Schlagwort-Archive: Jugend

Studie: Europas Jugend misstraut Politik und Religion

05/2017

Auch Medien und Kirchen schnitten bei der Umfrage schlecht ab. Von allen Institutionen wird den religiösen am wenigsten Vertrauen entgegengebracht: 58 Prozent der jungen Europäer vertrauen ihnen laut Studie gar nicht und weitere 28 Prozent eher nicht. Volles Vertrauen gaben in allen Ländern jeweils weniger als drei Prozent der Befragten an…

Mehr dazu.

Die Bundeswehr als Sponsor von Fußballvereinen

Auf der Suche nach RekrutInnen ist die Bundeswehr auf Werbung angewiesen. Im Fernsehen und Internet wirbt sie mit jugendaffinen Spots. Es ist im hohem Maße problematisch, da man auf junge Rekrutinnen angewiesen ist. Jugendliche und junge Erwachsene werden gebraucht und müssen auf der anderen Seite mit ihrer noch nicht gefestigten Persönlichkeit geschützt werden. Das Werben der Bundeswehr ist daher genau zu überprüfen. Werden potentielle RekrutInnen über Chancen, Pflichten und Risiken ihrer Arbeit informiert oder mit martialischen Maschinen, Abenteuerurlauben und selektiver Wahrheit geblendet.

Die Taz berichtet, dass die Bundeswehr nun auch verstärkt im Amateurfußball wirbt. Schließlich finden sich hier Jugendliche, die sich für „Teamgeist, Kameradschaft und Einsatz“ begeistern lassen.

Sie säen nicht. Sie ernten nicht… Zur 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD.

von Friedhelm Schneider.
Die sprunghaft angestiegene Distanz der Jugendlichen zur Kirche müsste am meisten aufrütteln: 52% der Jugendlichen sind distanziert und 20% denken ernsthaft über Austritt nach. Das ist hart. Aber das ist aus Sicht der Jugendlichen auch fair. Warum?

Betrachten wir einfach Jugendarbeit der Kirchen in den zurückliegenden 2 Dekaden und nehmen wir die EKHN. 1997 pilotiert die EKHN mit dem Projekt „Prioritätenplanung und Ressourcenkonzentration“ eine neue Art der Reform, die sich von dem vorausgehenden Reformansatz, wie er 1992 in „Person und Institution“ angelegt war, distanzierte. Im Nachhinein ist klar: es war eine vorbereitende Phase des Organisationsumbaus der Kirche, der dann mit „Kirche der Freiheit“ obsiegte. Einer der ersten, stante pede umgesetzten Beschlüsse von 1997: Reduktion der Gemeindepädagogenstellen um 20%. Gemeindepädagogen – also das Personal, das in der EKHN wesentlich für die Jugendarbeit zuständig ist. Das war der massive Einstieg in das Downsizing der Jugendarbeit. Und in das Downsizing generell: des Abbau auch von Pfarrpersonal, auch von Zuweisungen für die Arbeit an der Basis, auch von Gebäuden, auch von… McKinsey ließ schon damals grüßen. Nur ein konkretes Beispiel: gab es damals in meinem Stadtteil Darmstadts mit 25000 Einwohnern noch 2 kirchensteuerfinanzierte Stellen für die Jugendarbeit, so ist es heute noch ca. eine halbe Stelle, ergänzt durch einen gemeindefinanzierten (!) Stellenanteil. Der Personalabbau mag an anderer Stelle etwas moderater erfolgt sein und punktuell mag es Unterschiede geben. Aber es kommt hinzu, dass die Pfarrerschaft heute aufgrund der Überalterung für die Jugendarbeit ebenfalls nicht mehr in dem selben Umfang wie früher zur Verfügung steht. Und dass man den Religionslehrern die Fortbildungsstätte im noblen Kronberg genommen hat, ist ein symbolischer Akt gegen eine ganze Berufsgruppe, deren Unterstützung die EKHN offensichtlich auch nicht nötig zu haben scheint.  Punktuelle neue Angebote wie einen alle 2 Jahre stattfindenen Jugendkirchentag können solche Verluste bei weitem nicht kompensieren…  Generell bleibt die Innovationsleistung als Folge der Streichorgie und Marginalisierung des Arbeitsfeldes hinter den Erfordernissen zurück.  52 Prozent distanzierte! Da machen ein paar Sonnenstrahlen noch keinen Sommer. Die Jugendarbeit ist das fünfte Rad am Wagen der Kirche. Da können sich die Mitarbeiter an der Basis noch so mühen und abrackern, sie können durch ihre Person die harte Politik der Kirche gegenüber den Jugendlichen vielleicht etwas abfedern. Sie können sie aber nicht ungeschehen machen. Wen wundern also die Ergebnisse der neuen Mitgliedschaftstudie? In anderen Landeskirchen mag die Entwicklung in der konkreten Ausgestaltung differieren. Die Politik ist aber im Prinzip dieselbe. Sie säen nicht. Sie ernten nicht…

In den letzten sieben Jahren fährt die EKHN fünf mal Haushaltsüberschüsse in Höhe von 40 bis 70 Mio.€ ein! Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch?

Als die EKHN vor einigen Jahren – wieder einmal – einen Haushaltsüberschuss von 40 Mio. € verbuchen konnte, regte ich in kleiner Runde an, diese Mehreinnahmen diesmal nicht in die Rücklagen zu schieben, sondern komplett in die Jugendarbeit (mit einem professionellen 10-Jahreskonzept etc.) zu investieren. Ich erntete seitens einer anwesenden kirchenleitenden Person nur verständnislose Blicke und den Hinweis, dass sich einem solchen Vorschlag in der Kirchenleitung wohl niemand anschließen würde. Wie auch? Haben nicht alle leitenden Personen internalisert: die Kirchen müssten Rücklagen bilden? Da tut es nichts zur Sache, dass die EKHN ihr Soll der Rücklagenbildung schon zu 100% übererfüllt hat, weil 70% als ausreichend gelten. Gewinne für Rücklagen, aber keine Investitionen in die Mitglieder, hier in die Jugendlichen. Das ist die von den Finanzdezernenten ausgegebene Finanzpolitik. Und die bildet das „Management“-Konzept der Kirche. Ein Konzept, das einigen grundlegenden irrtümern aufsitzt. Halten wir uns an Prof. Fredmund Malik, den Doyen des europäischen Managements aus St. Gallen: „Die Meinung, dass der Zweck von Unternehmen der Gewinn sei, ist so alt wie irreführend.. .Alle paar Jahre taucht sie in einem neuen Kleid auf… diesmal in der Sharholder-Value-Theorie…Wer sich am Shareholder-Value… orientiert, hat die Gewissheit, dass er systematisch falsche, das heißt das Unternehmen schädigende Entscheidungen trifft.“

Das ist in der Kirche passiert. Es wurden systematisch falsche Entscheidungen getroffen. Die Jugendlichen waren außerhalb des Horizonts der Kirchenleitungen und der „Hohen Häuser“ der Synoden. Die Jugendlichen werden mit den Angeboten und mit der Botschaft in der Breite nicht mehr erreicht. Es fehlt an Mitarbeitern. Und es fehlt dadurch bedingt auch an Innovationen. Es fehlt an schlüssigen Antworten auf die Herausforderungen des Wechsels von der analogen in die digitale Welt. Angesichts erhöhter Anforderungen konnte die Strategie nicht darin bestehen die Mittel zu kürzen. Das Gegenteil wäre richtig gewesen: man hätte investieren müssen. In die Jugend, und nicht in Maßnahmen, die die  Bürokratie aufbauschen ohne nennenswert bessere Leistungen im Sinne einer Unterstützung für die an der Basis arbeitenden PfarrerInnen u.a. hervorzubringen! Und wie geht es weiter: Dass Pfarrerinnenmangel droht, hat sich herumgesprochen. Wie sieht es denn mit dem Nachwuchs bei den Gemeindepädagogen aus?

Nikolaus Schneider kündigt an, man wolle aus der Studie lernen. Was aber passiert gerade in seinen Stammlanden, der EKiR? Der Finanzbedarf für die Bürokratie steigt aufgrund der von ihm zu verantwortenden Umbauprozesse. Aufgrund der Einführung der Doppik in den Regionalverwaltungen wird mehr mehr Personal für die (in diesem Falle: nutzlose!) Bürokratie benötigt. Um solche Stellen finanzieren zu können muss man in manchem Kirchenkreis an anderer Stelle einsparen. An welcher? Man muss nicht dreimal fragen – selbstverständlich spart man da, wo sich keiner wehrt – an der Jugendarbeit. So höre ich. Damit die Bürokratie lebe, stirbt die Jugendarbeit! Und so wird es vielen Kirchenkreisen der EKiR gehen –  und vielen Landeskirchen. Nikolaus Schneider…

Was heißt das für die Zukunft der Kirche? Die Jugendlichen werden zunehmend weniger von der Kirche erreicht. Die schon heute ihren Austrittswillen bekunden, werden ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit umsetzen. Denn dieser Wille wird nur schwer und mit hohem Aufwand zu korrigieren sein. Die Austrittsquote steigt und damit werden die Kirchensteuereinnahmen, Spenden oder Beiträge weiter sinken. Man muss also die Kausalketten richtig erkennen! Weil man nicht in die Jugend investiert hat, werden Kirchensteuereinnahmen sinken! Man weiß freilich schon heute, wie die Finanzdezernenten dereinst bei rückläufigen Einnahmen in Verdrehung der Ursachenketten behaupten werden: „Gut, dass wir damals Rücklagen gebildet haben…“ Dabei werden zukünftige Rückgänge der Einnahmen auch auf ihre verfehlte Finanzpolitik heute, namentlich auf die verfehlte Kirchenpolitik gegenüber der Jugend, zurückzuführen sein! Das Problem des Managements der Kirche besteht darin, dass es nicht ganzheitlich denkt und agiert. Es folgt de facto einem beschränkten, monetären Gewinnbegriff. Noch einmal Malik: „Mit einem zu kurz gegriffenen Gewinnbegriff ist noch immer der Untergang eines Unternehmens eingeleitet worden.“ Insofern darf man die aktuellen Haushaltsüberschüsse zwar als vergänglichen Segen betrachten. Mehr noch sind sie aber Menetekel: Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch… – Noch!

Friedrich Voßkühler: Etwas fehlt! Bildung zwischen persönlicher Sinnsuche und […] (Rezension)

Das vorliegende Buch befasst sich mit dem Bildungsbegriff. Diesem Bildungsbegriff mangelt es an etwas, und das, woran es ihm mangelt, ist nichts Geringeres als der Sinn. Wenn in diesen Tagen von notwendigen Bildungsreformen die Rede ist, handelt es sich um die Reform einer sinnlosen bzw. sinnentleerten Bildung. Eine solche Reform füllt die Leere nicht aus, und der Grund, warum das nicht der Fall ist, liegt schlicht und ergreifend darin, dass die Leere nicht in den Blick gerät. Das aber ändert nichts daran, das etwas fehlt. Der Autor von „Etwas fehlt! Bildung zwischen persönlicher Sinnsuche und sozialer Emanzipation“ nimmt sich dieser Leere im Bildungsbegriff an, er durchdenkt sie und beleuchtet sie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Die rund 190 Seiten stellen dabei nicht nur eine Kritik der Bildung, sondern auch eine radikale Gesellschaftskritik dar, in der eine solche sinnentleerte Bildung stattfinden kann. zur Quelle.
zum Autor: Friedrich Voßkühler war über dreißig Jahre lang Gymnasiallehrer in den Fächern Deutsch, Biologie, Ethik und Philosophie. Er ist nach wie vor als außerplanmäßiger Professor für Philosophie an der TU Darmstadt tätig.

‚Vom vielen Wiegen wird die Sau nicht fett‘ – ein Lob der Schule von Prof. Joachim Bauer (Rezension)

Schule wie Kirche?  Parallele Entwicklungen in unterschiedlichen Institutionen. Eine Buchempfehlung – nicht nur für Mitarbeiter in der Kinder- und Jugendarbeit!

Joachim Bauer: Lob der Schule. Sieben Perspektiven für Schüler, Lehrer und Eltern. Hamburg 2007 ISBN 978-3-455-50032-5

Gut zu lesen, kurz und knapp, aber doch sehr bildreich beschrieben („’Vom vielen Wiegen wird die Sau nicht fett‘- und Schüler werden vom Testen nicht klüger.“ S. 120) All dies empfinde ich für unsere kirchliche Arbeit nicht nur mit Kindern und Jugendlichen äußerst entlastend und hilfreich zu hören.

Worum geht es?
– ungeschminkt wird die Situation des Lehrers vor einer Klasse beschrieben;
– die universitäre Ausbildung der Lehrer wird kritisch gesehen und Vorschläge zur Verbindung von Universität und Schule ähnlich wie bei den Medizinern gemacht;
– vor allem aber wird das Urteil über Lehrer in der Politik und Öffentlichkeit schärfstens abgelehnt, denn Lehrer leisten Schwerstarbeit;
– der Einfluss der elektronischen Medien auf die Kinder und Heranwachsenden wird in seinen negativen Auswirkungen insbesondere auf die Gewaltbereitschaft benannt;
– es werden in kurzen und klaren Worten Orientierungen für den Lehrer gegeben, wie er sich angesichts dieser Situation verhalten und seine eigene Gesundheit schützen kann.
– Es wird auf die Untersuchungen der Gründe für die hohe Zahl der früh berenteten oder pensionierten Lehrer hingewiesen.
– Die Übernahme von Mess- und Kontrollsystemen, die von außen nicht nur auf Schulen, sondern auch auf „Industriebetriebe, Dienstleistungseinrichtungen, Arztpraxen, Krankenhäuser oder Schulen“ wird kritisiert, da sie die Tendenz haben, „zu parasitären Apparaten zu werden, zu Biotopen, in denen sich viele Zaungäste ernähren, ohne letztlich die Einrichtungen zu stärken, die sie evaluieren und kontrollieren sollen.“ (S. 120) – Als Kirche beginnen wir damit ja gerade in großem Maßstab.

Wichtige Parallelen zur kirchlichen Situation:
– Vor allem die drei Seiten über die „Beziehungen im Lehrerkollegium“ und den Umgang mit Klagen von Eltern und Schülern über Kollegen ist sicher für viele von unseren Mitarbeitergruppen sehr hilfreich. Ein professioneller, an Qualitätsmangagements (QM)ausgerichteter Prozess wird hier gefordert: schriftliches festhalten der Beschwerden, Schaffung eines Vertrauensgremiums, das aufgrund dessen Rücksprache hält und diese Beschwerden einordnet als üble Nachrede oder berechtigt. (S. 60ff)

Joachim Bauer ist Medizin Professor und Psychotherapeut. Er leitet das Münchener Institut für Gesundheit in pädagogischen Berufen“ . Bei Hoffmann und Campe sind 2005 und 2006 weitere sehr lesenswerte Bücher erschienen, die über die Wirkung unserer Spiegelneuronen Auskunft geben.

K.D.