Zwanzig Jahre „Stiftung Weltethos“. Von Stephan Schlensog.

06/2016

„Diese eine Weltgesellschaft braucht keine Einheitsreligion und Einheitsideologie, wohl aber einige verbindende und verbindliche Normen, Werte, Ideale und Ziele.“ Dieses Zitat des Theologen Hans Küng umreißt die Mission der von ihm 1995 gegründeten „Stiftung Weltethos“. Wo steht das Projekt heute?

Es geht der Stiftung nicht – wie in manchen uninformierten Kreisen bis heute kolportiert – um Vereinheitlichung oder Gleichmacherei zwischen den Religionen, sondern es geht um interreligiösen Dialog als Voraussetzung für Verständigung und Frieden. Und es geht um Werte, die in allen großen religiösen und humanistischen Traditionen seit Jahrtausenden im Mittelpunkt stehen und die bis heute Voraussetzung gelingenden Miteinanders sind – ob in einer Familie, einem Kindergarten, einer Schule, einem Unternehmen oder in der Zivilgesellschaft überhaupt.

Von der Idee zur Stiftung

Was zunächst als Arbeitshypothese des in Tübingen lebenden Schweizer Theologen Hans Küng formuliert wurde – erstmals vorgestellt 1990 in seinem Buch Projekt Weltethos –, erhielt schon kurze Zeit später internationale Anerkennung über die Grenzen der Religionen und Kulturen hinweg: 1993 verabschiedete das „Parlament der Weltreligionen“ in Chicago die „Erklärung zum Weltethos“, in der – inspiriert von Hans Küngs „Projekt Weltethos“ – jene Prinzipien und Werte als Kern einen „Weltethos“ formuliert wurden, die religiöse wie nichtreligiöse Menschen verbinden und die bis heute nichts von ihrer Relevanz eingebüßt haben: die Prinzipien „Menschlichkeit“ und die erstmals vom chinesischen Weisen Konfuzius formulierte „Goldene Regel“ (oft verwechselt mit Kants „kategorischem Imperativ“) und – daraus abgeleitet – die Werte „Gewaltlosigkeit“, „Gerechtigkeit“, „Wahrhaftigkeit“ und „Partnerschaft“.
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