Die Soziologin Saskia Sassen über Desintegration: „Teilhabe war gestern“

06/2016, TAZ- Interview
Für die Soziologin Saskia Sassen erleben wir gerade eine beispiellose Desintegration. Immer mehr Menschen werden „ausgewiesen“.
Sie schreiben, in der Vergangenheit habe es „kleinere Verluste“ gegeben, jetzt komme es zur „massiven Ausweisung“. Romantisieren Sie nicht den Keynesianismus?
Es gab im Keynesianismus Ausbeutung, Rassismus und sozialen Ausschluss, aber in der Tendenz wuchs die Zahl der Integrierten: Die wohlhabende Arbeiterklasse und die wohlhabende Mittelklasse wurden größer. Das geschah nicht, weil das System nett war, sondern weil die Wachstumsdynamik nach immer mehr von allem verlangt hat. Das Ergebnis: Es gab zunehmend Menschen mit Haus, Bildung, Pensionen, mit Teilhabe. Heute ist die Tendenz andersherum… Mehr dazu.

Die Ohnmacht der Ausgegrenzten, Von Anne-Kathrin Weber, Deutschlandfunk
Arbeitslosigkeit, Umweltzerstörung, Armut und Vertreibung sind laut der Soziologin Saskia Sassen Formen eines Phänomens, das sie als Ausgrenzung bezeichnet. In ihrem gleichnamigen Buch äußert sie deutliche Kritik an der Ursache dieser Ausgrenzungen.

05.06.2016
Saskia Sassen formuliert eine fundamentale Kritik am modernen Kapitalismus, der ihrer Ansicht nach nicht Wohlstand bringt, sondern Armut, zumindest für weite Teile der Weltbevölkerung.

Missstände aufgrund von Ausgrenzungen
Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Hunger, erhöhte Selbstmordraten, Umweltzerstörung in allen Teilen der Welt – viele dieser Missstände sind Sassen zufolge der Ausgrenzung geschuldet. Die Soziologin macht Ausgrenzung dabei auf wirtschaftlicher, ökologischer, gesellschaftlicher und geografischer Ebene aus.

Sassen macht mit ihren Beispielen deutlich, dass Krisen systemimmanent und erwünscht sind; dass sozialer Wohlstand für die Mehrheit hingegen auf der Strecke bleibt.
„Für diejenigen, die sich in der Gesellschaft ganz unten oder in der armen Mitte befinden, bedeutet das Ausgrenzung aus einem Lebensraum; für die an der Spitze bedeutet es offenbar, dass sie sich durch Rückzug, extreme Konzentration des in einer Gesellschaft verfügbaren Reichtums und die fehlende Neigung, diesen Reichtum neu zu verteilen, aus der Verantwortung einer Mitgliedschaft in dieser Gesellschaft verabschieden.“… Mehr dazu.

 

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