Archiv für den Monat: Oktober 2014

Wormser Wort: Inhalte durch neue Studie von Prof. Isolde Karle bestätigt

Semper reformanda. Die Kirche und ihre Reformdiskurse

Kurzbericht von der Landeskirchenstudie im Rahmen der Tagung der Fachgruppe Prakt. Theologie vom 18.-20.09.2013 in Berlin
Interdisziplinäres Forschungsprojekt „Kirchenreformen im Vergleich“
Gegenstand auf evangelischer Seite: die Württembergische Landeskirche, die Ev. Kirche in Mitteldeutschland (EKM), die Nordkirche.

Wir zitieren aus dem aufschlussreichen Vortrag, der etliche sensationelle Interviewaussagen kirchenleitender Personen enthält:

„Stefanie Brauer-Noss führte dazu in den vergangenen Jahren halbstandardisierte, leitfadengestütze Interviews mit leitenden Geistlichen und nicht ordinierten kirchenleitenden Personen… durch. …Es hat uns überrascht, wie offen viele Bischöfe, Prälaten und Oberkirchenräte ihre eigenen Reformvorhaben als ambivalenten beschreiben, wie selbstkritisch sich viele… in den Interviews gezeigt haben…“

Von den Autorinnen wiederholt kommentierte Antworten aus den Interviews mit kirchenleitenden Personen:

Aus der (fusionierten) EKM wird eine Person mit folgenden Antworten zitiert:

„’wir sind ein bisschen verkrümmt in uns selber, in diese Ängstlichkeit: Ach, wie schlimm wird das noch alles’… Mehrfach redet er davon, wie viel Kraft die Reformen gekostet hätten. ‚Die Fusion hat unendlich viel Energie gebunden. Das hätte ich nie gedacht, was so ein Fusionsprozess für Energie, auch seelische Energie, bindet… In einer ständigen Überforderung zu arbeiten, bringt einfach Unruhe in die Landeskirche‘ (S.45)

Trotz der Dissonanzen werden die Strukturreformen in der Regel als zukunftsweisend verteidigt…

Es wird zugestanden, dass die Entscheidungen mit schmerzlichen Verlusten, Kränkungen und Verwerfungen einhergehen… (46).

Viele der interviewten kirchenleitenden Personen betonen denn auch nicht ohne Unzufriedenheit, dass die Reformen in der nahen Zukunft unbedingt zum Abschluss kommen müssten, damit man sich endlich wieder den eigentlich wichtigen theologischen Fragen und der Außenwelt zuwenden könne.“ (S.47)

Zwischenbemerkung: die Nähe zum Inhalt des Wormser Wortes ist selbst bei der Forderung des Moratoriums gegeben.

Und wer initiierte die „Reformen“?

„‚die heutigen Reformprozesse sind ja im Prinzip oft Prozesse, die von Oberkirchenräten, Kollegien, Synoden initiiert werden… (S. 44)… Diese Kirchenreformen der 70er („die von unten kamen“ – an anderer Stelle, Anm. FS.) waren im Prinzip von einer unglaublichen inneren Überzeugung getragen… und ich glaube, da haben wir (heute, Anm. FS) einen anderen Skeptizismus und eine tiefe Verunsicherung…‘ (so eine kirchenleitende Person der Württ. Landeskirche, 44)

Damit machen wir gleichzeitig auf ein lesenswertes Buch aufmerksam, den Tagungsband der o.g. Tagung: Kirchentheorie, Hrsg. Birgit Weyel/ Peter Bubmann, Leipzig 2014. (FS)

Revisted: Kirchenleitende Personen begrüßten Fusionen von Landeskirchen

Die Reformmaßnahmen der Kirche haben später zu teilweise gravierenden Problemen geführt. Das ist durch die Interviews von kirchenleitenden Personen durch Prof. Isolde Karle erneut bestätigt. Interessant, welche Erwartungen und Verheißungen kirchenleitende Personen noch vor wenigen Jahren mit derartigen Vorhaben verbanden. Wir zeigen das hier am Beispiel der Landeskirchenfusionen.

Wolfgang Huber, Ex- Ratsvorsitzender der EKD zur Fusion der Nordelbischen, der Mecklenburgischen und Pommernschen Landeskirchen zur Nordkirche: „Zeichen für die Reformfähigkeit des deutschen Protestantismus“

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, begrüßte die Zustimmung zum Fusionsvertrag. Damit setzten die Synoden ein deutliches Zeichen für die Reformfähigkeit des deutschen Protestantismus, sagte Huber am Sonnabend in Berlin. Außerdem sei die Entscheidung ein beispielhafter kirchlicher Schritt für die konstruktive Aufnahme der unterschiedlichen Traditionen und Erfahrungen aus Ost und West. Diese Entwicklung begleite er mit „herzlichen Segenswünschen“. Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, der Münchener Landesbischof Johannes Friedrich, sagte, er danke den Verantwortlichen in den drei beteiligten Landeskirchen dafür, dass sie „zu so vielen Kompromissen“ bereit seien.

Zu den Folgewirkungen der Fusion u.a. auch hier.

Thomas Begrich, Finanzdezernent der EKD, zur Fusion der Kirchenprovinz Sachsen (KPS) mit der Landeskirche Thüringen zur EKM:

aus seinem Vortrag: Kann, will und darf die Kirche steuern ? gehalten auf der Tagung „Vom neuen Rechnungswesen zur Steuerung in der Kirche“ in Bad Boll, 17.-18.1.2008; der vollständige Text wurde den Tagungsteilnehmern als download zur Verfügung gestellt.

„Schließlich ist ein wesentlicher Ansatz des Umgangs mit der Macht in der Kirche die Mobilisierung der Handlungsfähigkeit der Mitglieder. Damit ist nicht etwa der Jetzt-Stand abqualifiziert, vielmehr ist ein immer wieder ein neues Reflektieren des Erreichten und eine Fortentwicklung im Sinne der Auftragserfüllung gemeint. Zur Mobilisierung gehört die Stärkung der Eigenverantwortung. Damit einhergeht die Gestaltung einer entwickelten Dezentralisierung, als Beitrag zur Stärkung der Eigenverantwortung. Transparenz schafft eine Voraussetzung für die Wahrnahme von Eigenverantwortung. Bei allem geht es nicht einfach um ein nach vorne offenes Loslassen, sondern zugleich um die Stärkung der Gemeinschaft. So bedarf es weiterer begleitender Elemente, zu denen nicht zuletzt auch Aufsicht gehört. Notwendig ist es daher auch, die Kooperationsfähigkeit der Kirchengemeinden und Einrichtungen zu organisieren. Damit muss eine organischen Sicherung von Solidarität zwischen Starken und Schwachen einhergehen. Dabei geht es nicht darum, die Starken schwach zu machen, sondern den Schwachen so die Möglichkeiten zu geben, dass sie eigenverantwortlich ihre Angelegenheiten wahrnehmen können. Ein gutes Beispiel dafür ist der Finanzausgleich zwischen den Gliedkirchen in der EKD. Die stärkeren Gliedkirchen geben durchschnittlich weniger als 4 % von ihrem Kirchensteueraufkommen an die finanzschwächeren (namentlich die ostdeutschen) Gliedkirchen ab, für die das einen finanziellen Wert bis zu 60 % des eigenen Kirchensteueraufkommens bedeutet! Gleichwohl werden mit diesen Mitteln die ostdeutschen Gliedkirchen finanziell keineswegs so gestellt, wie die finanzstärkeren westdeutschen Gliedkirchen. Es bleibt für sie schwer genug, aber sie werden in die Lage versetzt, eigenverantwortlich ihren Auftrag zu erfüllen. Wie verantwortlich sie damit umgehen, zeigen nicht zuletzt die Fusionsbeschlüsse und Fusionsüberlegungen von Landeskirchen gerade der letzten Zeit.“ (damit war angespielt auf die Fusion der Kirchenprovinz Sachen und Thüringens zur EKM).

Zu den Mühen und der Dauer des Fusionprozesses der EKM vgl. neben dem o.g. Interviews von Isolde Karle auch hier.

 

Eberhard Hauschildt und Uta Pohl-Patalong: Kirche. Eine Rezension von Prof. Christian Grethlein.

Schon der Titel „Kirche“ als vierter Band einer ursprünglich auf drei Bände (Religionspädagogik, Homiletik, Seelsorge) angelegten Reihe „Lehrbuch Praktische Theologie“ verdient Aufmerksamkeit. Damit avanciert seit dem ersten praktisch-theologischen Versuch einer „Kirchentheorie“ durch Rainer Preul (1997) das früher der Systematischen Theologie als Ekklesiologie vorbehaltene Thema zu einer praktisch-theologischen Disziplin. Offenkundig stellen sich bei „Kirche“ praktisch-theologische Probleme, die nicht mehr nebenbei in den an der pastoralen Tätigkeit orientierten „klassischen“ Disziplinen zu bearbeiten sind. Dass sich dadurch die ganze Systematik des Fachs verschiebt und eine neue enzyklopädische Formatierung notwendig macht, ist unübersehbar und könnte der praktisch-theologischen Theoriebildung einen Innovationsschub geben. Der vollständige Text der Rezension.

Reformationsfundamentalismus. Von Martin Schuck.

„Ein Impuls für die Zukunft der Kirche“ soll es sein, was zwölf Repräsentanten der evangelikalen Bewegung Anfang April unter dem Titel „Zeit zum Aufstehen“ veröffentlicht haben. Schon wenige Tage später gab es 365 Erstunterzeichner, mehrheitlich evangelikale Funktionsträger, aber auch den einen oder anderen Repräsentanten des landeskirchlichen Protestantismus, so etwa den Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Nordkirche, Hans-Jürgen Abromeit, sowie die lutherischen Altbischöfe Ulrich Wilkens und Gerhard Müller.

Der Aufruf, laut „idea“ ein „Ruf zur Mitte in geistlichen und gesellschaftlichen Fragen“, gliedert sich in einen Vorspann und den eigentlichen Aufruf, der, eingerahmt von 1. Korinther 3,11 und Johannes 20,21, in sieben theologischen Thesen ein zeitgemäßes Bekenntnis gegen die zeitgeistige Verflachung des Protestantismus liefert, die in den vergangenen Monaten exemplarisch in der EKD-Orientierungshilfe zum Familienbild deutlich wurde.

Beim ersten Lesen klingt alles nach gediegenem Luthertum, hart entlang der Bekenntnisschriften. Die Argumentation wirkt ein wenig statisch, erscheint aber nicht falsch… Zum Beitrag im Pfälzer Pfarrerblatt.

Nein zu Kapitalismus und internationalem Finanzkartell. Peter Haigis fasst die Rede von Heiner Geißler auf dem 73. Pfarrertag zusammen.

»Es gibt in dieser Welt Geld wie Dreck – es ist nur in den Händen der falschen Leute.« – Mit diesem Spitzensatz übte Heiner Geißler in seinem Hauptvortrag beim 73. Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertag in Worms deutliche Kritik an einem völlig aus den Fugen geratenen kapitalistischen Wirtschaftssystem, das jede Verbindung mit der Realwirtschaft, aber auch mit den Bedürfnissen der Menschheit verloren hat. Geißler zeigte in seinem Vortrag die gigantischen Finanzströme auf, die virtuell um den Globus rasen und sich in Millisekunden vermehren, und konterkarierte diese Kapitalanhäufung mit dem fehlenden Geld im Sozialwesen, in Bildungseinrichtungen, Krankenhäusern und Diakoniestationen. Das eigentliche Problem ist – wie so oft – das der Verteilung. Würde man – so Geißler – die Finanztransaktionssteuer einführen, so ließe sich bei einer Besteuerung mit 0,05 % weltweit ein Volumen von 300 Mrd. Dollar erzielen. Die UN benötigte zur Realisierung ihrer Milleniums-Ziele 100 Mrd. Dollar.

Bei Geißlers Beschreibung des fiktiven, aber zugleich so machtvollen Buchgeldes… Zum Beitrag.

Mitarbeiter prägen den Kern und den Auftritt Ihrer Marke

von Thomas Neumann

daraus:

Mitarbeiter prägen den Kern und den Auftritt Ihrer Marke.

Dieser Inhalt kann auch auf die Kirche und ihre Mitarbeitenden übertragen werden, vgl. dazu auch die Ergebnisse der 5. KMU, z.B.  hier oder hier.

Haben Sie sich schon einmal bewusst gemacht, was die Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen mit dem eigenen Unternehmen verbinden und woran Sie denken, wenn der Name Ihrer Marke fällt? Können Sie sich vorstellen was Ihre Mitarbeiter nach außen tragen, wenn sie mit Kunden über das eigene Unternehmen sprechen? Was sind die Eigenschaften, die Mitarbeiter immer hervorheben und die sie stolz machen, für Ihr Unternehmen zu arbeiten? Was ist der Kern Ihrer Unternehmensmarke und wodurch ist er unverwechselbar? Und stimmt die Einschätzung Ihrer Mitarbeiter mit dem auf dem Markt kommunizierten Image überein? Zum Artikel.

Übertragen auf die Kirche: welchen Beitrag leisten nach den Reformen nur noch schwach motivierte PfarrerInnen für das Image der Kirche?

Zwischen Entdifferenzierung und Selbstimmunisierung. Eine kritische Analyse der fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung.

Von Georg Raatz, Dt. Pfarrerblatt 10/2014

Läutet die 5. Kirchenmitgliedschaftsstudie das Ende des »liberalen Paradigmas« ein, demzufolge neben der kirchlichen auch eine außerkirchliche Religiosität innerhalb der Volkskirche ausgemacht werden kann? Oder verschwindet jenseits von erklärter Kirchenbindung alles im Nebel »religiöser Indifferenz«? Oder immunisiert sich hier ein eng gefasstes Verständnis von Kirche gegen die Kritik aus den eigenen Reihen? Georg Raatz hegt Zweifel an der »offiziellen« Deutung der Ergebnisse der Studie... Zum Artikel.

Eine Chance für West und Ost vertan. Bürgerrechtler und Journalisten diskutieren über die Friedliche Revolution in der DDR und ihre Folgen.

24.10.2014

Bürgerrechtler und Journalisten diskutieren über die Friedliche Revolution in der DDR und ihre Folgen

Der westdeutsche Journalist Hans-Jürgen Röder war als Korrespondent des Evangelischen Pressedienstes (epd) in der DDR Zeitzeuge der Friedlichen Revolution. Nach seiner Ansicht wurde damals eine Chance für Ost- und Westdeutschland vergeben. Es hätte sich gelohnt, wenn die Menschen beider Staaten damals gemeinsam überlegt hätten, wie es mit dem geeinten Deutschland weitergehen solle, sagte Röder auf der Veranstaltung „500 Jahre Reformation“ des KIRCHENBOTEN und der RHEINPFALZ. Stattdessen wurde der Osten dem Westen einfach angeschlossen.

Auch nach Ansicht der Leipziger Bürgerrechtlerin Gesine Oltmanns ist die Einheit zu schnell gegangen. Für die DDR-Bürger habe der rasche Anschluss zu wenig Zeit gelassen, um sich zu mündigen Staatsbürgern zu entwickeln. Dieses Defizit sei heute noch ein Grundproblem des Ostens. Auch Friedrich Schorlemmer bedauert, dass die damals entstandene demokratische Kultur im Osten durch den Anschluss einfach weggewischt worden sei…

Zum Artikel.

Reinhard Höppner. Erinnerung an einen Gradlinigen. Von Friedrich Schorlemmer

2014, Sommer

Mir ist ein guter Freund gestorben. Auf fünfunddreißig Jahre intensiver Gespräche, gemeinsamer Vorhaben, fröhlichen Feierns, geteilter Sorgen und geteilter Hoffnungen blicke ich zurück…

Das christliche Wort „Nachfolge“ suchte er im politischen Raum zu buchstabieren. Gekommen aus der Zeit einer wohlmeinenden Diktatur, die er gemeinsam mit anderen glücklich überwinden konnte. Er sah uns hinüberrutschen in eine Welt der Beliebigkeiten einerseits und der neuen Frontenbildungen andererseits. Nach leidvoller Erfahrung mit der Diktatur des „richtigen Denkens“ wollte er die Gesellschaft nicht erneut in die Fallen des politischen Manichäismus mit seinen Feindbildern tappen lassen. Nicht zuletzt von daher rührte seine Offenheit gegenüber der PDS in Magdeburg, die durch Menschen
repräsentiert wurde, mit denen er sich bei gegenseitig gesicherter
Beachtung der Spielregeln der Demokratie eine Zusammenarbeit
vorstellen konnte. Er nahm dafür scharfen Gegenwind von Freund und
Feind hin. Er wollte echte politische Partizipation, die die Mündigkeit des Bürgers in Anspruch nimmt… Zum Artikel.

vgl. dazu auch hier.

Norwegen: die Zeit nach der Staatskirche

2012 hat Norwegen mit einer Verfassungsänderung die fast 500 Jahre bestehende Staatskirche aufgehoben. Seit dem befindet sich die Kirche in einem Wandlungsprozess, der ihr auch neue Chancen gibt. PfarrerInnen sind keine Staatsbeamten mehr und die Kirche verliert ihren Status als Moralbehörde. Die PfarrerInnen entwickeln neue pastorale Aufgaben. Die große Naturliebe und neue Pilgerbewegungen bieten Möglichkeiten mit den Mitgliedern der Kirche in Kontakt zu kommen.Der Deutschlandfunk zeigt ein Bild der aktuellen norwegischen Kirche.