Archiv für den Monat: September 2013

Die unterwanderte Demokratie – Der Marsch der Lobbyisten durch die Institutionen

von Werner Rügemer

Exakt vier Monate vor der Bundestagswahl sorgte Ende Mai die Mitteilung für Schlagzeilen, dass Eckart von Klaeden, bislang Staatsminister im Kanzleramt und damit Teil des engsten Führungskreises um Angela Merkel, nicht mehr für das Parlament kandidiert, sondern zum Ende des Jahres Cheflobbyist des Daimler-Konzerns werden wird. Dieser Fall ist nur das jüngste Beispiel dafür, wie eine Person aus dem engsten Machtzirkel fast ohne jede Karenzzeit die Seiten wechselt, um für die Wirtschaft auf die Politik einzuwirken. Dieser Vorgang betrifft allerdings nur die herkömmliche, gewissermaßen klassische und zum Glück inzwischen keineswegs mehr unkritische Vorstellung, die wir von „Lobbyismus“ haben. Sie besagt: Lobbyisten wirken von außen in das Parlament, in die Regierung, in die Verwaltung und in die Parteien hinein. Und in der Tat: Diese Art Lobbyismus besteht nach wie vor und expandiert unvermindert weiter.[1]

Weitaus wichtiger ist jedoch eine neue Form des Lobbyismus, die noch gar nicht als solche bezeichnet wird: Diese Lobby sitzt längst im Staat, und vielfach wird sie von ihm sogar bezahlt. Dagegen helfen keine Karenzzeiten und auch nicht das schönste Lobbyregister, wie es gegenwärtig vielfach vorgeschlagen wird.[2]

Zum Artikel in den Blättern für Dt. und Internationale Politik.

 

Das Ende der Nachkriegsdemokratie

Der Klassenkampf ist zurück. Überall im Westen wollen die Menschen wissen, wer für die Krise bezahlt. Dabei ist dies längst entschieden: Bei der Verteilung der Konkursmasse des Schuldenstaats zählen die Ansprüche der Gläubiger mehr als die seiner Bürger. Der europäische Wohlfahrtsstaat ist Geschichte. Der Artikel der SZ über Wolfgang Streeks „Ende der Nachkriegsdemokratie“

 

Die Fiskalkrise der Währungsunion stellt die kontinentaleuropäische Variante einer weltweiten Entwicklung in den reichen Demokratien dar, in deren Verlauf ein zweiter Souverän in Gestalt der internationalen „Finanzmärkte“ zu den Staatsvölkern und mit diesen konkurrierend hinzugetreten ist. Heute ist offenkundig und fast schon selbstverständlich, dass die gewählten Regierungen der Länder des demokratischen Kapitalismus zwei Herren auf einmal dienen müssen, deren Ansprüche oft nicht gegensätzlicher sein könnten.

 

Die Fiskalkrise und die Einheit Europas von Wolfgang Streek, In: Aus Politik und Zeitgeschichte 4/2012, 7–17.

 

 

Wir brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag

Es hat sich herumgesprochen, dass e mit einem einfachen „Weiter so!“ nicht einfach so weiter gehen kann. Um die bedrohten Überlebensmöglichkeiten und die zivilisatorischen Errungenschaften der Moderne zu erhalten, ist ein neuer Gesellschaftsvertrag erforderlich, in dem Rechte und Pflichten der Arbeit, des Eigentums und der Bedrohungen neu ausgehandelt werden.

 

Der Beitrag von Michael Hirsch in der Gazette.

 

Keine Demokratie innerhalb der Kirche?

IV: In der aktuellen Statistikbroschüre der EKD heißt es: »Kirchenleitung zeichnet sich im deutschen Protestantismus auf allen Ebenen durch demokratische Strukturen aus«5. Das Vorwort der Broschüre stammt vom Ratsvorsitzenden, Präses Nikolaus Schneider.

V: Zu Beginn des Jahres 2013 schlug eine von Reinhard Höppner geleitete Kommission der Synode der Evang. Kirche im Rheinland (EKiR) vor, diese Landeskirche möge sich eine neue Kirchenverfassung geben, in welcher der innerkirchlichen Gewaltenteilung künftig mehr Gewicht zukommen solle. Präses Nikolaus Schneider lehnte dies mit Berufung auf die Barmer Theologische Erklärung ab. Die Synode sei in einem gewissen Sinne Exekutive, Legislative und Judikative in einem. Schneider wörtlich: »Damit ist sie im politischen Sinn nicht demokratisch.«6

Was gilt denn nun?

Aus: Demokratie innerhalb der Kirche? von Eberhard Pausch.

Blitzlichter zur Situation des (Gemeinde-) Pfarrberufs

von Dr. Marlene Schwöbel und Markus Engelhardt, Stadtdekanin von Heidelberg bzw. Stadtdekan von Freiburg.

„In den vergangenen Jahren haben sich das Pfarrerbild und der Pfarrberuf sehr schnell und sehr grundlegend verändert. Dieses ist der Ausgangspunkt für einige Beobachtungen, die wir gemacht haben. Mit Ihnen, Euch gemeinsam möchten wir uns darüber austauschen, ob diese Erfahrungen und

Beobachtungen verallgemeinert werden können und wie wir in unserer Kirche damit konstruktiv umgehen sollten oder können. Auf fünf Punkte möchten Markus Engelhardt und ich (Marlene Schwöbel, Anm. F.S.) uns heute beschränken. Diese Punkte sind als Anregung zur Diskussion gedacht, vielleicht sind sie auch ein bisschen eine Provokation. Wir haben uns gewünscht, dass wir einmal zunächst unter uns diskutieren können, ohne die Kirchenleitung.

 

1. Package Deal?

2. Pfarramt und Familie

3. Welche Wertschätzung erfährt unsere Ausbildung in Kirche und Gesellschaft?

4. Das Verhältnis von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen

5. Residenzpflicht “

Lesen Sie den überaus interessanten Vortrag der beiden badischen Stadtdekane, abgdruckt im jüngsten Bad. Pfarrerblatt.

 

Defizite im Management der Versorgungsrücklagen in der EKiR

Der Präsesblog der EKiR hat sich zu einem munteren Austausch- und Diskussionsforum der EKiR entwickelt. Positiv: auch überaus kritische Stimmen werden nicht unterdrückt. Insoweit ein kleiner Lichtblick. Dabei überrascht auch angenehm die Offenheit der Kirchleitung, im Folgenden in der Person des Vizepräses Weusmann. Was dabei allerdings an Fakten ans Licht kommt, bestätigt nur schlimme Befürchtungen hinsichtlich der (fehlenden) Qualität des Managements der Kirche. Ein Beispiel: die mangelhafte Rücklagenbildung der EKiR für Pensionsverpflichtungen, der sich aus dem sog. „Ausfinanzierungsgrad“ ableiten lässt. Bei 100% Ausfinanzierungsgrad wären zukünftige Pensionslasten (nach heutigem Kenntnisstand) vollständig abgedeckt. Dazu die Blog-Einträge von Vizepräses Weusmann/EKiR:

„Lieber Herr Volk,

als Antwort auf die Frage in Ihrem Kommentar folgende Information von Vizepräsident Johann Weusmann:

„Die EKD hat für alle Landeskirchen ein versicherungsmathematisches Gutachten über deren Pensions- und Beihilfeverpflichtungen erstellen lassen. Das Gutachten für die EKiR datiert vom Dezember 2012, ist jedoch nicht öffentlich zugänglich. Nach diesem Gutachten liegt der Ausfinanzierungsgrad der EKiR bei 27 bis 34 Prozent, je nach dem welchen Rechnungszins man zugrunde legt.“

Ralf Peter Reimann, Internetbeauftragter“

Lieber Herr Volk,
alle aktuellen Berechnungen beziehen sich auf den letzten Stand der Planzahlen und auf die bisherige Beschlusslage. Es sind keine subjektiven Erkenntnisse hinzugefügt worden. Auch das versicherungsmathematische Gutachten, das für alle EKD-Mitgliedskirchen nach gleichen Kriterien erstellt wurde, gibt den Bedarf für die Versorgungs- und Beihilfesicherung wieder, ohne das wir daran irgendwelche Veränderungen vorgenommen hätten.
Wir werden zunächst mit diesen Ergebnissen arbeiten und in den weiteren Beratungen der Gremien die Entwicklungen und notwendigen Maßnahmen diskutieren…

Vizepäses Weusmann

Angesichts eines Kapitalvermögens der ev. Kirchen von ca. 30 Mrd. € stellen sich angesichts solcher Hiobsbotschaften ein paar Fragen an die Finanzabteilungen der Landeskirchen, aber auch an die Synoden:

– wie hat sich die Wertentwicklung der Finanzanlagen seit dem Jahr 2000 entwickelt?

– wie stellt sich das Risiko-Gewinn-Verhältnis der Anlagen dar?

– welche Wertverluste sind zu beklagen? wer ist dafür verantwortlich?

– in welchem Prozentanteil können die Anlagen als ethisch korrekt bezeichnet werden.

Diese und weitere Fragen sollten unabhängige (!) Wirtschaftsprüfer in allen Landeskirchen und der EKD ermitteln. Nur wenn in diesen Fragen völlige Transparenz herrscht ist Kontrolle möglich und kann Vertrauen wieder hergestellt werden. Friedhelm Schneider.

Zur geflissentlichen Erinnerung: Kirche verzichtete auf Kompensation durch Verluste der Einkommensteuerreform 2000

Der Rückgang der Kirchensteuern wird immer wieder als Grund für Downsizing-„Reformen“, für Personalabbau, Fusionen, Doppik/NKF, Zentralisierung etc. bemüht. Allerdings zeigt die Statistik zum einen nominal deutliche Steigerungen der Kirchensteuerentwicklung – (vgl. auch die Entwicklung der Kirchensteuer in der EKiR) parallel zu den daran gekoppelten staatlichen Steuereinnahmen.

Zum anderen verzichteten die Finanzdezernenten auf eine Kompensation für den Rückgang der Kirchensteuern infolge einer Steuerreform. Die Höhe der aktuellen Kirchensteuer ist also zu einem gewissen Anteil hausgemacht und gewollt.

 

„Die Hauptursache des Rückgangs der Kirchensteuern in diesem Zeitraum waren die Steuerreformen der rot-grünen Koalition ab 1999. Die sukzessive Entlastung vor allem der höheren Einkommensgruppen löste seitdem unmittelbar eine Minderung der Kirchensteuereinnahmen aus. Dieser Rückgang war 1999/2000 keine Überraschung. Denn die Finanzbehörden der Länder und des Bundes hatten beide Kirchen über die beabsichtigten Steuerreformen informiert und insbesondere darüber in Kenntnis gesetzt, dass diese Reformen zu einem strukturellen Absinken der Kirchensteuern führen würden. Die staatlichen Stellen hatten an diesem Absinken ausdrücklich kein Interesse.

Deshalb hatte eine Arbeitsgruppe der Länderfinanzressorts unter Leitung des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck 1999/2000 den Finanzreferenten der Landeskirchen und Diözesen Vorschläge zur Vermeidung der Verluste unterbreitet. Es wurde angeregt, die Kirchensteuer von der Einkommensteuer zu entkoppeln und sie mit einem verminderten Satz an das Bruttoeinkommen zu binden. Doch die Vorschläge wurden innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten zunächst von der katholischen Kirche, dann von den evangelischen Kirchen abgelehnt.“ Zum Artikel von Prof. Herrmann Lührs in den zeitzeichen 2009.

Verfassungsrecht oder Gnadenrecht ?

In einer früheren Ausgabe des Hess. Pfarrerblattes erschien der Artikel „Protestantismus ohne Partizipation“ von Friedhelm Schneider. Der Artikel bemängelt die Aushöhlung demokratischer Rechte der kirchlichen Basis am Beispiel der Dekanatsfusionen der EKHN. In einem Leserbrief desselben Organs antwortete der Synodale Weißgerber. Er stellt dar, die Synode könne – unabhängig von der Regelung des novellierten Kirchenrechts –  sehr wohl weiterhin auf die Stimme der Dekanate hören und deren Stimmungen in ihre Entscheidungen einbeziehen. Da das Hess. Pfarrerblatt Reaktionen auf Leserbriefe nicht zulässt, erfolgt die Verfassungsrecht oder Gnadenrecht?

Zum Ergebnis des Besuchs von Kardinal Lajolo im Bistum Limburg

Eine Bewertung der IKvu:

17.09.2013 Oscar Romero-Haus/Bonn

Die „Gemeinsame Erklärung“ von Bischof und Domkapitel dokumentiert als Ergebnis der als „brüderlicher Besuch“ verklausulierten Kontrollvisite von Kardinal Lajolo als Sondergesandter des Vatikans vor allem dies:

Die Zweifel an der Amtsführung des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst ließen sich durch die Gespräche der vergangenen Woche ganz offensichtlich auch aus Sicht des Vatikangesandten nicht ausräumen. Es geht dabei nach wie vor um den Vorwurf der Beugung von Kirchenrecht und den intransparenten Umgang mit Kirchenvermögen sowie um das selbstherrliche Ignorieren der Limburger synodalen Strukturen. In Frage steht aber auch, wie es soweit kommen konnte: Welche Rolle spielte das Limburger Domkapitel beim Amtsmissbrauch des Bischofs?

Der am Sonntag anlässlich des Kreuzfestes in Königstein verkündete Neuanfang verschleiert nur einigermaßen hilflos, wie wenig Vertrauen alle Beteiligten in einen solchen Neustart haben – zu schmerzhaft sind die Erfahrungen der vergangenen Jahre bei Gemeindemitgliedern, MitarbeiterInnen und Priestern mit diesem Bischof und seinen engsten Mitarbeitern.

Der dringend nötige personelle Neuanfang im Bistum Limburg ist somit nur aufgeschoben. An einer Neubesetzung der zentralen Positionen führt kein Weg vorbei…

vgl. auch den Beitrag „Katholiken überreichen Protestbrief“ in den Wort-Meldungen.

Die Micha-Initiative

Die Micha-Initiative ist eine weltweite Kampagne, die Christinnen und Christen zum Engagement gegen extreme Armut und für globale Gerechtigkeit begeistern möchte. Sie engagiert sich dafür, dass die Millenniumsziele der Vereinten Nationen umgesetzt werden. Bis 2015 soll weltweit Armut halbiert werden.

Wie wäre es denn, wenn wir mit Gott von einer gerechteren Welt nicht nur träumen würden, sondern globale Nächstenliebe ganz praktisch werden lassen? Von einer Welt, in der keine Menschen verhungern, in der alle Kranken zum Arzt gehen können, in der für jedes Produkt ein fairer Preis gezahlt wird, damit auch diejenigen in Würde leben können, die sie hergestellt haben? Mehr zur Initiative.