Kirche der Reformation? – von Prof. em. Gisela Kittel

Schon in den letzten Wort-Meldungen befand sich eine kritische Bemerkung zur Berufung des Katholiken und ehemaligen Verfassungsrichters Udo die Fabio zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats „Luther 2017“ von Prof. F.W. Graf, München.

Schon früher hatte sich Prof. Thomas Kaufmann, Göttingen, in einem Vortrag überaus kritisch zu den Vorgängen und die Wissenschaftlichkeit im Wissenschaftlichen Beirat des Lutherjubiläums geäußert. Vgl. den Vortrag „Zum Bild der Reformation – Historiographische und theologische Überlegungen angesichts des Jubiläums 2017“, vgl. dort II. Kritik an den Planungen des Reformationsjubiläums.

Hier bezieht Prof. em. Gisela Kittel kritisch zu dem Vorgang Stellung:

4. März 2014    In der Kirchenzeitung UK Nr.10/ 2. März 2014 S.3 ist zu lesen, dass der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio, katholischer Konfession, zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirates „Luther 2017“ durch ein EKD-Gremium gewählt worden ist. Hat denn die Evangelische Kirche keine eigenen Theologen mehr, die einem Beirat zur wissenschaftliche Vorbereitung des Lutherjubiläums 2017 vorsitzen können? Doch die Meldung ist von noch größerer Brisanz. Verfassungsrichter Di Fabio war im Jahr 2008 Vorsitzender der zweiten Kammer des zweiten Senats des Karlsruher Verfassungsgerichtes, das die Verfassungsbeschwerde eines Pfarrers aus dem Rheinland, der sich durch alle kirchlichen Gerichte durchgeklagt hatte, 1. überhaupt nicht zur Entscheidung annahm und 2. nachwies, dass bei der Anwendung des kirchlichen „Ungedeihlichkeitsparagraphen“ auch „eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs 1 GG)“ nicht gegeben sei. Denn ein Pfarrer, „der es nicht vermocht hat, tiefgreifende Spaltungen in einer Kirchengemeinde zu verhindern oder zu überbrücken“, hat sich nach Meinung der Verfassungsrichter in seinem Amt „nicht bewährt“ und kann daher sogar in den Wartestand und nachfolgenden Ruhestand unter Gehaltseinbußen versetzt werden.

Dieses erstaunliche Urteil ist auf der Home-Page des Vereins „David gegen Mobbing in der evangelischen Kirche“ (www.david-gegen-mobbing.de) unter der Rubrik „Die gegenwärtige Rechtslage/Dokumente zur Rechtslage/Pfarrdienstrecht – Gerichtsurteile“ abgedruckt, ebenso eine Stellungnahme von Gisela Kittel unter der Überschrift:  „Zur Theologie‘ der Verfassungsrichter“.

Es ist schon bemerkenswert, dass unsere Verfassungsrichter nun eben doch einen Schuldvorwurf gegen Pfarrpersonen erheben, die nach dem sog. Ungedeihlichkeitsparagraphen ohne den Nachweis irgendeiner Schuld aus ihren Gemeinden abberufen und in den Warte- und Ruhestand unter Gehaltseinbußen versetzt werden. Noch erstaunlicher aber ist das neue Kriterium, welches Herr di Fabio und seine Richterkollegen für die Bewährung evangelischer Pfarrer und Pfarrerinnen in ihrem Urteil aufstellten. Wer es nicht vermag, „tiefgreifende Spaltungen in einer Kirchengemeinde zu verhindern oder zu überbrücken“, hat sich in seinem Pfarrdienst „nicht bewährt“! Und Jesus? Hat er sich, der infolge der aufgerissenen Konflikte am Kreuz sterben musste, in seiner Sendung auch nicht bewährt? Und Paulus? Und Luther? Paul Schneider und all die anderen standhaften Zeugen Jesu Christi? Wer gibt den weltlichen (!) Verfassungsrichtern das Recht, derartige theologische Urteile zu fällen? Wie kommen sie zu einer solchen Kompetenzüberschreitung? Aber auf diese „höchstrichterliche Rechtsprechung“ berufen sich nun Oberkirchenräte und kirchliche Verwaltungsgerichte. Danach wird über den Dienst und die Existenzen von evangelischen Pfarrern und Pfarrerinnen entschieden. Und der damalige Vorsitzende Richter, der dieses Urteil zu verantworten hat, ist jetzt auch noch zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats für das Lutherjahr 2017 gewählt worden.
Kirche der Reformation? Nein! Die evangelische Kirche, wie sie uns heute vor Augen tritt, sollte das Lutherjubiläum lieber ausfallen lassen. Sie könnte es nur noch im Sinn der ersten Ablassthese als einen Anlass zur Buße und zur Selbtbesinnung begehen.

Gisela Kittel

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