Schlagwort-Archive: Kirchenfinanzierung

Luxemburg: Trennung von Kirche und Staat schreitet voran.

06/2015

Nur noch eine Konvention und ein Ansprechpartner für beide protestantischen Kirchen

Weniger Geld aus der Staatskasse, aber eine Zusicherung der Eigenständigkeit ihrer Kirche, das bedeutet in Kürze eine neue Konvention zwischen Staat und Kirche für die Reformierten in Luxemburg.

Seit Anfang 2014 hat die Regierung in Luxemburg mit den Kirchen im Land verhandelt, um das Verhältnis zwischen Glaubensgemeinschaften und Staat neu zu regeln. Am 26. Januar dieses Jahres unterzeichneten die Vertragskirchen eine neue Konvention. Die Autonomie der Protestantisch-Reformierten Kirche von Luxemburg wird respektiert, aber die Reformierten haben keinen eigenen Ansprechpartner mehr bei der Regierung, Staatsgelder müssen die Protestanten unter sich verteilen und der Betrag der Staatsgelder für Glaubensgemeinschaften wurde stark gekürzt...  Zum Bericht.

Last exit Kultussteuer?

von Friedhelm Schneider

Abbauprozess gemeindlicher und funktionaler Dienste bei steigenden Einnahmen – das war die EKD-Kirchenpolitik der zurückliegenden 8 Jahre. Die Kirchen brauchen sich zeitgleich seit 2005 über mangelnde Steuereinnahmen nicht beklagen. Die entsprchenden Einnahmen stiegen innerhalb der EKD von 2005 mit 3,617 Mrd. € bis 2013 auf – sagen wir es offen: sagenhafte – 4,842 Mrd. €.  Gleichzeitig wurde gegenüber Gemeinden und funktionalen Diensten im selben Zeitraum eine rigorose Sparpolitik durchgesetzt und betrieben. Mithin fand ein Abbauprozess bei steigenden Einnahmen statt. Mit den so „freigesetzten“ Finanzmitteln wurde ein seit der Nachkriegszeit vom Umfang her unbekannter, offensichtlich auf Dauer angelegter Umbauprozess der Kirchenstrukturen mit dem Ziel einer katholisierenden, hierarchischen Top-Down-Struktur ins Werk gesetzt. Wen wundert es, dass sich da aus evangelisch-theologischer Sicht Widerspruch regt? Widerspruch auch gegen ein Finanzierungsinstrument Kirchensteuer, mit deren Hilfe solche theolgisch fragwürdigen „Reformen“ erst möglich wurden? Jochen Teuffel ist nicht das einzige, aber ein profiliertes Beispiel für theologisch motivierte Kritik an der Kirchensteuer.

Ob die Quellen der Kirchensteuer freilich weiter üppig sprudeln, wird offiziell bezweifelt. Und zwar nicht nur, weil diese sehr stark von der Konjunktur abhängt. Bei der postwendenden, massenhaften Austrittsreaktion auf die als genialer Coup geplante Kirchensteuer auf Kapitalerträge könnte es sich um mehr handeln als bloßes Missverstehen. Es könnte ein Menetekel sein. Wer zahlt freiwillig Kirchensteuer, um aufgeblähte Kirchenstrukturen oder einen ausgeprägtem Verwaltungwswasserkopf zu finanzieren? Die 5. KMU zeigt recht anschaulich, dass die Bindekraft der Kirchen gerade in den zurückliegenden „Reformjahren“ deutlich gelitten hat. Und zwar besonders unter jungen Menschen, die somit morgen als Kirchensteuerzahler ausfallen. Hat man also die Überschüsse falsch investiert? Der eine oder andere der Finanzverantwortlichen hat mittlerweile wohl kalte Füße und bezweifelt die zukünftige Tragfähigkeit des Systems der Kirchensteuer. Ein Indiz dafür ist der offiziöse Vorschlag einer Kultussteuer nach italienischem Muster, von der sich die Kirche finanziell wohl gewisse Vorteile erhoffen kann – in der Zeit nach der Kirchensteuer. Vorgetragen wird sie in einer landeskirchlichen Broschüre, in der auch der Finanzdezernent der EKD Thomas Begrich eine tragende Rolle spielt. In der EKD rüstet man sich also schon für die Zeit danach. Dass sich die Kirche mit einem solchen Vorstoß Kultussteuer nicht viel neue Freunde schaffen wird, dürfte unmittelbar einleuchten. Aber noch ist es nicht so weit. Alternativen zum „last exit“ Kultussteuer wären gefragt. Eine mögliche zeigt die kleine Gemeinde Geilsheim/Bayern. Weitere, insbesondere kreative Alternativen wären vonnöten, gewiß. Enwickeln können wird man sie aber nur dann, wenn man sich in den Möglichkeitsmodus begibt. Und also Zwangsformen ablegt. Gerade das aber fällt der Verwaltung extrem schwer. Weswegen man an solchen Lösungen wohl selbst wird arbeiten müssen.

 

Kultussteuer – Ein Plädoyer. Von Michael Eberstein


Immerhin müssten alle ihre Steuer bezahlen, also auch Menschen, die sonst der Kirche fern bleiben. Ihnen liegt vielleicht einfach am Erhalt des Gebäudes. Oder der Möglichkeit, an Kulturangeboten wie Konzerten teilhaben zu können. Einen anderen, vielleicht auch größeren Teil, würden diese Menschen auch anderen Kultureinrichtungen und -anbietern zukommen lassen, womöglich auch sozialen Einrichtungen…

Zugegeben, eine solche Steuer brächte die Kirchen in die Verlegenheit, ihre Aufgaben und Projekte überzeugend zu vertreten, um in der Konkurrenz mit anderen Anbietern mithalten zu können. Denn was sollte schlecht sein an „Prüft aber alles, und das Gute behaltet.“ (1.
Thess 5,21).

scrollen Sie die Broschüre durch bis auf S. 20. Dort finden Sie den Beitrag.

 

Entscheidend ist der Pfarrer vor Ort. Von Prof. Enno Bünz

Prof. Dr. Enno Bünz, Leipzig. Mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Leserbrief in der SZ vom 06.10.14, S.15 zum Thema „Pfarrreifusionen – Schwere Last für die Kirchen“

„Dieses vehemente Plädoyer, die Kirche im Dorf zu lassen, habe ich mit großer Zustimmung gelesen. Das Gotteshaus vor Ort ist weit über die rein kirchliche Funktion hinaus ein identitätsstiftender Faktor, und dazu gehört ein Blick in die Geschichte, der bei Henkel zu kurz kommt. Theodor Fontane hat einmal treffend geschrieben, nur die Dorfkirchen „stellen sich uns vielfach als die Träger unserer ganzen Geschichte von Pfarreien dar“. Nicht nur in der Mark Brandenburg umspannen die alten Kirchengebäude mit ihrer historischen Ausstattung vielfach die gesamte Ortsgeschichte von der Dorfgründung bis zur Gegenwart. Bei den vielen dörflichen Kirchengründungen seit dem Mittelalter ging es keineswegs nur darum, ein Kirchengebäude zu errichten, sondern ebenso wichtig war es, den Pfarrgeistlichen dauerhaft zu finanzieren. Dafür musste mit Landbesitz und Einkünften eine Pfründe ausgestattet werden. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts ist das Pfründenwesen abgeschafft worden, und die Pfarrer (katholische wie evangelische) wurden zu Gehaltsempfängern der Bistümer oder Landeskirchen. Die Einführung der Kirchensteuer schuf dafür Grundlagen und ermöglichte übrigens, dass die Pfarrer nun einheitlich besoldet wurden, während sie vorher als Pfründenbezieher von Ort zu Ort recht unterschiedliche Einkommenssituationen vorfanden. Dieses System der Kirchenfinanzierung hatte sicherlich seine Nachteile und Schattenseiten (arme und reiche Pfarrer), sorgte aber dafür, dass die Gemeinden ganz andere Gestaltungsmöglichkeiten hatten als heute, wo über den Weg der (staatlich eingezogenen) Kirchensteuer ein Großteil der finanziellen Ressourcen nicht mehr vor Ort verbleibt. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung des Verfassers, „Amtskirche beseitigt Volkskirche“, besonders schmerzlich, denn die Amtskirche hat eine Verantwortung für die Kirche vor Ort.

Zur schonungslosen Analyse der heutigen kirchlichen Lage gehört allerdings auch der Befund, dass die Zahl der Priesterweihen in der katholischen Kirche seit über einem halben Jahrhundert massiv zurückgegangen ist und dass dieser Trend mittlerweile auch in der evangelischen Kirche wirkt. Zunehmend haben die Amtskirchen massive Probleme, alle Pfarrstellen zu besetzen. Dass die Kirchenbindung spürbar nachlässt, schlägt sich nicht nur in einer schwindenden Zahl von Berufungen nieder, sondern in einer immer geringeren Teilnahme der Gläubigen am kirchlichen Leben, auch auf dem Dorf, und in einer wachsenden Zahl von Kirchenaustritten in beiden Großkirchen. Darauf geht Herr Henkel in seinem pointierten Artikel nicht weiter ein.
Es geht aber nicht nur um das Gotteshaus auf dem Dorf, dem sich die Gemeinde verbunden fühlt, und es kommt auch nicht nur auf die lokalen kirchlichen Gremien an, in denen sich die Gemeindemitglieder engagieren können. Entscheidend ist der Pfarrer vor Ort, der das Wort Gottes verkündet und die Gläubigen anspricht. Das schafft Kirchenbindung. Wenn es darauf nicht mehr ankommt, reichen Fördervereine für die Erhaltung der Dorfkirchen.“