Bundespräsident Joachim Gauck hat vor der Gefahr eines zu stark regulierenden Staates gewarnt. Er verteidigte den positiven Nutzen von Wettbewerb. “Ungerechtigkeit gedeiht nämlich gerade dort, wo Wettbewerb eingeschränkt wird”, sagte er bei einer Festveranstaltung zum 60-jährigen Bestehen des Walter-Eucken-Instituts in Freiburg. Der Ökonom Eucken gilt als einer der geistigen Väter der sozialen Marktwirtschaft.
Der Bundespräsident bezeichnete es mit Verweis auf die sogenannte Freiburger Schule liberaler Wirtschaftswissenschaftler als “merkwürdig”, dass der Begriff “neoliberal” heute so negativ besetzt sei. Die Denkschule Euckens und seiner Mitstreiter sei eigentlich genau das Gegenteil “jenes reinen Laissez-faire, das dem Neoliberalismus heute so häufig unterstellt wird”. Er wünsche sich in der öffentlichen Debatte daher “mehr intellektuelle Redlichkeit”, sagte Gauck, der seine Rede ein “Plädoyer” nannte. Mehr dazu.
Hier zwei kurze Darstellungen zur Klärung der Unterschiede zwischen Sozialer Marktwirtschaft und dem heute (!) üblichen Verständnis von Neoliberalismus
1. vom früheren Staatssekretär in NRW Werner Lieb:
Das Konzept der „sozialen Marktwirtschaft“ geht auf die „Freiburger Schule“ der Ökonomen Walter Eucken, Alfred Müller-Armack, Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow zurück. Nachdem durch Weltwirtschaftskrise und Faschismus der Kapitalismus in Deutschland in eine schwere Legitimationskrise geraten war, sollte die „soziale Marktwirtschaft“ zum einen das Gegenkonzept zu den Vergesellschaftungs- und Mitbestimmungsforderungen der Sozialdemokraten, Sozialisten und Gewerkschaften sein, das Privateigentum an Produktionsmitteln sichern und die abhängig Beschäftigten mit dem Kapitalismus aussöhnen. Zum anderen sollte es in Abkehr von der reinen Lehre des Wirtschaftsliberalismus durch staatliche Interventionen, Konjunkturprogramme, Anti-Kartellgesetzgebung und den Ausbau des Sozialstaats die negativen Folgen eines ungezügelten Wettbewerbs verhindern. Die These: Die Marktwirtschaft bedürfe „erheblicher sozialer, politischer, raumplanerischer und konjunkturpolitischer Sicherung.“ Die Wahlkampfparole des CDU-Kanzlers „Wohlstand für alle“ war das Versprechen, dass die soziale Marktwirtschaft den gesellschaftlichen Reichtum gerechter verteilen werde. Im Gegensatz zu den heutigen Neoliberalen forderten die „Freiburger“ eine „quantitative Steigerung der für öffentliche Dienste bestimmten Finanzmittel“.
2. von Prof. Ulrich Duchrow:
„… Das macht es auch nötig, klar zu sagen, was wir in diesem Buch mit Neoliberalismus meinen. Wir schließen uns den differenzierten Definitionen von Bernhard Walpen an. In einer ersten Näherung sagt er: »Was den Neoliberalismus am meisten eint, ist zunächst seine Ablehnung des ›Kollektivismus‹, worunter nicht nur Kommunismus, Marxismus und Sozialismus verstanden wird, sondern auch Sozialdemokratie und – erst nach dem Zweiten Weltkrieg – Keynesianismus und Wohlfahrtstaat.« (63) Das heißt, negativ eint die Formen des Neoliberalismus die Ablehnung der sozialen Wohlfahrtsfunktionen des Staates. Der Staat soll kein Sozialstaat sein.“ vgl. hier.
Hat Herr Gauck also etwas missverstanden?