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„Brauchbare Illegalität“ – Über das Verschwinden der Moral aus Wissenschaft und Wirtschaft

27. November 2015, von Götz Eisenberg

Die Sendung Kulturzeit des Senders 3sat befragte am 3. November 2015 den Bielefelder Organisationssoziologen Stefan Kühl zu den Korruptionsskandalen der letzten Zeit. Seine Antworten haben Götz Eisenberg[*] zu einem Kommentar veranlasst.

Die Moderatorin fragt Herrn Kühl, was seine Wissenschaft zu den Vorwürfen gegen den DFB und gegen den Volkswagenkonzern, die Weltmeisterschaft im eigenen Land gekauft beziehungsweise die Abgaswerte manipuliert zu haben, zu sagen habe. Regelverstöße, sagt Herr Kühl seien in Firmen und Organisationen normal und nötig, „um flexibel auf Marktanforderungen reagieren zu können“. Unternehmen seien so gesehen „professionelle Heuchler“. Kühl nennt diese Verhaltensweisen im Anschluss an seinen Lehrmeister  „Niklas Luhmann „brauchbare Illegalität“. Diese garantiere wirtschaftlichen Erfolg, und keine Firma oder Organisation könne auf solche Praktiken verzichten.

Man findet Psychopathen in Spitzenpositionen von Gesellschaft, Industrie und Banken. „Gerade moderne Unternehmen mit ihren sich rasch wandelnden Strukturen stellen den idealen Nährboden für psychopathische Aufsteiger dar“, schreibt der britische Psychologe Kevin Dutton….

Was für ein Begriff: „brauchbare Illegalität“? Er unterstellt das Recht der Brauchbarkeit und Nützlichkeit. Die Erfüllung von Normforderungen wird auf jenes Minimum reduziert, das einen gerade noch vor strafrechtlicher Verfolgung schützt. Kant würde sich angesichts solcher Thesen im Grabe herumdrehen. In seinem Denken war es so: Wenn die Menschen mit dem Sittengesetz und seinem kategorischen Imperativ nichts anfangen können, wenn ihr alltägliches Handeln mit dem Sittengesetz wenig zu tun hat, dann spricht das gegen das, was sie tun, nicht gegen das, was geschehen sollte. Es ist nicht das Sittengesetz, das es zu ändern gilt…

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Zu Kants Schrift „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ Rundfunkbeitrag von von Prof. Mathias Burchardt

Zu den Schlüsseldokumenten unserer Kultur gehört Kants  Schrift: „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ von Mathias Burchardt, Universität Köln.
Der Eingangssatz wird vielen geläufig sein: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“– einer Unmündigkeit, die aus Faulheit oder Feigheit resultiert. Wer die Anstrengung des eigenen Urteilens auf sich nimmt und die Furcht vor Repression durch Vorgesetzte oder den Opportunitätsdruck der Mehrheitsmeinung hinter sich lässt, ist in der Lage, Propaganda zu durchschauen und in der Abwägung von Argumenten besonnene politische Entscheidungen zu treffen. Exponierte Orte, die eigene Urteilkraft zu üben und seine Feigheit durch Persönlichkeitsbildung zu überwinden, sind Schulen und Universitäten. Bildung ist in dieser Hinsicht das Lebenselixier des demokratischen Staates… Besinnen wir uns lieber auf die Fundamente der demokratischen Kultur und reklamieren eine Reformpolitik, die Vernunft und Freiheit der Bürger nicht als potentiellen Widerstand neutralisiert, sondern zu ihrem einzig legitimen Ausgangspunkt nimmt. Beitrag in SWR II von Mathias Burchardt.