Immer wieder werden soziale Einschnitte mit dem demographischen Wandel begründet. Doch der Statisktikexperte Gerd Bosbach entfaltet ein ganz anderes Bild zur demographischen Entwicklung. Der TAZ erzählt er, dass diese Entwicklung schon seit mehr als einhundert Jahren anhält. Faktisch wurde aber trotz einer Überalterung unserer Gesellschaft der Sozialstaat ausgebaut, die Arbeitszeit verringert und der allgemeine Wohlstand hat sich vergrößert.
Langfristige Prognosen entsprechen selten der tatsächlichen Entwicklung. Viele Ereignisse haben einen Einfluss, können aber kaum vorhergesehen werden: „Aber gucken wir mal auf die Zeitspanne von 1960 bis 2010. Niemand wäre darauf gekommen, was alles kam: Bau der Mauer, Antibabypille, die Gastarbeiter, der Trend zur Kleinfamilie, der erste PC und die Entwicklung von Internet und Mobiltelefon, dazwischen dann – auch undenkbar – die Auflösung des Ostblocks, das Ende der DDR, der Zerfall der Sowjetunion, drei Millionen Aussiedler, der Jugoslawienkrieg … um einige der wichtigen Ereignisse zu nennen, die man allesamt vollkommen übersehen hätte bei einer Vorausberechnung. Hier lässt sich deutlich erkennen, was 50 Jahre für Quantensprünge in der Entwicklung sind und was das für die Veränderung der Parameter bedeutet. „
Interesse an der Meinungsmache mit der Demographie haben vor allem die Arbeitgeber. Der Ausstieg aus der paritätischen Rentenversicherung brachte ihnen Fünf Milliarden Euro. Für die Finanzindustrie wurde auf einen Schlag ein gigantisches Vermögen zur Spekulation geschaffen. Schließlich sieht Bosbach aber auch die Politiker in als Profiteure der Demographielüge: „Die Demografie ist eine Zauberformel zur Durchsetzung von rücksichtslosen Einschnitten ins Sozialsystem, ein Deckmantel für die Politik. „
Für die Kirche empfiehlt es sich daher die langfristigen Prognosen zur Mitgliederentwicklung und Kirchensteuereinnahmen mit extremer Vorsicht zu genießen. Sie können kaum zutreffender als die demographischen Prognosen sein. Auch hier stellt sie die Frage welche Interessen hinter den Vorhersagen stehen.
Lesen Sie hier in der TAZ: Demographie als Angstmacher.