Schlagwort-Archive: Initiative für ein gerechtes Kirchenrecht

Reform des Kirchenrechts unter Beachtung staatlicher Grundrechte dringend erforderlich. Offenes Schreiben der INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht in der Ev. Kirche in Hessen und Nassau an Präses Rekowski, EKiR

06/2015

Sehr geehrter Herr Präses Rekowski,
aufgrund zahlreicher Hinweise sind wir im Internet auf Ihr Schreiben vom Mai 2015 aufmerksam geworden, in dem Sie sich im Auftrag Ihrer Kirchenleitung bei Ihren lieben Brüdern und Schwestern für die “missliche Geschichte der Personalpolitik für den Pfarrdienst“ entschuldigen. Ein solches Entschuldigungs-Schreiben ist sehr zu begrüßen, ebenso die darin angekündigten Änderungen und Verbesserungen. Gleichwohl kann dies nur als ein 1. Schritt verstanden werden.

In diesem Zusammenhang möchten wir an das heftig umstrittene Urteil der Verwaltungskammer der Evangelischen Kirche im Rheinland erinnern, in dem diese behauptet hat, “die Kirche sei nicht durch die Grundrechte gebunden“ (VK 16/2006 vom 17.08.2007). Da das Bundesverfassungsgericht diese falsche Behauptung unreflektiert übernommen hat, dient dieser missglückte Vorgang seither den Gliedkirchen der EKD als Grundlage für ihre Rechtsprechung.

Mit dem anliegenden Schreiben unserer INITIATIVE haben wir den jetzigen Ratsvorsitzenden der EKD auf diese unhaltbare Situation aufmerksam gemacht und zugleich darum gebeten, sich für die Abschaffung der Paragrafen zum sogenannten “Ungedeihlichen Wirken“ im Pfarrdienstrecht  einzusetzen. Unter Berufung auf diese Rechtsnorm ist sowohl in Ihrer Kirche als auch in anderen Landeskirchen viel Unheil angerichtet worden. Zahlreichen Pfarrern und Pfarrerinnen wurde völlig zu Unrecht die berufliche Existenz zerstört. Beabsichtigt Ihre Kirche, sich auch bei diesen Opfern zu entschuldigen und sie irgendwie zu entschädigen? Ebenso wichtig ist, dass dieser Teufelskreis durch einen christlichen Umgangsstil durchbrochen wird, damit nicht erneut Unrecht geschieht.

Wir wären Ihnen dankbar, wenn auch Sie sich für eine Reform des Kirchenrechts einsetzen wür-
den, insbesondere für die Abschaffung der erwähnten Paragrafen im Pfarrdienstgesetz, ferner für die Klarstellung, dass die staatlichen Grundrechte auch für die Kirche gelten. Da letztere auf der biblischen Botschaft fußen, sollte dies ein Herzensanliegen aller kirchlichen Repräsentanten sein.
Mit freundlichen Grüßen

INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht in der EKHN
gez. Gabriele von Altrock
gez. Dorothea Maier

INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht: Reform des Kirchenrechts unter Beachtung staatlicher Grundrechte dringend erforderlich.

05/2015

Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender Dr. Bedford-Strohm,

mit Freude haben wir der Presse entnommen, dass Sie sich für die Einhaltung der Menschenrechte ausgesprochen haben. 1) Schon wegen der christlichen Wurzeln sollten wir Christen nicht müde werden, uns für die Grund- und Menschenrechte einzusetzen, die unsere staatliche Verfassung garantiert. Erfreulich ist ferner, dass die EKD ein Referat für “Grund- und Menschenrechte, Europarecht“ ausweist und deren Einhaltung immer wieder anmahnt.
Es dürfte jedoch Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein, dass in der kirchlichen Rechtspraxis die staatlichen Grundrechte z.T. missachtet und sogar abgelehnt werden. So hat z.B. die Evangelische Kirche im Rheinland in einem Urteil behauptet, die Kirche sei nicht durch die Grundrechte gebunden. 2) Gegen dieses Urteil ist beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Einspruch erhoben worden. Obwohl das Gericht die Beschwerde wegen fehlender Zulassungsvoraussetzungen nicht angenommen hat und die Richter sich mit dem Inhalt offenbar auch nur fiktiv befasst hatten, haben sie in ihrer ablehnenden Begründung die falschen Argumente der Kirche unreflektiert übernommen. 3) Dieser Beschluss des BVerfG ist von Juristen, Richtern und anderen Fachleuten zu Recht heftig kritisiert worden. Dennoch hat die EKD-Synode diesen missglückten Vorgang im Rahmen der Neuordnung des Pfarrdienstrechts zu einem Musterbeispiel für die Rechtsprechung ihrer Gliedkirchen erhoben…


Ein großes Ärgernis ist z.B. die teilweise schlechte Ausgestaltung des Pfarrdienstrechts, insbesondere die Paragrafen zum sogenannten “Ungedeihlichen Wirken“. 4) Danach genügt es, wenn z.B. ein Kirchenvorstand (Presbyterium) seinem Pfarrer kurzerhand das Vertrauen entzieht – völlig zu Unrecht und ohne jede Begründung!…    INI-Ki-Recht_EKD-Ratsvors_Grundre-PfDG_2015-05

Ev. Kirche missachtet Grundwerte. Brief der ‚Initiative für ein gerechtes Kirchenrecht‘ an die EKD.

Sehr geehrter Herr Dr. Thiele,

in Ihrem Schreiben vom 12.08.2014 bringen Sie zum Ausdruck, dass unsere Darstellung kirchenrechtlicher Defizite vom 04.04.2014 nichts enthalte, was nicht schon früher Gegenstand von Briefwechseln gewesen wäre. Das ist ja gerade das Dilemma, dass in der EKD und ihren Gliedkirchen sich niemand verpflichtet fühlt, folgenschwere Fehlentwicklungen in der innerkirchlichen Legislative, Exekutive und Judikative zu korrigieren.

Seit vielen Jahren beschweren sich Kirchenmitglieder über unchristliche und rechtswidrige Machenschaften in der Ev. Kirche. Sie tun dies mit Briefen an ihre regionalen Kirchenleitungen und an die EKD-Leitungsgremien; sie demonstrieren, verfassen Bücher, melden sich in Zeitschriften, in der Presse und im Internet zu Wort. Bisher vergeblich! Lange vor Inkrafttreten des neuen Pfarrdienstgesetzes gab es in der EKHN, aber auch in anderen Landeskirchen, vergleichbare Regelungen zu den §§ 79 und 80 PfDG-EKD (“Nachhaltige Störung in der Wahrnehmung des Dienstes“). 2) So hatten wir und andere Initiativen, Veereine, Rechtsanwälte, Richter, Theologen usw. in über 20 Jahren reichlich Gelegenheit, die Auswirkungen dieser Rechtsnormen bundesweit zu beobachten. Das Ergebnis ist erschütternd. Doch offensichtlich will das niemand zur Kenntnis nehmen, – nicht einmal, wenn Gemeinden darüber zerbrechen und viele engagierte Gemeindeglieder frustriert die Kirche verlassen.
…  INI-Ki-Recht_EKD-Kirchenamt-Grundw_2014-11

„Praxiswerkstatt“ der Kirchenjuristen zum Pfarrdienstgesetz der EKD (§ 79ff) in Pullach vom 19. bis 22. Mai 2014

9. Mai 2014  D.A.V.I.D. gegen Mobbing in der evangelischen Kirche e.V.

Die §§ 79ff des Pfarrdienstgesetzes der EKD laden ein zu Missbrauch und willkürlicher Anwendung

Sehr geehrter Herr Oberkirchenrat Frehrking!

Im Internet sind wir, der Verein „D.A.V.I.D. gegen Mobbing in der ev. Kirche“, auf Ihre Einladung zu einer „Praxiswerkstatt“ zum Pfarrdienstrecht der EKD in Pullach vom 19. bis 22. Mai 2014 gestoßen. Diese Einladung richtet sich an „Anwender des Pfarrdienstgesetzes der EKD, Kirchenjuristinnen und Kirchenjuristen aus dem Bereich des Dienstrechts, theologisch Mitarbeitende aus den Personaldezernaten der Landeskirchenämter“, also einen höchst bedeutsamen Kreis, wenn es um die Umsetzungen der Paragraphen in die kirchliche Praxis geht. Allerdings verwundert uns Ihre Bemerkung, dass „die kirchenpolitische Diskussion um einzelne Regelungen“ nunmehr „abgekühlt“ sei und es daher jetzt darauf ankomme, „zu den neuen Bestimmungen eine EKD-weit möglichst einheitliche Verwaltungspraxis zu entwickeln“.

Wir nehmen eher das Gegenteil wahr und möchten Sie, die Tagungsleitung, aber auch die anreisenden Tagungsteilnehmer und –teilnehmerinnen sowie weitere Adressaten auf kritische Stimmen hinweisen, die bis heute nicht verstummt sind. Dabei geht es uns vornehmlich um die Paragraphenfolge 79 (2) 5; 80 (1); 83 (2); 84; 92 (2) und die willkürliche Anwendung, zu der diese Paragraphen die Möglichkeit geben.

I Kritische Stimmen:

Als erstes nennen wir den Aufruf von Frau Professorin Dr. Gisela Kittel, den der Verein „D.A.V.I.D. gegen Mobbing“ im Frühjahr 2012 an alle Theologischen Fakultäten und viele theologische Fachschaften versandt hat. Er trägt den Titel „Wie Bewährung im Pfarramt heute gemessen wird. Ein Appell an die Theologischen Fakultäten – eine Warnung an alle Studierenden der Evangelischen Theologie, sofern sie sich auf das Pfarramt vorbereiten“. Abgedruckt in der Home-Page unseres Vereins (www.david-gegen-mobbing.de) unter der Rubrik „Aktionen von David“. (Anlage 11)
Außerdem wurden von unserem Verein das Bundesjustizministerium und die einzelnen Justizministerien der Länder angeschrieben mit Hinweisen darauf, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung der evangelischen Kirchen den übergeordneten heutigen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und den unveräußerlichen Grundrechten widersprechen. (Anlage 2: Schreiben an das Bundesministerium der Justiz, z.Hd. Frau Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberg, vom 28. Februar 2012, nebst Anhang „Vier Vorwürfe an Gesetzgebung und Rechtsprechung der evangelischen Kirchen“)
In die gleiche Richtung zielte und zielt auch eine „Initiative für ein gerechtes Kirchenrecht in der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“. Angeschrieben wurden von dieser Initiative der Ratsvorsitzende Dr. Nikolaus Schneider am 16. November 2012 und das Präsidium der Synode der EKD, z.Hd. des früheren Präses Dr. Günther Beckstein, am 1. Juni 2013. Ihre sorgfältig ausgearbeiteten und mit Dokumenten belegten Argumentationen hat die Initiative jetzt noch einmal zusammengefasst und Anfang April 2014 unter der Überschrift: „Die evangelische Kirche missachtet rechtsstaatliche und innerkirchliche Grundwerte“ der neuen Präses der Synode, Frau Dr. Irmgard Schwaetzer, zugesandt.
In Württemberg hat die „Interessengemeinschaft Rechtsschutz für Pfarrerinnen und Pfarrer und Gewaltenteilung in der Kirche“ in jüngster Zeit mehrere Beiträge in ihre Home-Page (www.igrechtinderkirche.de) gestellt, in denen die Frage nach der Geltung der Grundrechte auch für Pfarrpersonen deutlich artikuliert wird.
Weiter: Anlässlich der Berufung des früheren Verfassungsrichters Udo di Fabio zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats für das Lutherjahr 2017 hat sich Frau Professorin Dr. Gisela Kittel noch einmal zu Wort gemeldet und ihre Kritik an den Widersprüchen und befremdlichen theologischen Implikationen des Verfassungsurteils aus dem Jahr 2008 (Teil II, Abschnitt 2) wiederholt. Einer der drei Richter war damals Herr Udo di Fabio. (Anlage 3. Erscheint Mitte Mai im DtPfBl)
Zuletzt hat sich in diesen Tagen der Pastoralpsychologe und Pfarrer Dr. Traugott Schall zu Wort gemeldet und das Vorkommen der psychologischen und in keiner Weise justitiablen Begriffe „Vertrauen“ (bzw. Vertrauensentzug) und „Zerrüttung“ in einem kirchlichen Gesetzestext ins Visier genommen und deren Interpretation durch Juristen deutlich hinterfragt. Der Titel: „Ade, Freiheit der Verkündigung und Seelsorge“. (Anlage 4. Erscheint vermutlich im Oktober im DtPfBl)
Dies, Herr Oberkirchenrat Frehrking, ist nur ein Ausschnitt aus der kritischen Auseinandersetzung mit dem Pfarrdienstgesetz, die noch immer anhält. Befeuert wird diese Diskussion immer wieder neu durch Erfahrungen, wie dieses Gesetz in der Praxis angewendet wird und welch unheilvolle Folgen es  nicht nur für die betroffenen Pfarrpersonen, sondern auch für die Gemeinden hat, die das Wegmobben ihrer Pfarrer erleben. In vielen Fällen wird überhaupt erst durch die kirchenamtlichen Maßnahmen ein Konflikt in Gemeinden hineingetragen, in jedem Fall aber werden mögliche bestehende Konflikte durch sie nur noch verstärkt.
II Einladung zu willkürlicher Anwendung
Aufgezählt seien hier unsere Kritikpunkte, die sich durch Wahrnehmung und Begleitung zahlreicher Abberufungsverfahren ergeben und immer mehr verdichtet haben.
1. Es handelt sich bei den Abberufungen nach § 79 (2)5 und § 80 (1) nicht nur um „Versetzungen“ in andere gleichwertige Stellen. Nach §§ 83 (2); 84; 92 (2) werden Pfarrerinnen und Pfarrer in den Wartestand versetzt, „wenn eine Versetzung in eine andere Stelle nicht durchführbar ist“. Der Wartestand dauert drei Jahre. Während dieser Zeit werden die Versetzten mit einem „Wartegeld“ versorgt, das, nach Landeskirchen verschieden, zwischen 50% und 80% des bisherigen Gehaltes ausmacht. Sie müssen für zugewiesene Vertretungsdienste zur Verfügung stehen und sollen sich, wenn nicht weitere Einschränkungen verhängt sind, auf freie, ihrer Ausbildung entsprechende Stellen im Kirchendienst bewerben. Bleiben diese Bewerbungen jedoch ohne Erfolg – denn welcher durch ein Abberufungsverfahren stigmatisierte Pfarrer hat noch eine Chance gewählt zu werden, wenn auch andere Bewerber zur Verfügung stehen oder eine initiierte Buschtrommel vor seiner Person warnt? – so endet die berufliche Existenz der aus ihren Gemeinden vertriebenen Pfarrer und Pfarrerinnen im Ruhestand, ganz gleich wie alt oder jung sie sind.

2. Damit bewirkt dieses Gesetz eine „Bestrafung“ ohne Schuldnachweis. Denn wenn auch Kirchenjuristen nicht von „Strafe“ sprechen wollen, sondern in den negativen Folgen für die Betroffenen nur eine Art „Kollateralschaden“ erblicken (vgl. den Begründungstext zu § 80 (1)), so entsprechen die beschriebenen Konsequenzen doch sehr deutlich einer hohen Disziplinarstrafe, wie sie etwa das Disziplinarrecht der EKD für erhebliche disziplinarische Vergehen vorsieht. In den hier besprochenen Fällen aber treffen diese Bestrafungen Personen, von denen das Pfarrdienstgesetz (§ 80(1)) ausdrücklich feststellt, dass die Gründe für die Konflikte, die in der Gemeinde entstanden sind, „nicht im Verhalten oder in der Person der Pfarrerin oder des Pfarrers liegen (müssen)“.
3. Wahrscheinlich sollten einmal alle an Konflikten beteiligten Personen durch den genannten Beisatz geschützt werden. („Schmutzige Wäsche“ soll nicht gewaschen werden, wie man immer wieder hört.) Doch in der Praxis hat auch diese Bestimmung eine ganz andere Wirkung. Sie ermöglicht, dass ohne Untersuchung, ohne Konfliktklärung, ohne Wahrheitsfindung Pfarrpersonen aus ihren Ämtern entfernt werden, da ja nun – wie es in der Begründung zu § 80 wiederholt heißt – alle Fragen nach Ursachen, Inhalt und den Verantwortlichen für einen Gemeindestreit „völlig unerheblich“ sind. Zitat: „Allerdings ist auch festzuhalten, dass es letztendlich unerheblich ist, wer die Zerrüttung und Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu verantworten hat oder verschuldet hat. Die Versetzung ist auch dann zulässig, wenn die Gründe für die Zerrüttung nicht in dem Verhalten der Pfarrerin oder des Pfarrers liegen; ebenso, wie sie im Charakter oder Verhalten der Pfarrerin oder des Pfarrers gegeben sein können, können die Gründe für eine Zerrüttung auch in dem Charakter oder Verhalten von Presbytern, Amtsbrüdern, kirchlichen Mitarbeitern oder Gemeindegliedern liegen. Eine Prüfung der Frage, wer oder was dem derzeitigen Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramts unmöglich macht, verbietet sich im Allgemeinen, weil diese Frage als solche unerheblich ist.“ (Aus dem jetzt „nichtamtlich“ genannten Begründungstext der EKD)
4. Damit ist Kirchenvorständen, aber auch Gemeindegruppen, die sich wegen irgendeiner Sache über ihren Pfarrer, ihre Pfarrerin geärgert oder sie zu ihren Sündenböcken erklärt haben, ein ganz einfaches und bequemes Mittel in die Hand gegeben, eine Pfarrperson zu vertreiben. Auch Superintendenten können einem Pfarrkollegen, den sie nicht mögen, mit leichtem Instrument übel mitspielen. Mögen die Paragraphen über das Vorgehen bei „lang anhaltender Störung“ auch als „ultima ratio“ ausgegeben werden, damit in nicht mehr anders zu lösenden Konfliktfällen eine Trennung herbeigeführt werden kann, – in der kirchlichen Praxis geben sie die rechtliche Möglichkeit an die Hand, immer schon als „prima ratio“ eingesetzt zu werden.
Als ein trauriges Beispiel aus jüngster Zeit sei hier das Verfahren genannt, das die evangelisch-lutherische Kirche von Hannover gegen den Gemeindepfarrer einer Kirchengemeinde im Emsland gegenwärtig betreibt. (Das Verfahren findet bereits auf der Grundlage des Pfarrdienstgesetzes der EKD von 2010 statt.) Die Fakten, die bei der öffentlichen Gerichtsverhandlung in Hannover zur Sprache kamen, seien hier aufgeführt:
Am 8.11.2012 bringt der in einer Kirchenvorstandssitzung anwesende Superintendent außerhalb der Tagesordnung das Gespräch auf die Arbeit des Pfarrers und fordert die Kirchenvorsteher – die in ihrer Mehrheit erst  5 Monate im Amt sind und auch erst 5 Kirchenvorstandssitzungen erlebt haben – dazu auf, ihre Kritik an dem Pfarrer zusammenzutragen. Dieser selbst wird währenddessen auf den Flur geschickt. Zu einer Aussprache über die Kritik kommt es mit ihm nicht. 4 Tage später beantragt der Superintendent im Einvernehmen mit den Kirchenvorstehern bei der Kirchenleitung, ein Verfahren wegen „mangelnden gedeihlichen Wirkens“ bzw. „einer nachhaltigen Störung in der Wahrnehmung des Dienstes“ gegen den Gemeindepfarrer einzuleiten. Dies geschieht am 27. Januar 2013, drei Monate nach der Antragstellung. Bis zu diesem Datum arbeitet der Pfarrer mit seinem Kirchenvorstand störungsfrei weiter. Doch scheint den Kirchenältesten verboten worden zu sein, das Konfliktfeld mit dem Pfarrer zu besprechen. In der Gemeinde gibt es keine Konflikte. Sie ist ahnungslos und wird von der plötzlichen Beurlaubung ihres Pfarrers völlig überrascht. 5 Monate später kommt dann im Sommer 2013 das Abberufungsverfahren zum Abschluss, der Pfarrer wird in den Wartestand versetzt und mit einem gesonderten Auftrag mit entsprechender Gehaltsabsenkung in drei Altenheimen an anderen Orten beschäftigt. Ist das die „Ultima ratio“, die die Beibehaltung und Anwendung des Ungedeihlichkeits- oder Störungsparagraphen rechtfertigt?

Bei der Verhandlung vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht am 28. März dieses Jahres waren auch Mitglieder des David-Vorstandes unter den Zuhörern. Sie haben notiert, wie der Vertreter der Landeskirche Hannover den „Tatbestand“ „Vertrauensverlust“ ins Feld führte. Nach seinen Worten ist das fehlende Vertrauen eines Kirchenvorstandes bzw. die entsprechende Behauptung eine ganz subjektive Sache, die nicht mehr hinterfragbar ist. Man muss solchen Aussagen einfach nur „glauben“. Aber solche Behauptungen führen laut PfDG EKD §§ 79ff direkt zu Versetzungen und damit zu Wartestand, Gehaltsreduzierung und häufig auch zum Berufsende der betroffenen Personen! (vgl. Anlage 5: Bericht von Frau Prof. Dr. Kittel an den Leiter der Rechtsabteilung des Kirchenamtes der EKD, Dr. Christoph Thiele.)

5. Noch ein fünfter Punkt sei hier hinzugefügt: Das Pfarrdienstgesetz in seinen §§ 79ff kann nicht nur als bequemes Rechtsmittel eingesetzt werden, um Pfarrpersonen, die in einen Konflikt hineingezogen oder geraten sind, ohne rechtsstaatliche Standards ihrer Ämter zu entheben, es kann auch schon im Vorfeld als Drohmittel dienen, um „freiwillige“ Abgänge zu erzielen. Der Kirchenstreit in der Taunusgemeinde Burgholzhausen, in dem die Gemeinde für ihren Pfarrer gegen den Kirchenvorstand – allerdings vergeblich – gekämpft hat, ist dafür ein eklatantes Beispiel, das in naher Zukunft ausführlich dokumentiert werden wird. Aus Furcht vor den angedrohten Verfahren mit der damit verbundenen Stigmatisierung, die einen Wechsel in ein anderes Amt nahezu unmöglich macht, gehen viele Pfarrpersonen lieber freiwillig aus der ihnen anvertrauten Gemeinde heraus oder lassen sich – so oftmals in früheren Zeiten – vorzeitig pensionieren. In den Statistiken der EKD kommen diese Fälle der erpressten Rückzüge in Wartestand oder vorgezogenen Ruhestand natürlich nicht vor, obwohl sie an Zahl die stattfindenden Abberufungen noch einmal deutlich übersteigen dürften.

6. Nach Kenntnis des Vereins D.A.V.I.D. hat es seit seinem Bestehen, also in den letzten 15 Jahren, EKD-weit bis zu 400 Ungedeihlichkeitsverfahren, zumindest deren Androhungen, gegeben. Über die Hälfte sind von Mitgliedern des Vereins – z.T. über mehrere Jahre – aktiv begleitet worden. Darüber hinaus ist aber von einer noch höheren Dunkelziffer auszugehen, da in der Vergangenheit betroffene Pfarrpersonen sich nicht mehr äußern, die Türen fest hinter sich verschlossen haben.

Sehr geehrter Herr Oberkirchenrat Frehrking! Wenn Sie Mitte Mai Ihre Tagung in Pullach halten, so möchten wir Sie dringend bitten, auch diese Auswirkungen in die Praxis der evangelischen Gemeinden hinein mit in den Blick zu fassen. Die angefügten Anlagen mögen Ihnen dazu eine Textgrundlage bieten.

Mit freundlichen Grüßen!

Ingrid Ullman            Sabine Sunnus                Dr. Karl Martin
Vorsitzende des Vereins    Stellvertretende Vorsitzende        Schriftführer des Vereins
D.A.V.I.D. gegen Mobbing    des Vereins D.A.V.I.D.            D.A.V.I.D. gegen Mobbing
in der evangelischen Kirche    gegen Mobbing in der ev. Kirche    in der evangelischen Kirche

D.A.V.I.D. – Ingrid Ullmann, Brabanter Str. 12, 65191 Wiesbaden

Das Schreiben ist gerichtet
An
Herrn Oberkirchenrat
Christian Frehrking
Lutherisches Kirchenamt der VELKD,
Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover

In Kopie an:

Herrn Oberkirchenrat
Dr. Christoph Thiele
Kirchenamt der EKD
Herrenhäuser Str.12,   30419  Hannover

Herrn Dr. Friedrich Hauschildt
Kirchenamt der VELKD
Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover

Die Leitenden Juristen in den Kirchenämtern
der evangelischen Landeskirchen

Herrn Rektor PD Dr. Detlef Dieckmann-von Bünau
Theologisches Studienseminar der VELKD
Bischof Meiser Straße 6, 82049 Pullach

Internet: www.david-gegen-mobbing.de; E-Mail: info@david-gegen-mobbing.de

Potentialanalyse der EKHN von INI infrage gestellt

INI – die Initiative für ein gerechtes Kirchenrecht in der EKHN richtete folgenden Brief an Kirchenpräsident Volker Jung:

Rechtspraktiken in EKD und EKHN bedürfen dringend sachkundiger Überprüfung

Sehr geehrter Herr Kirchenpräsident Dr. Jung,
da es auch in der EKHN folgenschwere Verfahren wegen “Ungedeihlichen Wirkens“ gab, deren rechtliche Grundlage der des Pfarrdienstgesetzes der EKD vergleichbar ist, fügen wir eine Kurzfassung des Schriftwechsels mit EKD-Leitungsgremien an, mit der dringenden Bitte um Beachtung.
Seit langem empfinden sachkundige Gemeindeglieder und wir noch weitere Rechtspraktiken der EKHN als inakzeptabel: So wird z. B. in einer Rechtsverordnung die Aufnahme von Vikarinnen und Vikaren in den praktischen Vorbereitungsdienst von der “erfolgreichen Teilnahme an einer Potentialanalyse“ abhängig gemacht. Längst ist jedoch bekannt, dass der Erkenntniswert von Potentialanalysen nahe NULL tendiert, zumal sie auf Momentaufnahmen beruhen. Hinzu kommt, dass deren wissenschaftliche Basis äußerst schwach ist. Umfragen bei Ausbildern in Behörden und Konzernen haben ergeben, dass derartige Analysen entweder eingestellt worden sind oder nur zu einem sehr geringen Anteil in das Gesamtergebnis einer Beurteilung einfließen. Seit langem wird dies auch von Synodalen gefordert (z. B. in der 9. Synode: 7, 8, 9, 12. Tagung). Stattdessen sollte mit der persönlichen Begleitung von Pfarramtskandidaten /-innen durch Lehrpfarrer, Ausbildungsleiter usw. so früh wie möglich begonnen werden, damit ggf. noch eine Umorientierung möglich ist.

INI-Ki-Recht_EKHN_Potent’analyse.

Die Kritik am Pfarrdienstrecht 2010 bleibt auch 2013 bestehen

Die Kritik am Pfarrdienstrecht der EKD 2010 bleibt auch 2013 bestehen
Hans-Eberhard Dietrich, 12. Juli 2013

Insgesamt 10 Paragraphen (§39, 79, 80, 83-86, 92-94) ermöglichen es den Kirchenverwaltungen, so wie bisher auch, Pfarrerinnen und Pfarrer aus den unterschiedlichsten Gründen zu versetzen, das Gehalt zu kürzen, zurückzustufen und zwangsweise zu pensionieren. Wie bisher auch gilt dabei als ein Grund die Ungedeihlichkeit, jetzt umbenannt in „nachhaltige Störung in der Wahrnehmung des Dienstes“ ( § 79).

Kritik an Wartestand und Ungedeihlichkeit im Gesetz von 2010 und an den bisherigen Regelungen gibt es seit Jahren, z.B. einzelne Pfarrervertretungen und Pfarrvereine, Melsunger Initiative, Interessengemeinschaft Rechtsschutz für Pfarrerinnen und Pfarrer, D.A.V.I.D., Initiative für ein gerechtes Kirchenrecht (Hessen), Theologen (z.B. Professorin Gisela Kittel- Schleudersitz für Gemeindepfarrer; – Dr.Traugott Schall – Das Kuckucksei im Pfarrerdienstrecht; Dr. Karl-Heinz Drescher-Pfeiffer – Ist Willkuer theologisch zu begründen: Oder Wie häretisch ist der Wartestand?) und viele Nichttheologen. Mehr dazu.

Melsunger Initiative

Wir nennen uns nach dem hessischen Ort Melsungen bei Kassel, dem ersten Tagungsort dieses Kreises im Januar 2005. In den letzten Jahren tagen wir allerdings in Fulda.

Wir sind ein Kreis von Gemeindegliedern und Pfarrerinnen und Pfarrern, die sich für Kirchenrecht, insbesondere Kirchenverfassung, Kirchengemeindeordnung und Pfarrerdienstrecht engagieren.

Mehr dazu.

Kirche nicht durch Grundrechte gebunden?

Ein Brief der INITIATIVE für ein gerechtes Kirchenrecht in der Ev. Kirche in Hessen und Nassau

an das Präsidium der EKD- Synode betreffend das

Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften – Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV

„… Nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV “ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes“. Mit diesen rechtlichen Schranken können demzufolge nur die Grundrechte und die darauf basierenden Rechtsnormen gemeint sein. Welche denn sonst? Für diese Annahme spricht auch der Gottesbezug in der Präambel unseres Grundgesetzes. Denn bekanntlich sind diese staatsbürgerlichen Grundrechte von unseren christlichen Grundwerten abgeleitet (Menschenwürde, Achtung des Nächsten, Wahrheit, Gerechtigkeit u. a.). Unzählige Menschen weltweit beneiden uns darum.

Umso unfassbarer ist es, dass ausgerechnet die Kirche sie missachtet, anstatt sie zu schützen. So schreibt z. B. die Verwaltungskammer der Ev. Kirche im Rheinland in einem Urteil (VK 16/2006):

“Die Kirche ist nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV in der Ausgestaltung ihres Dienstrechtes unabhängig. Daraus folgt, dass sie generell weder durch die Grundrechte noch durch … gebunden ist“…“ Lesen Sie den Brief an das EKD-Präsidium_Art-140 GG.