Schlagwort-Archive: Bildung

Lese-Rechtschreibschwäche ist keine Krankheit, sondern das Produkt schulischer Selektion

04.09.14

Kinderärzte in Deutschland behandeln einer aktuellen Umfrage zufolge immer mehr Kinder und Jugendliche mit psychischen Auffälligkeiten. 96 Prozent der befragten Mediziner berichten über steigende Zahlen in den vergangenen zehn Jahren. Ähnliches vermeldete vor einiger Zeit bereits das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen in einem Bericht: “Die kontinuierliche Zunahme von psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahren ist besorgniserregend”, hieß es dort. Bei den ambulanten Behandlungsraten fiel die Zunahme bei Kindern und Jugendlichen mit 14,3 Prozent dabei fast doppelt so hoch aus wie in der Gesamtbevölkerung. Der weitaus überwiegende Teil der Behandlungsfälle war dabei auf “Entwicklungsstörungen (F80 bis F89)” und “Verhaltens- sowie emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F90 bis F98)” zurückzuführen. Was aber liegt wirklich „am Kind“ – und was vielmehr an den Bedingungen [PDF – 152 KB], denen dieses ausgesetzt wird? Jens Wernicke sprach hierzu mit Ulrich Schulte, der als Ausbilder und Wissenschaftler seit Jahren zu Legasthenie, einer der wichtigsten „Entwicklungsstörungen“, arbeitet und forscht. Zum Artikel.

“Die Wissenschaftler und die Schule” von Laurent Lafforgue (u.a. Träger der Fields Medaille für Mathematik)

22.07.14
Laurant Lafforgue befasst sich in seinem Text nicht nur mit dem Unterrichtsfach Mathematik, obwohl er sich damit natürlich besonders auskennt, und auch nicht nur mit dem Gymnasium, was ebenfalls naheläge, sondern mit Schule und Unterricht generell und für alle Stufen. In seiner scharfsinnigen Analyse plädiert er für eine Schule, in der die Schüler durch einen fachlich gut aufgebauten Unterricht sicheres Wissen erwerben, vor allem in den Kulturtechniken und unterzieht die heutigen, wesentlich von Wissenschaftlern getragenen Strömungen, die diese Schule untergraben, einer scharfen Kritik (die in Bezug auf Jean Piaget überzogen erscheint). Hinter diesen Strömungen identifiziert er eine gemeinsame Ursache: die Unfähigkeit „Leben zu übertragen“ – eine zum Nachdenken anregende Diagnose… Zum Artikel.

Der Autor, Laurant Lafforgue (*1966), ist einer der besten Köpfe der französischen Mathematik. Sein Rang geht daraus hervor, dass er 2002 von der Internationalen Mathematischen Union mit der Fields-Medaille ausgezeichnet wurde. Diese Medaille wird nur alle vier Jahre an zwei bis vier jüngere Mathematiker für wissenschaftliche Spitzenleistungen verliehen und gilt als eine Art Nobelpreis für Mathematik.

„PISA beschädigt die Bildung weltweit“ – Interview mit Prof. Wolfram Meyerhöfer

Die Situation im deutschen Bildungssystem ist alles andere als gut. Lange Zeit galten vielen die PISA-Studien als Hoffnungsschimmer am Reformhorizont. Denn sie entfalten Druck und zielen, so die Behauptung, auf mehr Qualität in Schule und Unterricht ab. Ein offener Brief internationaler Wissenschaftler nährt nun Zweifel an diesem Bild: PISA verbessere nicht, sondern beschädige die Bildung weltweit. Für die NachDenkSeiten sprach Jens Wernicke hierzu mit Prof. Wolfram Meyerhöfer, einem PISA-Kritiker der ersten Stunde.

JW: Herr Meyerhöfer, ein offener Brief mit Kritik an den PISA-Studien wandert gerade durch das Internet. Die OECD und PISA beschädigten die Bildung weltweit, heißt es darin. Und auch in Deutschland werden Unterschriften gesammelt, um diese Kritik zu unterstützen. Was halten Sie davon? Kann man nicht endlich erleichtert ausatmen und sagen: „Endlich, das wurde aber auch Zeit“…?

WM: Ja, PISA beschädigt Bildung. Ja, PISA forciert die Zerstörung des öffentlichen Bildungssystems. Ja, PISA fokussiert Schule auf dümmliches Ankreuzen statt auf die ernsthafte Auseinandersetzung mit einer Sache. Ja, … Zum Interview.

Protestantismus zwischen Bildungsreligion und kirchlichem Banaljournalismus. Von Dieter Becker

Das Thema wird ausgeführt speziell am Beispiel Veröffentlichung zu Geld, Finanzen, Vermögen der EKHN, s. dazu die Publikation der EKHN, auf die sich Dr. Dieter Becker bezieht.

Daraus hier der:

IV. Schluss
Der Versuch, Heterogenität durch funktionale Vielfaltsthesen oder Simplifizierungen„einzufangen“, erweist sich aus zwei Gründen als ein evangelisches Problem. Einerseits ist der Begriff „Vielfalt“ nichts anderes als eine Begriffsgröße von Heterogenität. Er entzieht sich eigentlich funktional planbaren Konzepten. Und das ist gut evangelisch: Denn nach dem Evangelium ist menschliche und sogar die eigene Wandlungs-Vielfalt „unendlich“. Jeder evangelischen Schublade fehlt der Boden! Menschen, ich und du, sind fragmentarisch, zerfasert und einem Ordnungsprinzip gegenüber flüchtig. Das (!) ist die Ausgangsbasis der Verkündigungsbotschaft: Die Gnade Gottes ist – nach menschlichen Ermessen – nicht begrenzbar. Andererseits besteht die Gefahr, dass der Anker „Vielfalt“ zu einem banalen Alltagswissen abgleitet. Banalismen kennzeichnen den Verlust des evangelischen Bildungsauftrags. Letztlich geht es um die Frage, ob wir Evangelium „verkündigen“ oder – lediglich – „Kommunikation des Evangeliums“ betreiben. Kommunikation ist und bleibt immer Menschenwerk. Methodisch schick und peppig zu kommunizieren – das ist letztlich menschlicher Banalismus – trotz social media, Rhetorik oder Powerpoint. Verkündigung dagegen ist der Wirkkraft des Geistes und eben nicht der menschlich-kommunikativen Machbarkeit unterworfen (man/frau lese: Augsburger Bekenntnis Abschnitt V: Vom Predigtamt!).
Somit sind Bußrufe angebracht: Verkündigt das Evangelium und hängt die Kommunikation an den Haken zu dem Hamster! Lernt wieder Bildungsjournalismus oder – für Pfarrpersonen – Verkündigung! Haltet die Welt nicht für doof banal oder facebookig! Einem evangelischen Christen sitzt ein evangelischer Geist auf den Schultern; hoffentlich. Regt Synapsen an, nicht auf! Bildet, und seid nicht bild(ungs)-banal! Also: Seid evangelisch – um Gottes willen!

Den Artikel im Hess. Pfarrerblatt 2/2014 lesen.

Risse im deutschen Bildungssystem – von Prof. Friedhelm Hengsbach

Von: Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach (Sozialethiker)

„Die international vergleichenden Pisa- und Piaac- Studien zur Leistungsfähigkeit der Bildungsabsolventen erzeugen in der politischen Öffentlichkeit immer wieder neue eruptive Erregungszustände, ohne die strukturellen Risse der deutschen Bildungslandschaft zu benennen und ursachenangemessene und zielgerichtete Reformen anzustoßen.

Im Folgenden will ich drei Risse des deutschen Bildungssystems identifizieren: Die private und öffentliche Regie der Bildungswelten liegen im Widerstreit. Die Bildungsinteressen bürgerlicher Milieus und die Bildungschancen breiter Bevölkerungsschichten weichen voneinander ab. Die Rangfolge des theoretischen Wissens und des Erfahrungswissens wird kontrovers eingestuft. Mit dem Leitbild „erweiterter Beruflichkeit“, wie es der wissenschaftliche Beraterkreis von IG Metall und verdi begründet, soll ein normativer Orientierungswechsel skizziert werden, der diese Risse entschärft.“
Zum Artikel von Prof. Friedhelm Hengsbach.

Wandel im Reformdiskurs

Immer wieder kann ein Wort über den Erfolg oder Misserfolg einer Idee entscheiden. Es fällt wesentlich leichter Soldaten mit einem robusten Mandat los statt in einen Krieg hinein zu schicken. Wir schicken lieber Rüstungsgüter zu stabilisierenden Staaten im nahem Osten statt Despoten mit Panzern zu beliefern.

In den politischen Debatten zeigt sich das ein Vokabular, aus der Wirtschaft, das viele Reformdiskurse geprägt hat nun verbrannt ist. Die Bankenkrise hat einen ganzen Reformjargon mit in den Abgrund gerissen. Ehemals überzeugende Schlagworte, wie Kapital, Wettbewerb, Exzellenz oder Verwertung haben nun einen faden Beigeschmack.

Verschiedene Lobbyorganisationen, die schon immer Reformen für ihre Klienten in den Medien und der Politik vorangetrieben haben, legen sich nun ein neues Vokabular zu.

Dieses mal versuchen sie mit neuen Buzzwords die öffentliche Meinung für ihre alten Ideen zu gewinnen. Jetzt ist es Nachhaltigkeit, Eigenständigkeit oder die Kompetenzen mit denen eine Mehrheit gefunden werden soll.

Diesen Monat beleuchten wir den Wendel im Reformdiskurs. Welche Methoden werden verwendet um Interessen zu verschleiern und die Demokratie zu unterwandern?

Den Anfang macht ein Interview mit Jochen Krautz zu den neuen Bildungsreformdebatten in den Nachdenkseiten. Hier zeigt sich exemplarisch, wie es Lobbyisten gelingt eine Debatte ohne Sachverstand neu zu besetzten. Die alten Konzepte werden mit neuen Schlagworten versehen wieder angepriesen. Alles um die Bildung aus den Fängen des Staates in die Freiheit der Wirtschaft zu führen. Wie immer gilt, wer sich diesem Fortschritt entgegen stellt, ist ein konservativer Bremser.