6. Juni 2014, von Andreas Reinhold
Nun ist es auch in der EKiR soweit: An den Start geht eine „Initiative zur Stärkung der Ortsgemeinden, zur Wahrung der presbyterial-synodalen Ordnung, gegen Zentralisierung, Hierarchisierung und Monetarisierung in der Evangelischen Kirche im Rheinland“. Hinter dem etwas gestelzten Namen verbirgt sich das Anliegen, „der zurzeit vorherrschenden TopDown-Strategie ein basisorientiertes Denken und Handeln entgegensetzen und damit die Vielfalt und Eigenständigkeit der Gemeinden (zu) stärken.“ Insbesondere wenden sich die Initiatoren „gegen eine weitere Kompetenzverlagerung von den Presbyterien zu den übergemeindlichen Ebenen und gegen eine finanzorientierte Bewertung kirchlicher Arbeitsfelder“. Zum Mitmachen eingeladen sind alle, „die durch den Reformprozess in der Evangelischen Kirche im Rheinland und seine Auswirkungen auf ihre presbyterial-synodale Ordnung mit Sorge erfüllt sind.“ Weitere Informationen entweder auf der Website oder bei FaceBook:
KirchenBunt im Rheinland – Erklärung
„Die Gemeinde steht im Mittelpunkt. Sie ist der Ort, wo Menschen Glaube erleben. Bei allen Diskussionen, welche Strukturen wir in Zukunft benötigen, müssen wir fragen, wie diese der Gemeinde dienen ….“ (Manfred Rekowski – Präses der Ev. Kirche im Rheinland)
Worum es geht
Seit 2005 ist die Ev. Kirche im Rheinland einem Umbauprozess ausgesetzt, der den Wesenskern unserer Kirchenverfassung berührt. Entscheidungsprozesse werden von Kirchenleitung und Landessynode vorangetrieben und gegenüber Kirchenkreisen und Gemeinden durchgesetzt. Es fand und findet eine Verkehrung dessen statt, was eine presbyterial-synodale Kirchenverfassung ausmacht.
Begründet werden die Umbaumaßnahmen mit der Perspektive dauerhaft sinkender Einnahmen. Tatsächlich binden Organisation und Verwaltung jedoch immer mehr finanzielle Ressourcen, wohingegen die Mittel für die Arbeit mit Menschen drastisch reduziert werden. Verschärft wird diese ungesunde Entwicklung durch den 2013 von der Kirchenleitung initiierten Sparkurs.
Wir setzen uns ein für eine „Kirche auf Gemeindebasis“. Wir stehen damit auf dem Boden unserer Kirchenverfassung und beziehen uns besonders auf die Grundartikel der Kirchenordnung sowie die Barmer Theologische Erklärung.
1. Kirche aus dem Wort
Die beiden ersten Thesen der Barmer Theologischen Erklärung machen deutlich: es gibt keinen Lebensbereich und auch kein kirchliches Handlungsfeld, dass von einer Orientierung an Jesus Christus als dem einen Wort Gottes suspendiert ist. „Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen“ (aus Barmen II).
Wir beklagen, dass zentrale Umbauprojekte ohne erkennbare theologische Reflektion durchgeführt werden. Das Neue kirchliche Finanzwesen(NKF) oder die Verwaltungsstrukturreform folgen vielmehr Modellen aus dem säkularen Umfeld der Kirche. Wie die Kirche mit ihrem Geld umgeht und welche Prioritäten beim Mitteleinsatz gesetzt werden, sind zu allererst theologische Fragen, denen man sich bisher weitgehend entzogen hat.
Wir setzen uns eine für eine Kirche, in der Theologie wieder eine handlungsleitende Funktion einnimmt – und zwar auch in Fragen des Umgangs mit ihren finanziellen Ressourcen sowie ihrer Organisation und Verwaltung.
2. Kirche auf Gemeindebasis
Bereits die ersten Sätze der Kirchenordnung der Ev. Kirche im Rheinland machen deutlich: Basis der Kirche ist die Gemeinde, die eigenverantwortlich ihre Aufgaben im Dienst des Evangeliums für die Menschen wahrnimmt und organisiert. Die dritte These der Barmer Theologischen Erklärung definiert Kirche als „Gemeinde“, „in der Jesus Christus in Wort und Sakrament gegenwärtig handelt“.
Wir beklagen die im Widerspruch zur Barmer Theologischen Erklärung und zur rheinischen Kirchenverfassung stehende Hierarchisierung unserer Kirche, durch die die Eigenverantwortlichkeit von Gemeinden sowie von Kirchenkreisen und Einrichtungen immer mehr zurückgedrängt wird.
Das Handeln Jesu in Wort und Sakrament ist kommunikatives Geschehen, das Menschen in eine verbindliche Beziehung zueinander führt. Wir setzen uns ein für eine Kirche, in der die Gemeinde als „Grundstruktur gelebten Christseins“ wahrgenommen und gestärkt wird.
3. Kirche für Menschen
Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus verlangt nach einer Kirche, die sich mit ihrer Botschaft und ihrer strukturellen Ausrichtung entschieden den Menschen zuwendet. Mit ihrer Verkündigung, ihrer Seelsorge, ihrer Bildungsarbeit, ihrem diakonischen Wirken und dem prophetischen Wort dient sie den Menschen in ihrem Wirkungsbereich.
Unsere Kirche denkt und handelt zunehmend unter der Herrschaft des Geldes. Wir beklagen einen Prozess der Ökonomisierung, durch den strategische Entscheidungen immer mehr mit Finanzgrößen und Finanzprognostik begründet werden, wohingegen die Bedürfnisse, Nöte und Erwartungen der Menschen im Wirkungsbereich der Kirche in den Hintergrund treten. Diese Fiskalisierung im Denken und Handeln, die Glaube, Hoffnung und Liebe marginalisiert, widerspricht der biblischen Botschaft.
Wir setzen uns ein für eine Kirche für die Menschen. Kirchenleitendes Handeln darf nicht vorrangig am Geld, sondern muss an den Menschen im Wirkungsbereich der Kirche orientiert sein.
4. Kirche in Freiheit
Die vierte These der Barmer Theologischen Erklärung ist eine entschiedene Absage an hierarchische Strukturen und Top-Down-Strategien: „Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes.“ Die Gemeinde als Ganzes ist Subjekt kirchlicher Willensbildung und kirchlichen Handelns.
Wir beklagen, dass Kirche vor Ort immer mehr zum Objekt der Entscheidungen übergeordneter Leitungsgremien geworden ist, die einhergehen mit der Absicht der zentralen Steuerung wichtiger Prozesse. Dieser Umbau der Kirche führt bis heute zu Nötigungen, die die theologische Identität von Gemeindegliedern schwer verletzen und sich schädigend auf Gemeinden und Einrichtungen auswirken.
Wir setzen uns ein für eine Kirche der strukturellen Vielfalt, die den Weg ebnet für Eigenverantwortung und Kreativität. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine strukturell flexible und vielfältige Kirche den Anforderungen unserer Zeit wie der Grundausrichtung unserer Kirchenverfassung entspricht.
5. Kirche in Solidarität
„Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“ (1. Petrus 4,10)
Jesus Christus spricht: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40)
Die Kirche Jesu Christi ist Kirche für die Menschen und steht in Solidarität mit allen Bedrängten, Marginalisierten und Notleidenden.
Wir beklagen, dass unsere Kirche durch bis heute anhaltende Umbau- und Sparprozesse zahlreiche Menschen in materielle und psychische Not gebracht hat. Darüber hinaus wird die sozial-diakonische Arbeit von Kirchenkreisen und Gemeinden geschwächt.
Wir setzen uns ein für eine Kirche, die sozialverantwortlich mit ihren Beschäftigten umgeht, ihre bleibende und verbindliche Verantwortung für diese wahrnimmt und damit ihre sozialethische Botschaft in Parteinahme für die Armen nach außen verstärkt.
Was ist zu tun?
Jedes Leitungsgremium und jeder einzelne Christ und jede Christin habe das Recht und die Pflicht, Beschlüsse von Synoden und Rechtsetzungen der Kirche anhand des Bibelwortes, der Bekenntnisse sowie der Verfassung unserer Kirche zu überprüfen und ihrem Gewissen folgend zu entscheiden, ob sie dem folgen können oder nicht.
Wir fordern ein Innehalten bei der Umsetzung des Neuen Kirchlichen Finanzwesens und der Verwaltungsstrukturreform. Beide Projekte werfen theologische Fragen auf, die bisher nicht in Ansätzen geklärt sind. Beide Projekte stehen in Spannung, wenn nicht im Widerspruch zu zentralen Elementen der rheinischen Kirchenverfassung.
Wir fordern einen ergebnisoffenen Diskurs über die Zukunft der rheinischen Kirche, der sich ebenenübergreifend um Einmütigkeit bemüht.