Schlagwort-Archive: Dr. Prof. Wilhelm Gräb

Wir brauchen keinen ökumenischen Versöhnungsschleim. Ein anderer Kirchentag 2017. Interview mit dem Theologen Prof. Wilhelm Gräb

03/2017, Religionsphilosophischer Salon

Die Fragen stellte Christian Modehn

…Man ergeht sich in innerkirchlicher Selbstbeweihräucherung, indem man die Überwindung theologischer Gegensätze feiert, die schon längst niemand mehr versteht, geschweige denn interessiert. Die kirchlichen Würdenträger auf evangelischer wie katholischer Seite zelebrieren ökumenische Verbundenheit in dem irrigen Glauben, gemeinsam könnten sie im Kampf gegen die säkulare Welt besser bestehen. Die Evangelischen sind dabei so sehr von der Angst ihrer gesellschaftlichen Marginalisierung getrieben, dass sie sogar vor Unterwerfungsgesten der nach wie vor machtvoll auftretenden Katholischen Kirche nicht zurückschrecken. Sie fahren nach Rom, nachdem der Papst sich geweigert hatte, nach Wittenberg zu kommen. Wie soll angesichts so viel theologischer Selbstverleugnung der evangelischen Kirchenführer das protestantische Prinzip noch zur Geltung kommen können? Es wird auch auf dem Kirchentag dem innerkirchlich motivierten ökumenischen Einheitswahn zum Opfer fallen….

Es ist schon so: das protestantische Prinzip verbindet sich eng mit der reformatorischen Einsicht in die Rechtfertigung allein aus Glauben, damit, dass diese in letzter Instanz Gottes und nicht des Menschen Sache ist. Aber es greift über das Kirchliche ins Politische und Gesellschaftliche hinein. Es beschreibt, was es heißt, in Politik und Gesellschaft aus der „Freiheit eines Christenmenschen“ zu leben. Aus der theologischen Lehre vom Priestertum aller Gläubigen folgen dann der demokratische Grundgedanke der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und ihr Recht auf Mitbestimmung in allen das Gemeinwesen bestimmenden Angelegenheiten.

Mehr dazu.

„Heillose Verwirrung im Verhältnis von Wissen und Glauben“: An Fakten glaubt man nicht! Gespräch mit Prof. Wilhelm Gräb über Trump und die Fundamentalisten.

25. Jan 2017, Fragen von Christian Modehn

Die neue US – amerikanische Regierung unter Trump will der Öffentlichkeit einhämmern, dass sie allein weiß, was Fakten sind… Glauben an die Machthaber soll Wissen ersetzen. Was kann der einzelne dagegen tun?

Es ist wirklich grotesk, was zurzeit im Weißen Haus in Washington geschieht. Es geht schlicht nicht, Faktenwissen zur Glaubensfrage zu erheben und dann auch noch über den richtigen Glauben durch willkürlichen Machtentscheid zu befinden. Was die Fakten sind, wie also sich etwas tatsächlich verhält oder verhalten hat, können wir wissen.

…sofern ist der Vorgang, den der neue US-amerikanische Präsident darstellt, in der Tat auch ein Resultat der heillosen Verwirrung im Verhältnis von Wissen und Glauben, den die religiösen Fundamentalisten aller Couleur seit längerem schon anstiften…

Das vollständige Interview.

Warum wir eine für die Religionen offene Theologie brauchen. Von Prof. Wilhelm Gräb

07/2016

Ein theologischer Streit in der Öffentlichkeit, eine Auseinandersetzung um die Freiheit der Theologie als Wissenschaft, wie vor 50 Jahren, initiiert von der „Bekenntnisbewegung“: Ist dergleichen heute noch vorstellbar?

Die spontane Antwort dürfte vermutlich lauten: Nein. Doch sie stimmt nicht. Sie stimmt nicht wegen des islamistischen Terrors und nicht wegen eines christlichen Fundamentalismus. Doch dazu später. Zunächst: Binnentheologische Auseinandersetzungen interessieren in der Öffentlichkeit in der Tat nicht. Aber sobald es um Religion und Ethik, Religion und Kultur geht, um die Frage letztlich, wie wir eigentlich leben wollen, sind wir mitten in höchst lebhaften theologischen Diskursen…  Zum Artikel.

Braucht das Christentum ein Opfer? Ein Diskurs über das Fremde im eigenen Glauben. Mit Prof. Hans-Martin Gutmann und Prof. Wilhelm Gräb.

Ein Diskurs über das Fremde im eigenen Glauben
Im Rahmen der Evangelischen Akademiewoche 2014

Der Gedanke des Opfertodes Christi ist vielen Menschen ein Ärgernis.
Christus starb für unsere Sünden, heißt es in der Liturgie zum Abendmahl.
Anders formuliert: Unser Heil wurde durch eine Gewalttat erworben.
Widerspricht das nicht der Liebe Gottes? Wie ist Christi Opfer zu verstehen?
Als Sühnopfer für unsere Schuld, als Hingabe seines Lebens oder
als Akt der Versöhnung der Menschen mit Gott?

Daraus hier wenige Auschnitte:

Prof. Hans-Martin Gutmann: Überlegungen zum „Opfer“

… In den Erzählungen von Jesu Leben, seiner Kreuzigung und der von seinen Freund/innen erfahrenen Auferstehung wird der traditionelle Gewaltopfer-Mythos vom rettenden Tod des schuldigen Opfers anders erzählt, umerzählt und verwandelt. Nicht die Tötung steht im Zentrum dieser Erzählung, sondern das Dabei – Bleiben Gottes in der Situation des Schreckens und die Lebenshingabe Jesu an seine Freundinnen und Freunde: …

Dies schließt nicht nur liturgische, sondern auch politische Konsequenzen ein: Widerspruch gegen Strukturen des Opfern -Müssens, wo immer heute ihre zerstörerische Macht aufscheint – in lebensgeschichtlichen und kommunikativen Mustern, in ökonomischen Konstellationen, in politischen und zivilreligiösen Mythen.
In scharfer Auseinandersetzung mit der vom Klerus der Kirche geförderten do-ut-des Mentalität entwickeln die Reformatoren, insbesondere Luther, eine Theologie des radikalen Umsonst…

Wilhelm Gräb: Braucht das Christentum ein Opfer?
(Thesen zum Gespräch mit Hans-Martin Gutmann)

1. Das Christentum braucht keine Opfer, wenn es sich von dem Menschen Jesus her versteht, dem Menschen, der mit Gott vollkommen in Liebe verbundenen war.
2. Gott hat nicht den Tod Jesu am Kreuz verlangt, um der die gesamte Schöpfung und alle Menschen liebende Gott sein zu können.
3. Es ist überhaupt nicht Gottes Wille, dass Opfer gebracht werden müssen. Gott will weder, dass Menschen gewaltsam zu Opfern werden, noch dass sie sie meinen, sich um anderer willen selbst opfern zu müssen.

Die vollständigen Beiträge.

 Vgl. zum Thema Sühnetodvorstellungen auch die Ausführungen bei Pfr. Günter Unger/München in seinem Buch „Das Glaubensbekenntnis“. Die Rezension finden Sie hier.