Archiv für den Monat: Dezember 2014

5. KMU: Die neue Kirchenmitgliederbefragung als Lernchance für unsere Kirche. Von Herbert Diekmann.

Die neue Kirchenmitgliederbefragung als Lernchance für unsere Kirche
Von der Schwierigkeit, ein liebgewordenes Tabu aufzugeben

Von: Herbert Dieckmann in: Deutsches Pfarrerblatt 12/2014

Dass der Pfarrberuf in der Kirche ebenso wie in deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit eine zentrale Rolle spielt, wird eigentlich von ­einer Kirchenmitgliederbefragung zur nächsten bestätigt. Dennoch lassen sich die Großstrategen in den Kirchenleitungen von ihrem irregeleiteten Reformkurs nicht abbringen. Herbert Dieckmann führt das Dilemma vor Augen und verweist auf Auswege.

Die Schlüsselrolle der Pastoren­schaft – ein kirchliches Tabu

Es geschah vor etwa zehn Jahren. Da wagte der Präsident des Landeskirchenamtes, Dr. von Vietinghoff, öffentlich anzusprechen, was bis dahin auch in der hann. Landeskirche als absolutes Tabu galt: die »Schlüsselrolle« der PastorInnen in den Gemeinden. Reflexartig erschallte ein Aufschrei des Entsetzens: Mitarbeitende, Ehrenamtliche, Synodale, ja selbst Kirchenleitende wollten einfach nicht wahrhaben, was in jeder Gemeinde die übergroße Mehrheit der Kirchenglieder selbstverständlich erlebt und dankbar anerkennt: die zentrale Stellung der PastorIn. Doch diese gemeindliche Selbstverständlichkeit wirklich zu benennen, war ­kirchenpolitisch inkorrekt. Denn die landeskirchlichen Meinungsmacher wollten die Gemeindepfarrstellen als willkommenes Einsparpotential nutzen, weil sie behaupteten, die Kircheneinnahmen würden sich bis 2030 halbieren. Tatsächlich sind die Kirchensteuereinnahmen in der EKD im letzten Jahrzehnt um über 30% gestiegen, nachdem sie sich von 1967 bis 1970 verdoppelt und von 1970 bis 1990 verdreifacht hatten!1 Darum war 2004 diese Entwicklung tendenziell vorhersehbar. Dennoch wurden drohende Einnahmeverluste als sicher unterstellt und sogleich PastorInnen als überflüssige Amtsträger identifiziert, die lediglich hohe Ausgaben verursachen und zudem das eigenständige Wirken engagierter Ehrenamtlicher behindern und Mitarbeitende autoritär und inkompetent behandeln würden. Stereotype PastorInnenschelte mit ernster Warnung vor einer antiquierten »Pastorenkirche« war seinerzeit »angesagter Ton«. Dass den PastorInnen als einziger kirchlicher Dienstgruppe die Gehälter erheblich gekürzt, etwa 350 junge TheologInnen trotz bestandener Examina einfach abgewiesen und vor allem viele Gemeindepfarrstellen (in manchen Kirchenkreisen bis zu 50%) ohne nennenswerten Widerstand kurzerhand gestrichen wurden, verstand sich danach beinahe von selbst… Zum Artikel.

Bistum Limburg: „Ein Jahr Bistum ohne Bischof…“. Stadtdekan Johannes zu Eltz, Frankfurt, nimmt nach kritischem Zwischenruf „Auszeit im Kloster“

Das Bistum ist seit einem Jahr ohne Bischof. Rom hat eine Vertretung eingesetzt. Eine Situation, die nicht ohne Konfliktstoff ist, wie die Veranstaltung „Ein Jahr Bistum ohne Bischof…“ in Bad Homburg und zurückliegende Ereignisse belegen:

Die Veranstaltung: „Ein Jahr Bistum ohne Bischof“ lautete am Dienstag, 2. Dezember 2014, in Bad Homburg das Thema der Runde, die sich in derselben Zusammensetzung bereits im November 2013 mit der damals eskalierten Krise im Bistum Limburg beschäftigt hatte.
Diesmal gebe es sicher weniger Grund zum Streiten als vor einem Jahr, hatte Moderator Meinhard Schmidt-Degenhard bei der Begrüßung vorab festgestellt. Doch ganz so einig waren sich seine Gäste auf dem Podium Pfr. Kalteier, Dr. Freiling, Schmidt-Degenhard, Pfr. Rösch, Britta Baas dann doch nicht.
Während die Teilnehmer gleichermaßen die bereits geschehene Aufarbeitung und ihre Ergebnisse würdigten, wurden die zugrunde liegenden Probleme, die Maßnahmen und der aktuelle Stand durchaus unterschiedlich gewertet. Mehr dazu.

vorausgehende Ereignisse:

Das Bistum braucht den Bischof als Häuptling. Ein Zwischenruf von Stadtdekan Johannes zu Eltz, Frankfurt

31.07.2014

Die katholische Kirche verzeichnet nach der Affäre um Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst eine drastisch gestiegene Zahl an Austritten. Anlass für den Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz für einen Zwischenruf.

„Der Papst hat Manfred Grothe als Apostolischen Administrator eingesetzt. Ich schätze ihn sehr, er macht gute Arbeit. Dennoch wünschte ich, dass wir im Domkapitel von unserem Wahlrecht hätten Gebrauch machen dürfen. Vielleicht wäre unsere Wahl ja auch auf Manfred Grothe gefallen. An unserem Recht, den Bischof zu wählen, müssen wir mit Entschiedenheit festhalten. Das steht verbindlich im Konkordat ist keine Gnade, die wir von Rom erbitten. Wir brauchen bald einen regulären Bischof.“

Manfred Grothe, Apostolischer Administrator, in seinem aktuellen Weihnachtsbrief  an alle Diözesanen im Bistum:

„…Ebenso ungewiss ist zurzeit auch, wann die Wahl ein es neuen Bischofs von der Bischofskongregation in Rom angestoßen wird. Der Heilige Vater möchte, dass ich als Ihr Apostolischer Administrator noch eine Weile im Bist um Limburg bleibe und die Sedisvakanz mit Ihnen für einen dann folgenden Neuanfang gestalte. In der ersten Jahreshälfte möchte ich unter diesem Gesichtspunkt die zwei vakanten Kanonikate besetzen und so das Domkapitel für eine neue Wahl zu gegebener Zeit komplettieren…“

Und was sagt der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz dazu?

Stadtdekan Johannes zu Eltz nimmt Auszeit im Kloster
24.09.2014, Von Christian Scheh

Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz will ab dem 1. Dezember eine zeitlich befristete Auszeit in einem Kloster nehmen. Hintergrund ist offenbar der Wunsch, neue Kraft zu tanken und das eigene Leben zu reflektieren… Mehr dazu.

 

 

 

Lasst doch den Dörfern ihre Kirchen. Leserbriefe zum Artikel in „Christ in der Gegenwart“. Pfarrer-Initiative zu Strukturreformen in den Diözesen.

Die Resonanz auf den Artikel war erstaunlich. Die Redaktion druckte eine ganze Seite von Leserbriefen ab, wobei dies nur eine kleine Auswahl der Reaktionen darstellt.

Die wort-meldungen danken den Autoren für die Genehmigung zur Veröffentlichung. Im Original: Leserbrief in „Christ in der Gegenwart“, Nr. 48/2014, Seite 538 (zu: „Lasst den Dörfern ihre Kirchen“ in CIG, Nr. 46/2014, Seite 521)

Alternative zur XXL_ Pfarrrei:

Sind die Erfahrungen von Poitiers in Frankreich oder in der Kirche von England – „fresh expressions of church“ – völlig ohne Belang? Kann man wirklich an den „Kleinen christlichen Gemeinschaften“ als neuem Strukturprinzip von Kirche vorbeigehen? In Oberursel und Steinbach haben wir den Weg zu einer dezentral strukturierten Großpfarrei freiwillig beschritten. Keine Kirche wurde geschlossen, kein ehrenamtliches Engagement entwertet. Erwachsenenbildung, Eine-Welt-Arbeit, Bewahrung der Schöpfung, Caritas sind aus ihren jeweiligen Nischen befreit. Die Arbeit der Ehrenamtlichen ist von Bürokratie entlastet, ohne dass die Kultur der Partizipation gelitten hätte. Unseren Weg haben wir in dem Buch „XXL-Pfarrei – Monster oder Werk des Heiligen Geistes?“ (Echter Verlag 2012) zur Diskussion gestellt.

Andreas Unfried, Oberursel

Kreativität ist gefragt, um auch in Zukunft Eucharistie-Feiern zu ermöglichen:

„Die seit Jahren geführte Diskussion um die Zukunft der Pfarrgemeinden und darüber hinaus der Kirche – in Deutschland wird solange „Eucharistische Mangelverwaltung” bleiben, als den Beteiligten der Mut zu radikaler Wahrnehmung der Wirklichkeit fehlt: Herzmitte des katholischen Glaubens ist die sonntägliche Feier der Eucharistie, in welcher Jesu letztes und innigstes Vermächtnis vor seinem Kreuzestod und seiner Auferstehung vergegenwärtigt wird und so zur Richtschnur und Kraftquelle für den Alltag der kommenden Woche. Wenn heute die Eucharistie wegen Priestermangels nicht mehr in allen Gemeinden gefeiert werden kann, so ist das schlicht ein Skandal, dem eine verhängnisvolle Fehlentwicklung in den vergangenen Jahrzehnten zugrunde liegt. Bei allen Überlegungen für eine zeitgemäße und bibeltreue Lösung sollten wir zuvor die Urkirche befragen: Der Völkerapostel Paulus hat in je- der von ihm gegründeten Gemeinde einer ihm geeignet erscheinenden Person „die Hände aufgelegt” und so „zum Hirten” bestellt. Voraussetzung für diese Erwählung waren bei Paulus weder Zölibat, noch ein mehrjähriges Theologiestudium oder gar eine kirchliche Besoldung. Hier also müssen wir den historisch verbürgten und zukunftsfähigen Ansatz für alle weiteren Diskussionen suchen; nicht indem wir Pauli Praxis 1:1 in die Gegenwart umsetzen, vielmehr indem wir diese kreativ und mutig ins Heute für morgen übertragen. Denn die katholische Kirche in Deutschland, die weltweit zu den reichsten zählt, wird schon in der kommenden Generation viel weniger Eucharistie-feiernde Priester haben, wenn wir so weitermachen wie bisher!”

Albert Groh, Schwalbach

Kreativer Papst:

In seiner „Bilanz des Bischofs vom Xingu“ berichtete der in Brasilien tätige Bischof Erwin Kräutler in den „Stimmen der Zeit“ von einem Gespräch mit Papst Franziskus, in dem es um „die tausenden Gemeinden ohne Eucharistie“ in seiner Diözese ging. Der Bischof von Rom wies auf den Vorschlag von Bischof Fritz Lobinger hin, in den Gemeinden verheiratete Männer zu Priestern zu ordinieren, die in diesen verbleiben und weiterhin ihren zivilen Beruf ausüben. Dann sagte der Papst, „er wünsche sich von den Bischöfen einer bestimmten Region konkrete Lösungsvorschläge“.
Die Frage richtet sich daher zunächst an die Bischöfe, ob sie bereit sind, entsprechend umzudenken: also nicht mehr je nach der Zahl der Priester die Gemeinden zu fusionieren, sondern den Gemeinden eine Mündigkeit zuzumuten und zu ermöglichen, damit Gläubige aus ihrer Mitte es wagen, die priesterliche Aufgabe der Einbindung dieser Gemeinden in die Gesamtkirche zu übernehmen und sich dafür ordinieren zu lassen. Die interne Leitung der Gemeinden könnten wie in allen Laienorden auch Nicht-Ordinierte wahrnehmen. Bisher waren die Bischöfe gewohnt, die römischen Entscheidungen in ihren Diözesen umzusetzen. Nun könnten sie selbst aktiv werden.

Paul Weß

 

Strukturreformen in den Diözesen – wo bleiben die Gemeinden?

Studientag der Pfarrer-Initiative am 26.11.2014 in Stuttgart

Kritisiert wurde, dass in allen Diözesen die Prozesse von den Bischöfen und den Verantwortlichen in den Ordinariaten ausgingen, unter großem zeitlichem Druck umgesetzt würden und es oft an der nötigen Transparenz mangelt. Zudem seien die Gemeinden als Hauptbetroffene zu wenig an den Beratungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt gewesen, wobei es diesbezüglich deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Diözesen gibt. Deutliche Kritik übten die Mitglieder der Pfarrer-Initiative, dass alternative Lösungsmodelle wie die Leitung von Gemeinden durch Laien oder die Feier von sonntäglichen Wortgottesdiensten in etlichen Diözesen wieder zurückgefahren wurden… Zum Artikel.

Eine US-Megakirche ist am Ende. Polarisierender Führungsstil: Nach Kontroversen tritt der Pastor der »Mars Hill«-Gemeinde zurück.

07.12.2014, Bayer. Sonntgsblatt

Die Mars-Hill-Kirche in Seattle im Nordwesten der Vereinigten Staaten: Bis vor wenigen Monaten war das eine renommierte Adresse in der Welt US-amerikanischer Megakirchen, eine dynamische evangelikale Gemeinde mit einem scharfzüngigen Prediger. Diesen Herbst ist das Projekt zusammengebrochen…

Und in der Mars-Hill-Gemeinde kamen schon länger schwelende Konflikte über Driscolls ruppigen Führungsstil an die Öffentlichkeit. Mehrere Pastoren, die Driscoll kritisiert hatten, wurden Medienberichten zufolge aus der Kirche gedrängt. Ein interner Untersuchungsausschuss urteilte, »Pastor Mark« habe sich Mitarbeitern gegenüber »arrogant und herrisch« verhalten. Blogger stießen auf Online-Kommentare in obszöner Sprache, die Driscoll unter einem anderen Namen verfasst hatte. Darin machte er sich lustig über »verweiblichte« Männer, die Gemeinden mit Pastorinnen besuchten. Mitte Oktober trat Driscoll zurück. Seine »Persönlichkeit und sein Führungsstil« hätten polarisiert, bekannte Driscoll… Mehr dazu.

Werbung für die Bundeswehr an Schulen und in Kirchen

Minister Dorgerloh erläßt Werbeverbot für Bundeswehr an Schulen.

09.12.2014, Magdeburger  Volksstimme

Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) hat der Bundeswehr für Besuche in Schulen strenge Vorgaben gemacht. Ab sofort ist Berufswerbung für die Streitkräfte während der Schulzeit verboten. Bei Veranstaltungen zur Berufsorientierung dürfen Soldaten nur noch dann auftreten, wenn diese nach dem Unterricht stattfinden. Truppenbesuche sind unzulässig, sobald sie „Eventcharakter“ haben. Ebenfalls neu ist die Vorschrift, dass Bundeswehrvertreter nicht mehr allein über Sicherheitspolitik reden dürfen. „Parallel oder zeitnah“ müssen auch friedenspolitische Organisationen zu Wort kommen. … Zum Artikel.

Streit um Adventskonzerte des Musikkorps der Bundeswehr in Kirchen. Offener Brief des Bonhoeffer-Vereins. 

In einem offenen Brief, der am Mittwoch auch in der Redaktion von evangelisch.de einging, schreibt der stellvertretende Vorsitzende des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins, Detlef Bald: “Militarismus in der Kirche ist das falsche Signal der Kirche in dieser konfliktreichen Zeit und begünstigt eine weitere Militarisierung unserer Gesellschaft.” Dass die Musikkorps der Bundeswehr rund 50 Adventskonzerte in deutschen Kirchen geben wollten, halte der Verein “angesichts der momentanen, gewaltvollen und kriegerischen Konflikte in der Welt für bedenklich.” Und: Die Auftritte seien “unvereinbar mit der Weihnachtsbotschaft, deren zentraler Inhalt für uns der Frieden ist.” Der Brief richtet sich an Synode und Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und endet mit der Forderung, “sich grundsätzlich gegen Militärkonzerte in Kirchen auszusprechen!”… Zur Quelle.

Kriege mit Gottes Segen? Interview mit Volker Marquart, “Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge“

12. Dezember 2014, Verantwortlich: Wolfgang Lieb

Während Aufständischen und Kämpfenden mit islamischer Religion gern ihr Fundamentalismus vorgehalten und ihr Gottesbezug als Zeichen zivilisatorischer Rückständigkeit vorgeworfen wird, verliert kaum jemand ein Wort darüber, dass auch „wir“, der Westen, unsere Kriege „im Auftrage Gottes“ zu führen behaupten. Übersehen, dass Bundespräsident Gauck „weniger im Namen einer philosophischen Überzeugung in der Tradition von Humanismus und Aufklärung als (vielmehr) im Namen einer politischen und, genauer betrachtet, religiösen Ideologie“ spricht und Kriege befürwortet. Und lassen den Staat jährlich 30 Millionen Euro für Militärpfarrer ausgeben, die “ihre” Soldaten begleiten und beruhigen und somit das Militär stabilisieren und rechtfertigen. Jens Wernicke sprach hierzu mit Diakon Volker Marquart, der sich innerhalb der Kirche für die Abschaffung der Militärseelsorge engagiert.

Herr Marquart, Sie sind aktiv bei der “Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge“ www.militaerseelsorge-abschaffen.de. Wie kommt es dazu – und woher rührt Ihr Engagement?

Ich kam über das Thema Rüstungsexporte zu diesem Thema. Mir ist aufgefallen, dass die Kirchengemeinden in Gegenden, in denen es große Rüstungsfirmen gibt, kaum etwas gegen diese Rüstungsfirmen sagen. In den Gottesdiensten und in der Gemeindearbeit umgeht man das Thema. Man will keine Mitglieder verprellen. Ein Vorgesetzter hat gesagt: „Herr Marquart, hören Sie auf, die Rüstungsfirmen am Bodensee zu kritisieren! Man beißt nicht die Hand, die einen füttert.“ Dieses Schweigen der Kirche bedeutet faktisch eine Zusammenarbeit: Die Rüstungsarbeiter bezahlen Kirchensteuern, und als Gegenleistung bieten wir Seelsorge und erbauliche Unterhaltung in der Kirche – und schweigen über die Waffenproduktion.

Eines Tages ist mir zusätzlich etwas aufgefallen: Auch auf anderen Gebieten arbeitet die Kirche mit dem Militär zusammen. Es gibt in jedem Advent etwa 50 Militär-Advent-Konzerte in Kirchen in Deutschland. Und es gibt etwa 200 Militärpfarrer, die vom Militär bezahlt werden, Fahrzeuge der Bundeswehr benutzen und die bei Auslandseinsätzen militärische Kleidung tragen, die aber auch und vor allem immer gute „Gründe“ finden, warum man Krieg führen muss. In über 40 Ländern der Erde gibt es – mit kleineren Unterschieden im Detail – solche Militärpfarrer. Deshalb haben wir, haben also ich und Gleichgesinnte, im Sommer 2014 das „Weltweite ökumenische Netz zur Abschaffung der Militärseelsorge“ gegründet. Zum Interview.

„Welt finanziert US-Kriege mit“. Interview mit dem Wissenschaftler Mohssen Mossarat.

07. OKTOBER 2014, Interview der FR

Der Wissenschaftler Mohssen Massarat spricht im Interview mit der Frankfurter Rundschau über die Öl- und Dollarpolitik der USA. Er kritisiert das Festhalten an alten Machtstrukturen und dem Einsatz von Kriegen als Mittel der Politik.

Herr Massarrat, Sie behaupten, eine Welt ohne Ordnung sei im Interesse der Vereinigten Staaten. Warum sehen Sie das so?
Weil es von enormer Bedeutung für die Vereinigten Staaten ist, dass das Öl auch in Zukunft in Dollar gehandelt wird. Dieses System aufrecht zu erhalten, gelingt einfacher mit einer Welt im Chaos. Deshalb spielen die Konflikte im Mittleren Osten den Vereinigten Staaten in die Hände…

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Deutsche Bischöfe: schwerste Bedenken gegen TTIP und CETA. EKD-Synode bittet den EKD-Rat um Tat.

9. Dezember 2014 von Jörg Haas

Aus unerwarteter Richtung ist ein Diskussionspapier zu den Abkommen TTIP und CETA aufgetaucht. Das Kommissariat der Deutschen Bischöfe – kurz Katholisches Büro – findet den enthaltenen Investitionsschutz mehr als fragwürdig. Das Papier transportiert eine vernichtende Kritik – und macht klar: Auch die Bischöfe stehen nicht hinter den Abkommen.

Das Katholisches Büro ist eine Dienststelle der deutschen Bischofskonferenz, das die Anliegen der katholischen Bischöfe in Berlin und Brüssel wahrnimmt. Politisch würde es kaum einer auf der linken Seite des politischen Spektrums ansiedeln. Um so bemerkenswerter ist das vom Katholischen Büro verfasste Diskussionspapier zu TTIP und CETA, den beiden Handelsabkommen der EU mit den USA und Kanada.
Besonders kritisch nimmt das Katholische Büro gegen die geplanten Investitionsschutzklauseln Stellung. Wir erinnern uns: Sigmar Gabriel hatte sich anfangs mit der SPD gegen die Paralleljustiz durch Schiedsgerichte gewandt. Doch jüngst fiel er um – und behauptet nun, es ginge gar nicht anders als den Schiedsgerichten zuzustimmen… Mehr dazu.

Die EKD- Synode formuliert im Nov. 2014  ihre Bedenken und „bittet den Rat“:

Beschluss der 11. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland auf ihrer 7. Tagung (12. Nov. 2014) zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA (TTIP)

Die Synode bittet den Rat der EKD im Hinblick auf das geplante Freihandelsabkommen mit den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP), sich gegenüber der Bundesregierung und den europäischen Institutionen dafür einzusetzen, dass

  • die über das Mandat hinausgehenden Verhandlungsdokumente offengelegt werden und die weiteren Verhandlungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger transparent und unter Beteiligung der Zivilgesellschaft erfolgen,
  • es keine Absenkung nationaler und europäischer Gesundheits, Verbraucherschutz, Sozial, Datenschutz und Umweltstandards geben wird,
  • geprüft wird, ob Investitionsschutzvorschriften in einem Abkommen zwischen der EU und den USA grundsätzlich erforderlich sind,   Der vollständige Beschlusstext.

2011.14, Landessynode der EKvW fordert mehr Transparenz / Soziale und ökologische Standards sollen bleiben

Die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA gefährden nicht nur die Verfassung und viele Arbeitsplätze. Sie bedrohen auch ökologische, soziale und gesundheitliche Standards. Davor warnt die Synode der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW). Am Donnerstag (20.11.) befasste sich das „Kirchenparlament“ mit dem Thema Freihandel. TTIPP und CETA würden Grundlagen des Rechtsstaates außer Kraft setzen und staatliches Handeln beschränken, so die Befürchtung. Zum Beschluss.

EKiR: Flurschaden durch Reformen. Pfarrverein fordert Moratorium.

Erklärung des Vorstandes des Evangelischen Pfarrvereins im Rheinland
zu den Vorschlägen der Kirchenleitung zur Haushaltskonsolidierung

Moderne, komplexe Gesellschaften fordern von den Akteuren ständig Entscheidungen, deren Tragweite und Folgekosten nicht realistisch vorhergesagt werden können. Umso wichtiger ist es, dass die Verantwortung gepflegt wird, Entscheidungen zu korrigieren, wenn sich gravierende Folgen ergeben, die nicht bedacht wurden oder gar nicht vermutet werden konnten.

Wenn in der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) wie aktuell zu beobachten, die Entscheidungen für ein neues kirchliches Finanzwesen (NKF) und eine Verwaltungsstruktur-Reform Folgen zeitigen, die die Entscheidungsträger nicht bedacht haben oder nicht voraussehen konnten, dann müssen diese Entscheidungen überdacht und die eingeleiteten Prozesse korrigiert oder gar eingestellt werden.

Es kann nicht sein,

  • dass eine auf Qualitätssicherung zielende Verwaltungsreform die Aufwendungen für Verwaltung so heftig steigert, dass dadurch die Qualität der inhaltlichen Arbeit für Menschen erheblichst geschwächt wird,
  • dass eine der Sorge um die Menschen verpflichtete und deshalb als Körperschaft öffentlichen Rechts hoch geachtete Institution wie die EKiR ihr Personal von Seelsorge und Begleitung auf Verwaltung umschichtet,
  • dass eine von der Basis her arbeitende Gemeinschaft wie die Evangelische Kirche diese Basis durch Leitungsentscheidungen entmachtet und damit viele Kolleginnen und Kollegen, Schwestern und Brüder entmutigt werden,
  • dass eine christliche Gemeinschaft sich mehr von der „Sorge um morgen“ leiten lässt als von den Aufgaben der Gegenwart,
  • dass eine sich auf die Reformation berufende Kirche keine Kosten scheut, wenn es um Verwaltung geht, gleichzeitig aber inhaltlich-theologische Arbeit bespart und ihre öffentlich wirksamen Bildungseinrichtungen streicht und schwächt (ganz abgesehen von der Frage, wie die gesparten Gelder denn angelegt, d.h. die Vermögenswerte erhalten werden sollen!),
  • dass eine ecclesia semper reformanda ihre gegenwärtig nötigen Anpassungs- und Veränderungsprozesse auf die Aspekte von Verwaltung und Betriebswirtschaft reduziert und die Probleme auf dieser Ebene meint lösen zu können…  Zur Erklärung des Vorstands mit Download des Vorabdrucks.

Die angebliche kirchliche Finanzkrise wird erneut umetikettiert. Ultimative Volte in der Finanzkrisenargumentation der EKD.

Erinnern wir uns: bei der kirchlichen Rede von der Finanzkrise stand am Anfang die „einfache Formel“ (Finanzkrisenvariante I). Als diese Erklärung von der Empirie falsifiziert war, wurde die Finanzkrise durch sinkende reale Kirchensteuerverluste erklärt. Danach seien die Kirchensteuereinnahmen zwar tatsächlich gestiegen, aber (leider) nur nominal. Also „nur“ mit dem gestiegenen Wert, der tatsächlich im Rechnungswesen erscheint (!). Der reale Wert, der die Inflation und deren Kaufkraftverlust berücksichtigt, der sei aber in Bezug auf den Ausgangszeitpunkt der Berechnung gesunken. Das Sinken des Realwertes – das belege Krise. Das war also die zweite Stufe der Finanzkrisenargumentation. Dass das Ergebnis einer solchen Berechnung eine im Kontext der kirchlichen Sparpolitik stark zu relativierende Information liefert, haben wir an anderer Stelle ausgeführt (vgl. den Artikel, insbes. S. 6, 7). 

In einem Artikel in Horizont E, Oldenburgische Landeskirche, wird nun unter der Hand eine interessante neue, dritte Stufe, ein Superlativ der Kriseninterpretation geliefert. Und die geht so: „Nach absoluten Zahlen geht es uns in der Tat sehr gut“, räumt Begrich zu Beginn des Gesprächs ein nicht ohne einschränkend hinzuzusetzen, dass unter Berücksichtigung der echten Geldwerte nicht mehr Geld zur Verfügung stehe als Mitte der 1990er Jahre.“ (S. 4, fett und kursiv F.S.) Krise ist hier nicht mehr, dass heute real weniger Mittel zur Verfügung stehen als zu den Glanzzeiten Mitte der 90iger Jahre (Krisenargument Stufe II). Als Krise wird deklariert, wenn die Finanzlage real „nur“ unverändert ist. (Wohlgemerkt: bei nominal gestiegenen Einnahmen der Kirchensteuer von 3,6 Mio. € im Jahr 2005 auf über 5 Mrd. € im Jahr 2014.). 

Es ist interessant, dass bei der verblüffenden superlativen Finanzkrisenargumentation III, fast die gleichen Vokabeln verwendet werden wie bei der Finanzkrisenargumentation II. Dabei unterscheidet sich der Inhalt deutlich. Denn wenn die verfügbaren Mittel selbst real gleich blieben, wo ist dann, bitteschön, noch die Krise? Da ist nichts mehr mit Kausalkette. Krise ist keine Schlussfolgerung bei nominal stark gestiegenen und selbst real gleich bleibenden Kirchensteuern. Die Argumentation zeigt sich als das, was sie eigentlich schon immer war: ein Narrativ mit oft geringem Unterhaltungswert. Die nunmehr fehlende Logik fällt aber gar nicht auf, hat man sich doch in der Kirche seit 20 Jahren an die Beschwörung der Finanzkrise gewöhnt. Ich räume ein, auch mir ist der Unterschied tatsächlich erst jetzt, beim zweiten Lesen aus gegebenem Anlass (s.u.) aufgefallen.

Die Rede von der Finanzkrise und darauf aufbauende Reformen hat die Kirche stark beschädigt. Wie groß der Flurschaden ist, zeigt die bemerkenswerte Reaktion des Pfarrvereins der EKiR. Sie fordert ein Moratorium der Reformmaßnahmen (s.u.). Die Pfarrerschaft nimmt damit spät ein Korrektiv wahr, zu dem die eigentlich andere berufenen Organe der Kirche in der Kirche (hier der EKiR) offensichtlich nicht mehr in der Lage sind. Wichtig wäre, die unselige und unsinnige Finanzargumentation als Basis einer Kirchenstrategie endlich zu verabschieden. Diesen Weg beschreitet in der EKM Bischöfin Ilse Junkermann. Siehe dazu den entsprechenden Beitrag in dieser Ausgabe.

Wie sagte ein mittelständischer, ehrenamtlich in der Kirche engagierter Unternehmer: es brauche eine neue Ernsthaftigkeit in der Finanzpolitik der Kirche. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Friedhelm Schneider

P.S.: Auch in anderen Landeskirchen wird der Fakt eingeräumt, dass die Kirchensteuer real seit 2 Jahrzehnten auf gleichem Niveau liegt. Aber es wird nicht offen erklärt, sondern verschämt verschleiert. So wird z.B in der EKHN im Finanzbericht von Dezernent Thomas Striegler der jüngsten Synode eine Grafik verwendet, in der die Kurve der realen Kirchensteuerentwicklung kommentiert wird durch die Bemerkung: „Kurve bewegt sich seitwärts“.

Entwicklung der Kirchensteuer