Archiv für den Monat: November 2014

Worauf man sich in der Kirche mit der Doppik/ NKF einstellen muss.

Die Umstellung eines Haushaltssystems hat Tücken. Daher erzähle ich von meinen Erfahrungen. 2008 hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt ihren Haushalt auf die Doppik umgestellt. Zwei Argumente sprechen aus der Sicht der Politik für die Doppik. Der neue doppische Haushalt soll transparenter sein und es lässt sich genauer erkennen, ob das Vermögen der Stadt wächst oder schrumpft.

Der erste Eindruck war ernüchternd. Alleine der Umfang des Haushalts wuchs von einigen hundert Seiten in die Tausende. Auch verwenden die KämmerInnen keine eindeutigen Namen für die Positionen sondern Nummerncodes. Das erste Ergebnis ist, dass den neuen „transparenten“ Haushalts nur noch die Kämmerei lesen kann. KämmerInnen wurde zu den Sitzungen der Fachausschüsse hinzu gezogen. Doch oftmals fanden sie zu Beginn selber die gewünschten Informationen nicht zeitnah. Teilweise dauerte es Tage, bis die Kämmerei genaue Auskunft über die vorgesehenen Gelder machen konnte. In wenigen Fällen passierte es sogar, dass eingeplante Budgets nicht für ihren Zweck eingesetzt wurden, da niemand mehr wusste, dass sie existieren. Das Ziel einen transparenten Haushalt zu präsentieren ist aus Sicht der BürgerInnen gescheitert. Selbst der Oberbürgermeister gab bei der Vorstellung des ersten doppischen Haushalts zu, dass dieses Ziel nicht erreicht ist.

Die zweite Erfahrung mit einem betriebswirtschaftlichen Haushalts kann ich besser nachvollziehen. Der Jugendring Darmstadt lagerte die Abrechnung an eine Kanzlei aus. Die Kanzlei führt eine Vermögensbilanz, wie sie steuerrechtlich üblich ist. Das System ähnelt in vielen Ansätzen der Doppik. Auch hier ergeben sich Probleme, mit der transparenz. Früher war es üblich die eigene Buchführung nach Projekten zu gliedern. Damit ist auf einen Blick ersichtlich was für einzelne Veranstaltungen ausgegeben wird. Standartmäßig ist das in der Vermögensbillanz nicht üblich. Daher kontieren wir alle Rechnungen doppelt. Einmal für die Vermögensaufstellung und ein zweites mal nach Projekten sortiert.

Die Präsentation des ersten neuen Haushalts hielt für viele Mitglieder eine Überraschung parat: Je mehr wir unserem Vereinsziel entsprechen um weniger Vermögen wird aufgebaut. Um das Problem zu verstehen, gehe ich auf die Details der Buchführung ein. Investitionen in Sachmittel werden sofort wieder verrechnet. Wenn wir uns zum Beispiel für 1000€ Stühle anschaffen, haben wir sofort 1000€ von unserem Konto abgebucht. Gleichzeitig besitzen wir Stühle im Wert von 1000€, die als Vermögen aufgeführt werden. Im Haushalt haben wir kein Geld verloren. Nun gehen wir davon aus, dass die Stühle zehn Jahre halten, bis wir in neue Stühle investieren. Daher wird jedes Jahr ein Zehntel der Stühle abgeschrieben. In meinem Haushalt erscheinen die Stühle zehn Jahre lang mit -100€. Macht der Jugendring eine Veranstaltung zur politischen Bildung (was seinen Vereinszielen entspricht) werden die 1000€ sofort als Ausgabe berechnet. Die Delegierten mussten lernen mit dem neuem System zu denken. Ziel des Haushalts ist es als gemeinnütziger Verein nicht am Ende des Jahres viel Vermögen anzuhäufen, sondern im Idealfall viel für seine Vereinszwecke auszugeben. Steuerrechtlich dient die Vermögensaufstellung auch genau dazu. Ein Gemeinnütziger Verein soll kein Vermögen aufbauen. Der erste Impuls, ist das Gegenteil. Jeder denkt zuerst, dass der Vermögensaufbau als Selbstzweck gut sei.

Aus den Erfahrungen will ich Ihnen Tipps geben, wenn Sie in der Synode einen doppischen Haushalt präsentiert bekommen:

Oft ist mangelnde Transparenz ein Nebenprodukt der Doppik. Das ist kein Naturgesetz. Mit Aufwand lässt sich ein doppischer Haushalt für viele lesbar gestalten. Die Stadt Köln macht das mit einem Bürgerhaushalt vor. Setzen Sie die Kirchenverwaltung unter Druck einen lesbaren Haushalt zu präsentieren.
Ein Aufbau von Vermögen zieht Geld von den Kernaufgaben der Kirche ab. Alles Geld, das für Verkündigung, Seelsorge und Barmherziges ausgegeben wird häuft kein Vermögen an. Es wird sofort abgeschrieben. Wenn jedoch Vermögen aufgebaut wird, fragen Sie zu welchem Zweck.
Die Eröffnungsbilanz muss besonders kritisch betrachtet werden. Im erstem Jahr muss für alles Eigentum ein Preis festgesetzt und eine Abschreibungsrate für die Wertminderung ermittelt werden. Das betrifft fast alles, Immobilien, Fuhrpark, Orgeln, Rücklagen … . Bei vielem wird es schwer sein Preisschilder und Prognosen zu treffen. Doch hier werden wichtige Entscheidungen für alle folgenden Haushalte getroffen. Daher sollte die Kirchenverwaltung den Prozess offen kommunizieren.
Der Verlust von Vermögen muss nicht schlecht sein. Der Wertverlust einer Orgel muss kein Grund zur Sorge sein, wenn Sie planen die Orgel durch eine elektronische zu ersetzen. Oder lieber gleich eine Kirchenband statt Orgel verwenden wollen. Oder stellen Sie sich vor ihr Dekanat trennt sich von einem nicht mehr genutztem Gebäude und steckt den Erlös in die Jugendarbeit. Auch wenn der Haushalt anzeigt, dass Vermögen abgebaut wird, muss das kein Grund zur Sorge sein.
Der abzueschreibende Wert entspricht nicht dem Funktionswert. Um beim Beispiel meiner Stühle zu bleiben. Wenn meine Stühle in zehn Jahren abgeschrieben sind, haben sie keinen Vermögenswert mehr. Hoffentlich kann ich sie aber weiterhin benutzen. Ihr Funktionswert bleibt erhalten.
Suchen Sie Tendenzen aus dem Eröffnungsbilanz. Wenn das Vermögen steigt oder sinkt kann das an der Eröffnungsbilanz liegen. Wahrscheinlich wird ein großer Teil des Kirchenvermögens (vor allem Immobilien) mit einem hohem Wert und einem starken Wertverfall geschätzt. Dann verlieren Sie durch die Immobilien so viel Vermögen, dass Sie es nicht an anderer Stelle erwirtschaften können. Das andere Extrem wäre die Immobilien wegen des Alters niedrig zu bewerten und den Wertverfall als kaum existent anzusehen. Dann führt jede Renovierung zu einem Vermögensaufbau.
Und noch einmal, weil es wichtig ist: Es ist nicht Ihr Ziel Vermögen aufzubauen. Personalkosten erscheinen in der Vermögensbilanz als böse, weil sie sofort Geld wegnehmen. Investitionen erscheinen als gut, weil sie Vermögen aufbauen und langfristig abgeschrieben werden. Als Synode sorgen Sie dafür, dass Kirche ihren Aufgaben Verkündigung, Seelsorge und Diakonie nachkommt. Der Aufbau von Vermögen ist nur dann Ihr Ziel, wenn sie das Vermögen in der Zukunft für diese Zwecke brauchen.

Mehr Mut täte gut. Ein Kommentar zur EKD- Synode von Mathias Drobinski.

Keine Debatte, kaum Wortmeldungen – der Synode der Evangelischen Kirche hätte mehr Luther’scher Bekennermut gutgetan. Der neue Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm muss die Kirche wieder zu einem Korrektiv der Politik machen…

Ein Kommentar zur EKD- Synode von Mathias Drobinski, Süddeutsche


Ein bisschen mehr Luther’scher Bekennermut täte gut
Manchmal muss man sagen: Sie hätte das zu bieten. Denn die in Dresden versammelte Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland ist von der gleichen Diskursscheu befallen, die auch die Politik in den Zeiten der großen Koalition bedroht. Weder auf de Maizières Appell noch auf den Ratsbericht des scheidenden Vorsitzenden Nikolaus Schneider gab es eine echte Debatte, trotz der mehr als 50 Wortmeldungen: Jeder trug seine kleine Anmerkung vor, sein Anliegen – bloß nicht den Kopf zu weit herausstrecken, ja sich nicht angreifbar machen, nichts riskieren. Die Synodalen sind da, schaut man sich außerhalb der Kirchen um, in guter Gesellschaft – ein bisschen mehr vom Bekennermut des Martin Luther würde ihnen aber guttun… Zum Kommentar.

EKD Synode verabschiedet Worthülsen zur digitalen Welt

Die Synode der EKD beschäftigte sich mit dem Thema „Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft“. Heraus gekommen sind zehn Wahrnehmungen und Folgerungen, die evangelisch.de vorab publiziert.

Leider zeigt sich symptomatisch, woran der Umgang mit der Digitalisierung mangelt. Die Digitalisierung wird als ein Umbruch gesehen, der Fragen produziert, die nicht gestellt werden müssen. Entsprechend erarbeiteten die 10 Foren der Synode einen großen Haufen Worthülsen. Das Wort Digitalisierung lässt sich beliebig gegen Erfindung der Schrift auf Tontafeln, Buchdruck, Einführung des Postwesens, Erfindung des Telefons oder Höhlenmalerei austauschen:

Wir wissen nicht genau, was die Fotokopie bewirken wird. Als evangelische Kirche sehen wir die Notwendigkeit, die Fotokopie in ihrer Vielfalt und in ihren Ambivalenzen besser zu verstehen, um daraus Konsequenzen für die Kommunikation des Evangeliums zu ziehen. „

Wie schon die Entwicklung der Schrift und die Erfindung des Buchdrucks macht der Rundfunk Kommunikation unabhängiger von Raum und Zeit. Die damit verbundene Erweiterung von kommunikativer Reichweite und Verfügbarkeit führt zu einer bisher unbekannten Fülle an Informationen. Die Prozesse zur Auswahl, Gewichtung und Aufbereitung von Informationen haben sich verändert. „

Das Spiel kann ich mit dem gesamten Text fortsetzen. Doch Sie erkennen, worauf ich hinaus will.

Wer die Digitalisierung als etwas neues begreift, versteht das Phänomen nicht. Menschen haben eine technische Evolution angestrengt. Kommunikation entwickelt sich hin zu größerer Reichweite, mehr EmpfängerInnen und schnellerem Austausch. Jeder technologische Schritt führt in diese Richtung. Die Kirche hat 2000 Jahre Erfahrung. Diese Erfahrung gilt es auf jede neue Form der Kommunikation anzuwenden.

Statt das Neuland mit Worthülsen zu Lobpreisen oder vor ihm zu warnen kann die Kirche konkrete Aufträge und Forderungen formulieren:

  • Seelsorge braucht Vertraulichkeit in der Kommunikation. Die Kirche hat die Pflicht geeignete Kommunikationsstrukturen zu schaffen. Hierzu gehören die Kryptographie, Schulungen um sie richtig einzusetzen und Einfluss auf den Staat die Verschwiegenheit der Seelsorge auch digital zu achten.
  • Soziale Räume müssen gepflegt und geregelt werden. Auch das gilt schon für den offenen Jugendtreff, den Gemeindebrief und den Kaffee nach dem Gottesdienst. Jeder Soziale Raum hat explizite und unausgesprochene Regeln und Konventionen. Die Kirche muss soziale Räume entwickeln, diese Pflegen und beaufsichtigen. Dabei muss Zielgruppengerecht vorgegangen werden. Sichere und beaufsichtigte Räume für Kinder und Jugendliche, Einfach zugängliche für Senioren, vertrauliche für die Bedrückten …
  • Der Auftrag der Verkündigung wirkt sich auf jedes Medium aus. Jedes Medium bietet neue Formen und auch kreative Umsetzungsideen. Kreativität und Professionalität sind wichtig um die Botschaft wirksam zu versenden. Daher brauchen wir neben JournalistInnen, Rundfunkschafenden und vielen anderen auch YoutuberInnen, FacebookerInnen und WebdesignerInnen in der Verkündigung.
  • Inklusion ist ein wichtiges Anliegen. Jede Kirche und jedes Gemeindehaus wird so ausgestattet, dass Menschen, die von der Gesellschaft behindert werden, partizipieren können. Das muss auch Digital berücksichtigt werden. Jedes digitale Zeugnis auch für Blinde, Farbenblinde, Menschen, die keine Maus bedienen können … zugänglich sein.

Die Digitalisierung ist ein seit Jahren laufender Prozess. Viele VikarInnen sind bereits „digital natives“ und die Synode verabschiedet Worthülsen.

US-amerikanische Gemeinden im Wandel. Erweiterte Zusammenfassung der 3. nationalen Gemeindestudie.

Die ethnische Vielfalt in amerikanischen Gemeinden nimmt zu, ebenso die Akzeptanz von Schwulen und Lesben. Zu diesem Ergebnis kommt die dritte Nationale Gemeindestudie der USA.  Zugleich geht die Anzahl der Gemeinde- und Kirchenmitglieder insgesamt zurück.

Die Studie zeigt freilich allein die inneramerikanische Entwicklung der Gemeinden. Spannend(er) wäre der Vergleich der amerikanischen mit europäischen bzw. deutschen Situation. Diesen Vergleich kann man sich anhand der hier für die einzelnen Untersuchungsthemen genannten Ausgangswerte selbst erschließen.

Wandel der amerikanischen Gemeinden: Ergebnisse der dritten Nationalen Gemeinde-Studie der USA

Zusammenfassung

Die dritte US-amerikanische Nationale Gemeindestudie (National Congregations Study, NCS) wurde 2012 durchgeführt. Im Rahmen des General Social Servey wurden gläubige Teilnehmer gebeten, ihre Gemeinde zu nennen, um ein repräsentatives nationales Profil der Gemeinden über das gesamte religiöse Spektrum hinweg zu erhalten. Daten über diese Gemeinden wurden durch 50-minütige Interviews mit je einem Haupt-Informanten von insgesamt 1.331 Gemeinden gesammelt. Dabei wurden Informationen über verschiedene Aspekte der sozialen Zusammensetzung, der Struktur, der Aktivitäten und der Programmgestaltung der Gemeinden ermittelt. Etwa zwei Drittel des Fragebogens wiederholt Fragen, die bereits in der ersten und zweiten Studie (d.h. 1998 und 2006/07) gestellt wurden. Entsprechend ihrer geographischen Lage wurde jeder Gemeinde ein Code zugeteilt, und ausgewählte Daten der US-Volkszählung 2010 und des American Community Servey wurden ergänzt. Wir beschreiben die Methodik der dritten Nationalen Gemeindestudie und nutzen das gesamte NCS-Datenset (das 4.071 Fälle beinhaltet), um fünf Trends zu beschreiben: mehr ethnische Vielfalt, höhere Akzeptanz von Schwulen und Lesben, zunehmend informelle Gottesdienst-Stile, abnehmende Gemeindegröße (jedoch nicht aus Perspektive des durchschnittlichen Gemeindemitglieds) sowie abnehmende Kirchenmitgliedschaft.

Die zunehmende ethnische Vielfalt zeigt sich daran, dass der Anteil derjenigen Befragten, in deren Gemeinden keine ethnische Gruppe allein mehr als 80 Prozent der Mitglieder stellt, von 15,3 Prozent (1998) auf 19,7 Prozent (2012) angestiegen ist. Die steigende Vielfalt lässt sich außerdem daran festmachen, dass der Anteil derjenigen, die ausschließlich „weiße“ Gemeinden besuchen, seit 1998 um etwa die Hälfte auf nunmehr 11 Prozent gesunken ist. Interessanterweise gibt es keinen entsprechenden Anstieg an ethnischer Vielfalt in vorwiegend „schwarzen“ Gemeinden.

Inwieweit die Akzeptanz von Schwulen und Lesben in den Gemeinden angestiegen ist, wurde durch zwei Fragen ermittelt: Können in homosexuellen Beziehungen lebende Menschen vollwertige Gemeindemitglieder sein (hier stieg der Anteil der Ja-Antworten von 2006 bis 2012 von 37,4 auf 48 Prozent)? Und können sie ehrenamtliche Leitungsfunktionen übernehmen (hier stieg der Anteil an Ja-Antworten im gleichen Zeitraum von 17,7 auf 26,4 Prozent)?

Dass der Trend zudem in Richtung informeller Gottesdienstgestaltung geht, zeigt der steigende Anteil derjenigen, die Gottesdienste besuchen, in denen Schlagzeug gespielt, gesungen, geschrien, getanzt wird, in denen die Hände zum Lob erhoben werden, in denen (Video- oder Bild-)Projektionen eingesetzt werden, Menschen einander während des Gottesdienstes grüßen oder in denen in Zungen geredet wird.

Die Studie ergab außerdem, dass die Gemeindegröße im Schnitt abnimmt. So lag der Mittelwert an Personen, die aktiv in einer Gemeinde engagiert sind, 2006 bei 150, 2012 nur noch bei 135 Personen. Interessanterweise hat sich die Gemeindegröße aus der Perspektive des durchschnittlichen Gemeindemitglieds im gleichen Zeitraum vergrößert. Dies liegt daran, dass mehr Kirchgänger sich in wenigen großen Gemeinden konzentrieren, als dies zur Zeit der vorherigen Erhebnungen der Fall war.

Ein weiterer Trend zeigt, dass immer mehr Gemeinden nicht formal an eine bestimmte Kirche angeschlossen, sondern selbstständig sind. Dies war 1998 für 18 Prozent der untersuchten Gemeinden der Fall, 2012 traf es für 24 Prozent zu.

„Ohne Kirchenbindung verkümmert Glaube an Gott“. Prof. Detlef Pollack zur 5. KMU (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung)

Religionssoziologe Detlef Pollack zur Lage der evangelischen Kirche in Deutschland – Experten werten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung Anfang April in Münster aus
Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 26. März 2014. Zur Quelle.

Pfarrer-Initiative (kathol.): D-A-CH-Vernetzung gestärkt

Deutschland, Österreich und die Schweiz – Pfarrer- bzw. Pfarreiinitiativen gibt es in allen drei deutschsprachigen Ländern. Beim jüngsten Vernetzungstreffen in Stuttgart zeigten sich bei allen Besonderheiten viele gemeinsame Anliegen und Themen. Zentral für uns alle ist das Anliegen der Solidarität unter Priestern, Diakonen und Seelsorgern: gemeinsam für eine zukunftsfähige Kirche eintreten statt Einzelkämpfer sein. Für den Austausch untereinander wurden Skype-Konferenzen vereinbart. Die stärkere Vernetzung zwischen den Initiativen soll eine schnellere Reaktion auf aktuelle Anlässe ermöglichen. Wir erwarten uns von einem größeren Informationsfluss neue Impulse. Gespannt schauen wir z.B. auf das Aktionsbündnis „Pfarren mit Zukunft – statt XXL-Gemeinde“, das sich im Januar in Wien formieren wird. In Deutschland geht die Vernetzung der Bistümer weiter beim gemeinsamen Studientag im November. Weltweit steht ein Treffen der Pfarrerinitiativen im April 2014 in Dublin an. Zur Quelle.

»Alles ist relativ, außer Gott und der Hunger«. Von Michael Rammminger.

Dieses Manuskript entspricht im Wesentlichen dem Vortrag, den Dr. Michael Ramminger auf der 35. Bundesversammlung der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche am 25. Oktober 2014 in Essen gehalten hat.

…Wir werden also darüber nachdenken müssen, ob und warum wir dieser und diesen Nachfolgegemeinschaften des Namen Gottes noch anhängen, was wir von ihnen noch erwarten und natürlich, was wir dazu tun. Wenn wir allerdings der Meinung sind, dass diese Kirche im Blick auf das kommende Reich Gottes noch einen Sinn hat, dann müssen wir uns in das Gefecht und die Auseinandersetzungen, die ideologischen und politischen hineinbegeben, und das heist aktuell: eine Position zum gegenwärtigen Papst entwickeln, seinen Ansichten, den Möglichkeiten, die er eröffnet, die, wie wir sehen werden, sehr nah an Dom Pedro ist. Fast fünfzig Jahre ist es jetzt her, dass es so schien, als würde sich die katholische Kirche aus seiner knapp zweitausendjährigen Verstrickung in die Geschichte der Macht und der Unterdrückung lösen können. Das zweite vatikanische Konzil war bei aller Begrenztheit für viele KatholikInnen ein Zeichen des Aufbruchs, sowohl nach Innen und nach Außen. Ihm folgen global gesehen, die Theologie der Befreiung und für uns die Würzburger Synode. In ihr ging es nicht nur um die Beteiligung der Laien an der Verkündigung (153) und um Ehe und Familie (411). Das Abschlusspapier „Unsere Hoffnung“ sagt auch:„Das Reich Gottes ist nicht indifferent gegenüber den Welthandelspreisen“ (97). Das war für viele hier eine Zeit des Aufbruchs- und für andere, wie mich, die Grundlage kirchlicher Sozialisation. Aber der Aufbruch währte nicht lange: schon 1978 wurde Johannes Paul II zum Papst gewählt, 1981 Ratzinger um Präfekten der Glaubenskongregation. …

Konservative Bischofsernennungen, die Stärkung des opus dei und die gezielten Einflussnahmen auf die Klerikerausbildung haben uns einen Roll-back beschert, dem diejenigen, die sich am II.Vatikanum oder an der Würzburger Synode orientierten, nicht viel entgegenzusetzen hatten. All das wurde unter dem Vorwand des Abwehrkampfes gegen „Relativismus“ und Glaubensschwäche in Gang gesetzt. (Vgl.Eigenmann/ Ratzingers Jesusbuch). Und als deutlich wurde, dass auch diese Strategie den Bedeutungs- und Mitgliederverlust der katholischen Kirche nicht aufhalten konnte, ging man zu einer neuen Doppelstrategie über: Einerseits Aufrechterhaltung des überkommenen klerikalen Kirchenmodells und andererseits eine sogenannte Modernisierung der kirchlichen Strukturen über Gemeindezusammenlegung und neue Seelsorgekonzepte, die pastoralen Räume. Diese Vorstellung war nichts anderes als der irrwitzige Versuch, den zunehmenden Priestermangel noch einmal durch Vergrößerung der Territorialgemeinden bei gleichzeitiger Besinnung auf das „Kerngeschäft“ (Sakramentenpastoral) zu kompensieren.
Das alles führte dazu, dass sich viele Katholiken noch stärker aus der kirchlichen Arbeit zurückzogen und andererseits klerikale Allmachtsphantasien zunahmen, die sich in sexuellen Ausschweifungen in Priesterseminaren oder feudalen Bischofsselbstverständnissen wie in Limburg oder Regensburg ausdrückten. …

Die Offenbarung Gottes in Jesus als Selbstmitteilung Gottes reduziert sich bei ihm (Benedikt XVI) auf den Glauben, dass es Gott gäbe, und dass er die Fäden in der Hand halte. Die ganze biblische Reich-Gottes-Botschaft vom Ende von Hunger und Gefangenschaft, von Krieg und Sklaverei, von Gerechtigkeit verschwindet. Dagegen müssen wir aber daran festhalten, dass sich in Jesus nicht irgendein Gott offenbart, sondern eben der biblische Gott des ersten und zweiten Testamentes. Der Relativismus von Ratzinger ist darüber hinaus nicht nur eine Entleerung des biblischen Gottesglaubens, sondern es ist geradezu eine Umkehrung. Denn Ratzinger sieht die Gefahr, dass die Reich-Gottes-Botschaft, wo sie sich auf die reale Ungerechtigkeit, den realen Hunger bezieht, in „eine nachchristliche Vision von Glaube und Politik“ transformiert, die sich „als utopistisches Gerede ohne realen Inhalt“ erweist.“ Die ganze katastrophale Kirchenpolitik Ratzingers als Präfekt der Glaubenskongregation und sein tragisches Pontifikat erklären sich von hier aus: Die biblische Entleerung des Gottesglaubens erklärt seinen fanatischen Kampf gegen die Theologie der Befreiung und damit gegen die Armen….„Nicht mehr die Bibel ist die „Norma normans non normata, [die] normierende, nicht normierte Norm“, sondern das kirchliche Lehramt wird zur „Norma normans non normata, [zur] normierenden, nicht normierten Norm“…

Wie auch immer: Die letzten dreißig Jahre waren für notwendige Kirchenstrukturreformen als auch gesellschaftspolitische Positionierungen der Kirche verlorene Zeit…. Der vollständige Text des Vortrags.

Hans-Dietrich Genscher warnt vor „Aufrüstung der Sprache“ im Ukraine-Konflikt

08.11.2014, von Lars Reusch

Der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) hat am Freitagabend in einer Rede in Merzig vor einer „Aufrüstung der Sprache“ im Ukraine-Konflikt gewarnt. „Mit der Sprache des Krieges hat es immer angefangen”, sagte der 87-Jährige beim 25. Sparkassen-Forum in der Stadthalle in seinen Ausführungen zum Thema Europa. Zum Artikel.

Edward Snowden: Ein Interview mit ‘The Nation’ (zusammengefasst und auf deutsch)

In einem beinahe vierstündigen Interview hat Edward Snowden Anfang Oktober mit Vertretern der amerikanischen Wochenzeitung ‘The Nation’ gesprochen.

Er stellt dabei die Tragweite der Enthüllungen und ihrer Implikationen deutlich klarer heraus, als er sie im Gespräch mit ‘The Guardian’ im Sommer geäußert hatte, und besticht darüber hinaus durch sein klares Verständnis grundlegender politischer Konzepte und treffende Analysen und Bewertungen der besorgniserregenden politischen Realitäten. Auch hinsichtlich seiner Vorstellungen notwendiger Maßnahmen zur Verbesserung der Lage nimmt er kein Blatt vor den Mund.

Um Ihnen den Zugang zu dem achtzehn Seiten umfassenden Dokument [PDF – 176 KB] zu erleichtern, haben wir nach unserem Verständnis zehn Kernaussagen zusammengefasst und diese dann auch im vollständigen Text optisch hervorgehoben. Albrecht Müller (Ex- MdB).