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Von der Utopie zur Dystopie. Apokalyptische Filme als Spiegel der Zeit. Von Dr. Inge Kirsner.

04/2016

„Persönliches Vorwort:

„Wie im Spiegel ein dunkles Bild“ – so sollte der Titel meiner Dissertation, angefangen 1992, beendet 1995, heißen und 1996 gedruckt werden; doch der Lektor hielt den Titel für zu poetisch-unkonkret und schlug das „Programm“ der Dissertation als Titel vor: Erlösung im Film. Nun, 20 Jahre später, ziehe ich die beiden Titel zusammen und stelle Überlegungen zur Spiegelfunktion des Mediums und seiner Inhalte vor…
Schluss: „…Bei aller Dystopie und Verlust jeder Erlösungshoffnung haben zumindest die „Panem-„Filme wie auch „Mad Max“ einen utopischen Einschuss, der Max’ Einschätzung, dass „Hoffnung ein Fehler“ sei, zumindest relativiert.

Eingeschrieben in den Lauf der Dinge und das Handeln der Menschen werden transzendente Strukturen (betrachtet als fortschreitende ‘Inkarnation’ im Sinne von Bonhoeffers Ansatz); die Vervielfältigung von Differenzen, wie sie z.B. die Auflösung der Sphären des Männlichen und Weiblichen mit sich bringt[7], kommt in der Cyborgisierung der Amazone (Katniss mit der Armbrust) und der Furiosa (der fehlende Arm wird durch eine sehr funktionale Greifmaschine ersetzt) zum Ausdruck.

Der Spiegel des Films bildet nicht einfach ab, sondern „offenbart“ auch etwas von dem „was wir sein werden“ (1. Joh 3,2). Insofern weist er über sich hinaus wie auch tiefer (in uns) hinein.“

Zum Beitrag.

Seltsame apokalyptische Vorstellungen bei einem beträchtlichen Segments des amerikanischen Protestantismus. Norman Birnbaum.

13. August 2015


Das ist nicht zuletzt den apokalyptischen Vorstellungen jenes beträchtlichen Segments des amerikanischen Protestantismus (vielleicht 20% der Gesamtbevölkerung) geschuldet, das glaubt, dass die Errichtung des Jüdischen Staates der Beweis für die unmittelbar bevorstehende Rückkehr von Jesus sei. Viele glauben, dass zwar Millionen von Juden in Israel in den letzten Tagen zugrunde gehen, eine bestimmte Zahl aber konvertieren und in ein glückliches zukünftiges Leben herübergerettet werden. Die amerikanischen jüdischen Organisationen, die Israel unterstützen, ziehen es vor, sich nicht in diesen ziemlich zweischneidigen Vorstellungen zu ergehen. Sie sind dankbar für die Stimmen der gewählten Vertreter in Kongress und Senat, die wie sie davon überzeugt sind, dass Obama ein Agent einer fremden Macht ist und der Klimawandel eine Phantasiegeschichte, die sich Wissenschaftler ausgedacht haben. Deren Unterstützung wird von den pro-israelischen jüdischen Organisationen umso mehr begrüßt, denn große und einflussreiche Gruppen des amerikanischen Christentums (inklusive der Katholiken) kritisieren immer offener und zunehmend strenger die Besetzung Palästinas.


Eine wahrscheinliche Langzeitfolge der Attacke der israelischen Regierung und ihrer amerikanischen Unterstützer auf den Präsidenten ist wohl unbeabsichtigt: Die Debatte innerhalb der amerikanischen Juden über Art und Ausmaß ihrer Verpflichtungen gegenüber Israel gewinnt an Intensität. Angesichts wachsender Zweifel in der amerikanischen Elite und den reflektierteren Segmenten der Öffentlichkeit an der militärischen und politischen Allianz mit Israel muss Netanjahu vielleicht erkennen, dass er seinen Einfluss massiv überschätzt hat. Sicher, die Voraussetzung für eine neue amerikanische Politik im Nahen Osten ist deutlich mehr Unparteilichkeit Israel und den Palästinensern gegenüber….

aus: Das Iran-Abkommen in der amerikanischen Politik
von Norman Birnbaum, Washington, 13. August 2015

Zum amerikanischen Fundamentalismus. Von Prof. Peter Tepe, Düsseldorf und Prof. Noam Choamsky, MIT

Peter Tepe ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er ist u.a.  spezialisiert auf Fundamentalismusforschung. Wir übernehmen diesen Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Autors.

1.1 Zum amerikanischen Fundamentalismus

Grundsätzlich gilt: Alle Ideen, die mit der jeweiligen ‘absoluten’ Wahrheit in Konflikt geraten, werden vom Fundamentalisten als ‘großer Irrtum’ verworfen. Dieses Verwerfen ist unabhängig davon, ob z.B. eine Theorie nach wissenschaftlichen Kriterien gut bestätigt und kognitiv leistungsfähig ist. Die entscheidende Grundlage für die Ablehnung ist immer der Konflikt mit einer ‘absoluten’ Wahrheit, über die man zu verfügen glaubt. Wenn z.B. der „Glauben an den allmächtigen Schöpfergott“ den Status einer unumstößlichen Wahrheit hat, so müssen alle Lehren, die damit im Widerspruch stehen, abgelehnt werden – unabhängig von den Argumenten, die für diese Lehren ins Feld geführt werden. Zur ‘großen’ Glaubensgewißheit gehört also die apriorische Ablehnung aller damit in Konflikt stehenden Auffassungen.

Dieses Schema, das für RF 1 konstitutiv ist, lässt sich auf die unterschiedlichsten ‘Inhalte’ anwenden. Ein weiteres Beispiel, das für den amerikanischen Fundamentalismus relevant ist: Gilt etwa die „Irrtumslosigkeit der Bibel“ als unumstößliche Wahrheit, so muss die „Anwendung der historisch-kritischen Methode auf die Bibel“ mit großer Sorge betrachtet werden. Denn die Interpretation der Bibel „mit denselben Methoden wie andere historische Dokumente auch“ hat zweifellos die Tendenz, den behaupteten religiösen Sonderstatus der Bibel zu unterminieren (15). Die historische Relativierung ist mit der Annahme, die biblischen Texte seien von Gott offenbart worden und enthielten die ‘absolute’ und vollständige Wahrheit, letztlich nicht vereinbar…
Eine solche Gestalt des zumindest ansatzweise politisierten Fundamentalismus (RF 2) finden wir in Nordamerika in den 20er Jahren. Den Anhängern ging es „nach dem Krieg v.a. um Aktionen gegen die von den ‘Modernisten’ vertretene ‘Irrlehre’“, sie „setzten ihre Hebel v.a. in der Schulausbildung an und machten in den folgenden Jahren das Thema ‘Evolution’ zu ihrer Sache. Ihre Anti-Evolution Crusade wurde ungeheuer populär und erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 1925.“ (37)

Diese Version des RF 2 konnte sich jedoch nicht durchsetzen, überhaupt führte der Fundamentalismus (RF 1 und RF 2) „für mehrere Jahrzehnte ein Schattendasein in der amerikanischen Gesellschaft“ (38). Danach bahnte sich jedoch ein neuer Aufschwung an: Die „militanteren Fundamentalisten organisierten sich dann Ende der 70er Jahre in einer Form, die bis dahin im amerikanischen Fundamentalismus unbekannt war: sie taten sich mit der politischen Neuen Rechten zusammen und schufen so die New Religious Right […]. Damit tritt ein weiteres Novum hervor: zum erstenmal in der Geschichte der Vereinigten Staaten gibt es eine Koalition zwischen militanten Protestanten und Katholiken, geeinigt durch dieselben moralischen und religiösen Themen und durch dieselben Feindbilder.“ (39).
Diese Gestalt des politisierten Fundamentalismus (RF 2) zeichnet sich nicht zuletzt dadurch aus, dass sie sich massiv neuer kommunikationstechnischer und werbestrategischer Mittel bedient. Einige Stichworte: „Direct Mail-Verfahren“ (39), Rekrutierung neuer Anhänger mehr durch „emotionsbesetzte Themen als durch komplexe politische Fragen“ (39), Kooperation mit „bekannten Fernsehpredigern“ (40), Gründung neuer „politisch-religiöser Gruppierungen“ mit dem Ziel, „rechte Christen für politische Aktionen zu mobilisieren“ (40).

Bekämpft wird der „säkulare Humanismus“. „Unter dem Oberbegriff ‘säkularer Humanismus’ fassen die Fundamentalisten alle ‘Lehren’, die die Menschen darin bestärken, zur Lösung individueller wie gesellschaftlicher Probleme allein ihren eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu vertrauen. Nach Meinung der Fundamentalisten habe der Einsatz dieser satanischen Waffen – liberale Erzieher, modernistische Kirchen und die Gerichte fungieren als ‘Instrumente’ Satans – zur Vergiftung des Denkens der Kinder und Jugendlichen, zur Infiltrierung der Kirchen und zur Verfälschung des Evangeliums geführt.“ (41f.)
Diese Grundauffassung führt zu diversen Kampagnen, z.B. gegen das „Recht zur Abtreibung auf Verlangen“, an denen sich auch „Fernsehprediger“ mit „geschicktem Einsatz moderner Kommunikationstechnologie“ beteiligen. Diese Version des RF 2 „verfolgt das langfristige Ziel, die eigenen ‘moralischen Prinzipien’ der gesamten Gesellschaft aufzuzwingen“ (48). Und das wiederum ist ein Merkmal, das auf alle Ausdifferenzierungen des RF 2 zutrifft.
Mit „Agitations-Propaganda wird das Gefühl von Bedrohung geschürt, das wiederum die Adressaten für politische Appelle empfänglicher macht, die darauf abzielen, die sog. social ills (die ‘Übel der Gesellschaft’) konkret zu bekämpfen. Die Adressaten werden dazu aufgefordert, ihren eigenen, individuellen Beitrag – etwa gegen Homosexualität – zu leisten, indem sie direkt auf ihre politischen Repräsentanten Einfluß nehmen.“ (43)

Dem „Zugriff auf die staatlichen Schulen“ wird besondere Bedeutung zugemessen, etwa im Sinn der Forderung der „gleichberechtigten Behandlung der ‘Lehre vom Kreationismus’ neben der Evolutionstheorie“ (43). Angestrebt wird darüber hinaus der „’Schutz’ vor der Konfrontation mit […] ‘unchristlichen’ Inhalten“ (43f.)…
Eine wichtige Aufgabe der verstehenden Denkformanalyse besteht darin, den Verbindungen des RF 1 und RF 2 mit einem Weltuntergangsdenken, vor allem aber mit einem apokalyptischen Denken nachzugehen. „Die Vorstellung, daß ‘Armageddon’ nahe sei, wurde durch wiederholte Äußerungen nicht nur fundamentalistischer Fernsehprediger, sondern auch Präsident Reagans genährt.“ (45)

Mehr dazu: gehen Sie auf das Feld „Fundamentalismus als Denkform“, dort Teil1: Religiöser Fundamentalismus.

 

Noam Chomsky interviewt von Amina Chaudary © Islamica Magazin , Ausgabe 19, April und Mai 2007

Choamsky stellt in aller Kürze die Entstehung und Entwicklung des christlichen Fundamentalismus in den USA im 20. Jh. dar. Dabei steht die signifikante Veränderung der Gestalt ab 1982, dem Beginn der Regierung Ronald Reagans, im Zentrum. Die USA ist demnach heute „eines der fundamentalistischsten Länder der Welt“.  „Das passierte in den vergangenen 25 Jahren und Religion ist jetzt eine enorme Kraft – fundamentalistische Religion, auf keinen Fall alle Religionen.“

hieraus kurzer Auszug:

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Noam Chomsky: Nun, die wesentlichen Probleme der Welt sind fast definitionsgemäß diejenigen, die in den mächtigsten Staaten auftreten, denn was auch immer diese Staaten betrifft, betrifft jeden. Und der mächtigste Staat der Welt sind die USA, und sie sind zufällig auch eins der fundamentalistischsten Länder der Welt. Extremistische fundamentalistische Religion könnte in den USA einen größeren Einfluss auf die Öffentlichkeit haben als im Iran, obwohl ich noch nie eine Umfrage aus dem Iran gesehen habe. Aber ich bezweifle, dass 50 Prozent der Bevölkerung dort glauben, die Welt sei vor 6000 Jahren geschaffen worden, und zwar genau in der Form, wie sie jetzt ist.

Das ist eigentlich seltsam, denn lange zurück in der amerikanischen Geschichte bis zur Zeit der Kolonisten gab es immer wieder Epochen religiöser Erweckungsbewegungen. Zuletzt sahen wir das in den 1950er Jahren, die eine große Periode religiöser Erweckungsbewegungen waren. Dadurch kommen wir zu Sätzen wie „In God We Trust“ (Wir vertrauen auf Gott) und „One Nation under God“ (Eine Nation unter Gott). Religiöse Erweckungsbewegungen sind in den letzten Jahren wieder stärker geworden. Bis vor wenigen Jahren waren sie keine wichtige Kraft in politischen Angelegenheiten. Das passierte in den vergangenen 25 Jahren und Religion ist jetzt eine enorme Kraft – fundamentalistische Religion, auf keinen Fall alle Religionen. Beispielsweise waren die USA oft stark gegen das Christentum eingestellt…

Das vollständige Interview.