Von einer Gerichtsverhandlung im Landeskirchenamt in Hannover in Sachen „Ungedeihlichkeit“

03.04.2014

Ich habe am 28. März 2014 eine Gerichtsverhandlung im Landeskirchenamt in Hannover in Sachen „Ungedeihlichkeit“ miterlebt und das Auftreten des Oberkirchenrats Brosch der evangelisch-lutherischen Landeskirche von Hannover beobachtet. Eine seiner abenteuerlichen Argumentationen möchte ich hier öffentlich machen. Es heißt bekanntlich im Pfarrdienstgesetz der EKD § 80, dass eine Zerrüttung zwischen Pfarrperson und Gemeinde auch dann gegeben sei, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen einem Kirchenvorstand und einer Pfarrperson zerstört ist. Doch wie geht das – vor allem dann, wenn der neue Kirchenvorstand erst wenige Monate im Amt ist und es überhaupt erst 5 Kirchenvorstandssitzungen gab? Für Kirchenrat Brosch, den Beauftragten des Landeskirchenamtes in Hannover, überhaupt kein Problem: Vertrauen kann auch ganz schnell entzogen werden und ist dann nicht wieder aufzubauen. Kirchenälteste müssen nur behaupten, dass sie kein Vertrauen mehr zur Pfarrperson haben, dann ist die Zerrüttung gegeben und die Abberufung eines Pfarrers, einer Pfarrerin fällig. Denn „Vertrauen“ bzw. Entzug von Vertrauen seien eine höchst subjektive Sache und mitnichten irgendwie kritisch zu hinterfragen. Daher kann eine solche Aussage auch nicht von Personen eines Kirchenvorstands rechtsmissbräuchlich eingesetzt werden. Man muss ihr einfach nur glauben.
Erstaunlich, wie sich hier ein Jurist in ein psychologisches Gebiet hineinwagt und abenteuerliche Sprüche von sich gibt. Dagegen sei erinnert, was der Pastoralpsychologe Traugott Schall in seinem Beitrag „Kuckucksei im Pfarrerdienstgesetz“ schon 2011 im Deutschen Pfarrerblatt (Heft 6, S.320) schrieb:

„§ 80 nennt als besonderen Tatbestand, dass „das Vertrauensverhältnis zwischen der Pfarrerin oder dem Pfarrer und dem Vertretungsorgan der Gemeinde zerstört ist und nicht erkennbar ist, dass das Vertretungsorgan rechtsmissbräuchlich handelt“. Mit dieser Formulierung haben „die Eltern“ dieses Gesetzes festgestellt, dass der Entzug des Vertrauens eine Handlung ist. Sie unterliegt der Willkür. Und natürlich ist Vertrauen nicht einklagbar. Vertrauen wird geschenkt. Immer aber sind Gefühle im Spiel, dazu Bewertungen von Erfahrungen. „Ich habe kein Vertrauen zu dir“ ist dabei zunächst eine Art „Totschlags¬phrase“. Sie ist genauso zu bewerten wie „Ich habe Angst“. Aus Supervision, Beratung und Psychotherapie heraus ist die angemessene Reaktion die Aufforderung: „Erzähl mir mehr darüber!“ Der Vertrauensbegriff scheint mir aus psychologischer Sicht als Rechtsbegriff ungeeignet. Er eignet sich vorzüglich zum Etikettenschwindel im Machtkampf und zum Kaschieren von Aggressionen nach erlebter Kränkung.“
Und weiter:
„Zerrüttung hat es wie jede andere Störung einer Beziehung mit Emotionen, mit Gefühlen zu tun. Und Gefühle sind veränderbar, wandelbar, mitunter höchst unbeständig. Psychologische und pastoralpsychologische Kompetenz nimmt eine Störung in einer Beziehung wahr, fragt aber zugleich nach den Einzelheiten dieser Störung. Innerhalb einer zeitlichen Abfolge von Beratungskontakten verändern sich Gefühle. Eheberatung heißt manchmal nichts anderes als Menschen über eine schwierige Zeit bringen und ihnen Gelegenheit zum Gespräch zu geben. Bei einer Beziehungsstörung in einer Kirchengemeinde ist Ähnliches anzunehmen. … Ich postuliere: Konflikte, bzw. Zerrüttung zwischen Pfarrer und Gemeinde oder „Vertre¬tungs-organ“ ohne vorherige kompetente und geduldige Beratung und Supervision zu regeln, ist einer christlichen Gemeinde und Kirche nicht angemessen.“

Arme Landeskirche, die sich solcher Juristen bedient!
Aber noch schlimmer: Arme evangelische Kirche, die solche Gesetze macht!
Robin. Zur Quelle.

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