Archiv für den Monat: Juni 2013

Kirche nicht durch Grundrechte gebunden?

Ein Brief der INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht in der Ev. Kirche in Hessen und Nassau

an das Präsidium der EKD- Synode betreffend das

Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften – Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV

„… Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV “ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. Mit diesen rechtlichen Schranken können demzufolge nur die Grundrechte und die darauf basierenden Rechtsnormen gemeint sein. Welche denn sonst? Für diese Annahme spricht auch der Gottesbezug in der Präambel unseres Grundgesetzes. Denn bekanntlich sind diese staatsbürgerlichen Grundrechte von unseren christlichen Grundwerten abgeleitet (Menschenwürde, Achtung des Nächsten, Wahrheit, Gerechtigkeit u. a.). Unzählige Menschen weltweit beneiden uns darum.

Umso unfassbarer ist es, dass ausgerechnet die Kirche sie missachtet, anstatt sie zu schützen. So schreibt z. B. die Verwaltungskammer der Ev. Kirche im Rheinland in einem Urteil (VK 16/2006):

“Die Kirche ist nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV in der Ausgestaltung ihres Dienstrechtes unabhängig. Daraus folgt, dass sie generell weder durch die Grundrechte noch durch … gebunden ist“…“ Lesen Sie den Brief an das EKD-Präsidium_Art-140 GG.

Der Blockupy- Kessel und die Reaktion der Kirchen

Aus einem offenen Brief (vgl. offener Brief) der Pfarrkonferenz des Ev.  Dekanates Darmstadt- Stadt an den hessischen Innenminister Boris Rhein:

Sehr geehrter Herr Innenminister,

die Presseberichte zur Frankfurter Blockupy-Demonstration und zum Polizeieinsatz in der letzten Woche sowie die zur Zeit noch andauernde politische Debatte haben auch im Evangelischen Dekanat Darmstadt-Stadt zu Diskussionen geführt. In der Gesamtkonferenz am 5.6.2013 haben die Pfarrerinnen und Pfarrer im Evangelischen Dekanat Darmstadt-Stadt unter dem Vorsitz des Dekans Norbert Mander aus diesem Grund die folgende Resolution mit großer Mehrheit verabschiedet:

Die Pfarrerinnen und Pfarrer des Evangelischen Dekanates Darmstadt-Stadt erwarten eine lückenlose Aufklärung des Polizeieinsatzes anlässlich der Blockupy- Demonstration am vergangenen Samstag. Augenzeugenberichte in dem Offenen Brief unter dem Titel „So war es nicht! Gegen die Ausgrenzung gesellschaftlicher Opposition durch Polizei und Teile der Medien“ lassen vermuten, dass demokratische Grundregeln massiv verletzt wurden. Wir sind in großer Sorge.“

Auf der homepage der Landeskirche EKHN wurde unter dem Suchwort Blockupy bzw. Blockupy Frankfurt kein Eintrag zum Thema gefunden…

 

 

Griechenland’rettung‘ – eine gigantische Umverteilung von unten nach oben

Wenn öffentliche Gelder ausgegeben werden, dann sollte das transparent geschehen und vom Parlament beschlossen werden. Die angebliche Rettung Griechenlands ist jedoch das Gegenteil. Die EU Kommission dokumentiert zwar ihren Einsatz auf hunderten Seiten. Doch wer direkt von den Milliarden profitiert, ist nicht ersichtlich.

Attac Österreich hat nun jedoch Zahlen recherchiert. Mindestens 77% der Rettungspakete flossen direkt in den Finanzsektor. Profitiert hat die griechische Milliardärsfamilie Latsis, deren Bank gerettet wurde. Aber auch der Hedgefond Thrid Point machte beim Schuldenrückkauf im Dezember 2012 fünfhundert Millionen Euro Profit.

Aus den Zahlen wird klar ersichtlich. Die Rettungspakte sollen vor allem den Finanzsektor und diejenigen, die daran verdienen schützen.

Lesen Sie im Attac Bericht alle Zahlen und weitere Fakten zu einem der Größten Umverteilungsprojekten zu Gunsten der Reichen.

Fußballweltmeisterschaften nur noch in Staaten mit autoritären Regimen?

In Brasilien sind hundertausende Bürger auf die Straße gegangen. Lautstark protestieren sie gegen die Verschwendung und Milliarden für Sportgroßereignisse. Gleichzeitig will ihr Staat aber kein Geld für Bildung, Gesundheit und die Infrastruktur haben.

Für Andreas Rüttenauer in der TAZ sind die Proteste lange überfällig. „Es wurden Milliarden in irrwitzige Stadionprojekte gesteckt, es wurden Gesetzte verabschiedet, die der Fifa steuerfreie Gewinne zusichern, die den Sponsoren besonderen Schutz zuteil werden lassen, die jedes Risiko dem Staat zumuten.“

Lesen Sie in seinem Kommentar Die Fifa ist ein Drecksverein warum Brasilien hoffentlich das letzte demokratische Land ist, das eine Fußballweltmeisterschaft ausrichtet.

TTIP: Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft sägt an -Standards

In Luxemburg hat der Rat der Europäischen Union der -Kommission das Mandat für das geplante Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen zwischen der und den (TTIP) erteilt. Vermutlich werden am Rande des in Irland tagenden G8-Gipfels die Verhandlungen offiziell starten. Weniger Schranken für den Handel bedeuten gleichzeitig weniger Schutz für Umwelt und Verbraucher. Davon profitieren werden vor allem Konzerne und Unternehmen. Lesen den Beitrag von greenpeace.

Glauben und Kirche – worauf es heute ankommt I

Wir beginnen hiermit eine Serie mit dem Titel: Glauben und Kirche heute – worauf es heute ankommt. In dieser Serie werden von Fall zu Fall unterschiedliche Positionen zur Diskussion gestellt.

Die 95 Thesen des Klaus-Peter Jörns  Steht uns die Reformation erst noch bevor?

NZ: Herr Professor Jörns, das Reformationsjubiläum im Jahr 2017 wird schon groß vorbereitet. Wenn man Ihr Buch liest, steht die eigentliche Reformation der Kirchen aber noch bevor.. .  Jörns: …  das ist richtig. Denn bei diesem Jubiläum werden sich die Blicke aller zurückwenden und die großen Taten der protestantischen Gründungsväter rühmen. Das haben sie durchaus verdient – und sie würden trotzdem  schlecht behandelt, wenn wir nicht die seit langem bei uns anstehenden Glaubensreformen endlich in Angriff nehmen würden. Es fehlt das, was man heute ein Update nennt. Lesen Sie das Interview.

Die Gesellschaft für eine Glaubenreform e.V. hielt ihre Jahresversammlung vom 15.-17.06. in Schloss Fürstenried.

 

 

Werden die Professionen durch die Reformen entmachtet?

Die unternehmerische Universität entmachtet die wissenschaftliche und die akademische Gemeinschaft und die Fachgesellschaften als Treuhänder des Erkenntnisfortschritts im inneren Kern der Wissenschaft und der Wissensvermittlung in ihrem Außenverhältnis zur Gesellschaft. Die kollektive Suche nach Erkenntnis als Kollektivgut und der kollektive Prozess der Bildung und des Wissenstransfers in die Gesellschaft in der Hand der wissenschaftlichen und der akademischen Gemeinschaft sowie der einzelnen Fachgesellschaften wird von der privatisierten Nutzung des Erkenntnisfortschritts, der Bildung und des Wissenstransfers durch unternehmerische Universitäten im Wettbewerb um Marktanteile abgelöst“ – so der

Bamberger Soziologe Richard Münch.

Traditionell war das anders:

Die traditionelle Ausgestaltung der deutschen Universität räumte im Inneren insbesondere den Professorinnen und Professoren eine erhebliche personale Autonomie und weitgehende institutionelle Mitwirkungsrechte ein, den anderen Gruppen darüber hinaus abgestufte Beteiligungsrechte. Die Universität war staatlich privilegiert, geschützt und finanziert; sie bot den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein hohes Maß an akademischer Freiheit sowie ein sehr weitgehendes Selbstergänzungsrecht.

Das Organisationsmodell der „unternehmerischen“ Hochschule eliminierte die partizipatorischen Rechte. Dies löste Widerstand aus:

„Wie in Hamburg bestimmt auch in vielen anderen Bundesländern inzwischen ein Hochschulrat den Rektor oder die Präsidentin. Die Proteste sind somit insbesondere von Seiten der Professorinnen und Professoren vielfach auch gespeist von dem Willen, die körperschaftliche, also auf Mitgliedschaft beruhende, Tradition der deutschen Universitäten und Fachhochschulen aufrecht zu erhalten, die sich exemplarisch in der akademischen Selbstverwaltung widerspiegelt.“ Lesen Sie mehr.

Kirche: Die Basis einer entgegengesetzten Entwicklung legt das unternehmerische Organisationsmodell, wie es in den wort-meldungen bereits früher dargestellt wurde. Wichtiger Bestandteil ist der weitgehende Ausschluss der Professionen aus den formalen Entscheidungsprozessen und -gremien. So z.B. auch in der Kirche auf der mittleren Ebene:

Die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Kirchenkreisrates

 … Für die Zusammensetzung des Kirchenkreisrates gilt, dass die Anzahl der hauptamtlichen Mitglieder die Hälfte der Gesamtzahl der Mitglieder des Kirchenkreisrates nicht erreichen darf.

So in den entsprechenden Gesetzen bspw. der EKM.

Diskutiert (und beschlossen) werden aber auch weit ungünstigere Zusammensetzungen:

Auch die Zahl der gewählten ordinierten Mitglieder bei der kleinen Lösung bewegte die Gemüter einiger Parlamentarier. Sie bangten um den Sachverstand im Gremium. Hintergrund: Bei künftig rund 50 Mitgliedern würde meist nur noch ein Delegierter aus dem regionalen Kreis der Pastorinnen und Pastoren stammen.

Diese Fragen sind nicht allein Machtfragen. Sondern es ist auch die Frage der Wirksamkeit der Institutionen selbst. Das trifft nicht allein auf die Wissenschaftgemeinschaften, als auch anderer Dienst- und Professionsgemeinschaften zu.

Schule:

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den aus internationalen Absprachen und überwiegend wirtschaftlichen Interessen erwachsenen Konzepten hat es in Deutschland jedoch bisher nicht gegeben. Die für die Umsetzung von Bildungsreformen zuständige  Lehrerschaft wurde an deren Entwicklung nicht angemessen beteiligt. Sie wurde in der Durchsetzung von Reformmaßnahmen – die durchaus sinnvolle Anteile haben könnten – zum bloßen Empfänger von Anordnungen degradiert.Lesen Sie mehr.

Arbeits- und Leistungskontrollen in den Professionen (Thema des Monats)

Mit dem Eindringen des unternehmerischen Institutionenmodells verlieren die Professionen an Selbständigkeit. Ihre Fachkompetenz wird regelmäßiger Überprüfung unterzogen (s. Pfarrer, Lehrer), Verfahren mit dem Ziel der Leistungssteigerung werden etabliert (s. Lehrer). Bei Freiberuflern werden tatsächliche oder vermeintliche Normabweichungen ökonomisch sanktioniert (Ärzte).

 Arbeits– und Leistungskontrollen bei Pfarrern

Arbeits- und Leistungkontrollen bei Lehrern

Arbeits- und Leistungskontrollen bei Ärzten

Versetzbar oder unversetzbar? Zu einer zentralen Frage nicht nur der beruflichen Selbstbestimmung.

Zentrale Frage der beruflichen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung ist die Frage der Versetzbarkeit. Der Der Deutsche Richterbund sieht darin einen unzumutbaren Eingriff in die Rechte der Richter und formuliert ein kategorisches Nein.

Hingegen ist im Pfarrdienstgesetz der EKD die Versetzbarkeit stark aus der Sicht und den Bedürfnissen des Dienstherrn und nicht der Profession gestaltet. Teilweise heftige Kritik, wie etwa von Professorin Gisela Kittel, war die Folge (vgl. Vortrag beim Thüringer Pfarrverein)

Kirchensteuereinnahmen auf Rekordniveau – Steigerung im Raum der EKD um 34,7% seit 2005 !

Bis heute wird die angeblich prekäre Finanzlage als kirchenpolitisches Druckmittel eingesetzt, um Strukturmaßnahmen zu begründen und Arbeitsplätze abzubauen. Tatsache ist allerdings, dass sich seit nunmehr 8 Jahren die Einnahmen aus Kirchensteuermittel positiv entwickeln. Der Tiefpunkt, ausgelöst durch die damalige schwierige konjunkturelle Lage und die damit verbundene hohe Arbeitslosigkeit war im Jahr 2005 bei einem Gesamtaufkommen der EKD-Landeskirchen von 3,65 Mrd. €. Für 2013 rechnet die EKD mit Einnahmen aus Kirchensteuermitteln nahe 5 Mrd. €. Dies entspricht einer stattlichen Steigerung von 34,7%. Die Zahlen wurden kürzlich in einem Bericht des Ev. Pressedienstes idea veröffentlicht.

Im gleichen Bericht wird der Finanzdezernent der EKD, Oberkirchenrat Thomas Begrich zitiert. Begrich begründet den Zuwachs „mit der höchsten Erwerbstätigenquote seit der deutschen Wiedervereinigung und den hohen Tarifabschlüssen“. Etwas eigenwillig formuliert er: „Die Menschen zahlen nicht mehr Kirchensteuern, sondern mehr Menschen zahlen Kirchensteuern.“ Begrich fordert einen „sehr verantwortlichen“ Umgang mit den Kirchensteuermitteln. Die Einnahmen des Jahres 2012, die bei 4,8 Mrd. € liegen, hätten eine um 20% geringere Kaufkraft als die Einnahmen aus 1994.

Rückkehr zum einem rationalen Finanzdiskurs!

Dass die evangelischen Landeskirchen bald „im Geld schwimmen“ können, wie es der Titel von idea Spektrum Nr. 23 vom 5. Juni 2013 suggeriert, wird kaum zu erwarten sein. Insofern ist Begrich sicher recht zu geben, wenn er einen verantwortlichen Umgang mit den zusätzlichen Einnahmen fordert. Genauso, wie staatliche Einrichtungen trotz „Rekordsteuereinnahmen“ in vielen Fällen unterfinanziert sind, leiden beide Großkirchen bis heute unter fragwürden steuerpolitischen Maßnahmen, die vor allem die einkommensstarken Gruppen entlastet und damit die an die Lohn- und Einkommensteuer gekoppelte Einnahmebasis der Kirchen geschmälert haben. Allerdings kann man bei einer Steigerung der Einnahmen aus Kirchensteuermitteln von 34,7% seit 2005 kaum von einer „Finanzkrise“ der Kirche reden.

Durch die Realität widerlegt ist jener monokausale Zusammenhang zwischen Mitgliederentwicklung und kirchlicher Finanzkraft, der Basis der unseriösen Langfristprognose war, nach der evangelischen Landeskirchen angeblich im Jahr 2030 nur noch über die Hälfte an realer Finanzkraft gegenüber dem Jahre 2002 besäßen. Im Grunde müssten sich heute jene Kirchenräte und Superintendenten in Grund und Boden schämen, die oft mit bester Absicht und im Vertrauen auf die eigenen Experten diesen groben Unfug unter die Leute brachten und damit Entscheidungen von Synoden maßgeblich beeinflussten. Dass Gegenteil von dem, was z.B. im EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ an Finanzprognostik vorgetragen wurde, ist eingetreten. Da dieser irrige Finanzalarmismus bis heute nachwirkt, ist dringend eine Rückkehr zu einem rationalen Diskurs geboten, der sich an den Fakten orientiert.

Insofern sind einige Äußerungen von Begrich kritisch zu hinterfragen. Als Begründung für die positive Entwicklung führt er die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt sowie die „hohen Tarifabschlüsse“ an. Hiermit beschönigt er die soziale Situation in Deutschland und verschweigt zugleich, dass es mehr noch die vermögenden und hochvermögenden Kirchenmitglieder sind, denen der Geldregen zu verdanken ist. So heißt es in einer Mitteilung von epd: „Deutschlands Millionäre tragen einem Medienbericht zufolge überdurchschnittlich zur Finanzierung des kirchlichen Lebens bei. Die rund 7.600 Einkommensmillionäre unter den evangelischen und katholischen Gläubigen zahlten 8,5 Prozent der Gesamtlast der Kirchensteuer, obwohl ihr Anteil an den Kirchensteuerpflichtigen lediglich 0,06 Prozent betrage. … Dagegen tragen die rund drei Millionen Geringverdiener mit einem Einkommen von bis zu 20.000 Euro den Angaben zufolge 2,5 Prozent zum Kirchensteueraufkommen bei.“ Fakt ist: die vielen ArbeitnehmerInnen in Niedriglohnsektor zahlen kaum oder gar keine Kirchensteuer. Da die soziale Ungleichheit weiter zunimmt, tragen tatsächlich eher weniger Menschen in immer höherem Ausmaß zur Finanzierung der Kirche bei.

So fällt die Steigerung bei der Lohnsteuer im Moment eher moderat aus, wohingegen in einzelnen Regionen zweistellige Zuwachsraten beim Einkommenssteueraufkommen zu verzeichnen sind. Beflügelt wird dies durch einen relativ neuen Trend zu erzwungener Steuerehrlichkeit durch das allmählich in Gang kommende international koordinierte Schließen von Steueroasen, sowie den für manchen gut betuchten Zeitgenossen bedrängenden Aufkauf von Steuer-CD’s durch Finanzbehörden.

Begrich weist darauf hin, dass die Einnahmen des Jahres 2012 eine um 20% geringere Kaufkraft hätten, als die des Jahres 1994. Dies mag sein. Richtig ist aber auch, dass der Kaufkraftverlust bei PfarrerInnen und Kirchenbeamten im gleichen Zeitraum deutlich höher ausfällt und dass auch die Einkommen der übrigen Beschäftigten der Kirche sich keineswegs oberhalb der Inflationsrate bewegt haben. Mindestens 75% der kirchlichen Ausgaben sind jedoch Personalausgaben. Nimmt man diesen Tatbestand zur Kenntnis, ist auf Grund einer „günstigen“ Kostenstruktur die Finanzkraft der Kirche gegenüber 1994 keineswegs gesunken. Am Beispiel der EKHN legt Friedhelm Schneider überzeugend dar, dass eine Kirche, die dauerhaft Lohn- und Gehaltssteigerungen unterhalb der Inflationsrate durchsetzt, zur „Inflationsgewinnerin“ wird. Dies gilt umso mehr, wenn sich der Wert der eigenen Immobilien z.B. in Ballungsräumen wie dem Rhein-Main-Gebiet deutlich steigert.

Warum die Gemeinden dennoch verarmen

Es gab einmal Zeiten, da konnten Kirchmeister von einer positiven Entwicklung beim Lohn- und Einkommenssteueraufkommen auf ein Plus bei den eigenen Gemeindefinanzen schließen. Seit etlichen Jahren geht diese Rechnung nicht mehr auf. Man kann davon ausgehen, dass auch die erwarteten Rekordeinnahmen des Jahres 2013 kaum dazu beitragen werden, die Finanzsituation der Gemeinden und Kirchenkreise zu verbessern. Es gibt eine bedrückende Parallelität zu der Finanzsituation der Kommunen, denen es trotz gesamtstaatlicher Rekordsteuereinnahmen vielfach nicht gelingt, ihre defizitäre Finanzsituation zu überwinden und zentrale Aufgaben ausreichend zu finanzieren – eine erhellende Lektüre ist in diesem Zusammenhang der Kommunalbericht 2013 des rheinland-pfälzischen Rechnungshofs. Ist die prekäre Finanzsituation der Kommunen darauf zurückzuführen, dass diese zumeist durch Entscheidungen des Bundes immer mehr Aufgaben zugewiesen bekommen ohne hinreichende Finanzausstattung, so liegt der Fall in der Ev. Kirche etwas anders. Die zusätzlichen Finanzmittel fließen in immer größerem Umfang in andere Kanäle. Hier zwei Beispiele:

  • In erheblichem Umfang entstehen Kosten durch die Stärkung des „kirchlichen Handlungsfeldes“ „Organisation und Verwaltung“. Zu Lasten der Arbeit mit Menschen, wo die meisten Landeskirchen in erheblichem Umfang weiter Arbeitsplätze abbauen wollen, wird die Verwaltung gestärkt. Im Monatsthema Mai der Wort-Meldungen wurde in zahlreichen Beiträgen überzeugend nachgewiesen, dass z.B. die Einführung der Doppik in staatlichen Gebietskörperschaften durchweg mit höheren Personalkosten bei kaum feststellbarem Nutzen verbunden war.

  • In einigen Landeskirchen schmälern Zuführungen an Versorgungskassen die Finanzkraft der Kirchen. In der rheinischen Kirche fließen aktuell ca. 23% des Netto-Kirchensteueraufkommens in die Versorgungskasse für Pfarrer und Kirchenbeamte. Das skandalöse ist, dass diese Zuführungen auf versicherungsmathematischen Berechnungen beruhen, die von einem Sinken der kirchlichen Finanzkraft von mindestens 1% pro Jahr ausgehen. Franz Segbers kritisiert diesen Tatbestand als Beispiel einer Komplizenschaft der reichen Kirchen mit dem Finanzmarktsektor.