Orte der Selbsttranszendenz. Von Prof. Thomas Erne.

01/2016, Dt. Pfarrerblatt

… Kirchen sind Orte der Selbsttranszendenz. Freilich gibt es auch andere Orte in modernen Gesellschaften, die dies leisten: Museen, Kinos, Fußballstadien. Warum wir dennoch ­Kirchen brauchen, erläutert Thomas Erne.


Hier sind einige Zahlen: Der kath. Kölner Dom führt mit 6 Mio. jährlich die Rangliste der Kirchen mit Millionenpublikum an, dahinter die Dresdner Frauenkirche mit 2 Mio., der Hamburger Michel mit 1,3 Mio. und die Kaiser-Wilhelm Gedächtnis Berlin, 1 Mio.2. Das Ulmer Münster liegt knapp an der Millionenschwelle. Die ev. Laurentiuskirche in Nürnberg hat 750.000 Besucher. Für die meisten mittleren Zentrumskirchen gibt es keine Zahlen. Ich kann nur vermuten, dass man in der Summe auch auf ein Millionenpublikum kommt….
Meine erste These ist eine Folgerung aus dieser Beobachtung: Die Kirchen sind heute nicht mehr nur und ausschließlich ein Haus der Gemeinde (domus ecclesiae), sondern auch ein Haus für einzelne Menschen (domus hominis religiosi, spiritualis et aesthetici), die in ihnen unterschiedliche Erfahrungen machen. Die Besucher kommen und erfahren die Kirchen religiös, spirituell, ästhetisch, auch politisch, etwa beim Kirchenasyl oder sozial in einer sog. Vesperkirche. Diese unterschiedlichen Bezugnahmen können sich in den meisten Kirchen entfalten, weil diese Kirchen ein weites Dach haben, so wie das Ulmer Münster. Kirchen sind Hybridräume der Transzendenz….

Zum Artikel.

Kommentar F.S.: Am Ende des Artikels berichtet Thomas Erne im Stil des Amts für Kirchenbau der EKD/ Marburg von „neuen“ Nutzungen für Kirchengebäude. Das muss im Einzelfall nicht uninteressant sein, auch wenn die Inhalte selten wirklich neu sind. Allerdings ist diese über Jahrzehnte geführte Debatte etwas anderes, bestensfalls ein Teilbereich dessen, was man „kirchliches Immobilienmanagement“ nennen könnte. Und was dringend nötig wäre. Diese Selbstbeschränkung tut dem Amt und der Sache nicht gut. Denn sie überlässt die Debatte denen, die unter dem Banner doppischer, pauschal- rechnender „Ressourcenverbrauchsorientierung“ den Abbau von Gebäuden – und damit in der Regel von monetären und nichtmonetären  Vermögenswerten – betreiben. Weiterer Schaden könnte also, sollte also, vermieden werden. Hier könnte das Marburger Amt eine wichtige Rolle spielen. Vielleicht sollte also auch das Amt für Kirchenbau in Marburg selbst zum Hybridraum werden – zwischen Kunst und Management. Vgl. zum Thema auch hier.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert