10/2015, Hess. Pfarrerblatt
… Schluss
Die Faszination Pfarrhaus ist vielerorts einer Ernüchterung gewichen, die Kostenkalkulationen und kulturelle Bedeutung miteinander in eine Bilanz gebracht haben. Im Dienstrecht von allen Landeskirchen der EKD ist die Residenzpflicht fester Bestandteil, aber längst haben sich auch Kirchenleitungen davon gelöst, das Pfarrhaus als einzigen Lebensraum für den Pfarrberuf zu deklarieren. Übergemeindliche Pfarrämter und architektonische und verwaltungsbezogene Gründe haben dazu geführt, dass viele Gemeinden keine neuen Pfarrhäuser mehr bauen, das Pfarrhäuser verkauft werden und Dienstwohnungen angemietet werden. Der Pfarrberuf befindet sich‚im Wandel‘ und ‚auf der Schwelle‘, in einem Transformationsprozess und mit ihm die Signatur und die Funktionen des Pfarrhauses. Im August 2013 trafen sich in Ratzeburg Pfarramtsstudierende aus Kiel und aus Hamburg, um ihr Gemeindepraktikum gemeinsam vor zubereiten. Auf dieser Tagung haben Uta Pohl-Patalong und ich mit 42 Theologiestudierenden, die derzeit in der Nordkirche ihr Praktikum machen, auch über das Pfarrhaus gesprochen. Es ist kein Zufall, dass wir über das Wohnen im Pfarrhaus gesprochen haben, denn für viele ist dieses Thema bereits im vierten Semester mehr als belastend. Wir haben keine Konzepte diskutiert, sondern im Grunde ging es erst einmal darum nur aufzunehmen, was emotional belastet. Der Tenor hieß: „Eigentlich ist es sinnlos darüber zu sprechen, denn wir können ja sowieso nichts verändern.“ Die Residenzpflicht ist dabei der eine Aspekt, dessen Folgen für die persönliche Lebensführung und den persönlichen Bedarf an Mobilität nicht recht eingeschätzt werden kann, das andere ist das Gefühl, einer übermächtigen Sozialkontrolle ausgesetzt zu werden, permanent erreichbar zu sein und kein Privatleben mehr zu haben. Es gibt keinen direkten inneren Zusammenhang zwischen diesen Befürchtungen und Statistiken aus dem Jahr 2012, wonach jede fünfte Ehe in einem evangelischen Pfarrhaus geschieden wird, doch es zeigen sich besondere Belastungen… Zum Artikel vgl. S. 128ff.