Zur Kritik des Papstes an der Kurie: Der nächste Papst dankt ab. Von Dr. Roman Stöger.

Leserbrief SZ, 08.01.15, S.17 zum Artikel „Der Papst geißelt Kurie“ vom 23.12.14 (Leserbrief überschrieben dort: Zerstörtes Vertrauen)

mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Papst Franziskus hat nun also gesprochen und es waren deutliche Worte: Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, stellt er der Kurie, dem Vatikan und insbesondere dem Führungspersonal ein sehr schlechtes Zeugnis aus: Unfähigkeit zur Veränderung, Doppelmoral, Eitelkeit, Bigotterie und Machtgier. Eine solche Weihnachts-Ohrfeige hat das katholische Führungspersonal rund um den Petersdom in ihrer Geschichte wohl noch nie erhalten. Viele Katholiken werden spontan Zustimmung, Respekt und Erleichterung über diese Form der Kritik verspüren. Endlich spricht ein Papst aus, was Sache ist. Zu lange schon schweigt die Kirchenspitze über die Selbstzufriedenheit der kirchlichen Obrigkeit und deren Folgen: sinkende Glaubwürdigkeit, Zusammenbruch der Seelsorge, fatale Personalentscheidungen, Festhalten an tradierten Moralvorstellungen und Wirklichkeitsverweigerung am Beginn des dritten Jahrtausends.

Ebenso viele Katholiken werden mit dieser Weihnachts-Schelte auch die Hoffnung verbinden, dass sich in und mit der Kirche etwas ändert. Die mediale Resonanz für den Papst war auch durchwegs positiv und nicht selten wird vermutet, dass dies der Beginn eines durchgreifenden Wandlungsprozesses ist. Ich würde das zutiefst begrüssen, sehe aber die Äusserungen des Papstes als genaues Gegenteil. Es ist das Ende seiner Reformbemühungen und damit auch leider das inhaltliche (nicht zeitliche) Ende des Papsttums von Franziskus. Die Gründe dafür liegen nicht in der Theologie, sondern haben mit Organisation und Führung zu tun:

– Wenn der Papst die Kurie derart kritisiert, dann stellt er sich als Chef dieser Organisation selbst ins Abseits. Als Katholik erwarte ich mir vom Papst, dass er die Kurie in seinem Sinn verändert und führt – und nicht, dass er sie öffentlich blossstellt. Seine Kritik an den Kardinälen und dem Vatikan ist mindestens ebenso Kritik an seiner eigenen Führungsleistung und Dokument eines Gescheiterten.

– Mit dieser Art von Kritik hat er einen wichtigen Führungsgrundsatz zerstört, nämlich Vertrauen. Wie kann der Papst annehmen, dass er mit seinem Führungsapparat – der Kurie – noch vernünftig und konstruktiv zusammenarbeiten kann? Die Kurie wird ihn „auflaufen“ lassen und permanent ins Abseits stellen. Medial hat der Papst vielleicht gewonnen, organisatorisch hat er verloren.

Die Äusserungen des Papstes mögen aus seiner Sicht menschlich verständlich und für uns Katholiken nachvollziehbar und in gewissem Sinne auch sympathisch gewesen sein. Im Kern sagen sie aber leider etwas ganz anderes aus: Der Papst wollte Kurie und Kirche verändern und hat jetzt als Führungsperson abgedankt. Neben Papst Benedikt haben wir nun einen zweiten zurückgetretenen Papst: den Reformer Franziskus.

Dr. Roman Stöger
Kufstein / Österreich

5 Gedanken zu „Zur Kritik des Papstes an der Kurie: Der nächste Papst dankt ab. Von Dr. Roman Stöger.

  1. Hungerleider

    Selten habe ich eine in sich unsinnigere und damit auch selten feigere Argumentation gelesen, gehört.

    1.
    Der Papst ist nicht die Kurie.
    Der Papst ist auch nicht der Stellvertreter Christi.
    Der Papst ist eine strukturelle Erfindung der paulinischen Christus-Ideologie.
    Demnach: der Bischof von Rom (Franziskus) kann von der Kurie nichts, gar nichts erwarten, was nicht auch mit seinem persönlichen Leben zu tun hat; er wird bedroht werden und wenn man ihn beseitigt, ist das nur die Bestätigung der Machtfülle der Kurie.

    2.
    Die Kurie ist ein seit Jahrhunderten festgefügter Haufen intriganter alter Männer, deren einziges Ziel sowohl ihr persönlicher als auch der institutionelle Machterhalt ist. Das – wenn auch nur randständig vernommene – Zitat des US-Kardinals Burke („Die Kirche Jesu Christi ist verweilicht … und deshalb gibt es keine Priesterberufungen mehr“) legt auf kuriose Weise die ganze Ignoranz und Unfähigkeit der Kurie offen.

    3.
    Führungsaufgaben kann man nur dann übernehmen, wenn es zwischen den Führenden und Geführten einen wenigstens minimalen Konsens im Grundsätzlichen gibt. Spätestens seit der knallharte Präfekt der Glaubenskongregation (früher: Inquisition), Erzbischof Müller (jener aus Regensburg, das in den letzten Tagen und Wochen so berühmt für die unsäglichen Sauereien an Internatskindern geworden ist; jeder, der in solchen Klosterinternaten „unter die Räder“ der Brutalität, der Verfügungsmacht und sexuellen Gier von Ordenspriestern geraten ist, weiss wovon ich spreche), spätestens also, seit Müller dem Papst durch Worte und Haltung diametral widerspricht, ist klar, dass Franziskus auf verlorenem Posten steht. Er hat nichts aufgegeben: er ist ein mutiger Mann, der genau weiss, dass es außer dem Blick nach vorn keine Chance für diese Art der Kirche mehr gibt (Evangelium Lukas, 9,3-5). Er riskiert sein Leben.

    4.
    Das sollte die Botschaft an uns Katholiken sein. Und es sollte uns dazu bringen, mutig und tapfer unsere Bischöfen auf die Füße zu treten, ihnen die Mäntelchen auszuziehen und sie aus ihren Palästen zu treiben, anstatt herumzujammern und, wie es viele in „Wir sind Kirche“ inzwischen auch tun, die Lage der Dinge schönzureden, bzw. zu bejammern. Nicht Franziskus hat aufgegeben, die meisten von uns, dem Volk Gottes, sind dabei, aufzugeben, anstatt Zeugnis zu geben – für Franziskus und das, was er vertritt.
    Stärker noch als die Kritik an der Kurie ist Franziskus‘ massive Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen, die er am Sonntag in der italienischen Zeitung „La Stampa“ beschreibt. Das (!) sollte uns leiten und führen …. siehe: (http://www.kathweb.at/site/nachrichten/database/67159.html

    5.
    Es ist an der Zeit, dass wir aus den großen kirchlichen Verbänden ausbrechen und uns in kleinen Gruppen (Straßenzüge, Freundeskreise, usw., usw.) wieder finden und wieder begegnen. Denn wo zwei oder drei in „meinem Namen versammelt sind ….“ (Matthäus 18,20). Von Prunk und Protz, Glanz und Gloria war nie die Rede.

    Hungerleider

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  2. Hungerleider

    Es muß bei

    Hungerleider

    in Punkt 2., Zitat Kardinal Burke, heißen: „…die Kirche ist verweiblicht…“

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  3. Theologe

    Die öffentliche Krktik des Papstes an der Kurie ist ein Experiment und Lehrstück, das noch nicht zu Ende ist.

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    1. Hungerleider

      Sehr geehrter Herr Theologe –
      (ich hoffe, ich hab nichts falsch gemacht; es gibt auch Frauen, die sich als „Theologe“ bezeichnen …. 🙂

      Bitte nicht sybillinisch-orakelhaft kommentieren, sondern rauskommen mit den (vorhandenen?) eigentlichen Argumenten zu den Fragen:
      Warum ist die öffentliche Kritik des Papstes an der Kurie ein Experiment?
      Warum ein Lehrstück?
      Warum ist es (noch) nicht zu Ende?

      Ich muss mir Ihre, sehr geehrter Herr Theologe, Gedanken machen, um dann vielleicht vorgeführt zu werden: so habe ich (also Sie) das gar nicht gemeint; das ist weit ab von dem, was ich (also Sie) dann vielleicht wortreich implementieren würden wollen – usw., usw.
      Diese Art „Dialog“, bei dem in der Regel der „Nichtwissende“ auch der Fragende ist, kenne ich schon seit 4 Jahrzehnten. Wenn’s für die – einfach gesagt – Vertreter der Amtskirche kritisch wird, heißt es: abwarten, ihr werdet schon sehen, was da kommt / ist/ werden wird….

      Ich würde mir wünschen, dass Sie in einen tatsächlichen Dialog eintreten – und die Farce, die unsere katholischen Bischöfe derzeit als einen solchen (Dialog) bezeichnen, ihr kleines, vielleicht unscheinbares, aber auf jeden Fall schon so oft eingeleitetes Ende findet. Ihr jesuanisches Ende. Der Mann vor 2000 Jahren krakelte nicht rum, aß mit den Zöllnern, hielt an einem tumben bis ziemlich ungebildeten Kephas fest (behauptet jedenfalls Paulus) und strich den „Armen und Kleingläubigen“ liebevoll über den Kopf: „nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ (Matthäus 9,9-13).

      Sind die Männer der Kurie nun die „Zöllner“ oder die „Schriftgelehrten“?
      Wenn sie die Zöllner sind, würde damit auf einen Schlag hin das Ungerechtfertigte, das Liederliche und Lasterhafte, das Vorteilnehmen und die Machtausübung, die sich aus ihrer Stellung ergab, offenbaren. Sind sie aber die Pharisäer, die sich über Jesu Verhalten gegenüber den „Sündern und Zöllnern“ aufblasen, gilt für sie der gleiche Vorwurf der Liederlichkeit, der Lasterhaftigkeit, das Vorteilnehmen („Herr ich danke dir, dass ich nicht bin wie diese – dahinten – da“), die Machtausübung, mit der sie ihr Volk in die Spur zwingen.

      Wo ist das Experiment (des – von mir nicht geglaubten, wenn auch historisch-theologisch behaupteten) Petrus-Nachfolgers? Man muss auch fragen dürfen, was denn Petrus überhaupt richtungsweisend für die „jesuanische Glaubensgemeinschaft“ getan hat, außer so zu sein, wie die meisten von uns).

      Worin besteht das „Lehrstück“?

      Wo und wie findet sich eine Beantwortung auf Ihre Behauptungen?

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