Hans Mommsen im Gespräch mit Barbara Stambolis
Was meine eigene Position anging, so stand die Motivation im Vordergrund, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie es zur Machteroberung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 hatte kommen können. Als Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte, an dem ich nach der
Emeritierung von Hans Rothfels und meinem Ausscheiden als dessen Assistent in Tübingen eine erste feste akademische Anstellung erhielt, rückte die Geschichte des Dritten Reiches in den Vordergrund meines Interesses. Nicht zuletzt angeregt von Martin Broszat,
der durch seine bahnbrechenden Forschungsarbeiten die Erforschung des Nationalsozialismus auf eine neue Grundlage stellte, war ich auch in der Heidelberger und der Bochumer Zeit darum bemüht, die innere Architektur des NS-Herrschaftssystems zu analysieren und die bis dahin vorherrschende einseitige Hervorhebung der Person Hitlers beziehungsweise der Theorie der totalitären Diktatur zu überwinden. Die veränderte Perspektive war nicht zuletzt dadurch befördert, dass mit der Rückgabe der amtlichen Akten durch die USA im Unterschied zu den personenbezogenen Quellen wie den Nürnberger Prozessakten nun auch Geschäftsschriftgut benutzbar wurde, das einen Einblick in die komplexen Willensbildungsprozesse im NS-System ermöglichte. Zugleich war ich – auch nach meinem Aufenthalt im Institute for Advanced Study in Princeton NJ von der amerikanischen Zeitgeschichtsforschung beeinflusst.
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