etwa in der doppelten Nachwirkung Hegels sowohl im Marxismus als auch in der preußischen Staatstheorie Friedrich Julius Stahls und in der Theologie in der Abarbeitung des Schleiermacher’schen Systems durch die liberale Theologie ohne direkte Verbindung zur parallel verlaufenden Entwicklung des konfessionellen Luthertums.
Zu einer weiteren Transformation innerhalb der Theologie führte die Abkehr vom landesherrlichen Kirchenregiment nach 1918, und jetzt waren es die in die Selbständigkeit entlassenen Kirchen selbst, die immer mehr zum Gegenstand theologischen Nachdenkens wurden. Eine der letzten Äußerungen, die nicht die Kirchen-, sondern die Zeitbezogenheit der Theologie fordert, stammt von Ernst Troeltsch aus dem Jahr 1913: „Die heutige Dogmatik soll der heutigen Zeit dienen, die keine Zeit der Kirchengründung, sondern der religiösen Unruhe und Krisis, der intellektuellen und ethischen Umwälzungen ist. Da müssen die Kirchen, gerade um dem Leben zu genügen, individuelle Freiheit gewähren und kann gerade eine solche Dogmatik vielen Gläubigen entsprechen, während anderen Gruppen andere dogmatische Leitfäden entsprechen werden. Wenn die Kirchen diese Weitherzigkeit nicht mitmachen wollen oder können, so werden sie in den Hintergrund gedrängt werden. […] Die heutige Krise wird nicht durch kirchliche Neugründungen, sondern durch Ausweitung und Beweglichmachung der Kirchen überwunden.“
Spätestens mit dem Siegeszug des Barthianismus als wirkmächtiger Kirchentheorie Nachkriegsdeutschlands wurde die von den Barthianern gerne im Mund geführte Zeitbezogenheit der Theologie immer mehr zum reinen Postulat, denn es ist jetzt die Kirche, die selbst sowohl zum Produzenten als auch zum Adressaten der Theologie mutiert. Exemplarisch für diese neue Kirchentheorie stehen Sätze aus Barths Vortrag „Offenbarung Kirche Theologie“, der 1957 im dritten Band der „Gesammelten Vorträge“ abgedruckt wurde: „Theologie ist wie alle anderen Funktionen der Kirche ausgerichtet auf das Faktum, daß Gott gesprochen hat und daß der Mensch hören darf. Theologie ist ein besonderer Akt der Demut, die dem Menschen durch dieses Faktum geboten ist. Darin besteht dieser besondere Akt der Demut: in der Theologie versucht die Kirche, sich immer wieder kritisch darüber Rechenschaft zu geben, was es heißt und heißen muß vor Gott und vor den Menschen: Kirche zu sein. Existiert doch die Kirche als eine Versammlung von Menschen, und zwar von fehlbaren, irrenden, sündigen Menschen. Nichts ist weniger selbstverständlich als dies, daß sie immer wieder aufs neue Kirche wird und ist. Sie existiert unter dem Gericht Gottes. Eben darum kann es nicht anders sein, als daß sie sich auch selbst richten muß, nicht nach eigenem Gutdünken, sondern nach dem Maßstab, der identisch ist mit dem Existenzgrund, also nach Gottes Offenbarung und also konkret nach der Heiligen Schrift. Und eben dies: die immer wieder notwendige und gebotene Selbstprüfung der Kirche am Maßstab des göttlichen Wortes ist die besondere Funktion der Theologie in der Kirche.“
Kurz vorher reflektierte Barth im gleichen Vortrag über die Wissenschaftlichkeit der Theologie und führte dabei eine Kategorie ein, die verblüffen lässt, nämlich die Kategorie der Langweiligkeit: „Gibt es eine Wissenschaft, die so ungeheuerlich und so langweilig werden könnte wie die Theologie? Der wäre kein Theologe, der nicht von ihren Abgründen noch nie erschrocken wäre oder der vor ihnen zu erschrecken aufgehört hätte.“
Barth zeichnet eine Korrelation von Wissenschaft, menschlicher Wirklichkeit und Wahrheit, deren Pointe darin besteht, dass ästhetische und psychologische Wahrnehmungen darüber entscheiden, ob Theologie ihre Bestimmung erreicht oder eben verfehlt, und nichts anderes als das Verfehlen ihrer Bestimmung lässt das Prädikat langweilig als angemessene Beschreibung erscheinen: „Unter allen Wissenschaften ist die Theologie die schönste, die den Kopf und das Herz am reichsten bewegende, am nächsten kommend der menschlichen Wirklichkeit und den klarsten Ausdruck gebend auf die Wahrheit, nach der alle Wissenschaft fragt, am nächsten kommend dem, was der ehrwürdige und tiefsinnige Name einer ‚Fakultät’ besagen will, eine Landschaft mit fernsten und immer noch hellen Perspektiven wie die von Umbrien oder Toskana und ein Kunstwerk, so wohl überlegt und so bizarr wie der Dom von Köln oder Mailand. Arme Theologen und arme Zeiten in der Theologie, die das etwa noch nicht gemerkt haben sollten. Aber unter allen Wissenschaften ist die Theologie auch die schwierigste und gefährlichste, diejenige, bei der man am ehesten in der Verzweiflung oder, was fast noch schlimmer ist: im Übermut endigen, diejenige, die zerflatternd und verkalkend, am schlimmsten von allen zu ihrer eigenen Karikatur werden kann.“
Da genau an diese Passage die Frage nach der Möglichkeit von Langeweile anschließt und aufgrund der nur rhetorisch gestellten Frage die Antwort gleich mitgesetzt ist – ja, Theologie kann langweilig sein –, entsteht eine inhaltliche Unklarheit, wie genau Theologie beschaffen sein muss, um Langeweile zu vermitteln; das Zitat bietet als Möglichkeiten an: schwierig, gefährlich, in die Verzweiflung treibend, im Übermut endend, zerflatternd, verkalkend sowie zur eigenen Karikatur werdend.
Was also ist langweilige Theologie? Ich wage die Behauptung, dass Theologie genau dann langweilig ist, wenn sie weder in zeitdiagnostischer noch in wirklichkeitserschließender Absicht betrieben wird. Langweilige Theologie wird also vor allem dort getrieben, wo Theologie nachgefragt wird entweder zur institutionellen Selbstrechtfertigung der Kirche oder wo ein scholastischer Umgang mit Bekenntnistexten gepflegt wird, der die Glaubenspraxis der Zeitgenossen ebenso ignoriert wie die Transformationsprozesse der Neuzeit. Der erste Fall ist beispielhaft zu beobachten an der kürzlich vorgenommenen Selbsterklärung der EKD zur Kirche, der zweite geschieht auf geradezu klassische Weise in den ökumenischen Dialogen zwischen evangelischen Kirchen und der römisch-katholischen Kirche.
Zum ersten Fall: In der Debatte um die „Kirchwerdung“ der EKD werden eigentlich keine echten theologischen Argumente gebraucht, sondern ein einziger theologischer Satz wird zum Zwecke der institutionellen Selbstrechtfertigung so ausgelegt, dass sich aus ihm Konsequenzen kirchenpolitischer Art ziehen lassen. Der Satz: Die EKD „ist als Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen Kirche“ ist als theologischer Satz dann richtig, wenn er die ebenso grundlegende wie banale Wahrheit ausdrückt, dass die EKD als Bund rechtlich selbständiger Kirchen Teil der einen weltumspannenden Kirche Jesu Christi ist. Dieser Satz bedarf keiner weiteren theologischen Diskussion. Die Diskussion, die sich diesem Satz anschloss, wurde jedoch nicht in theologischer, sondern in kirchenpolitischer Absicht geführt. Das Ziel bestand nicht darin, eine dogmatische Wahrheit auszudrücken, sondern darin, eine kirchenrechtliche Setzung auf den Weg zu bringen, die bei Bedarf ausbaufähig ist und eine Zentralisierung der kirchlichen Verwaltung im Kirchenamt der EKD ermöglicht. Eine solche Absicht muss jedoch offen kommuniziert und ehrlich diskutiert werden. Mit Theologie hat das alles sehr wenig zu tun, und dementsprechend wenige Theologen ließen sich auf diese Debatte ein. Machttaktische Absichten einer kirchlichen Institution in theologische Argumente zu transformieren, mag für die mit dieser Aufgabe befassten Theologen interessant und sogar lehrreich sein. Auf die Rezipienten wirkt diese Art von Theologie einfach nur – langweilig.
Zum zweiten Fall: Seit die römisch-katholische Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil beschlossen hat, sich mit einem eigenen Ökumenismusprogramm an der ökumenischen Bewegung zu beteiligen, führen vom Vatikan eingesetzte Dialoggruppen Lehrgespräche mit Vertretern der evangelischen Konfessionskirchen mit dem Ziel, Schritte auf dem Weg zur sichtbaren Einheit der Kirche zu gehen. Obwohl die sichtbare Einheit die Zielperspektive einzig der römisch-katholischen Kirche ist, wird dieses Programm wie selbstverständlich als Leitperspektive für sämtliche Dialogteilnehmer unterstellt. Die Zielperspektive der evangelischen Kirchen, Kirchengemeinschaft in der versöhnten Verschiedenheit nebeneinander existierender Konfessionskirchen zu praktizieren, findet in den veröffentlichten Texten keinerlei Beachtung.
Die theologische Gratwanderung der evangelischen Teilnehmer in den Dialoggruppen besteht nun darin, Verständigung mit den römisch-katholischen Teilnehmern einzig über einen Bestand an Lehrformulierungen, der in den konfessionellen Bekenntnisschriften aus dem 16. Jahrhundert niedergelegt ist, erreichen zu sollen. Diese Vorgabe ignoriert jedoch die Realität fast aller evangelischer Kirchen, da diese Bekenntnisse zwar einen auch heute noch gültigen Grundkonsens über das Verständnis des Glaubens aussagen, aber ihre Rolle als disziplinierende Instanz im Verhältnis zwischen den Gläubigen und der kirchlichen Obrigkeit seit dem Ende der lutherischen und reformierten Orthodoxie verloren haben. In der römisch-katholischen Kirche wird jedoch gerade diese disziplinierende Wirkung vorausgesetzt, wie die restriktive Zulassung auch der katholischen Christen zur Eucharistie deutlich macht.
Aufgrund der Rolle, die die Lehre innerhalb der katholischen Kirche spielt, kann dort die Einheit der Kirche nur als Gemeinschaft mit einer einheitlichen Lehre, für deren Vollständigkeit und Wahrheit der Papst steht, gedacht werden. Die evangelische Vorstellung von Einheit verwirklicht sich dagegen in einer Gemeinschaft, die sich zwar über die Wahrheit des Evangeliums verständigen kann, aber gerade deshalb eine Pluralität von kirchlichen Bekenntnissen akzeptieren und diese sogar als sichtbares Ergebnis der Freiheit des Evangeliums positiv würdigen kann.
Diese beiden Konzepte sind Ausdruck unterschiedlicher Auffassungen vom Kirchesein, und gerade deshalb ist es für evangelische Theologen eine überaus unbefriedigende Aufgabe, sich in Dialogkommissionen Gedanken darüber zu machen, wie man auf bekenntnispositivistische Weise Formulierungen auf gemeinsame Aussageinhalte hin untersucht, die nur als „differenzierter Konsens“ zur Darstellung gelangen können und keinerlei praktische Konsequenzen haben, weil die ökumenischen Kernfragen wie Kirchen- und Amtsverständnis aufgrund eines nicht kompatiblen Offenbarungsverständnisses unlösbar sind.
Wieder gilt: Die Teilnehmer der ökumenischen Kommissionen mögen ihren Spaß und sogar persönliche Befriedigung an dieser Art des Theologietreibens finden. Beim Lesen der veröffentlichten (und in aller Regel nur einseitig oder gar nicht ratifizierten) Dokumente stellt sich dagegen schnell Langeweile ein.
Vielleicht kann in Zeiten, wo die Kirche sich selbst zum Gegenstand der Theologie macht, Theologie, die sich darauf einlässt, gar nichts anderes sein als langweilig. Das muss aber nicht so bleiben. Ändern wird es sich genau dann, wenn die Vertreter der wissenschaftlichen Theologie selbst merken, dass sie es sind, die für die Themen der Theologie zuständig sind – und nicht die Kirchenämter.

EKD – Kirche als Versammlung der… Institutionen.

EKD ist Kirche? Widerspruch!
24. November 2015 von Andreas Reinhold, Kirchenbunt

Der Kirchenbegriff der EKD ist aber ein völlig anderer – und das, obwohl sie selbst in ihrer Grundordnung Art. 3 ausdrücklich auf Barmen verweist und „sich verpflichtet, als bekennende Kirche die Erkenntnisse des Kirchenkampfes über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche zur Auswirkung zu bringen.“ (→ Quelle) Nun heißt es aber in der Neufassung: „Sie (die EKD) ist als Gemeinschaft ihrer Gliedkirchen Kirche“. Hier ist zwar das konstituierende Element der Gemeinschaft genannt. Aber zum einen ist damit keine konkrete Gemeinde bzw. Versammlung von Gläubigen gemeint, sondern Institutionen! Zum anderen fehlt völlig der direkte Bezug auf Wort und Sakrament! Dieser kann zwar aus dem vorherigen Passus („Sie (die EKD) … setzt voraus, dass sie (ihre Gliedkirchen) ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen“) herausgelesen werden. Jedoch ist von einer evangeliumsgemäßen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung der EKD selbst keine Rede!…  Zum Artikel.

Dogmatische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme? Arbeitsbericht zur Neuauflage der Bekenntnisschriften in der Badischen Landeskirche.

05/20115, Wolfgang Vögele

– Was sollen wir denn damit?
– Da haben wir noch nie hineingeschaut!
– Das soll ich einmal unterschrieben haben?

Solche Aussagen kann man hören, wenn Pfarrer und Älteste zum ersten Mal einen Blick in neue Ausgaben und Auflagen der Bekenntnisschriften werfen. Bekenntnisschriften führen bekanntlich ein Schattendasein im evangelischen Legitimationsuntergrund – weit verbreitetes und ausgedehntes Wurzelwerk bei geringer Blütengröße. Dabei schaffen die Grundordnungen der evangelischen Landeskirchen eigentlich ein solides normatives Dreieck zwischen Bibel, Bekenntnisschriften und Kirchenrecht. Die ausgewogene Balance dieses Dreiecks geht allerdings in den letzten Jahren zunehmend verloren. Um die theologische Dignität der Bekenntnisschriften zu würdigen und anzuerkennen, ist zunächst ihre Kenntnis vonnöten….

Glaubensvisionen haben im Moment ja gar keine Konjunktur, die Zukunft scheint in der Gegenwart der evangelischen Kirche ihren Ort verloren zu haben. Denn in den Konsistorien ächzt man unter der Last der grauen Wirklichkeit und hat bisher kein Mittel gegen die bleibend hohen Austrittszahlen gefunden: Milieuanalysen, Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen, Reformprogramme oder das Pfeifen im Walde (Minderheit mit Zukunft!) haben alle nicht geholfen. Aus der EKD kommt der Vorschlag, die Confessio Augustana als das früheste und gemeinsame Grundbekenntnis der Reformation als gemeinsame Grundlage der evangelischen Landeskirchen zu implementieren[11]. So würde die EKD von der „Kirchengemeinschaft“ zur Kirche mit gemeinsamem Bekenntnis promoviert. Diesem Vorschlag ist schon mit guten historischen und aktuellen Gründen widersprochen worden. Er nimmt einfach das Differenzmoment nicht ernst genug. Man muss im Übrigen kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass dieser Vorschlag zwischen der Kritik an dem damit verbundenen Zentralismus und den bekannten irrationalen Regionalisierungskräften zerrieben werden wird.

Visionär wäre die Weiterführung von Leuenberg zu einem europäischen evangelischen Bekenntnis, das über die landeskirchlichen und nationalen Grenzen hinausreicht. Aber im Moment sind Kräfte und Personen nicht zu erkennen, die dafür Kraft, Kreativität und langen Atem besitzen würden. Der Heilige Geist hat im Moment eine Menge zu tun. Zum Artikel.

Berichte von den Frühjahrssynoden 2013 Teil I

Bayern: Debatte über die Zukunft des traditionellen Gottesdiensts

Professor Klaus Raschzok von der Augustana-Hochschule Neuendettelsau plädiert in seinem Vortrag für den traditionellen Gottesdienst, mit einem Seitenhieb auf alternative Angebote: Besucherinnen und Besucher von anderen Gottesdiensten seien häufig die »hochfrustiert Engagierten«. Der Gottesdienst ist aus seiner Sicht auch keine missionarische Veranstaltung für die, die vielleicht kommen, sondern Stärkung auf dem Weg für die, die sich dort versammelten. Lesen Sie auch den Synodenbericht.

Vorstoß der EKBO: EKD soll Kirche sein

Die Landeskirche begrüßte Pläne der evangelischen Kirchen in Deutschland, als Kirchengemeinschaft enger zusammenzurücken. Dazu forderte die Synode die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) auf, ihre Kirchenverfassung, die Grundordnung, zu ändern. Darin soll festgehalten werden, dass auch der Zusammenschluss der weiterhin selbständigen Landeskirchen selbst als Kirche zu verstehen ist.

Zur gesamten Synode

Lesen sie auch in unserem Archiv: Von den Landeskirchentümern zum Bundeskirchentum.

EKBO-Synode: EKD durch Änderung der Grundordnung als Kirche anerkennen!?

In ihrem Artikel „Evangelische Existenz heute“ sorgen sich der ehemalige Kirchenpräsident der Pfälzischen Landeskirche, Eberhard Cherdron und Dr. Martin Schuck um die Entwicklung des Protestantismus. Eine Sorge ist der Missbrauch der Leuenberger Konkordie zu Zwecken der kirchlichen Zentralisierung:

„Nicht erst seit 2006 dreht sich die Frage nach der ekklesialen Qualität der EKD um die Frage nach einem gemeinsamen Bekenntnis aller EKD-Gliedkirchen. Immer wieder gab es Vorstöße, der Confessio Augustana diese Funktion zuzuschreiben, was jedoch am Einspruch der reformierten und unierten Kirchen scheiterte. Der Versuch, den Text einer Konkordie, die zum Zweck der Herstellung von Kirchengemeinschaft formuliert wurde, zum Bekenntnistext umzuwidmen und zum »EKD-Bekenntnis« zu machen, führt in der Sache nicht weiter. Grundsätzlich war ja die EKD auch vor 1973 nicht bekenntnislos: Sie bekennt sich in ihrer Grundordnung immerhin zu Jesus Christus als dem einen Herrn der Kirche, zum Evangelium, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt wird, zu den altkirchlichen Symbolen und zu den in ihren Gliedkirchen geltenden reformatorischen Bekenntnisschriften. Außerdem bejaht sie die von der Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Aussagen über Wesen, Auftrag und Ordnung der Kirche.

Vor diesem Hintergrund kann die Leuenberger Konkordie nichts anderes leisten als die Möglichkeitsbedingungen für die Erklärung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft – und damit von Kirchengemeinschaft – zu formulieren: Die unterschiedlichen reformatorischen Bekenntnisse sind nicht mehr kirchentrennend, weil die Konkordie eine Lesart reformatorischer Theologie präsentiert, die lutherischen, reformierten und unierten Christen ein gemeinsames Verständnis des Evangeliums und der Sakramente, vor allem des Abendmahls, ermöglicht – mehr nicht. Die Konkordie ist keine Superstruktur, die über die hergebrachten Bekenntnisse gelegt wird und diese überbietet, sondern lediglich eine Anleitung zum gemeinsamen Bekennen Gottes trotz unterschiedlicher Bekenntnisse und – daraus folgend – unterschiedlicher Kirchenordnungen. Es ist eine Überfrachtung dieses Textes, wenn ihm die einem Bekenntnis wesensmäßig zukommende konstituierende Funktion für kirchliche Ordnung zugeschrieben wird.“

Wie berechtigt die Sorge der beiden Theologen Cherdron und Schuck ist, zeigt die Drucksache 15 Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz 19. bis 20. April der Kirchenleitung betr. Anregung zu einer Änderung der Grundordnung der EKD: „Die Landessynode wolle beschließen:

Die Landessynode der EKBO regt an, die Gemeinschaft innerhalb der EKD im Geist der

Leuenberger Konkordie durch eine Grundordnungsänderung als Kirche anzuerkennen. Da-

mit möchte sie im 40. Jahr der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa (Leuenberger

Konkordie) einen neuen Impuls geben, die Gemeinschaft der Gliedkirchen der EKD als Kirche zu verstehen.“

 

Von den Landeskirchentümern zum Bundeskirchentum

Das Gewicht des Regionalen und des Überregionalen in den deutschen evangelischen Landen einst und jetzt. Vortrag von Prof. Jürgen Kampmann, Universität Tübingen. vgl. Synodenthema „Anerkennung der EKD als Kirche“ der EKBO – Drucksache 15 in dieser Ausgabe von Wort-Meldungen.

Prof. Kampmann:

„Evangelische Kirche bedarf … konstitutiv einer lokalen Verortung – einer nationalen nicht. Dafür Sorge zu tragen, daß der zentrale Dienst der Kirche, derin Artikel 7 der Confessio Augustana beschrieben wird, lokal in rechter und verläßlicher Weise wahrgenommen wird, ist eine Aufgabe, die bisher stets regional hat bewältigt werden können.“

Lesen Sie den vollständigen Vortrag.