Die Umstellung eines Haushaltssystems hat Tücken. Daher erzähle ich von meinen Erfahrungen. 2008 hat die Wissenschaftsstadt Darmstadt ihren Haushalt auf die Doppik umgestellt. Zwei Argumente sprechen aus der Sicht der Politik für die Doppik. Der neue doppische Haushalt soll transparenter sein und es lässt sich genauer erkennen, ob das Vermögen der Stadt wächst oder schrumpft.
Der erste Eindruck war ernüchternd. Alleine der Umfang des Haushalts wuchs von einigen hundert Seiten in die Tausende. Auch verwenden die KämmerInnen keine eindeutigen Namen für die Positionen sondern Nummerncodes. Das erste Ergebnis ist, dass den neuen „transparenten“ Haushalts nur noch die Kämmerei lesen kann. KämmerInnen wurde zu den Sitzungen der Fachausschüsse hinzu gezogen. Doch oftmals fanden sie zu Beginn selber die gewünschten Informationen nicht zeitnah. Teilweise dauerte es Tage, bis die Kämmerei genaue Auskunft über die vorgesehenen Gelder machen konnte. In wenigen Fällen passierte es sogar, dass eingeplante Budgets nicht für ihren Zweck eingesetzt wurden, da niemand mehr wusste, dass sie existieren. Das Ziel einen transparenten Haushalt zu präsentieren ist aus Sicht der BürgerInnen gescheitert. Selbst der Oberbürgermeister gab bei der Vorstellung des ersten doppischen Haushalts zu, dass dieses Ziel nicht erreicht ist.
Die zweite Erfahrung mit einem betriebswirtschaftlichen Haushalts kann ich besser nachvollziehen. Der Jugendring Darmstadt lagerte die Abrechnung an eine Kanzlei aus. Die Kanzlei führt eine Vermögensbilanz, wie sie steuerrechtlich üblich ist. Das System ähnelt in vielen Ansätzen der Doppik. Auch hier ergeben sich Probleme, mit der transparenz. Früher war es üblich die eigene Buchführung nach Projekten zu gliedern. Damit ist auf einen Blick ersichtlich was für einzelne Veranstaltungen ausgegeben wird. Standartmäßig ist das in der Vermögensbillanz nicht üblich. Daher kontieren wir alle Rechnungen doppelt. Einmal für die Vermögensaufstellung und ein zweites mal nach Projekten sortiert.
Die Präsentation des ersten neuen Haushalts hielt für viele Mitglieder eine Überraschung parat: Je mehr wir unserem Vereinsziel entsprechen um weniger Vermögen wird aufgebaut. Um das Problem zu verstehen, gehe ich auf die Details der Buchführung ein. Investitionen in Sachmittel werden sofort wieder verrechnet. Wenn wir uns zum Beispiel für 1000€ Stühle anschaffen, haben wir sofort 1000€ von unserem Konto abgebucht. Gleichzeitig besitzen wir Stühle im Wert von 1000€, die als Vermögen aufgeführt werden. Im Haushalt haben wir kein Geld verloren. Nun gehen wir davon aus, dass die Stühle zehn Jahre halten, bis wir in neue Stühle investieren. Daher wird jedes Jahr ein Zehntel der Stühle abgeschrieben. In meinem Haushalt erscheinen die Stühle zehn Jahre lang mit -100€. Macht der Jugendring eine Veranstaltung zur politischen Bildung (was seinen Vereinszielen entspricht) werden die 1000€ sofort als Ausgabe berechnet. Die Delegierten mussten lernen mit dem neuem System zu denken. Ziel des Haushalts ist es als gemeinnütziger Verein nicht am Ende des Jahres viel Vermögen anzuhäufen, sondern im Idealfall viel für seine Vereinszwecke auszugeben. Steuerrechtlich dient die Vermögensaufstellung auch genau dazu. Ein Gemeinnütziger Verein soll kein Vermögen aufbauen. Der erste Impuls, ist das Gegenteil. Jeder denkt zuerst, dass der Vermögensaufbau als Selbstzweck gut sei.
Aus den Erfahrungen will ich Ihnen Tipps geben, wenn Sie in der Synode einen doppischen Haushalt präsentiert bekommen:
Oft ist mangelnde Transparenz ein Nebenprodukt der Doppik. Das ist kein Naturgesetz. Mit Aufwand lässt sich ein doppischer Haushalt für viele lesbar gestalten. Die Stadt Köln macht das mit einem Bürgerhaushalt vor. Setzen Sie die Kirchenverwaltung unter Druck einen lesbaren Haushalt zu präsentieren.
Ein Aufbau von Vermögen zieht Geld von den Kernaufgaben der Kirche ab. Alles Geld, das für Verkündigung, Seelsorge und Barmherziges ausgegeben wird häuft kein Vermögen an. Es wird sofort abgeschrieben. Wenn jedoch Vermögen aufgebaut wird, fragen Sie zu welchem Zweck.
Die Eröffnungsbilanz muss besonders kritisch betrachtet werden. Im erstem Jahr muss für alles Eigentum ein Preis festgesetzt und eine Abschreibungsrate für die Wertminderung ermittelt werden. Das betrifft fast alles, Immobilien, Fuhrpark, Orgeln, Rücklagen … . Bei vielem wird es schwer sein Preisschilder und Prognosen zu treffen. Doch hier werden wichtige Entscheidungen für alle folgenden Haushalte getroffen. Daher sollte die Kirchenverwaltung den Prozess offen kommunizieren.
Der Verlust von Vermögen muss nicht schlecht sein. Der Wertverlust einer Orgel muss kein Grund zur Sorge sein, wenn Sie planen die Orgel durch eine elektronische zu ersetzen. Oder lieber gleich eine Kirchenband statt Orgel verwenden wollen. Oder stellen Sie sich vor ihr Dekanat trennt sich von einem nicht mehr genutztem Gebäude und steckt den Erlös in die Jugendarbeit. Auch wenn der Haushalt anzeigt, dass Vermögen abgebaut wird, muss das kein Grund zur Sorge sein.
Der abzueschreibende Wert entspricht nicht dem Funktionswert. Um beim Beispiel meiner Stühle zu bleiben. Wenn meine Stühle in zehn Jahren abgeschrieben sind, haben sie keinen Vermögenswert mehr. Hoffentlich kann ich sie aber weiterhin benutzen. Ihr Funktionswert bleibt erhalten.
Suchen Sie Tendenzen aus dem Eröffnungsbilanz. Wenn das Vermögen steigt oder sinkt kann das an der Eröffnungsbilanz liegen. Wahrscheinlich wird ein großer Teil des Kirchenvermögens (vor allem Immobilien) mit einem hohem Wert und einem starken Wertverfall geschätzt. Dann verlieren Sie durch die Immobilien so viel Vermögen, dass Sie es nicht an anderer Stelle erwirtschaften können. Das andere Extrem wäre die Immobilien wegen des Alters niedrig zu bewerten und den Wertverfall als kaum existent anzusehen. Dann führt jede Renovierung zu einem Vermögensaufbau.
Und noch einmal, weil es wichtig ist: Es ist nicht Ihr Ziel Vermögen aufzubauen. Personalkosten erscheinen in der Vermögensbilanz als böse, weil sie sofort Geld wegnehmen. Investitionen erscheinen als gut, weil sie Vermögen aufbauen und langfristig abgeschrieben werden. Als Synode sorgen Sie dafür, dass Kirche ihren Aufgaben Verkündigung, Seelsorge und Diakonie nachkommt. Der Aufbau von Vermögen ist nur dann Ihr Ziel, wenn sie das Vermögen in der Zukunft für diese Zwecke brauchen.