Kriege mit Gottes Segen? Interview mit Volker Marquart, “Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge“

12. Dezember 2014, Verantwortlich: Wolfgang Lieb

Während Aufständischen und Kämpfenden mit islamischer Religion gern ihr Fundamentalismus vorgehalten und ihr Gottesbezug als Zeichen zivilisatorischer Rückständigkeit vorgeworfen wird, verliert kaum jemand ein Wort darüber, dass auch „wir“, der Westen, unsere Kriege „im Auftrage Gottes“ zu führen behaupten. Übersehen, dass Bundespräsident Gauck „weniger im Namen einer philosophischen Überzeugung in der Tradition von Humanismus und Aufklärung als (vielmehr) im Namen einer politischen und, genauer betrachtet, religiösen Ideologie“ spricht und Kriege befürwortet. Und lassen den Staat jährlich 30 Millionen Euro für Militärpfarrer ausgeben, die “ihre” Soldaten begleiten und beruhigen und somit das Militär stabilisieren und rechtfertigen. Jens Wernicke sprach hierzu mit Diakon Volker Marquart, der sich innerhalb der Kirche für die Abschaffung der Militärseelsorge engagiert.

Herr Marquart, Sie sind aktiv bei der “Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge“ www.militaerseelsorge-abschaffen.de. Wie kommt es dazu – und woher rührt Ihr Engagement?

Ich kam über das Thema Rüstungsexporte zu diesem Thema. Mir ist aufgefallen, dass die Kirchengemeinden in Gegenden, in denen es große Rüstungsfirmen gibt, kaum etwas gegen diese Rüstungsfirmen sagen. In den Gottesdiensten und in der Gemeindearbeit umgeht man das Thema. Man will keine Mitglieder verprellen. Ein Vorgesetzter hat gesagt: „Herr Marquart, hören Sie auf, die Rüstungsfirmen am Bodensee zu kritisieren! Man beißt nicht die Hand, die einen füttert.“ Dieses Schweigen der Kirche bedeutet faktisch eine Zusammenarbeit: Die Rüstungsarbeiter bezahlen Kirchensteuern, und als Gegenleistung bieten wir Seelsorge und erbauliche Unterhaltung in der Kirche – und schweigen über die Waffenproduktion.

Eines Tages ist mir zusätzlich etwas aufgefallen: Auch auf anderen Gebieten arbeitet die Kirche mit dem Militär zusammen. Es gibt in jedem Advent etwa 50 Militär-Advent-Konzerte in Kirchen in Deutschland. Und es gibt etwa 200 Militärpfarrer, die vom Militär bezahlt werden, Fahrzeuge der Bundeswehr benutzen und die bei Auslandseinsätzen militärische Kleidung tragen, die aber auch und vor allem immer gute „Gründe“ finden, warum man Krieg führen muss. In über 40 Ländern der Erde gibt es – mit kleineren Unterschieden im Detail – solche Militärpfarrer. Deshalb haben wir, haben also ich und Gleichgesinnte, im Sommer 2014 das „Weltweite ökumenische Netz zur Abschaffung der Militärseelsorge“ gegründet. Zum Interview.

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