Archiv der Kategorie:
Kirchenmitglieder

„Gieriges Geld“ – Solidarisches Wirtschaften als Alternative. Vortrag bei der Ökumenischen Versammlung. Von Prof. Dr. Ulrich Duchrow

Hier nur die Thesen des Vortrages von Prof. Duchrow.

1. „Gieriges Geld“ ist ein anderes Wort für „Kapital“: in Geld gemessenes
Vermögen, das investiert werden muss mit dem einzigen Ziel, mehr in Geld
gemessenes Privateigentum hervorzubringen, das wieder zu dem gleichen
Zweck der Akkumulation investiert werden muss usw. usw.

2. Dieses Kapital/Gieriges Geld bestimmt mit Geist, Logik und Praxis nicht allein
die herrschende Wirtschaftsordnung, sondern unsere gesamte Zivilisation –
einschließlich der ego-zentrierten, kalkulierenden Mentalität, Psychologie,
Spiritualität und Verhaltensweise der Menschen in den verschiedenen Klassen.
Kapital ist sogar der Gott der herrschenden Religion.

3. Da Kapital gierig wachsen muss, erzeugt es den Wachstumszwang in der
Wirtschaft. In industrieller Form muss diese Wirtschaft den Konsum, den
Ressourcenverbrauch und die Belastung der Natur durch Abfälle,
Klimaerwärmung, Vergiftung usw. ebenfalls steigern. Auf einem begrenzten
Planeten kann Kapitalismus/die kapitalistische Zivilisation nur zu dessen
Zerstörung führen. Grüner Kapitalismus ist die neue große Illusion – gerade
auch der Mehrheit der Gewerkschaften und Kirchen in Deutschland.
Das heißt, die kapitalistische Zivilisation muss nicht allein aus ethischen,
sondern aus Überlebensgründen langfristig überwunden und durch eine Leben
ermöglichende Kultur ersetzt werden.

4. Aus welchen Quellen kann sich eine solche Überwindung speisen? Da die
kapitalistische Zivilisation ihre Ursprünge in der frühen Geld-
Privateigentumswirtschaft seit dem 8. Jh. v.u.Z. hat, können wir zurückgreifen
auf die Kritik an dieser in allen Religionen seit den altisraelitischen Propheten
und der Tora, dem Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus, bestimmten
Strängen der griechischen Philosophie, der Jesusbewegung und dem Islam.

5. In allen diesen Religionen und Philosophien ist heute zu beobachten, dass
Befreiungstheologien und -philosophien die kritischen Elemente der alten
Schriftquellen wieder aufgreifen und damit die mehrheitliche Anpassung der
aktuellen Religionen an die kapitalistische Zivilisation kritisieren sowie mit
den sozialen Bewegungen zusammen an Alternativen arbeiten.

6. In diesem Zusammenhang sind die neuen Dokumente der Vollversammlung
des ÖRK in Busan und des Papstes (Evangelii Gaudium) zu lesen und
fruchtbar zu machen. Zentral dafür ist es, den ökumenischen „Pilgerweg der
Gerechtigkeit und des Friedens“ für die nächsten acht Jahre als Exodus aus der
herrschenden kapitalistischen Zivilisation (weg von den „Fleischtöpfen
Ägyptens“), als Weg durch die Wüste und zum Sinai der neuen, dem Leben
dienenden zivilisatorischen Grundordnung und Lebensweise zu machen, um
schrittweise eine neue Wirtschaftsweise des „Genug für alle“ (dem „Manna“
bei der Wüstenwanderung) zu praktizieren.

7. Kern der neuen Wirtschaftsweise ist eine neue Geld-, Eigentums- und
Arbeitsordnung, Kern der neuen Lebensweise ist Kooperation und Solidarität.

Geld_Gier ÖV14 Vortrag als pdf.

So schwingt das Religiöse. Das aktuelle Buch von Joachim Frank sieht neben den Schwächen auch die einzigartigen Seiten der Kirche.

FREIBURG, 27. April 2014 – Von Michael Schrom

Navid Kermanis Erinnerung an Vanillepudding und Heribert Prantls Mutter im Altenheim: Das aktuelle Buch von Joachim Frank sieht neben den Schwächen auch die einzigartigen Seiten der Kirche.

Er sieht aus wie der böse Zauberer in Tolkiens „Herr der Ringe“. Ein alter Mann, in dunkles Purpur gehüllt, auf dem Kopf eine Mitra, die Hand um den Stab gekrallt, als wolle er jeden Moment damit losschlagen, von hinten fotografiert vor einem bedrohlichen Gewitterhimmel. Das Titelbild des „Stern“ (Nr. 44 vom 24.10.) macht auf den ersten Blick klar, wovor sich Deutschland in Acht nehmen muss: „Die dunkle Macht“ lautet die Schlagzeile. Gemeint ist nicht die Mafia oder der Geheimdienst, sondern die katholische Kirche. Besondere Kennzeichen: „Verborgene Millionen, dicke Dienstwagen, keine Kontrolle“. Dem „obersten Bösewicht“ hat die Illustrierte zusätzlich eine eigene Geschichte gewidmet: „Tebartz-van Elst: So tickt der Skandal-Bischof“. In großen Zwischenüberschriften werden darin Ungeheuerlichkeiten aus seiner Jugend ausgebreitet, wie zum Beispiel diese: „Die Freunde spielen Fußball. Er wird Messdiener.“ Kein Wunder, wenn da etwas grundlegend schiefläuft…

Ohne die Vorgänge in Limburg beschönigen zu wollen, muss man feststellen, dass die Berichterstattung darüber mittlerweile ein Ausmaß angenommen hat, das an Hysterie grenzt. An die Stelle des Feindbilds der gierigen Banker und Manager sind die angeblich stinkreichen Bischöfe getreten, absolutistische Nichtsnutze, die sich noch dazu vom Staat aushalten lassen.

Diese Maßlosigkeit ruft selbst Journalisten auf den Plan, die Kirche zu verteidigen, die sich sonst nicht darum kümmern. So schreibt etwa Jens Jessen in der „Zeit“: „Was die Kirchen fürs Geld tun, im glanzlosen Normalfall der Caritas und Seelsorge, wurde eher nebenbei erwähnt. Und dass im Normalfall von gemästeten Geistlichen nichts zu sehen ist, im Gegenteil die Aufregung über den Limburger gar nicht verständlich wäre, wenn er den Normalfall markierte“, werde ebenfalls nicht bedacht. Jessen stellt in den Medien eine erschütternde „Unkenntnis – keineswegs nur gegenüber kirchlicher Tradition“, sondern auch gegenüber „christlicher Eigengesetzlichkeit überhaupt“ fest. Das reiche bis dahin, dass man der Kirche jegliche Berufung auf Gott und göttliches Recht abspreche und in ihr nur einen Verein wie jeden anderen sehen will, der sich gefälligst nach Vereinsrecht zu organisieren habe.

Wahrheit soll leuchten

Jessen hat recht: Die Kirche ist nicht (nur) von dieser Welt und darf es nach dem Willen Jesu auch nicht sein… Zum Artikel in Christ in der Gegenwart.

Auf den Pfarrer kommt es an. Von Reinhard Bingener, FAZ

18.04.2014  ·  Von Reinhard Bingener

Das Gericht ohne Richter wird vermutlich ebenso ein Hirngespinst bleiben wie das Krankenhaus ohne Arzt. Bei der Kirchengemeinde ohne Pfarrer ist man dem Paradox schon einige Schritte näher gekommen: Gemeinden, die zusammengelegt werden, und solche, die über lange Zeit ohne Pfarrer auskommen müssen; Kirchenmitglieder, die den Namen des für sie zuständigen Pfarrers nicht kennen, und Gemeindeämter, die telefonisch nur an Dienstagen von neun bis elf erreichbar sind. Der Befund gilt für beide großen Kirchen. Überspitzt gesagt: Mit dem Verzicht auf einen besonderen Priesterstand ist in der evangelischen Konfession in der Theorie kühn vorweggenommen, was die katholische Kirche hierzulande in Ermangelung von Nachwuchs inzwischen an vielen Orten praktiziert.
Zum Artikel der FAZ.

 

5. EKD Kirchenmimitgliedschaftsstudie (5. KMU): „Weitergabe des Glaubens keine Selbstverständlichkeit mehr“

06.03.2014 | Berlin. Auf der einen Seite fühlen sich drei Millionen Menschen der evangelischen Kirche eng verbunden, auf der anderen Seite wächst die Zahl jener Protestanten, denen Kirche schlicht egal ist. Über die Ergebnisse der aktuellen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sprach der epd mit Gerhard Wegner. Der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD sieht Chancen für seine Kirche, indem sie auf Familien zugeht.  Zum Interview.

Für eine Religion des Widerstandes – von Sarah Wagenknecht

Sahra Wagenknecht, die Erste Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, steht nicht gerade im Verdacht, mit der Religion zu sympathisieren. Deshalb haben wir die streitbare Politikerin eingeladen, über Glaube und Kirche nachzudenken. Wir haben die sozialistische Gretchenfrage gestellt: Welchen Nutzen hat Religion? Stiftet sie nur soziale und kulturelle Werte? Oder hilft sie, richtig zu leben? Zum Artikel.

Die 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung – Wann wacht unsere Kirche auf?

29. März 2014 Thomas Ebinger, Württemberg. Landeskirche

Alle zehn Jahre fühlt die Evangelische Kirche in Deutschland ihren Mitgliedern und neuerdings auch ausgewählten Konfessionslosen sozialwissenschaftlich fundiert und repräsentativ auf den Zahn (vgl. die Projektbeschreibung durch das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD: https://www.ekd.de/si/projekte/laufend/20633.html). Manchmal heißt das Ergebnis: Es war nur ein Phantomschmerz, die Kirchenfernen sind treuer als man dachte. Manchmal löst das Ergebnis einen Reformeifer aus mit dem Wunsch, gegen den Trend zu wachsen und überall Leuchtfeuer zu entzünden, die die verlorenen Schäflein wieder aus ihren postmodernen Rückzugswinkeln hervorholen und dem guten Hirten in die Herde zurückführen. Was ist die Botschaft der neuesten, fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU)? Ist der Zahn noch vital, ist er innen schon faul, durch eine Wurzelbehandlung noch zu retten oder ist gar Extraktion die letzte Lösung?
Zum vollständigen Text.

Sie säen nicht. Sie ernten nicht… Zur 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD.

von Friedhelm Schneider.
Die sprunghaft angestiegene Distanz der Jugendlichen zur Kirche müsste am meisten aufrütteln: 52% der Jugendlichen sind distanziert und 20% denken ernsthaft über Austritt nach. Das ist hart. Aber das ist aus Sicht der Jugendlichen auch fair. Warum?

Betrachten wir einfach Jugendarbeit der Kirchen in den zurückliegenden 2 Dekaden und nehmen wir die EKHN. 1997 pilotiert die EKHN mit dem Projekt „Prioritätenplanung und Ressourcenkonzentration“ eine neue Art der Reform, die sich von dem vorausgehenden Reformansatz, wie er 1992 in „Person und Institution“ angelegt war, distanzierte. Im Nachhinein ist klar: es war eine vorbereitende Phase des Organisationsumbaus der Kirche, der dann mit „Kirche der Freiheit“ obsiegte. Einer der ersten, stante pede umgesetzten Beschlüsse von 1997: Reduktion der Gemeindepädagogenstellen um 20%. Gemeindepädagogen – also das Personal, das in der EKHN wesentlich für die Jugendarbeit zuständig ist. Das war der massive Einstieg in das Downsizing der Jugendarbeit. Und in das Downsizing generell: des Abbau auch von Pfarrpersonal, auch von Zuweisungen für die Arbeit an der Basis, auch von Gebäuden, auch von… McKinsey ließ schon damals grüßen. Nur ein konkretes Beispiel: gab es damals in meinem Stadtteil Darmstadts mit 25000 Einwohnern noch 2 kirchensteuerfinanzierte Stellen für die Jugendarbeit, so ist es heute noch ca. eine halbe Stelle, ergänzt durch einen gemeindefinanzierten (!) Stellenanteil. Der Personalabbau mag an anderer Stelle etwas moderater erfolgt sein und punktuell mag es Unterschiede geben. Aber es kommt hinzu, dass die Pfarrerschaft heute aufgrund der Überalterung für die Jugendarbeit ebenfalls nicht mehr in dem selben Umfang wie früher zur Verfügung steht. Und dass man den Religionslehrern die Fortbildungsstätte im noblen Kronberg genommen hat, ist ein symbolischer Akt gegen eine ganze Berufsgruppe, deren Unterstützung die EKHN offensichtlich auch nicht nötig zu haben scheint.  Punktuelle neue Angebote wie einen alle 2 Jahre stattfindenen Jugendkirchentag können solche Verluste bei weitem nicht kompensieren…  Generell bleibt die Innovationsleistung als Folge der Streichorgie und Marginalisierung des Arbeitsfeldes hinter den Erfordernissen zurück.  52 Prozent distanzierte! Da machen ein paar Sonnenstrahlen noch keinen Sommer. Die Jugendarbeit ist das fünfte Rad am Wagen der Kirche. Da können sich die Mitarbeiter an der Basis noch so mühen und abrackern, sie können durch ihre Person die harte Politik der Kirche gegenüber den Jugendlichen vielleicht etwas abfedern. Sie können sie aber nicht ungeschehen machen. Wen wundern also die Ergebnisse der neuen Mitgliedschaftstudie? In anderen Landeskirchen mag die Entwicklung in der konkreten Ausgestaltung differieren. Die Politik ist aber im Prinzip dieselbe. Sie säen nicht. Sie ernten nicht…

In den letzten sieben Jahren fährt die EKHN fünf mal Haushaltsüberschüsse in Höhe von 40 bis 70 Mio.€ ein! Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch?

Als die EKHN vor einigen Jahren – wieder einmal – einen Haushaltsüberschuss von 40 Mio. € verbuchen konnte, regte ich in kleiner Runde an, diese Mehreinnahmen diesmal nicht in die Rücklagen zu schieben, sondern komplett in die Jugendarbeit (mit einem professionellen 10-Jahreskonzept etc.) zu investieren. Ich erntete seitens einer anwesenden kirchenleitenden Person nur verständnislose Blicke und den Hinweis, dass sich einem solchen Vorschlag in der Kirchenleitung wohl niemand anschließen würde. Wie auch? Haben nicht alle leitenden Personen internalisert: die Kirchen müssten Rücklagen bilden? Da tut es nichts zur Sache, dass die EKHN ihr Soll der Rücklagenbildung schon zu 100% übererfüllt hat, weil 70% als ausreichend gelten. Gewinne für Rücklagen, aber keine Investitionen in die Mitglieder, hier in die Jugendlichen. Das ist die von den Finanzdezernenten ausgegebene Finanzpolitik. Und die bildet das „Management“-Konzept der Kirche. Ein Konzept, das einigen grundlegenden irrtümern aufsitzt. Halten wir uns an Prof. Fredmund Malik, den Doyen des europäischen Managements aus St. Gallen: „Die Meinung, dass der Zweck von Unternehmen der Gewinn sei, ist so alt wie irreführend.. .Alle paar Jahre taucht sie in einem neuen Kleid auf… diesmal in der Sharholder-Value-Theorie…Wer sich am Shareholder-Value… orientiert, hat die Gewissheit, dass er systematisch falsche, das heißt das Unternehmen schädigende Entscheidungen trifft.“

Das ist in der Kirche passiert. Es wurden systematisch falsche Entscheidungen getroffen. Die Jugendlichen waren außerhalb des Horizonts der Kirchenleitungen und der „Hohen Häuser“ der Synoden. Die Jugendlichen werden mit den Angeboten und mit der Botschaft in der Breite nicht mehr erreicht. Es fehlt an Mitarbeitern. Und es fehlt dadurch bedingt auch an Innovationen. Es fehlt an schlüssigen Antworten auf die Herausforderungen des Wechsels von der analogen in die digitale Welt. Angesichts erhöhter Anforderungen konnte die Strategie nicht darin bestehen die Mittel zu kürzen. Das Gegenteil wäre richtig gewesen: man hätte investieren müssen. In die Jugend, und nicht in Maßnahmen, die die  Bürokratie aufbauschen ohne nennenswert bessere Leistungen im Sinne einer Unterstützung für die an der Basis arbeitenden PfarrerInnen u.a. hervorzubringen! Und wie geht es weiter: Dass Pfarrerinnenmangel droht, hat sich herumgesprochen. Wie sieht es denn mit dem Nachwuchs bei den Gemeindepädagogen aus?

Nikolaus Schneider kündigt an, man wolle aus der Studie lernen. Was aber passiert gerade in seinen Stammlanden, der EKiR? Der Finanzbedarf für die Bürokratie steigt aufgrund der von ihm zu verantwortenden Umbauprozesse. Aufgrund der Einführung der Doppik in den Regionalverwaltungen wird mehr mehr Personal für die (in diesem Falle: nutzlose!) Bürokratie benötigt. Um solche Stellen finanzieren zu können muss man in manchem Kirchenkreis an anderer Stelle einsparen. An welcher? Man muss nicht dreimal fragen – selbstverständlich spart man da, wo sich keiner wehrt – an der Jugendarbeit. So höre ich. Damit die Bürokratie lebe, stirbt die Jugendarbeit! Und so wird es vielen Kirchenkreisen der EKiR gehen –  und vielen Landeskirchen. Nikolaus Schneider…

Was heißt das für die Zukunft der Kirche? Die Jugendlichen werden zunehmend weniger von der Kirche erreicht. Die schon heute ihren Austrittswillen bekunden, werden ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit umsetzen. Denn dieser Wille wird nur schwer und mit hohem Aufwand zu korrigieren sein. Die Austrittsquote steigt und damit werden die Kirchensteuereinnahmen, Spenden oder Beiträge weiter sinken. Man muss also die Kausalketten richtig erkennen! Weil man nicht in die Jugend investiert hat, werden Kirchensteuereinnahmen sinken! Man weiß freilich schon heute, wie die Finanzdezernenten dereinst bei rückläufigen Einnahmen in Verdrehung der Ursachenketten behaupten werden: „Gut, dass wir damals Rücklagen gebildet haben…“ Dabei werden zukünftige Rückgänge der Einnahmen auch auf ihre verfehlte Finanzpolitik heute, namentlich auf die verfehlte Kirchenpolitik gegenüber der Jugend, zurückzuführen sein! Das Problem des Managements der Kirche besteht darin, dass es nicht ganzheitlich denkt und agiert. Es folgt de facto einem beschränkten, monetären Gewinnbegriff. Noch einmal Malik: „Mit einem zu kurz gegriffenen Gewinnbegriff ist noch immer der Untergang eines Unternehmens eingeleitet worden.“ Insofern darf man die aktuellen Haushaltsüberschüsse zwar als vergänglichen Segen betrachten. Mehr noch sind sie aber Menetekel: Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch… – Noch!

Kirche ohne Kurs. Zur Mitgliedschaftsstudie der EKD

Man darf staunen: Der Ratsvorsitzende Schneider hat in einer ersten Stellungnahme zur neuesten Mitgliederstudie der EKD festgestellt, man wolle die Ergebnisse dieser Studie ernst nehmen. Was soll das heißen? Macht die EKD Studien und nimmt sie nicht ernst? Hat sie früher solche Studien gemacht und sie nicht beachtet?
Es gibt guten Grund zu vermuten, dass Schneider einen wunden Punkt benennt. Seit vierzig Jahren nämlich zeigen alle Mitgliedschaftsstudien, dass die Verbundenheit der ev. Christen zu ihrer Kirche in der Kirche vor Ort begründet ist. Wichtig sind Gottesdienste, Kasualien und die diakonische Arbeit vor Ort, das sind die Kindertagesstätten, die Diakoniestationen u.v.a.m. Die Begegnung mit dem Pfarrer vor Ort ist eine der entscheidenden Qualitäten, die das Verhältnis zur Kirche und zum Glauben prägen. Professor Pollack, einer der wissenschaftlichen Begleiter der Studie, weist auf diesen Zusammenhang eindrücklich hin: „Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Annahme ist der Glaube jedoch kein von der Institution Kirche isolierter rein individueller Akt. Er bedarf vielmehr der institutionellen Unterstützung, und er verkümmert, wenn ihm die kommunikative Unterstützung durch Interaktionen im Raum der Kirche, durch Kontakte zum Pfarrer, durch den Gottesdienst fehlt. Das haben unsere Analysen, die repräsentativ sind und höchsten sozialwissenschaftlichen Standards genügen, immer wieder gezeigt: Intensive kirchliche Praxis und das Bekenntnis zum Glauben an Gott korrelieren hoch.“
Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Jung resümiert entsprechend: „Bricht personale kirchliche »Interaktionspraxis« ab, so sinkt nicht nur das Gefühl der Verbundenheit mit der Kirche, sondern auch die individuelle Religiosität wird abgeschwächt. Man kann also sagen: Auch die als privat reklamierte, unkirchliche Frömmigkeit lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht geschaffen hat.“ Wie wichtig die personale Begegnung ist, zeigt auch, dass digitale Medien gemäß der Studie nur eine geringe Bedeutung für die Weitergabe des Glaubens haben.
Thies Gundlach, Cheftheologe der EKD, hat es pointiert zusammengefasst: „Kirche – das ist der Pfarrer vor Ort.“ Wenn das gilt, dann müsste die Kirche alles dafür tun, um vor Ort präsent zu bleiben und noch präsenter zu werden. Doch genau das tut sie nicht.
Als die erste Mitgliedschaftsstudie erschien, zog der Initiator der Studie, der damalige hessen-nassauische Kirchenpräsident Hild, klare Konsequenzen. Damals nämlich schon war die Idee aufgekommen, die Kirche vor Ort ließe sich besser und effizienter gestalten, wenn Pfarrer im Teampfarramt arbeiteten, die Kirche über große Institutionen präsent wäre und das Kleinklein der pastoralen Praxis vor Ort durch qualifizierte großflächige Angebote ersetzt würde. Pfarrverbünde und Auflösung der kleinen Parochien waren damals schon gefordert. Hild brach diese Experimente ab. Einer seiner Nachfolger griff sie wieder auf. Seitdem gilt in der EKHN: Alles, was das Kirche vor Ort schadet, ist gut. So wurden die Finanzausstattungen der Gemeinde in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgefahren. Gerade darf die Synode der EKHN mal wieder über ein Zuweisungssystem beraten, das vielen kleinen Gemeinden endgültig die Luft zum Atmen nehmen wird. Die sollen sich dann zu größeren Einheiten zusammenschließen. Dafür freilich wird wieder Geld zur Verfügung gestellt werden, solange bis die nächste Fusionsrunde kommt. Das ist geplant und wird zielstrebig umgesetzt: Weniger Geld für die Gemeinde, weniger Pfarrer in den Gemeinden, Loslösung von Kindertagesstätten und Diakoniestationen aus dem gemeindlichen Umfeld in größere angeblich finanziell sinnvollere Einheiten. Bei der Pfarrstellenbemessung etwa hat man konsequenterweise die Kindertagesstätten ausgeklammert, was dazu führt, dass Gemeinden, deren Pfarrstellen deswegen reduziert werden müssen, die Kindertagesstätten an die Kommunen zurückgeben. Die Ergebnisse der Studie, dass über die spätere Kirchenbindung gerade in der Kindheit und Jugendzeit entschieden wird, ist für die Kirchenleitung kein Problem: Die Kirche muss sich gesund schrumpfen.
Angesichts hoher Kirchensteuerüberschüsse in den letzten Jahren in Hessen weist die Kirchenleitung immerhin nicht fälschlich darauf hin, dass die Kirche leider zu arm sei, um noch ihre bisherigen Verpflichtungen wahrnehmen zu können. Für diesmal hat sich die Kirchenleitung noch geschickter verhalten. Sie verhindert, dass junge Menschen zum Theologiestudium ermuntert werden und stellt nach Potentialanalyse und bestandenem Examen viele Vikare gar nicht erst ein. Damit erhöht sie den Druck auf die Gemeinden, sich von ihren Pfarrstellen zu trennen. Bei weniger Pfarrern ist demnächst auch das Inhaberrecht, das bisher mit Pfarrstellen verbunden ist, in Frage gestellt. Anders wird man nämlich die flächendeckende Versorgung nicht mehr aufrecht erhalten können. Damit kappt man die letzten rechtlichen Bindungen eines Pfarrers an seine Gemeinde. Gemeindearbeit wird zunehmend unattraktiv. Auch das liegt im Interesse der Kirchenleitung. Denn die Zukunft der Kirche liegt in der Region – selbst wenn die Mitgliederstudie das Gegenteil zeigt.
Satt dessen steckt die Kirche ihr Geld z. Bsp. in große Immobilien in guter Lage. Jüngst hat sie z.B. ein Studentenwohnheim in Darmstadt erstanden. Es ist keine 10 Jahre her, da war die lang diskutierte und dann beschlossene Konzeption, möglichst wenige solcher Heime zu besitzen. Das Beispiel ließe sich durch viele andere ersetzen, die alle zeigen, wie munter in der Kirche ein Projekt nach dem anderen – wie das berühmte Schweinchen durchs Dorf getrieben wird – Geld spielt im Ernstfall dabei keine Rolle. Auch das gehört zu den Konsequenzen der Mitgliedschaftsstudie: Wenn man sich auf die Kernaufgaben vor Ort konzentrieren würde, bräuchte man viele der kirchenleitenden Funktionäre nicht, die allenthalben neue Konzeptionen entwickeln und umsetzen müssen. Und damit ist auch klar, warum die Kirchenleitungen auch diese Studie nicht ernst zu nehmen werden. Es gibt inzwischen eine erstaunlich mächtige und gut vernetzte Schicht von Kirchenfunktionären und Technokraten, die verhindern werden, dass die Ergebnisse der Studie auch nur im Entferntesten beachtet werden. Das nämlich würde ihre Bedeutung mindern und ihre Macht beschränken.
Schneider hat sich jedenfalls klug verhalten. Sein Hinweis, dass die Studie möglicherweise nicht beachtet wird, nimmt mögliche Kritik vorweg. Schließlich gehört er selbst zu jenen, die beharrlich und erfolgreich an den empirischen Erkenntnissen solcher Studien vorbeigearbeitet haben. cb.

Der Kirche geht die Jugend verloren – zur Mitgliedschaftsstudie der EKD

Berlin (idea) – Der evangelischen Kirche geht die junge Generation verloren. Das geht aus der alle zehn Jahre erhobenen soziologischen Untersuchung der EKD zur Kirchenmitgliedschaft hervor. Das Papier mit dem Titel „Engagement und Indifferenz“ wurde am 6. März in Berlin vorgestellt. Für die Studie wurden 3.000 Personen repräsentativ befragt. Danach gelingt es der Kirche immer seltener, jüngere Bürger zu erreichen. Sie könnte daher von einer Volkskirche zur „Seniorenkirche“ werden. Die EKD stehe „vor einem massiven Problem in der Überzeugungsarbeit Jugendlicher und junger Erwachsener“, heißt es.

Viele Junge planen Kirchenaustritt

Lediglich 22 Prozent der 14- bis 21-jährigen Mitglieder fühlen sich ihrer Kirche verbunden; bei den über 66-jährigen sind es 58 Prozent. Entsprechend ist bei jungen Kirchenmitgliedern die Bereitschaft, aus der Kirche auszutreten, am höchsten. 19 Prozent der 14- bis 21-jährigen Westdeutschen bekunden, sie hätten eine feste Austrittsabsicht (Ostdeutschland: zwölf Prozent). Hingegen ist die Bereitschaft, die Kirche zu verlassen, bei den über 66 Jahre alten Westdeutschen mit zwei Prozent am geringsten (Ostdeutschland: sechs Prozent). Schwer dürfte es auch sein, ehemalige Kirchenmitglieder zurückzugewinnen: Zwei Prozent der aus der Kirche Ausgetretenen können sich einen Wiedereintritt vorstellen.
Zum Artikel.

Spricht nicht mehr von ‚Reformen‘: Prof. Detlef Pollack spricht jetzt auch von Umbauten hinsichtlich der ‚Reformmaßnahmen‘.

In seinem Votum zur zur fünften EKD Mitgliedschaftsstudie spricht nun auch Prof. Detlef Pollack, Münster, von Umbauten. In früheren Äußerungen war noch in der Sprachregelung der EKD von Reformen die Rede (vgl. Franz-Xaver Kaufmann und Detlef Pollack, Kirchliche Reformbemühungen in soziologischer Perspektive, Ev. Theologie 1/2013, 154.). Prof. Pollack schließt sich damit der Bezeichnung an, die schon vor Jahren von Pfr. Hans-Jürgen Volk eingeführt wurde. F.S.

Prof. Pollack: „Die Soziologie beschreibt gegenwärtige gesellschaftliche Wandlungsprozesse mit Begriffen wie funktionale Differenzierung, Pluralisierung und Individualisierung. Für eine Institution wie die evangelische Kirche, aber auch für andere Institutionen und Organisationen, wie etwa Gewerkschaften, Parteien oder auch Familien gehen von diesen Prozessen erosive Wirkungen aus, die sie zu mannigfachen internen Umbauten zwingen und ihre traditionale Gestalt verändern.“ Der vollständige Text.