„Kirchenreformen im Vergleich“ – Eine Besprechung von Heft 2 -2013 „Evangelische Theologie“

Von Hans-Jürgen Volk (vgl. auch www.zwischenrufe-diskussion.de)

1. Ein Forschungsprojekt – Motive und Ziele der Reformen. Zur Besprechnung.

2. „Kirche unter Druck“ – Blick auf die evangelischen Landeskirchen und die EKD. Zur Besprechnung.

3. Blick nach Außen – Die ev.-methodistische Kirche, der Bund Freier evangelischer Gemeinden und die Katholische Kirche. Zur Besprechnung.

4. Resümee und kritische Anfragen. Zur Besprechnung.

Hier die Besprechnung des Beitrages von Christoph Meyns: „Kirche unter Druck“

Der mitunter peinlichen „Aufbruch“-Rhetorik exponierter Kirchenfunktionäre stellt Christoph Meyns nüchtern die Realität kirchlicher Rückbauprozesse mit all ihren Konflikten und schmerzhaften Verlusten gegenüber, wobei er sich vor allem auf Erfahrungen aus der Nordelbischen Kirche stützt. Auf Grund der gegenwärtigen ökonomischen Perspektiven hält er einen weiteren Verlust an Finanzkraft und die daraus folgende Notwendigkeit einer Fortsetzung der Rückbauprozesse für wahrscheinlich.

Meyns stellt in diesem Zusammenhang zwei Forderungen auf:

  • Konsequenter Abschied „von ökonomischen Denk- und Sprachmustern“. „Mikroökonomisch orientierte Analysen, die religiöse Gemeinschaften als Unternehmen auf dem Markt der Sinnangebote interpretieren, und darauf aufbauende betriebswirtschaftliche Handlungsempfehlungen sind nicht in der Lage, die für die Vitalität und Stabilität religiöser Überzeugungen, Praktiken und Zugehörigkeiten wichtigen Faktoren zu erfassen.“
  • Die evangelische Kirche muss sich „davon lösen, den Erfolg ihrer Arbeit an sichtbaren Maßstäben zu messen“. Im Blick auf die „seit Jahrzehnten parallel zueinander laufende Zahl der Austritte aus der evangelischen und der katholischen Kirche“ stellt Meyns fest: „Die Kirchen können das Verhalten ihrer Mitglieder im Rahmen der geltenden staatskirchenrechtlichen Regelungen so gut wie nicht beeinflussen.“

Bemerkenswert sind die Anmerkungen von Meyns zum Finanzdiskurs. Völlig korrekt sieht er in der schlechten Beschäftigungslage der 90-er Jahre und vor allem in der staatlichen Steuerpolitik die Ursache für den Verlust an Finanzkraft der Kirchen an. „Die Ursachen für die gegenwärtigen Schwierigkeiten der evangelischen Kirche liegen also nicht im angeblichen Konkurrenzdruck durch andere Sinnanbieter auf einem Markt religiöser und weltanschaulicher Angebote …, sondern in der starken Abhängigkeit ihrer institutionellen Stabilität und ihres wirtschaftlichen Wohlergehens von der staatlichen Religions- und Steuerpolitik.“

Bedeutsam ist der Hinweis von Meyns auf Forschungen zur Steuermoral, nach denen „dass lokal vorhandene Wissen um die Höhe der Steuereinnahmen und ihre Verwendung zusammen mit der Möglichkeit, darüber mitzuentscheiden, das Vertrauen der Steuerzahler und ihre Bereitschaft zur Zahlung von Steuern stärkt.“ Und umgekehrt gilt: „Je weiter weg die steuererhebende Körperschaft und je anonymer der Einzug, desto schwächer fällt dagegen die Zahlungsbereitschaft aus.“ Nun haben die Landeskirchen nicht nur bei der Kirchensteuer ihrem Drang zur Zentralisierung nachgegeben – in der rheinischen Kirche steht z.B. das formal noch existierende Ortskirchensteuerprinzip in Frage – und damit „wahrscheinlich ungewollt der Anonymisierung des Mitgliedschaftsverhältnisses und der Distanzierung von der Kirche Vorschub geleistet“.

Die Ursachen für die „gegenwärtigen Schwierigkeiten der ev. Kirche“ sah Meyns in der zu großen Staatsnähe bzw. in der ausgeprägten Abhängigkeit von politischen Entscheidungen. Erstaunlich und ein wenig widersprüchlich ist, dass er dennoch eine Verstärkung der „Lobby-Arbeit bei Parteien, Parlamenten und Regierungen“ fordert und am bisherigen Kirchensteuereinzugsverfahren offenbar trotz allem festhalten will. Dass es sich hierbei womöglich nur um einen pragmatischen Zwischenschritt handelt, legt sein Hinweis auf die Arbeiten der Ökonomin Elinor Ostrom zu gemeinwirtschaftlichen Ansätzen nahe.

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