Hans Otto Rößer
Vergessener Widerstand
Carl von Ossietzky und all die »vergessenen« und vergessen gemachten Deutschen, ihre Einsichten und Kritik, ihre Vorschläge und Ideen sind in den Diskurs über die Ursachen und Folgen des Ersten Weltkrieges sowie des Dritten Reiches einzubeziehen. Ihr Wirken für ein von militaristischen und nationalistischen Kräften und Politik-Konzepten befreites Deutschland, ihr republikanisch-pazifistisches Engagement für den Aufbau einer sozial gerechten Republik, für eine Aussöhnung mit Frankreich und Polen sowie für ein vereintes Europa auf der Basis der durch den Ersten Weltkrieg geschaffenen Realitäten stellt ein wichtiges Erbe dar. Es spricht für eine Traditionspflege, die all jene als Vorbilder in Erinnerung ruft und als identitätsbildend begreift, die vor und nach 1933 in Deutschland dem Nationalismus, Militarismus und Nationalsozialismus widerstanden, sich der blutigen Gefolgschaft als Pazifisten, Antimilitaristen, »Wehrkraftzersetzer«, Kriegsverräter oder Deserteure versagt und, als einzelne, Verfolgte gerettet oder ihnen geholfen haben. Statt Clark und Münkler im Schloß Bellevue zu hofieren, sollte der Bundespräsident anläßlich des 125. Geburtstages Carl von Ossietzky und mit ihm all die »vergessenen« Pazifisten würdigen. Ehre, wem Ehre gebührt!«
Helmut Donat
Herfried Münkler gilt als Geschichtsrevisionist, der die unter anderem von Fritz Fischer gut begründete Erkenntnis von der Hauptverantwortung deutscher Machteliten an der Entfesselung des Ersten Weltkriegs aus den Köpfen der Menschen verbannen will. Im Duett mit seinem Bruder im Geiste, Christopher Clark, übernimmt er gern die Rolle des Spaßmachers und schlüpft in die Maske eines »marxistischen Imperialismustheoretikers«. Dieser würde doch mit seiner Marotte, »den Imperialismus der europäischen Mächte als Kriegsursache« herauszustellen, die Verantwortung am Krieg immer schon »allen damaligen Akteuren zu gleichen Teilen« zuweisen. Im Abendprogramm für die Erwachsenen werden Münklers Scherze auch schon einmal deftiger. So gehöre zwar der Eindruck der deutschen Invasionstruppen in Belgien, sie würden dauernd von zivilen Heckenschützen aus dem Hinterhalt beschossen, zu den »Phantasien verunsicherter Soldaten«, die das häufige nächtliche friendly fire nicht richtig einordnen konnten. An den daraufhin erfolgten massenhaften Geiselerschießungen und Angriffen auf Zivilisten trügen aber die Belgier deshalb eine Mitschuld, weil sie es versäumt hatten, ihre Garde civique in ordentliche, das heißt genügend militärisch ausschauende Uniformen zu stecken… Zum Artikel