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Wertewandel

Wenn Skepsis zur Pseudoskepsis wird

Skepsis ist eine wichtige Errungenschaft der Aufklärung. Die Fähigkeit an allem zu zweifeln befreit das Denken. Doch häufig verfallen Menschen in eine Pseudoskepis. Sie hinterfragen alle anderen, aber nicht sich selbst. Das bildet eine gefährlichen Nährboden für Verschwörungstheorien. Sascha Lobo plädiert auf Spiegel-online für eine neue Kultur der Skepsis.

Zusammen weniger allein contra: unter sich, geistig arm

Harald Welzers aktuelle Flaschenpost berichtet darüber, welche Rückschlüsse man aus aktuellem Baugeschehen auf den Menschen unserer Zeit  ziehen kann:

Ganz neu antwortet auf den Betonwahnsinn der Berliner Open-Source-Architekt Le Van Bo. Sein Unreal Estate House sind sechs Quadratmeter, die von eigenen vier Wänden umhüllt sind und dem Bewohner nicht gehören. [4] Genauso wenig wie der Boden, auf dem die Hütte steht. Die Miete wird gezahlt an die Nachbarschaft, von der Architektur – die offeriert Ofenwärme und Tauschregale, eine Theaterbühne und Filmprojektionsfläche für alle: Zusammen ist man weniger allein.

Für die kleinen Leute mag die Versiegelung von schnödem Boden Thema genug sein, die wirklich Großen sind schon wieder einen Schritt weiter: Die Imperialisten aus der Informationsindustrie zieht es aufs Meer, wo sie für so etwa 200 Leutchen gleicher Gesinnung künstliche Inseln und eigene Gesellschaftsformen aufschütten. Demokratie mit ihren hinderlichen Mehrheiten und antiquierten Freiheitsidealen kann ja auf dem Festland weiter simuliert werden. [5] Die Silicon-Valley-Weltelite betrachtet die Welt, von der sie glaubt, sie gehöre ihnen eh schon, aus der Ferne, wie dereinst Kapitän Nemo. Ist übrigens bei Jules Verne nicht optimal ausgegangen; was wir diesen Riesenkraken neuen Typs nun auch von Herzen wünschen. Dazu der Bericht aus der SZ.

Debatte um Umbenennung des Martinsumzug beruht auf einer Ente

Leidenschaftlich wurde über die Zukunft des Martinsumzug mit Laternen diskutiert. Weil die eigene kulturelle Identität schrittweise ausgehöhlt wurde und aus vielen Festen nur noch austauschbare Konsumzwänge werden, klanges nun plausibel das dem Fest auch der letzte Teil seiner alten Bedeutung genommen wird. Die Berichterstattung führte zu hefiten Diskussionen als ob die Zukunft des Abendlandes an dem Festnahmen eines Kindergartens in der Provinz abhinge.
Nur die Aufregung hat einen Nachteil. Niemand hat den Martinsumzug seinen Namen gerbaut. Lesen sie in der Sueddeutschen Zeitung die Hintergründe und Folgen für die KiTa.

Wenn Helfer verlieren, sind alle die Verlierer

Aus der Solidarität ist eine ökonomische Größe geworden. Damit ist die Entsolidarisierung in unserer Gesellschaft konsensfähig. Doch wenn aus einer sozialen Interaktion eine ökonomische Interaktion wird, verlieren alle.

Lesen Sie dazu den Kommentar von Waltraud Schwab in der TAZ: Helfen bedeutet also verlieren

Prof. Jochen Krautz: Ware Bildung – Buchbesprechung

Der große Umbau deutscher Hochschulen und die neuen Studiengänge werden weder zu besserer Anschlussfähigkeit deutscher Abschlüsse führen noch zu einer besseren akademischen Bildung. Das ist nur ein Punkt in Jochen Krautz Generalabrechnung mit der Umgestaltung des deutsche Bildungssystems, für die die Schlagworte Bologna und PISA stehen.

Unter dem Zwang der Effektivierung, des Benchmarking, Ranking und der Outputorientierung ist Bildung verloren gegangen, und deshalb stellt Krautz den Bildungsbegriff an den Beginn seiner Kritik. Als Kunsterzieher leitet er ihn anschaulich und gut verständlich aus der Betrachtung eines Reliefs über dem Tor einer tschechischen Volksschule her. Bildhaft und angenehm lesbar wie der Einstieg ist das ganze Buch geschrieben. Bildung als Persönlichkeitsentwicklung und Erziehung als ein personaler Prozess zwischen Lehrer und Schüler sind verloren gegangen, stattdessen geht es nur noch um die Ausbildung der eigenen Arbeitskraft und der quasi industriellen Produktion von Kompetenzen, um das Human-Kapital der künftigen Ich-AGs.

Zur immer noch aktuellen Buchbesprechung von Wolfgang Lieb von 2007.

Zum ersten Mal: Eine Folge kritischer Fragen und Stimmen zum Reformprozess im EKBO-Wochenblatt „die Kirche“

In der evangelischen Wochenzeitung „die Kirche“ erschien in der Nr. 26 vom 30. Juni 2013, S. 3 das erste Interview einer mehrteiligen Folge zum Reformprozess der EKD. „Auf den Geist Gottes Vertrauen“ ist der ganzseitige Artikel überschrieben. In der Überschrift wird Isolde Karle’s Meinung hervorgehoben: „Der aktuelle Umbau in den evangelischen Kirchen orientiere sich zu sehr an Profit-Unternehmen.“ Zum Weiterlesen wird ihr Buch empfohlen: Kirche im Reformstress, Gütersloh 2010. Isolde Karle ist Professorin für Praktische Theologie an der Ruhr-Universität in Bochum und lebt mit ihrer Familie in Stuttgart.

Eine Woche später, in der 27. Ausgabe vom 7. Juli 2013, S. 9 kam Heinzpeter Hempelmann zu Wort, Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Evangelischen Hochschule Tabor in Marburg und „Referent für die EKD-Denkfabrik ‚Mission in der Region‘ in Stuttgart“. Er wurde von Martin Rothe nach den Ergebnissen des Heidelberger Sinus-Instituts befragt und plädiert für „Pfarrer als Teamplayer auf regionaler Ebene. Gemeinsam sollen sie zuständig sein, möglichst viele Milieus in ihrer Region zu erreichen. Dies befördere nicht die Segregation, denn die gebe es jetzt schon. Das Bild vom Leib Christi überträgt er auf die verschiedenen Milieukirchen, die sich von Zeit zu Zeit zum Feiern und Bekennen des gemeinsamen Gottes treffen sollten.

In der 28. Ausgabe vom 14. Juli 2013 wird auf S. 6 in einem längeren Leserbrief von Gudrun Thiem aus der Matthias-Claudius- Gemeinde Berlin-Heiligensee große Dankbarkeit über die Meinungen von Isolde Karl geäußert und der fehlende Realitätsbezug des Reformpapiers „Kirche der Freiheit“ betont. Frau Thiem schreibt: „Oft habe ich den Eindruck, dass die Basis schon viel weiter ist, als alle mit viel Aufwand hergestellten Papiere, deren Durcharbeitung den mit drängenden Problemen beschäftigten GKRs zusätzlich zugemutet wird. Ärgerliches Beispiel: das Arbeiten mit Zielen. Als ob solches nicht schon von jeher die Voraussetzung dafür wäre, dass lebendige Gemeinden entstehen, und zwar durch das Engagement vieler, in verschiedenen Bereichen kompetenter haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter.“

Auf S.9 folgt das dritte Interview von Martin Rothe zum Reformprozess, dieses Mal mit Jan Roß, dem Zeit-Redakteur und Autor des Buches „Zur Verteidigung des Menschen. Warum der Mensch Gott braucht“, Rowohlt-Berlin Verlag 2012. „Europa braucht ein Christentum, das nicht labert, sondern Güte und Liebe ausstrahlt.“ ist seine These. Er fragt: „Wie soll eine evangelische Kirche überleben, die nicht zu sagen weiß, was sie glaubt, und die kaum noch Gläubige hat.“ Die evangelikalen Kirchen würden die der Zukunft sein, während der „Mainstream-Protestantismus“ von heute verschwinden werde. Die Gesellschaften seien schon jetzt religiös fast völlig erkaltet.

Doch die Redaktion überschrieb den Artikel mit großen Buchstaben: „Heilig und auf der Höhe der Zeit.“ Lassen wir uns überraschen von den nächsten Folgen der Serie!

Dr. Katharina Dang

Von der Pflicht zum guten Leben

Ronald Dworkin befasste sich mit den Folgen von 9/11 und den Folterpraktiken in Guantánamo, mit neoliberaler Wirtschaftspolitik und dem fragilen Verhältnis von sozialer Gerechtigkeit und Demokratie. Sein Opus Magnum heißt „Gerechtigkeit für Igel“. In diesem Jahr ist der große amerikanische Rechtsphilosoph gestorben. Lesen Sie den Nachruf der SZ.

Sozialwort 2013

Für Oktober dieses Jahres haben die evangelischen und die katholische Kirche angekündigt ein neues Sozialwort zu verabschieden. Das Publik-Forum hat sich mit der Entstehung und den Anforderungen in einer Artikelserie befasst.

Chefredakteur Wolfgang Kessler kritisiert, das dieses mal die Basis nicht in die Entstehung des Sozialwort eingebunden wurde, „Obwohl es in beiden Kirchen eine Vielzahl von Initiativen zu sozialen fragen gibt.

Pfarrer Walter Lechner fordert eine „Abkehr vom Wirtschaftswachstum als gesellschaftlichem Leitziel“. Statt weiter auf Ausbeutung zu setzen, wäre es an der Zeit neue Wachstumsziele wie Kultur, Wissen und Gerechtigkeit zu finden.

Politikwissenschaftlerin Antje Schrupp fordert eine besondere Berücksichtigung der Frauen im neuem Sozialwort. Frauen sind „von den Folgen des neoliberalen Umbaus besonders betroffen“. Dennoch könne niemand die Perspektive der Frauen einnehmen, denn „gerade diejenigen Punkte, zu denen unter Frauen keine Einigkeit herrscht, sind häufig Knotenpunkte, an denen die Schwierigkeiten eines gesellschaftlichen Umbaus deutlich werden.“

Georg Hupfauer Bundesvorsitzender der katholischen Arbeitnehmer Bewegung, fordert dieses mal Partei für die Armen zu ergreifen. Seit dem letztem Sozialwort 1997 hat sich durch die HartzIV Gesetzgebung viel verändert. Die Arbeit hat vielfach ihre Würde verloren.

Commons ein alternativer Wirtschaftsentwurf

Silke Helfrisch schreibt in vier Teilen eine interessante Betrachtung der Commons. Commons oder zu deutsch Allgemeingüter sind materielle und immaterielle Ressourcen, die der Allgemeinheit gehören und von ihr verwaltet werden.

 

In Teil 1 befasst sich mit dem Zusammengang zwischen Gemeinschaft und Gemeingütern. Helfrisch spricht sich gegen eine Betrachtung der Commons als Ware aus. Betrachtet man die Commons als Waren, dann bleibt jede in ihrem eigenen Kosmos. Betrachtet man hingegen die Gemeinschaft, dann ergeben sich gemeinsame Regeln, Normen und Prinzipien.

 

Teil 2 beschäftigt sich mit der Frage welche Institutionen für Commons geeignet sind. Helfrisch, ist der Ansicht, das sich jede Institution sowohl für Commons als auch für den persönlichen Gewinnen nutzen lässt. Eine Aktiengesellschaft kann für das Gemeinwohl arbeiten, während eine Kooperative andere ausbeutet um wenige zu bereichern. Wesentlich wichtiger als die Hülle der Institution, sei der Kern. Die Prinzipien nach denen eine Gemeinschaft arbeitet sind das wichtige.

 

Teil 3 widmet sich dem Schutz, die Commons nötig haben. Commons sind nicht mit freiem Zugang gleichzusetzen. Jedenfalls nicht bei solchen Gütern, die durch das Teilen weniger werden. Die Marktfundamentalismen zerstören Commons sowohl die Güter als auch die Gemeinschaft sind durch ihre Dominanz bedroht. Daher gilt es mit Commons Räume zu schaffen, die vor dem Zugriff der Marktfundamentalismen geschützt sind.

 

Der vierte und letzte Teil erklärt die Möglichkeiten einer auf Commons basierten Wirtschaft. Helfrisch geht davon aus, das Commoning sich auch in der Breite der Gesellschaft durchsetzen kann. Dies basiert auf Emergenz und soll ohne eine Hierarchisierung passieren. Bestehende Projekte fungieren dabei als Kristallisationskeime in der Gesellschaft.

Wider die Ökonomisierung der Bildung – von Ekkehardt von Kuenheim (BMW)

von Ekkehardt von Kuenheim (von 1970 bis 1999 Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats von BMW)

„Gehen wir mal auf den Bildungsbegriff von Wilhelm von Humboldt zurück, der derzeit in der ganzen Welt eine nie gekannte Beachtung findet – außer in Deutschland –  so versteht man darunter im weitesten Sinne die Entwicklung einer ganzheitlichen Persönlichkeit basierend auf einer möglichst breiten Allgemeinbildung, in der Selbstbestimmung, Mündigkeit und Vernunftgebrauch die zentralen Elemente darstellen. Eberhard von Kuenheim, Vorsitzender der gleichnamigen Stiftung und jahrelanger Vorstandsvorsitzender von BMW, hat in einem leider viel zu wenig beachteten Artikel in der FAZ mit dem Titel „Wider die Ökonomisierung der Bildung“ eindringlich vor einem reinen Nützlichkeitsdenken gewarnt, da ein strenger Utilitarismus genau die Schäden verursache, die man beklage. Insbesondere auch die geisteswissenschaftlichen Disziplinen – die heute sowohl an Schulen als auch an Universitäten im Rahmen eines bisher nie gekannten Drittmittel- und Employabilitywahns in ihrer Daseinsberechtigung angezweifelt werden – sollten dazu beitragen, die Kindern zu mündigen und kritischen Bürgern zu erziehen, die sowohl in ihrem persönlichen als auch im gesellschaftlichen Leben auf der Basis von Wissen kompetent Entscheidungen, Bewertungen und Kommunikationen durchführen können, was übrigens auch der Anspruch eines sinnvollen Kompetenzbegriffs durchaus anfangs war.“ Lesen Sie den vollständigen Artikel.