Veröffentlicht am 13.05.2015, von Joseph E. Stiglitz (Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften 2001)
Die Vereinigten Staaten und die Welt führen derzeit eine große Debatte über neue Handelsvereinbarungen. Derartige Verträge wurden früher als „Freihandelsabkommen“ bezeichnet; tatsächlich waren es gelenkte Handelsvereinbarungen, die auf die Interessen der Konzerne vor allem in den USA und der Europäischen Union zugeschnitten waren. Heute werden derartige Vereinbarungen häufig als „Partnerschaften“ bezeichnet – wie etwa im Falle der Trans-Pazifischen Partnerschaft (TPP). Doch es sind keine gleichberechtigten Partnerschaften: Faktisch diktieren die USA die Bedingungen. Zum Glück leisten Amerikas „Partner“ zunehmend Widerstand.
Es ist unschwer erkennbar, warum. Diese Übereinkommen reichen deutlich über den Handel hinaus; sie regeln auch Investitionen und geistiges Eigentum und zwingen den Rechts-, Justiz- und Regulierungssystemen der beteiligten Länder grundlegende Änderungen auf – und zwar ohne Einfluss oder Rechenschaftspflicht demokratischer Institutionen…
Die wahre Absicht dieser Bestimmungen besteht darin, Gesundheits-, Umwelt-, Sicherheits- und sogar Finanzaufsichtsregeln auszuhebeln, die Amerikas eigene Volkswirtschaft und Bürger schützen sollen. Die Unternehmen können die Regierungen auf vollständige Entschädigung für jede Verringerung erwarteter künftiger Gewinne verklagen, die aus aufsichtsrechtlichen Änderungen herrührt…
Wenn es je einen einseitigen Mechanismus zu Beilegung von Streitigkeiten gab, der gegen grundlegende Prinzipien verstößt, dann diesen. Dies ist der Grund, warum ich gemeinsam mit führenden US-Rechtsexperten unter anderem der Universitäten Harvard, Yale und Berkeley ein Schreiben an US-Präsident Barack Obama gerichtet habe, das erklärt, wie schädlich für unser Rechtssystem diese Übereinkommen sind…
Die Frage ist, ob wir es den reichen Konzernen gestatten sollen, in sogenannten Handelsverträgen versteckte Bestimmungen zu nutzen, um zu diktieren, wie wir im 21. Jahrhundert leben werden. Ich hoffe, dass die Bürger in den USA, Europa und im Pazifikraum diese Frage mit einem lautstarken „Nein“ beantworten werden. Zum Artikel.