Archiv für den Monat: Dezember 2014

Neue Lust an Leitung III: Der Vorsitzende des Pfarrverbandes, Pastor Andreas Kahnt, zum neuen Vorstoß von Peter Barrenstein (McKinsey, FAKD, AEU) zur leistungsorientierten Bezahlung für PfarrerInnen.

Die Wort-Meldungen hatten das Thema vom KirchenBunt aufgegriffen. Und setzen es hiermit fort:

Peter Barrentstein wird nicht müde, Lanzen für die „leistungsgerechte“ Bezahlung für PfarrerInnen brechen. Jüngst geschah dies in einem Interview in „Christ und Welt“. Die www.wort-meldungen.de berichteten.

Bezahlung nach „Leistung“? von Pastor Andreas Kahnt 09.12.2014

Wie kommt es nur, dass in letzter Zeit wieder mal laut darüber nachgedacht wird, ob Pfarrerinnen und Pfarrer nach Leistung bezahlt werden sollten? Noch dazu mit so eindrucksvollen Anreizen wie hier und da ein Blumenstrauß oder ein Abendessen mit Partner/-in für herausragende Leistungen (vgl. „idea“ 48/2014). Schon treten Stechuhren und Leistungsnachweise vor mein geistiges Auge; Dokumentationen zu jeder pfarramtlichen Tätigkeit sind regelmäßig mit der Fahrtkostenabrechnung zur Leistungsschau einzureichen. Und ich dachte, wir hätten das Thema in den Diskussionen um das Pfarrerdienstgesetz und das Besoldungsgesetz der EKD überwunden… Der vollständige Text.

Interessanter Hinweis zur Genese des Vorstoßes der leistungsorientierten Bezahlung im Kommentar von Lothar Grigat (ehem. Dekan, EKKW), 10.12.2014:

Andreas Kahnt hat ja so recht: in den Beratungen ums Pfarrerdienstgesetz der EKD war in der dienstrechtlichen Kommission lange über mögliche Leistungsüberprüfungen im Pfarrdienst diskutiert worden, weil von seiten der Dienstrechtler immer wieder dieser Gedanke eingebracht worden ist, aber von unserer Seite her mit all den guten Argumenten, die Kahnt vorbringt, in Abrede gestellt worden, so dass im fertigen Gesetz aus gutem Grund kein Wort mehr davon zu finden ist. Insofern ist eine neuerliche Diskussion darüber obsolet. Und keine Pfarrerin/kein Pfarrer sollte sich auf solche Überlegungen einlassen! Zur Quelle. Leitung und Führung

Wenn man zeitlich parallel zur Entstehung des Pfarrdienstgesetze nach Quellen der Leistungsorientierten Besoldung sucht, wird man wiederum bei Peter Barrenstein fündig:

In der Dokumentation des im „Rahmen von Kirche im Aufbruch“  veranstalteten Workshops „ Leitung und Führung in der Kirche – Orientierung in einem zentralen Handlungsfeld” (Berlin Schwanenwerder, 17.-19. Oktober 2008) findet sich im Impulsreferat von Peter Barrenstein eine Grafik mit Schwachstellen der Führung zwei entscheidende Punkte:

1. Skepsis gegenüber Leistungsanforderungen und -messung

2. Wenig Erfolgskontrolle

Erfolgskontrolle ist dabei ein überaus wichtiger Hinweis – wenn man sie zunächst einmal auf die hoch dotierten externen Beraterteams anwenden würde.

 

Präses der EKD-Synode Irmgard Schwaetzer contra Peter Barrenstein (McKinsey, AEU,FAKD): »Pfarrer brauchen Ermutigung statt Druck«

Bezahlung nach »Likes«?» – Die EKD-Synodenpräses Irmgard Schwaetzer ist dagegen, Pfarrer nach Erfolg zu bezahlen.  Die Synodenpräses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer, widerspricht Vorschlägen, Pfarrer nach Erfolg zu bezahlen.

Geistliche brauchten keinen Druck, sondern Ermutigung, um sich neuen Aufgaben zu stellen, schreibt sie in einem Beitrag für die »Zeit«-Beilage »Christ & Welt«. Damit widerspricht Schwaetzer dem langjährigen Unternehmensberater Peter Barrenstein. Erfolgreiche Pfarrer sollten mehr Gehalt bekommen »oder eine reizvolle Aufgabe«, hatte der Vorsitzende des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer argumentiert. Zur Quelle.

Revisted: McKinsey-Beratung und Kirchenverständnis

von Pfr. Günter Unger, München,  zum eMp, evangelisches München-Programm der Firma McKinsey unter Peter Barrenstein, Deutsches Pfarrerblatt 1999.

Die folgenden Ausführungen sind ein für die Pfarrkonferenz München-Süd am 15.11.99 erbetener Kurzbeitrag. Eine Vorbemerkung zum aufgetragenen Thema: explizite Ekklesiologie dürfte weder im initiativen Angebot und Anschub von McKinsey enthalten gewesen sein, noch die Überlegungen der weiterplanenden kirchlichen Kommission primär bestimmt haben. Ohne langfristige Wirkungsbeobachtung und angesichts der Veröffentlichung der Entwürfe in nicht unparteiischem Kleinschrifttum bleibt trotz der Klage von Andreas Grabenstein über eine »Hermeneutik des Verdachts« (D/4) derzeit keine Alternative zum ›Vermuten‹. Mit Dietrich Neuhaus (K) sehe ich im eMp (evangelisches München-Programm) eine ›fundamentalistische Revolution von oben‹ am Werk. In Umkehrung des normalen Revolutionsverlaufs eines emanzipatorischen Aufbegehrens der Unteren gegen auf Herrschaft beharrende Obere initiieren diesmal höchste und mittelhohe kirchenleitende Ebenen weitreichende Veränderungen, nicht aus geistlichem Innovationsinteresse heraus, sondern zum Zweck des besseren Sparens, Rationalisierens im betriebswirtschaftlichen Sinne, Kontrollierens und Einflußnehmens und vor allem -bewahrens. Daher ist diese Revolution konservativ. Visionär ausgemalte spätere Früchte der Strukturerneuerung wirken gegenüber diesem primären Interesse wie eine Rationalisierung im psychologischen Sinne. Ohne solche Motivaffinität in der Genese des eMp hätte sich die originäre Resonanz zwischen Kirchenleitung und professionellen Unternehmensberatern auch nicht wie geschehen eingestellt. So betrachtet, zeigt sich im eMp das Kirchenbild von Konsistorialräten, die das Instrumentarium von Wirtschaftsbossen kennengelernt haben und begierig wurden, es anzuwenden. Dem »Machtkampf der Kirchenverwaltungen, die leiten und steuern wollen, gegen die dezentralen und relativ autonomen kirchlichen Teilbereiche« incl. der Ortsgemeinden (K 68) entsprechen die militärische Terminologie im Begriff der ›Stabsstellen‹ (C 4), die dankbare Inanspruchnahme einer als »knallhart« bekannten Unternehmensberatungsgesellschaft (C 2), das dem eMp innewohnende vordemokratische (und unbiblische) Verständnis von ›Führung‹ der Einzelgemeinde durch übergeordnete Kircheninstanzen statt eines gegenseitig existenz-ermöglichenden Miteinanders (C 4), die lange Zeit mit dem Stempel der Vertraulichkeit geführte Planung am betroffenen ›Personal‹ vorbei, wie das angesichts der Ursprungsgeschichte des Protestantismus seltsam betont eingeforderte »Ja« zur Kirche als Organisation, welches geeignet ist, den geistigen Blick auf das essentielle »Trans-« hinter jeder Kirchengestalt zu verdecken. Der Schatz der Kirche Tragender Grund, Schatz und Legitimation der Kirche ist das Evangelium… Zum Artikel.

Reiner Lesegenuss mit ernster Absicht: Berufsverbot für Betriebswirte! von Büchnerpreisträger Friedrich Christian Delius.

Vortrag auf der Leipziger Buchmesse am 18. März 2010

In: Sprache im technischen Zeitalter, Heft 194, Juni 2010. SH-Verlag, Köln

hier: kurze Auszüge

2. Nur um mich zu schonen und nicht weiter die Ohren zu reizen, entschied ich, nicht über die Krise zu schreiben und zu reden, die mich derzeit am meisten beschäftigt, die Europa-Krise. Nein, nicht die griechische Schulden-Schlamperei. Sondern Italien, wo man beobachten kann, wie die Demokratie die Demokratie abschafft, Monat für Monat ein Stück mehr…

3. Im Jahr 1998 verfasste der Autor, der hier spricht, ein kurzes “Selbstporträt mit Schimpansen”, das unter anderem folgenden Gedanken enthielt: Er sei einer “aus der Generation, die es so gut hatte wie keine vor ihr und so gut, wie es keine nach ihr haben wird”. Nein, das war keine Beschwörung kommender Krisen…

4. Denn: Krise ist immer. Und das Reden über Krisen ist kaum weniger banal ist als die Krisen selbst. An Krisen mangelte es nie, wird es nicht mangeln. Krisen sind der Normalzustand. Also kein Grund, hysterisch zu werden…

5. Jeder halbwegs informierte Mensch weiß: die Finanzkrise ist nicht vorbei, sie fängt erst an. Die Krisen werden sich eher potenzieren als minimieren. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass die wichtigsten Probleme in absehbarer Zeit nicht gelöst werden: die Regulierung der Finanzmärkte, die Regulierung der Klimaveränderungen, der Hochrenditen-Wahn der Wirtschaft, die heikle einseitige Abhängigkeit der US-Wirtschaft von China…

6. …Die Suche nach Orientierung, wegweisender Vernunft und minimalen Sicherheiten, ist verständlich…..

7. Eins allerdings hat die bisherige Krisendeutungskunst übersehen: Wird von Krise geredet, schwindet der Humor. Denn das erste Opfer der Krise ist nicht, wie eine leichtfertige Plattitüde es vom Krieg behauptet, die Wahrheit, sondern der Humor. Niemand scheint die Komik zu bemerken oder zu bedenken, die darin liegt, dass die Finanzkrise eine Folge des Überflusses ist, des Überflusses an Geld, an Kapital. Die Labilität des Wirtschaftssystems kommt nicht daher, dass in den Gesellschaften zu wenig Geld vorhanden wäre, also aus Not, sondern daher, dass zu viel da ist. Und dies Geld ist auch noch viel zu billig zu haben, für ein Prozent, mehr oder weniger…

8. Und da ist noch ein zweiter komischer Aspekt: Was früher die Marxisten wollten, die Verhältnisse zum Tanzen bringen, erledigen heute die Betriebswirte. Fachidioten, die nicht unterscheiden können zwischen Kostensenkung als einem wirtschaftlich sinnvollen Ziel – und Kostensenkungswahn. Die nicht unterscheiden zwischen Größe als einem wirtschaftlich sinnvollen Ziel – und Größenwahn…

9. Wer die Krisen ernsthaft bekämpfen will, dem würde ich in aller Heiterkeit als erstes ein einfaches Rezept empfehlen, das zwar nicht alle Probleme lösen dürfte, aber doch ein konstruktiver Anfang wäre: Berufsverbot für Betriebswirte!…Und dann ruf ich schnell noch, ehe man mich an den Pranger stellt: Ludwig Erhard hat schon gesagt, die Wirtschaft bestehe zur Hälfte aus Psychologie. Heute, meinen sogar Manager, sei man bei 99 Prozent angelangt. Also müsste sowieso mehr Menschenkenntnis gelehrt und gelernt werden als Finanzmathematik. …

10. Meine Damen und Herren, Sie wissen, es steht nicht in meiner Macht und es gehört nicht zu meinen Vergnügungen, Verbote auszusprechen. Ich möchte nur daran erinnern, dass man in der Bundesrepublik vor rund vierzig bis dreißig Jahren schon einmal ein Berufsverbot praktiziert hat. Für den öffentlichen Dienst, z.B. als Lehrer, wurde nicht zugelassen, wer angeblich oder tatsächlich nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stand, was vor allem für junge Leute galt, die von Marx mehr hielten als von Schumpeter…

11. Kurz nachdem dies skizziert war, stand in einem Kommentar des Tagesspiegel die Formulierung “staatszersetzender Koalitionspartner”, darunter die Sätze: “Noch stehen die meisten Bürger zu diesem Staat. Aber wenn es nicht gelingt, die Zinslast wieder zu verringern, dann wird diese breite Zustimmung früher oder später verschwinden und mit ihr die Stabilität des ganzen Landes.” (12.1.10)…

12. Wenn die Geldmenschen schon nichts lernen aus der Krise, dann ist den Wortmenschen das Lernen ja nicht verboten. “Man darf sich von der Macht der anderen nicht dumm machen lassen,” so zitiert Alexander Kluge Adorno, “und man darf sich durch die eigene Ohnmacht nicht dumm machen lassen.”
Überall da, wo mit der Dummheit gehandelt wird, wo mit Derivaten, Zertifikaten, Blasen, Quotengier, Bestsellergier, kurz, wo mit Leere, mit leeren Versprechungen, gerade auch in der Politik, mit Hohlräumen, mit Nullen oder Null-Informationen oder Nullgeschwätz, wo mit Illusionen und Lügen gehandelt wird, wo Quantität mehr zählt als Qualität, Bildungs-Leistungspunkte mehr zählen als Bildung und Leistung, war Krise oder ist Krise oder wird Krise sein. Und das ist, um es flapsig zu sagen, auch gut so…

Vollständiger Vortrag.

EKM: Folgen der Landeskirchenfusion. Aus dem Bericht des Pfarrvereinsvorsitzenden Martin Michaelis.

Thüringer Pfarrverein e.V. – Jahresbericht des Vorsitzenden Pfr. Martin Michaelis am 25. September 2014 in Neudietendorf


Die Fusion, die uns zukunftsfähig machen sollte (die Fusion der Landeskirchen Kirchenprovinz Sachsen und Thüringen, Anm. F.S.), hat eine Entfremdung zwischen Verwaltung und Gemeinden, zwischen Gemeindepfarrern und Kirchenleitung vorangetrieben, nachzulesen in Glaube und Heimat. Der Anteil der landeskirchlichen Kollekten hat enorm zugenommen, deren Höhe dagegen ist eingebrochen. Wie wird darauf reagiert? Mir ist zu Ohren gekommen, man wolle die Zuweisung an die Gemeinden für Bauvorhaben und anderes davon abhängig machen, wie hoch der Anteil der landeskirchlichen Kollekten im Vergleich zu den ortskirchlichen Opfergaben sei. Belegen kann ich das nicht, ein Gerücht vielleicht, aber mit dem Kirchgeld haben wir das schon erlebt, wenn es vom Gemeindekirchenrat nicht in der geforderten Höhe beschlossen wurde. Der Vorwurf die Heilig-Abend-Kollekte betreffend ist uns noch im Gedächtnis, die Gemeinden würden Geld für sich behalten. Eine ambivalente Entwicklung: Es wird weiter am Schreckensbild einer pfarrerzentrierten Kirche gemalt, während so manche Gemeinde sich sehnt, überhaupt einen zu Gesicht zu bekommen. Einerseits soll mit immer aufwändigeren Wahlverfahren und einer überbordenden Gremienarbeit eine gefühlte Demokratie erzeugt werden, andererseits wird der Entscheidungsspielraum in Gemeinden und kirchlichen Werken (z.B. GAW Thüringen) gegen null gefahren. Welche Erinnerungen das in ostdeutschen Gemütern wachruft, darf nicht außer Acht gelassen werden…

vgl. in der Ausgabe S. 10ff

Weitere Berichte aus der EKM weisen darauf hin, dass die Folgen der Fusion in de EKM gravierend sind. Kürzlich schon hatten wir aus einem Vortrag von Isolde Karle gelesen:

Aus der (fusionierten) EKM wird eine leitende Person mit folgenden Antworten zitiert:

„’wir sind ein bisschen verkrümmt in uns selber, in diese Ängstlichkeit: Ach, wie schlimm wird das noch alles’… Mehrfach redet er davon, wie viel Kraft die Reformen gekostet hätten. ‘Die Fusion hat unendlich viel Energie gebunden. Das hätte ich nie gedacht, was so ein Fusionsprozess für Energie, auch seelische Energie, bindet… In einer ständigen Überforderung zu arbeiten, bringt einfach Unruhe in die Landeskirche’ (S.45)

Kurswechsel in der evangelischen Kirche? Bemerkenswerte Einsichten zum Management in der Kirche bei Bischöfin Ilse Junkermann, EKM

Hier in den Wort-Meldungen kommen Führungskräfte der evangelischen Kirche selten zu Fragen der Führungstheorie (des Managements also) zu Wort. Der Grund liegt darin, dass in besagtem Personenkreis im letzten Jahrzehnt selten ein der Kultur des Protestantismus entsprechender Ansatz vertreten wurde. Leitend war vielmehr ein Reformkonzept der Reduktion auf Kernkompetenzen („sollte sich die bewusst auf Kernkompetenzen… konzentrieren“), der Reduktion von Komplexität („…komplexe Strukturen gehören im Berich der Kirche noch zur Alltagsrealität. Mehr Effektivtät heißt hier das Ziel“). Das alles auf der Basis von „Strukturreformen, Verbesserungen in den internen Abläufen, systematisches Mitarbeitermanagement“.  Alles Zitate, die das inhaltliche Fundament einer auf linearen Wachstumszielen und Reduktion von Komplexität beruhenden Reform beschreiben. Zitate, die entnommen sind einem „Gottes Hände tragen uns“ überschriebenen Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 08.03.2002. Autor: Peter Barrenstein. Inhaltlich kennt man das Konzept vom Impulspapier „Kirche der Freiheit“.

Das war ein Weg mit enormen Risiken. Wir greifen das Beispiel Komplexität heraus, auf das Bischöfin Junkermann in ihrem Bischofsbericht rekurriert. Die Gefahren hier:  „‚Höhere Fähigkeiten erwachsen nur aus mehr Komplexität.’Dieser Umstand wird häufig übersehen. In zahlreichen, einschlägigen Büchern findet man Passagen, die sinngemäß lauten, dass man die Komplexität eines Systems reduzieren müsse, um es unter Kontrolle zu bringen. Das ist nur die halbe Wahrheit. Selten wird die damit einhergehende Gefahr erwähnt, das System selbst und seine wichtigsten Eigenschaften und Fähigkeiten zu zerstören.“ (Fredmund Malik, Management, S. 46). Genau dies scheint aber in der Kirche eingetroffen zu sein, dass nämlich wichtigste Eigenschaften und Fähigkeiten durch die sog. Reformen zerstört wurden. Denken wir nur an die intrinsiche Motivation der Mitarbeiterschaft. Denken wir an Vertrauen. Vieles mehr wäre zu nennen.

Auf diesem Hintergrund ist der folgende Abschnitt des Bischofsberichts von Bischöfin Ilse Junkermann, EKM, überaus bemerkenswert. Denn dort wird der Frage komplexer Systeme nicht ausgewichen. Und man wird der von ihr entwickelten Theorie folgen können. Leider fehlen Schlussfolgerungen für die Praxis. Als da wären:

1.  eine kritische Haltung  und Abwendung von den bisherigen Kirchenreformen. Das wird so leider nicht offen benannt.

2. die aktuelle Lage der ev. Kirche. Ein Kurswechsel der Kirchenpolitik beginnt leider nicht bei null, sondern mathematisch ausgedrückt, im Minusbereich:  Die Reformen haben bisweilen erhebliche Schäden angerichtet, die Situation ist verfahren.

Was zu tun wäre, beschreibt und fordert die Pfarrvertretung der EKiR dieser Tage. Die Bischöfin sollte sich also der Erklärung der EKiR- Pfarrvertretung anschließen. Denn eine gute Theorie ist nur der erste Schritt. (F.S.)

„In der Wüste bereitet dem Herrn den Weg!“ – Bericht der Bischöfin Ilse Junkermann vor der Synode der EKM am 19. bis 22. November 2014 in Erfurt

„2.1. Sich bewegen in komplexem Gelände – Der wissenschaftliche Fokus
Was wir im Rückblick erkennen, gilt auch für unser Ausschau halten: Wir können beim Gehen eines Weges nicht vorher wissen, was unterwegs für gute Lösungen entstehen werden. Das mag jetzt in Ihren Ohren wie eine Floskel klingen. Doch darin liegt eine tiefe Wahrheit, die wir nicht ernst genug nehmen können beim Ausschau halten. Vor wenigen Wochen ist mir eine wissenschaftliche Reflexion aus der Prozesstheorie und Komplexitätsforschung begegnet, die diese Wahrheit sehr einleuchtend belegt und die ich Ihnen in der gebotenen Kürze für unseren Ausblick heute darstellen möchte. In ihrem jüngst erschienen Band „Gemeinde neu denken. Geistliche Orientierung in wachsender Komplexität“ 5 legt das Gemeindekolleg der Vereinigten Evangelisch- Lutherischen Kirche Deutschlands, das seit 2008 im Zinzendorfhaus in Neudietendorf seinen Sitz hat, ein bemerkenswertes Buch vor. Sein Leiter, Direktor Professor Dr. Reiner Knieling und Studienleiterin Pfarrerin Isabel Hartmann stellen darin die These auf, dass wir in der Kirche sehr häufig Entscheidendes verwechseln. Wir verwechseln, so ihre These, „komplizierte Probleme“ mit „komplexen Problemen“. Deshalb geraten wir mit unseren Problemlösungsstrategien leicht in Sackgassen…

Wir haben als Kinder unserer Zeit alle miteinander durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt gelernt, dass viele Probleme aus dem komplizierten Terrain in den letzten Jahren gelöst werden konnten. Deshalb sind wir versucht, alles für ‚kompliziert’ zu halten und damit für prinzipiell lös- und machbar, auch in der Kirche.
Der Dreischritt für die Bewegung im komplexen Gelände nach Hartmann / Knieling ist aber ein anderer. Er lautet: Probieren – Wahrnehmen – Reagieren. Ich zitiere: „Auf komplexem Terrain ist die Lösung nicht vorhersagbar, sondern sie entwickelt sich auf dem Weg. … Auf dem gemeinsamen Weg von Versuch und Irrtum und Reflexion und neuem Versuch und Irrtum tauchen Ideen auf, erwachsen Lösungswege und Handlungen.“  Der Fachbegriff in der wissenschaftlichen Debatte dafür ist „Emergenz“ – von lateinisch: emergere, d. h. „auftauchen (lassen)“ bzw. „entstehen“. Diese Emergenz bedeutet, ich zitiere weiter, „dass das, was sich entwickelt, mehr ist als die Summe der einzelnen Teile, aus denen es besteht“ …

Reiner Knieling und Isabel Hartmann plädieren in ihrem Buch für die „Förderung einer Kultur, in der Lösungen entstehen können, die nicht einfach aus dem Repertoire des Bestehenden generiert werden, sondern aus der Komplexität selbst heraus emergieren.“

Sie beschreiben Aspekte dieser emergenz-freundlichen Kultur. Dazu gehören Dinge, mit denen wir uns erst anfreunden müssen. Es sind Dinge wie:

Zaudern und Innehalten: Ich zitiere: „Zaudern ist ein erster Schritt, die Komplexität als solche ernst zu nehmen. Zaudern hegt Verdacht gegen Lösungen, die den Eindruck der Machbarkeit erwecken. … Zaudern ist eine geistliche Haltung, die aus dem Vertrauen auf Gott erwächst“

Intuition: Durch Gespür den Dingen auf die Spur kommen. Die Intuition hat – auch in der Kirche – häufig keine gute Presse, wer von „Intuition“ redet, macht sich verdächtig, ein Schwärmer zu sein. Die wissenschaftliche Debatte, z. B. in der Bildungsforschung, aber auch in der Ökonomie und in der Philosophie ist hier weiter. Für bestimmte Fragestellungen ist Intuition ein sehr präzises Werkzeug.
Und ein 3. Aspekt: Netzwerkorientierung für die Bewegung im komplexen Gelände: Netzwerke brauchen nicht initialisiert werden, sie sind bereits vorhanden. Netzwerke haben keine Grenzen und keine Formalitäten. Sie basieren auf Vertrauen…“  Zum Bischofsbericht:

Neue Probleme bei Implementierung der Doppik

Die Berichte über Probleme bei der Einführung der Doppik reissen nicht ab. Wir hatten darüber am Beispiel der Hannover’schen Landeskirche berichtet. Die vorläufige Spitze bildete sicher das Debakel in der EKiR, das zu einem Zustand führte, bei dem über Jahre hin keine Rechnungsabschlüsse der Landeskirche vorliegen. Nun zeigen sich erneut und immer noch Probleme mit einem aus anderen Landeskirchen schon bekannten Problem in der EKvW. Lesen Sie mehr.

Neuer Skandal in der Vatikanbank: „Wer’s glaubt“

09.12.14, von Mathias Drobinski, SZ

Lange Jahre schaute niemand im Vatikan so genau auf die Geschäfte der hauseigenen Bank IOR. Jetzt läuft die Aufarbeitung der dunklen Geschäfte – und das sogar öffentlich.

Der Vatikan geht öffentlich gegen ehemalige Manager seines Finanzinstituts IOR vor.
Drei ehemalige Führungskräfte sollen sich bei einem schwungvollen Handel mit Immobilien bereichert und weitere Gelder veruntreut haben.
Zudem wurden mehrere Hunderte Millionen Euro in schwarzen Kassen entdeckt. Die Aufarbeitung bei der Vatikanbank dürfte also weitergehen. Zum Artikel.

Das Märchen von den bedrohten Weihnachtsmärkten

Alle Jahre wieder braucht die Springerpresse einen Aufreger vor Weihnachten. Damit die Auflage weniger sinkt, braucht es ein emotionales Thema. Etwas, dass jeder kennt und mag und dazu einen großen, linken Schurken.

Weihnachtsmärkte eigenen sich im Advent hervorragend als Aufhänger. Jeder kennt und mag die kleinen Buden aus denen uns die zehn immer gleichen Weihnachtslieder berieseln. Dann fehlt nur noch der große, linke Schurke, der unsere geliebten Glühweintankstellen verbieten will.

Dafür eignet sich nichts besser, als unser Staat. Der ist ja von Linken, Grünen, politisch Korrekten und Gutbürgern nur so durchsetzt. Für das große BamS und BILD Weihnachtsmärchen braucht es also nur eine Behörde, die Weihnachtsmärkte verbietet. Schon hat man eine Geschichte, über die jeder spricht. Sie wird in allen sozialen Netzwerken geteilt und dient jedem Stammtisch als Vorlage für Hetztiraden.

Der einzige Nachteil: Es gibt keine bedrohten Weihnachtsmärkte und auch keine bösen Politiker, die sie uns wegnehmen wollen. Aber seit wann ist Wahrheit, Toleranz und Rücksicht wichtiger als die Auflage für Springerblätter. Und so beglücken sie uns wieder mit dem Märchen der Weihnachtmärkte, die politisch korrekten Wintermärkten weichen müssen. Und auch andere steigen wider besseres Wissen in die Geschichte ein.

Das einmal in die Welt gesetzte Gift ist dann schwer wieder zu entfernen. Meistens musste ich die entsprechenden Artikel ausdrucken um sie den entsetzten KommilitonInnen zu überreichen, die sich gerne über die Islamisierung unserer Gesellschaft aufregten. Und auch dieses Jahr werde ich immer wieder eine Priese Wahrheit als Antidot für die giftigen Lettern der Springerblätter brauchen.

Zum Glück schreibt BILD-Blog ausführlich, warum auch dieses Jahr kein Quäntchen Wahrheit an dem Märchen ist.

Finanzdezernent Thomas Begrich/EKD im Gespräch mit den Wort-Meldungen.

In „Horizont E – Das evangelische Magazin im Oldenburger Land“ erschien im Sommer 2014 Ausgabe, die vollständig dem Thema Kirchenfinanzen und Kirchenfinanzierung gewidmet war. Von der ersten Seite an präsent: die EKD in Person von Finanzdezernent Thomas Begrich. Der abschließende Artikel des Hefts trug den Titel: „Kultussteuer – Ein Plädoyer“. Das betrachtete und benannte ich als „offiziösen Vorschlag“. Und tue es noch immer. Freilich blieb es dem Leser überlassen, sich einen Reim auf diesen zu machen. Die Seite war aber weder als Unterhaltung, Satire, Kinderseite o.ä. ausgewiesen.  Daher liegt die Vermutung nahe, dass zwischen Schlussartikel und Gesamtausgabe ein innerer Zusammenhang besteht. Und da die EKD- Finanzverantwortlichen seit Jahren (oder Jahrzehnten?) eine Kirchenfinanzkrise beschwörten und weiterhin beschwören, würde es durchaus Sinn machen, sollten sie in solchem Glauben auch über Alternativen zum gegenwärtigen Finanzierungssystem der Kirchensteuer nachdenken. Ergo äußerte ich die Vermutung, dass man in der EKD wohl die Kultussteuer als einen „last exit“ betrachte, falls die Kirchensteuer einmal nicht mehr funktioniere. Dies allerdings, das räume ich ein, geschah nicht im Konjunktiv, sondern im Indikativ. Diese meine Vermutung wird nun in einem Kommentar von OKR Thomas Begrich zu meinem Beitrag wiefolgt offiziell dementiert:

„Die EKD denke über eine Kultussteuer nach? Das ist kompletter Unsinn! Die Kultussteuer ist eine staatliche Steuer und damit nicht kirchengemäß. Bitte um Korrektur dieser Fehlmeldung.“

Wir stellen das gerne zurecht. Und unterstellen im Umkehrschluss, dass die zahlreichen anderen, von Thomas Begrich unkommentierten Beiträge der Wort-Meldungen zur Finanzpolitik der EKD aus seiner Sicht nicht zu beanstanden sind. Das hätten wir nicht gerechnet. 

 Friedhelm Schneider