Nordkirche: Aufregung auf dem Land: Pfarrstellen sollen wegfallen. Werden einer kranken Kirche „immer mehr Körperteile amputiert“?

vom 29. April 2015, Schleswiger nachrichten

HAVETOFT | Die vielen kleinen Kirchengemeinden in Angeln haben Angst. Angst davor, dass sie künftig ohne Pastor dastehen. Denn im Zuge der geplanten Einrichtung von „Gemeindlichen Handlungsräumen“ könnten der ländlichen Region zwischen Kappeln, Schleswig und Flensburg mit ihren insgesamt 40 Kirchen künftig statt 27,5 nur noch 20 Pfarrstellen zustehen. So steht es in der ersten Übersicht, die die Leitung des Kirchenkreises auf einer kircheninternen Informationsveranstaltung zum Thema in Havetoft vorgestellt hat…

Pastor Hergen Köhnke aus Kropp rechnete in Havetoft vor, dass nur gut 25 Prozent der Kirchensteuereinnahmen als Gemeindezuweisung (14 Prozent) und Gemeindepfarrstellen (11,8 Prozent) vor Ort ankämen. Er verglich die Kirche mit einem kranken Patienten, dem immer mehr Körperteile amputiert werden. „Eine Amputation des Beines – 20 Prozent der Gemeindepfarrstellen – spart drei Prozent der kirchlichen Ausgaben ein. Selbst mit der Amputation aller Gemeindepfarrstellen käme man nicht über einen Kürzungsbetrag von zwölf Prozent hinaus… Zum Artikel.

 

Leserbrief zum Artikel von Rudolf Schlüter

Betr.: „Kirche gibt die ländliche Region auf“ 3.5.2015

Um das Jahr 1300 steht die kirchliche Organisation in Angeln mit über 40 Kirchen und Pfarreien. Und daran hat sich in den nächsten 700 Jahren sehr wenig geändert. Ein Erfolgsmodell sollte man meinen. Aber die Kirchenleitung sieht das anders. Die Organisation soll grundlegend verändert werden. Man erfindet die „Gemeindlichen Handlungsräume“. Schon diese Wortschöpfung lässt bürokratisches und verwaltungstechnisches Denken erkennen. Es geht nicht mehr um Seelsorge, eigentlich Markenzeichen der Kirche, sondern um den Aufbau einer hierachischen und bürokratischen Struktur. Es wird amputiert, wie es so schön im Artikel ausgedrückt wird. Alle sogenannten Reformen der letzten Jahre haben gezeigt, sie waren nicht effektiv. Das wird von der Kirchenleitung aber nicht zugegeben, sondern man versucht die nächste Reform. Aber ohne das Fußvolk mit einzubinden. Begründet wird diese Reform mit schwindenden Einnahmen und Mitgliederzahlen. Davon wird seit Jahren geredet, aber die Einnahmen sind in den letzten Jahren sehr gestiegen.
Wenn Pröpstin Lenz-Aude vom Guten Hirten gesprochen hat, dann sei sie hier daran erinnert, dass der Gute Hirte das 100. Schaf sucht, also Seelsorge betreibt.
Mit der Schaffung der „Gemeindlichen Handlungsräume“ wird nicht nur meiner Meinung nach die Seelsorge heruntergefahren. Das kann es doch wohl nicht sein. Der hl. Ansgar dreht sich im Grabe herum, wenn er von diesen Plänen in seinem Missionsbezirk erfährt. Er hat sich nicht träumen lassen, dass sein Bistum ein Koloß der Verwaltungshierachie wird. Es sei daran erinnert, dass „er den Blinden Auge, den Lahmen Fuß und den Armen ein wahrer Vater sein wollte“. Das heißt aber bei den Menschen zu sein, das Leben mit ihnen zu teilen, mit intensiver Arbeit in der Gemeinde.
Herzlichen Dank an Herrn Köhnke, dass er einmal aufgezeigt hat, was von den Kirchensteuern bei den Zahlern wieder ankommt. Das gibt doch sehr zu denken.
Mein Vorschlag: Gründung einer „bekennenden und praktizierenden Kirche“, damit sich die „verwaltende Kirche“ einmal rechtfertigen und auseinandersetzen muß. Anfänge gibt es schon in der EKD, nachzulesen im Internet unter „Wormser Wort.de“.

Ein Gedanke zu „Nordkirche: Aufregung auf dem Land: Pfarrstellen sollen wegfallen. Werden einer kranken Kirche „immer mehr Körperteile amputiert“?

  1. Pastor i.R. Volker Bethge

    Solange Kirchenleitungen vom Personaltableau und den Kosten her denken werden ihnen immer nur „Kürzungen“ einfallen – und dann muss man auch nicht die Betroffenen Fragen.
    Die Fragen von „Bei den Menschen sein“, von Seelsorge und Verkündigung hat aber zunächst gar nichts mit Personaltableau und den Kosten zu tun. Das alles ist nachgeordnet. Strukturen folgen den Inhalten und Aufgaben. Muss denn – gemessen an den genannten Aufgaben – Kirche so organisiert sein, wie sie es ist? Ich fürchte, auch die Einwände aus Pastoren-Sicht sind noch viel zu sehr dem Überkommenden verhaftet. Was wir brauchen ist ein nicht an spezifischen Interessen (Kirchenamt, Bischofszahl, Pfründen … ) orientiertes Großes Palaver darüber, was Kirche eigentlich – mit welchen Kosten, mit welchem Personal – leisten müsste, wenn sie ihrem Auftrag auch im 21. Jahrhundert treu sein wollte. Unsere Strukturen kommen aus einem fernen Gestern. Querdenker sind gefragt. Und sicher auch die Gemeinden. Aber Vorsicht: auch denen fällt ja zunächst nichts Neues ein. Traditionen sind gut – aber nur dann, wenn sie dem Auftrag wirklich noch dienlich sind.

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