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Versuchen, den Bestand zu halten. Interview mit Prof. Detlef Pollack über die zunehmende Konfessionslosigkeit und wie die Kirchen darauf reagieren sollten

09/2016, Zeitzeichen

Gespräch mit dem Münsteraner Religionssoziologen Detlef Pollack über die zunehmende Konfessionslosigkeit und wie die Kirchen darauf reagieren sollten

DETLEF POLLACK: Davon bin ich überzeugt. Wir haben ja sehr gute Studien zur Entwicklung der Kirchenmitgliedschaft in den vergangenen 40 Jahren. Und die Vorstellung ist falsch, der Austritt von distanzierten Mitgliedern würde für die Kirche einen Reinigungsprozess bedeuten, der nur diejenigen übrig lässt, die viel mit dem Glauben anfangen können und ihn intensiver leben wollen. …
DETLEF POLLACK: Ja. Ich habe manchmal das Gefühl, dass Kirchenleute aus einer gewissen theologischen Überheblichkeit heraus meinen, dass eigentlich alle Menschen religiös sind, und die Kirche sie nur noch entdecken muss. Und dann bemüht man sich eher um die, die nicht oder nicht mehr zur Kirche gehören, statt um die Mitglieder…

Wenn die Christen in Deutschland eine Minderheit werden, ist das zu ihrem Vorteil oder Nachteil?

DETLEF POLLACK: Das ist ein Nachteil. Der Glaube ist ja etwas sehr Unanschauliches und bedarf daher immer wieder der Bestätigung durch andere. Das heißt, der Einzelne ist stärker im Glauben, wenn er mit Menschen zusammenlebt, die eine ähnliche Überzeugung vertreten…

Das vollständige Interview.

Zwischen Entdifferenzierung und Selbstimmunisierung. Eine kritische Analyse der fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung.

Von Georg Raatz, Dt. Pfarrerblatt 10/2014

Läutet die 5. Kirchenmitgliedschaftsstudie das Ende des »liberalen Paradigmas« ein, demzufolge neben der kirchlichen auch eine außerkirchliche Religiosität innerhalb der Volkskirche ausgemacht werden kann? Oder verschwindet jenseits von erklärter Kirchenbindung alles im Nebel »religiöser Indifferenz«? Oder immunisiert sich hier ein eng gefasstes Verständnis von Kirche gegen die Kritik aus den eigenen Reihen? Georg Raatz hegt Zweifel an der »offiziellen« Deutung der Ergebnisse der Studie... Zum Artikel.

Der persönliche Kontakt zum Pfarrer/ zur Pfarrerin steht in engem Zusammenhang mit der Kirchenbindung. Zur neuen Mitgliedschaftsstudie der EKD.

Am Donnerstag (06.03.2014) hat die EKD in Berlin die 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung veröffentlicht, die sich auf Daten aus dem Jahr 2012 bezieht. Demnach schwindet die Bindungskraft der evangelischen Kirche stetig.

Daneben förderte die Studie zahlreiche Details über das kirchliche Leben und ihre Mitglieder zutage. Eine Auswahl:

Mehr als drei Viertel der evangelischen Kirchenmitglieder kennen mindestens einen Pfarrer namentlich oder vom Sehen. Dieser persönliche Kontakt steht in engem Zusammenhang mit der Kirchenbindung.

13 Prozent der Protestanten sind sehr aktiv in der Kirche: Sie gehen mindestens einmal im Monat in einen Gottesdienst, haben persönlichen Kontakt zu einem Pfarrer und wirken ehrenamtlich am kirchlichen Leben mit.

Als religiöse Themen werden vor allem ethische Fragen rund um den Tod und den Sinn des Lebens angesehen. Werte wie Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden rangieren deutlich dahinter.

Gespräche über religiöse Themen erfolgen meist in der Familie und im Freundeskreis.

Für den Austausch über religiöse Themen hat das Internet kaum Bedeutung.

Tageszeitungen und Kirchengemeindebriefe dienen mit Abstand am häufigsten als Informationsquelle über Kirche und kirchliche Themen. Als Informationsquelle über Kirche und religiöse Themen spielen auch die
Kirchengebietszeitungen, gerade für ältere Menschen, eine wichtige Rolle.

Distanz zu Kirche und Religion ist eher ein Grund zum Kirchenaustritt als der Wunsch, Kirchensteuer zu sparen.

Das diakonische Wirken der Kirche findet große Anerkennung, auch bei Konfessionslosen.

Evangelische Kirchenmitglieder sind mit ihrer Lebenssituation im Schnitt zufriedener als Konfessionslose.

Frauen engagieren sich etwas, aber nicht übermäßig häufiger in der evangelischen Kirche. Ein Zusammenhang von Bildung und Einkommen mit kirchlichem Engagement ist nicht erkennbar. epd

(Seit 1972 nimmt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihre Mitglieder alle zehn Jahren mittels einer groß angelegten Studie unter die Lupe.)

Mehr dazu.

Die FAZ schreibt:

Ebenso wird die Kirche nicht als Großorganisation, Landeskirche oder Dekanat wahrgenommen, sondern als Ortsgemeinde, vertreten vor allem und mit überragender Bedeutung durch ihre Pfarrer und wahrgenommen insbesondere bei den sogenannten Kasualien wie Taufe, Trauung und Bestattung. Auch schon in losem Kontakt mit einem Pastor zu stehen, kommt statistisch beinahe einem Garantieschein gleich, dass die betreffende Person in der Kirche bleibt und ihre Kinder taufen lässt.

Die SZ titelt am 06.03.14: „Die Kirche verliert ihre Mitte“

„Nahezu vollständige Gleichgültigkeit“
„Es gibt eine Tendenz zur stärkeren Polarisierung, die Mitte schmilzt ab“, sagte Oberkirchenrat Konrad Merzyn, der für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Studie betreut hat, bei der Vorstellung der Untersuchung in Berlin. Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der EKD, erklärte: „Wir müssen ganz nüchtern konstatieren, dass es eine zunehmende Indifferenz bei Kirchenmitgliedern gibt.“ Er wies aber auch darauf hin, dass drei von vier Mitgliedern nicht daran dächten, die Kirche zu verlassen. Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung sagte, Mitglied einer Kirche zu sein werde zunehmend zur Frage „eines klaren Ja oder Nein“. Die Kirchenfernen suchten nicht die kontroverse Abgrenzung, es gebe „nahezu vollständige Gleichgültigkeit“. ZUm Artikel.